Historizität einer Verteidigungswaffe in 'Vikings' (History Channel)

muck

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Hallo zusammen!

Wer die Serie kennt, wird sich jetzt gewiss an den Kopf greifen: Historizität, bei denen?! Dennoch hier meine Frage, denn es ist immer wieder spannend, über Einfallsreichtum und technische Leistungen in vorindustrieller Zeit Neues zu erfahren:

Gegen Ende der dritten Staffel von 'Vikings' greifen die Nordmänner Paris an. Sie versuchen, die Stadt über eine geschlossene (und abschüssige) Seine-Brücke zu erstürmen. Die Verteidiger setzen eine schlaue Verteidigungswaffe gegen sie ein, deren Aussehen und Funktion ich nur umschreiben kann.
Es handelt sich um einen mehr als mannshohen, mit Stiften besetzten Zylinder, ähnlich einer heutigen Kabeltrommel, der an einem Zugseil befestigt ist. Man lässt den Zylinder die Brücke hinabrollen, wobei er jeden Wikinger, der nicht schnell genug von der Brücke flieht, aufspießt bzw. überrollt. Die Flucht freilich wird durch den vermeintlichen Nachteil für die Verteidiger erschwert, dass die überdachte und verbretterte Brücke, die keinen Beschuss der Angreifer von den Stadtmauern zulässt, nur eine Flucht an den Brückenkopf erlaubt, eine wahre Todesfalle also.
Der ans Ende gerollte Zylinder kann über besagtes Zugseil wieder an die Stadt herangezogen und auf den nächsten Einsatz vorbereitet werden.

Ist bekannt, ob es im Mittelalter tatsächlich eine derartige Waffe gab?
 
Ich bin so frech, diesen Strang noch einmal auszugraben, um das Forum nicht zu vermüllen.

Weitere, sehr eigenartige Verteidigungswaffen erscheinen in dem Film Joan of Arc von Luc Besson aus dem Jahre 1999. Diesem Film, obwohl mit dem Fantasy-Genre spielend und etwas überdreht, wird oft doch große visuelle Authentizität bescheinigt, da er in Sachen Ausstattung und Kostüme mehr richtig macht als andere Filme; Thomas Asbridge bezeichnete ihn einmal als die in summa visuell beste Leinwanddarstellung des 15. Jahrhunderts.

Beim Sturm auf das von den Engländern gehaltene Vorwerk von Orleans, das freilich von Franzosen erbaut wurde, werden zunächst einmal Steinkugeln in abschüssige Röhren in der Außenmauer gestoßen, welche diese zu ebener Erde ausstoßen. Dadurch werden Angreifer in den Tod gerissen. Das Ganze erinnert an Guss- und Wurföffnungen der Maschikuli, allerdings eben ohne vorkragendes Element, und der im Film gezeigte Maßstab ist sehr groß. Hat diese Vorrichtung ein reales Vorbild?

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Zweitens taucht eine Art Mange auf (bzw. eine Balliste), die an ein geschlossenes Tor gefahren wird und durch Öffnungen in diesem die Angreifer unter Beschuss nimmt. Es handelt sich jedoch um eine sonderbare Bauweise: Die Vorrichtung kann zahlreiche Pfeile auf einmal abschießen. Ausgelöst wird sie durch Spannkraft, die aber nicht über die Sehne auf das Geschoss übertragen wird, sondern durch eine Art Schlag, den die Sehne auf einen Block überträgt, welcher wiederum hinten an den Pfeilen aufliegt. Von Physik verstehe ich nicht viel, und will mich zu der Funktionalität nicht auslassen, obwohl ich Zweifel hege. Hat diese Waffe ein Vorbild? Im Film wird sie "Stachelschwein" genannt, dazu indes kann ich keine Literaturquellen auftun.

Vielleicht interessiert dies ja noch andere Foristen :)
 
Ja, ich bin ein großer Fan der Vikings ! Man kann sich, vor allem in den ersten beiden Staffeln, so schön in eine andere Welt träumen, die unserer so fern ist. Mir gefällt vor allem die Darstellung des heidnischen Glaubens, und der Respekt, mit dem die Macher mit der Vergangenheit umgehen.

