Hierarchie - weltlich und geistlich.

HoppeReiter

Neues Mitglied
Hallo,
ich habe mal eine ganz allgemeine Frage zum Mittelalter. Immer wieder lese ich von Königen, Herzögen oder Fürstentümern - dann wieder von Bischöfen oder Bistümern. Alles in allem also viele Herrscher mit entsprechendem Gebiet.

Aber welchen "Wert" hatte denn nun ein Herrscher, bzw. sein Titel, zum Beispiel bei diplomatischem Kontakt? Oder anders gefragt: wie sah die politische (und somit in der Regel ja auch soziale) Hierarchie im Mittelalter aus?

Das ganze frage ich mich sowohl für den weltlichen Bereich, mit dem Kaiser als Oberhaupt, und dem geistlichen, mit dem Papst als Oberhaupt?

Kann mir da einer weiterhelfen? Sei es durch eine eigene Antwort oder Hinweis auf Literatur (wenn möglichst irgendwie online zu erreichen, z.B. via Google Books).

Danke im Voraus! :)
 
Hallo HoppeReiter,

so pauschal lässt sich dazu keine eindeutige Aussage machen. Immerhin geht es ja auch um einen sehr langen Zeitraum. Vielleicht solltest Du etwas genauer eingrenzen.

Grundsätzlich kann aber gesagt werden, dass es eine eindeutige Trennung zwischen weltlicher Macht und geistlicher Macht so gut wie nicht gab. Die Verflechtungen waren vielfältig. Wie kompliziert das ganze werden konnte kannst du hier mal nachlesen:

Investiturstreit ? Wikipedia

LG
KeineAhnung
 
Erstmal danke für die Antwort. Mich interessiert vor allem das Spätmittelalter. Aber ich habe mich auch etwas missverständlich ausgedrückt: mir geht es nicht um eine Hierarchie von geistlicher und weltlicher Macht untereinander, sondern in ihrer jeweils eigenen Sphäre.

Beispiel für weltliche Macht: steht ein Fürst unter dem König (nur als Beispiel), steht ein Graf unter dem Fürsten, steht ein Herzog dazwischen usw.

Beispiel für geistliche Macht: steht ein Bischof über dem Kardinal, steht ein Kardinal über dem .. fällt mir gerade nichts mehr ein, bin da eben nicht ganz fit. (;

Sicher gab es auch "intern" Streitigkeiten in Einzelfällen. Aber ich denke eine oben genannte Hierarchie wird es schon gegeben haben. Untereinander, also in wie weit ein Geistlicher einen Weltlichen anerkennt oder übertrumpft, ist in der Tat schwer zu sagen und so weit ich weiß auch damals schon immer wieder Streitpunkt gewesen, selbst auf höchster Ebene zwischen Kaiser und Papst. Aber wie gesagt: mich interessiert eigentlich nur eine ungefähre Übersicht, so dass ich z.B. beim Gesandtenverkehr einschätzen kann, wie hoch die Ränge bzw. Imposanz war, wenn beispielsweise ein Kardinal geschickt wurde.
 
Beispiel für weltliche Macht: steht ein Fürst unter dem König (nur als Beispiel), steht ein Graf unter dem Fürsten, steht ein Herzog dazwischen usw.

Im Frankenreich der Merowinger und Karolinger waren die Grafen Amtsträger eines Verwaltungsbezirks. Unter den Ottonen - d.h. im Heiligen Römischen Reich - wurde das Grafenamt allmählich erblich und die Grafen zählten zur niedrigsten Stufe des Hochadels. Mit dem Beginn der Territorialität im 12./13. Jh. gelang es einigen Grafen, ein unabhängiges Territorium aufzubauen, wo sie gleich Landesherren herrschten. Waren sie unmittelbar vom Reich bzw. dem Kaiser belehnt, galten sie als Reichsgrafen. Die meisten Grafenfamilien blieben hingegen landsässig, d.h. sie waren mit ihren Allodien und Lehen einem Landesherrn unterworfen und zählten nicht zum Hochadel.

Neben dem regulären Grafen gab es Burggrafen, Pfalzgrafen, Landgrafen und Markgrafen, wobei insbesondere die Markgrafen eine herzogähnliche Stellung einnahmen. Bei den Landgrafen hatten besonders die von Hessen und Thüringen eine landesfürstliche Stellung inne, während andere Landgrafen wie die von Baar oder dem Breisgau landsässig blieben.

Eine Besonderheit war die Stellung der Bischöfe im Heiligen Römischen Reich. Sie waren neben ihren geistlichen Funktionen auch weltliche Fürsten mit eigenen landesherrlichen Territorien, zählten als Fürstbischöfe zur Spitze des Hochadels und nehmen in mittelalterlichen Urkunden auch stets den ersten Rang ein. Neben ihnen finden sich auch einige Fürstäbte wie die von Kempten, Fulda oder Corvey mit eigenen reichsunmittelbaren Territorien.

