Friedliche Auseinandersetzungen zwischen Christen und Heiden

Aethlwulf

Neues Mitglied
Hallo,
mich interessiert, ob es im frühen Mittelalter auch friedliche Auseinandersetzungen zwischen Christen und Heiden im Raum Mitteleuropa gegeben hat.
Über kriegerische Auseinandersetzungen gibt es genug Berichte im Netz, aber es bleibt immer offen, wie das Neben- und Miteinander zwischen Christen und Heiden aussah, beispielsweise im Handel. Oder wie sind die Klöster mit den Heiden umgegangen? Gab es friedliche Gespräche zwischen den Kulturen?
Ich hoffe, ihr könnt mir helfen und vielleicht auf ein paar gute Quellen hinweisen.
Freundliche Grüße,
Aethwulf
 
Im Zuge der Kreuzzüge hat sich das Bild der Heiden durchaus gewandelt. Wolfram v. Eschenbach schuf das Bild eines 'edlen Heiden', wie er z.B. von Saladin repräsentiert wurde. Dieser edle Heide ist dem christlichen Kreuzfahrer an menschlichen Eigenschaften durchaus gleichwertig und daraus erwächst ein tragischer Konflikt, wenn ein Ritter gegen einen achtbaren Gegner zum Kampf zwischen Gott und Heiden antreten muss. Von Toleranz kann man aber noch nicht sprechen, aber wohl von einer vertieften Humanität.
 
Handel zwischen Christen und Heiden
Haithabu war offensichtlich ein Platz, an dem Beide mit einander handelten.
Spanien dto, Venedische Kaufleute handelten mit Muslimen, Jerusalem und die Kreuzfahrerstaaten.
 
Das sind gute Beiträge, danke. Nur meinte ich eigentlich die Heiden in Mitteleuropa, also die Germanen und Kelten. Entschuldigt, da habe ich mich vorhin unklar ausgedrückt. So etwas wie Haithabu z.B. kann ich gut gebrauchen, damit komme ich schonmal weiter.
 
Im Zuge der Kreuzzüge hat sich das Bild der Heiden durchaus gewandelt. Wolfram v. Eschenbach schuf das Bild eines 'edlen Heiden', wie er z.B. von Saladin repräsentiert wurde. Dieser edle Heide ist dem christlichen Kreuzfahrer an menschlichen Eigenschaften durchaus gleichwertig und daraus erwächst ein tragischer Konflikt, wenn ein Ritter gegen einen achtbaren Gegner zum Kampf zwischen Gott und Heiden antreten muss. Von Toleranz kann man aber noch nicht sprechen, aber wohl von einer vertieften Humanität.
Ob dieses romantisierende Bild Saladins der Realität entsprach, kann man diskutieren, m.W. war Wolfram nie im Orient. Letztendlich war auch Saladin Pragmatiker und Kind seiner Zeit, der lieber Lösegeld kassierte als hinrichten ließ - egal ob seine Gegner nun Christen oder Muslime waren. Allerdings scheute er sich auch nicht, alle gefangenen Templer - seine gefährlichsten Widersacher in der Schlacht - massakrieren zu lassen. Eine gegenseitige Aufrechnung der Vorfälle jener Epoche aus heutiger Sicht ist unangebracht.
 
Es ergibt sich ein terminologisches Problem: Im mittelalterlichen Sprachgebrauch (siehe u.a. den genannten Wolfram) sind Muslime Heiden.* Heute würde niemand mehr - außer ideologisch motiviert - von Muslimen als Heiden sprechen.
Ich nehme aber an, dass Muslime hier nicht gemeint sind, sondern wirklich die Anhänger der alten Religionen.



*Die Muslime waren diesbezüglich nicht viel besser. Je nach Großwetterlage waren Christen entweder Naṣrāni (Nazarener = Christen) oder Ahl-al-Kitāb ('Leute des Buches'/Angehörige der Buchreligionen) oder auch Mušrikūn (Polytheisten, Götzendiener, basierend auf einem wohl nicht immer ganz unbeabsichtigten Missverständnis der Dreifaltigkeit).
 