Der "historische" Stoff aber ist nicht real, es geht um eine Legende oder Sage um Ragnar Lodbrok und seine Frau Ladgertha. Übrigens sehr schöne Schauspielerin :love: Wie das mit den Belagerungsmaschinen des Schreiners Loki in Paris bzw. dieser Walze in der Brücke aussieht, weiß ich nicht. Allgemein würde ich da nicht allzu Historisches dahinter vermuten. Vielleicht weiß dazu Mashenka mehr, sie scheint sich mit Technikgeschichte des Mittelalters gut auszukennen.

Ich mag meistens keine historisierenden oder fantasierenden Filme oder Serien, aber diese Vikings finde ich mit dem "13. Krieger" sehr sehenswert und schön, wie gesagt, v.a. die beiden ersten, etwas weniger überdrehten Staffeln :yes:
 
die Kugeln im Johannafilm wirds schon gegeben haben, das sieht man an den Bauwerken,
andere mobile Verteidigungswaffen werden je nach Geschick der örtlichen Waffenschmiede angefertigt worden sein, da gabs wahrscheinlich keine Standards. Irgendwo beim kampf um Kreta, wenn ich mich nicht irre, haben die Venezianer ein großes Rad eingesetzt, das mit scharfen klingen versehen und durch irgendeinen Mechanismus in Rotation versetzt gewesen ist. Gabs nur einmal und nur dort, also warum sollns in Paris nicht auch alle möglichen Trümmer erfunden haben.
 
Die Kabeltrommel aus Post 1 beschreibt, ich meine, Vitruv zum Transport von großen Steinen. Und Vitruv war in der Karolingerzeit bekannt. Aber ob es dass in Paris gab, kann ich nicht sagen.
 
Verteidigungswaffen konnten schon mal etwas experimenteller ausfallen, Angriffswaffen dagegen mussten sich ja sofort bewähren ;)
 
Es gab schon immer infantile Naturen, die Kriegsmaschinerien zeichneten, um was vermeintlich Geniales zu hinterlassen. Geräte zum Töten anderer Menschen sind Symbole von Potenz und Macht. Sie üben auch heute eine Faszination aus, insbesondere auf Jugendliche, denen ihr Geltungsbedarf zu schaffen macht, sodass viele 3D-kundige Teenager sich intensiv mit Tötungsgeräten auseinandersetzen. Haben sie irgendwelche Zeichnungen als Vorlage, können sie immerhin behaupten, sich ernsthaft für Geschichtskunde zu interessieren. Da das Zielpublikum von Filmen nach wie vor kaum über 16 Jahre ist, haben sie tatsächlich eine (geringe) Chance, mit ihren Phantasieprodukten mal Geld zu verdienen.

Ein dem von muck beschriebenes Gerät mit dem furchterregenden Namen »Stachelschwein« ist übrigens auf einer Lithographie dargestellt, deren Urspung ich zwar nicht kenne, die aber auch vom Stil her frühestens dem 19. Jh., oder gar der ersten Hälfte des 20. Jhs. zuzuordnen ist, als sich die Männerwelt intensiv sowohl mit Macht, als auch mit Mittelalter beschäftigte.

Nichtsdestotrotz ist es anzunehmen, dass krankhafte Ideen auch im Mittelalter hie und da umgesetzt wurden; sie blieben aber sicherlich die seltene Ausnahme. Auch beim Beispiel jenes ›Stachelschweins‹ ist die Ineffizienz offenkundig: neun miserable Bogenschießer hätten auf die Distanz o.w. sehr viel präziser schießen können und v.a.: sie hätten auch nachladen können, während das Gerät allerhöchstens 3–4 Gegner kampfunfähig gemacht hätte und danach nur noch im Weg gestanden wäre. :inarbeit:
 
Rein zufällig bin ich im Internet auf das Bild eines archaisch anmutenden multifunktionalen ›Machinengewehrs‹ gestoßen, das gut in diesen Thread über absonderliche Kriegsmaschinerie passt, wenn auch aus etwa 1530. Habe dann bei der umgekehrten Bildsuche ausführliche Infos zur »highly important« Waffe gefunden, kurioserweise bei den Viking-Fans. :grübel:
 
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