Hinsichtlich der Rangfolge ergibt sich die Abfolge Herzog, Markgraf, Pfalzgraf, Landgraf, Graf. Wichtiger für die Stellung war allerdings die Frage, ob ein Adliger Reichsfürst war, er also ein reichsunmittelbares Territorium besaß und vom Kaiser bzw. König in den Reichsfürstenstand erhoben war. Ein Pfalzgraf mit Reichsfürstenstand zählte also zum Hochadel, ein einfacher Pfalzgraf nicht.

Für die Geistlichkeit ergibt sich die Rangfolge Erzbischof, Bischof, Abt, Propst. Auch bei den Äbten gab es solche mit Reichsfürstenstand, die dann zum Hochadel zählten, und einfache Äbte, die lediglich zu den Prälaten gehörten. Die Bischöfe im Heiligen Römischen Reich waren fast ohne Ausnahme stets auch Reichsfürsten.

Die Spitze des Hochadels bildeten im HRR die sieben Kurfürsten, nämlich die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier sowie der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg, der Pfalzgraf bei Rhein und der König von Böhmen. In späterer Zeit vermehrte sich diese Zahl ein wenig.
Wenn du noch mehr wissen willst, empfehle ich dir folgenden Link:

Adelstitel ? Wikipedia
 
Beispiel für geistliche Macht: steht ein Bischof über dem Kardinal, steht ein Kardinal über dem .. fällt mir gerade nichts mehr ein, bin da eben nicht ganz fit.

Die Kirchenhierarchie funktionierte grob ähnlich der weltlichen. Der Papst stand an der Spitze, unter him war/ist die Kirche in Erzbistümer aufgeteilt, die wiederum in mehrere Sprengel (Bistümer) aufgeteilt sind.

Dem Papst kam ab etwa dem 12. Jahrhundert (nach dem Investiturstreit) das Ernennungsrecht (Investur) bzw. Bestätigungsrecht für Erzbischöfe und Bischöfe zu. Häufig konnten Kirchensprengel (zumeist ein Domkapitel) ihre Bischöfe selbst wählt, allerdings hatte der Papst darin das letzte Wort und konnte einem Gewählten schonmal die Anerkennung (Weihe) verweigern, was nicht selten zu Konflikten führte. Weltliche Machthaber hatten seit dem Investiturstreit eigentlich keinen direkten Einfluss mehr auf die Vergabe von Kirchenämter, das konnten sich letztlich nur indirekt durch das spielen von Beziehungen und politischem Einwirken erreichen.

Im Mittelalter kam in fast jedem Königreich einem Erzbischof das Primat (ein Vorrang) gegenüber der Landeskirche zu der er angehörte. Bsp. Der Erzbischof von Sens war der Primat der französischen Kirche, der Erzbischof von Mainz der der Deutschen, der Erzbischof von Canterbury der der Englischen usw.

Ab dem 13. Jahrhundert bildete sich ein festes Regelwerk zur Wahl eines Papstes heraus. Die berechtigten Teilnehmer einer solchen Wahl wurden bald Kardinäle genannt, sie waren/sind also so was wie die Kurfürsten der Kirche. In der Regel sind bestimmte hohe kirchliche Ämter mit der Stellung eines Kardinals verbunden, häufig hört man da ja Begriffe wie Kardinalsbischof von Soundso.

Weiterhin existierte im Mittelalter die Funktion eines Legaten, zumeist apostolischer oder päpstlicher Legat genannt. Legaten waren so was wie die Botschafter des Papstes. Sie wurden vom Papst für bestimmte Anlässe und Aufgaben persönlich beauftragt. Legaten sprachen direkt für den Papst und konnten so zum Beispiel gegenüber Erzbischöfen und Bischöfen weisungsbefugt sein. Im Mittelalter hatte eigentlich jeder Kreuzzug einen eigenen päpstlichen Legaten, berühmt waren dabei z.B. Arnaud Amaury und Romano Bonaventura für den Albigenserkreuzzug, oder der Kardinallegat(!) Pelagius von Albano für den Kreuzzug von Damiette, oder Odo von Châteauroux für den sechsten Kreuzzug. Legaten konnten zum Beispiel auch als Vermittler in weltlichen Konflikten eingesetzt werden. Der Legat Peter von Capua sollte beispielsweise zwischen Richard Löwenherz und Philipp II. August vermitteln, wurde dabei aber beinahe von Löwenherz kastriert.
 
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