Ich habe die Frage durchaus auch so verstanden, ob man sich nur die Köpfe eingeschlagen hat oder ob es auch andere Auseinandersetzungen zwischen Christen und Heiden gab. Und Wolfram wäre zumindest ein Beleg dafür, dass sich das Bild der Heiden gewandelt hat. Und das setzt auf jeden Fall mal Überlegung voraus. Ob das Bild realistisch war, steht auf einem anderen Blatt.
 
Guck mal in http://www.uppakra.se/backup/docs/uppakra6/17_Jons.pdf .

Dort wird für den (wendischen) Handelsplatz Groß-Strömkendorf (nahe Wismar) von Grabfunden berichtet, die erhebliche skandinavische sowie säschsich-friesische Bevölkerungsanteile nahelegen.

Wie weit diese damals (8. / frühes 9. Jh) aber schon christianisert waren, ist eine andere Frage - die Christianiserung Sachsens begann ja erst mit / nach den Sachsenkriegen Karls des Großen, also im späten 8. Jh.

Der gleiche Einwand gilt für Haithabu, dass im Übrigen ja von den heidnischen Obodriten mehrmals angegriffen und letztendlich auch zerstört wurde.
 
m.W. war Wolfram nie im Orient.

Man weiß es nicht. Die arabischen Ausdrücke, die er verwendet, verweisen deutlich nach Spanien. Aber Wolfram ist als Kreuzzugsteilnehmer diskutiert worden. Seine Informationen hat er wohl von der umstrittenen Kyôt-Quelle, die ein ganz heißes Eisen in der Wolfram-Forschung ist. Derzeitige Mehrheitsmeinung: Kyôt ist eine Erfindung Wolframs. Ich persönlich halte Kyôt dagegen für real. Mein Favorit ist Wolframs Zeitgenosse Guiot von Provins. Nur beweisen lässt es sich leider nicht.
 
Ich habe die Frage durchaus auch so verstanden, ob man sich nur die Köpfe eingeschlagen hat oder ob es auch andere Auseinandersetzungen zwischen Christen und Heiden gab. Und Wolfram wäre zumindest ein Beleg dafür, dass sich das Bild der Heiden gewandelt hat. Und das setzt auf jeden Fall mal Überlegung voraus. Ob das Bild realistisch war, steht auf einem anderen Blatt.

Wobei man sagen muss, dass Wolframs "Heiden"-Bild, was ja eigentlich ein Bild von Muslimen ist, sehr singulär ist, zumindest, was die zeitgenössischen Quellen angeht.

Es wäre gut, wenn sich Aethlwulf äußern würde, dann könnte ich den Thread evtl. in verschiedene Stränge teilen, einen Strang Friedliche Kontakte zwischen Heiden und Christe, einen weiteren Friedliche Kontakte zwischen Muslimen und Christen und einen Wolfram-Strang.
 
Ich nehme aber an, dass Muslime hier nicht gemeint sind, sondern wirklich die Anhänger der alten Religionen.

Hm, die alten Minnesänger unterschieden sehr genau, wie hier der gute alte Walther v.d.V.:
Kristen, juden unde heiden
jehent, daz diz ir erbe sî:
got müeze ez ze rehte scheiden
durch die sîne namen drî.

Ich denke doch, dass damit Muslime gemeint waren. Echte "Heiden" waren doch im 12. Jh. längst aus dem geographischen Gesichtskreis Süddeutschlands verschwunden, sieht man von ein paar widerborstigen Slawen und Balten ab.
 
Das, was du da von mir zitierst, war nicht auf den hochmittelalterlichen Sprachgebrauch, sondern auf die Ausgangsfrage von Aethlwulf bezogen. Den Beitrag, in dem er seine Frage spezifiziert ("Nur meinte ich eigentlich die Heiden in Mitteleuropa, also die Germanen und Kelten") hatte ich übersehen. Wir brauchen nicht darüber zu diskutieren, wen die hochmittelalterlichen Dichter mit Heiden meinten.
 
Dort wird für den (wendischen) Handelsplatz Groß-Strömkendorf (nahe Wismar) von Grabfunden berichtet, die erhebliche skandinavische sowie säschsich-friesische Bevölkerungsanteile nahelegen.
Ich kenne den Platz und auch einige Publikationen dazu. Die Obotriten waren gegenüber den Christen ziemlich moderat.
Als die Siedlung (wohl das lange gesuchte Reric) noch existierte (bis 808) waren aber Skandinavier, Sachsen und Friesen selbst noch nicht wirklich christianisiert und Karl d. Große prügelte diesen damals gerade noch das Evangelium mit dem Schwert ein.
Der gleiche Einwand gilt für Haithabu, dass im Übrigen ja von den heidnischen Obodriten mehrmals angegriffen und letztendlich auch zerstört wurde.
War nur späte Rache für die Zerstörung Rerics durch die Dänen.
 
Bzgl. der ursprünglichen Frage ist festzustellen, dass Papst Gregor der Große in Sachen Heidenmission moderate Töne empfahl.

Inwieweit die Bevölkerung in Mittel- und Nordeuropa im frühen Mittelalter religiös synkretistisch eingestellt war, ist schwer zu sagen - amüsant aber sind Funde von Gußvorlagen, mit denen man bei der Herstellung von Amuletten sowohl Kreuze als auch Thorshämmer produzieren konnte.

Manche heidnischen Züge sind bei den Merowingern unübersehbar, kirchlicherseits duldete man solche "Spleens" (Königsheil etc.) zumindest bei den Mächtigen der Zeit. Belegt ist, dass ein Dianatempel noch zu merowinger Zeit halbwegs in Betrieb war und die Bischöfe zu Strafmaßnahmen veranlasste (vgl. Gregor v. Tours). Interessant auch, dass in der romanischen Kirche in Werningerode etliche heidnisch-theophore Bildsymbole in den christlichen Kontext übernommen wurden. Der Stifter der Kirche, salopp gesagt ein hoher sächsischer Kriegsmann der Salierzeit, wird sicher kein bibeltreuer Asket gewesen sein; auch die magisch-heidnischen amulettartigen Runen- und Schwertmeisterbeschriftungen verraten noch manches weiterlebende heidnische Gedankengut. Ich nehme an, dass speziell im hohen Militär (dort bezeugen es die Runen auf Schwertern etc.) und vermutlich in der Landbevölkerung noch bis ins hohe Mittelalter "heidnisches" im Sinne von "Aberglauben" weiter bestand.

Leider sind die Quellen hierzu spärlich - vieles fiel wohl einer kirchlichen damnatio memoriae zum Opfer.

Amüsant ist natürlich immer wieder die Geschichte vom Friesenfürsten Radbod, der sich mit recht rustikalen Argumenten der Mission entzog :winke:
 
Wisst ihr villeicht noch etwas darüber, wie sich die Klöster damals gegenüber den germanischen Heiden verhalten haben? Ich habe mehrmals gelesen, dass die Kirche jedenfalls zu Beginn nur froedlich christianisieren wollte. Haben sie die heimische Bevölkerung auch unterstützt, auch wenn diese noch heidnisch war?
 
Ich kann zwar nur für den südwestdeutschen Raum sprechen, aber soweit ich weiß, gilt dieses Gebiet ab etwa 700 n. Chr. als weitgehend christianisiert. Die große Welle der Klostergründungen im selben Raum setzte aber erst etwa 100 Jahre später ein.
Soviele Heiden im Sinne von Nicht-Christen dürfte es also nicht mehr gegeben haben.

Mönchische Aufgabe war natürlich, Gottes Wort auch außerhalb des Klosters zu verkünden. Bei den Benediktinern war es üblich, dass ein extra ausgewählter Mönch einmal die Woche im Dorf bzw. der nächsten Ansiedlung als Seelsorger und teilweise auch als Heiler unterwegs war. Im Zuge dessen, werden die Mönche schon auch "missionarisch" tätig geworden sein.
 
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