Schuhe im Frühmittelalter

Wilfried

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Wahrscheinlich bin ich zu dusselig
deshalb meine Frage
1.Was trug Mann auf Reisen in der norddeutschen Tiefebene an den Füßen?
2. Wie lange halten wendegenähte Schuhe
 
ad 1.) Kannst Du die Frage hinsichtlich des "Frühmittelalters" vielleicht etwas konkretisieren? Wenn ich mit: "Er trug Wendegenähte." antworte, wäre Dir sicherlich nicht geholfen.

ad 2.) Wendegenähte Schuhe halten ziemlich lang und viel aus. Es kommt auf die Intensität der Nutzung an. Ein Beispiel: meine haben drei Jahre lang gehalten; ich bin in ihnen geritten, mindestens dreimal gepilgert, und habe sie auf diversen VA´s genutzt, dann waren die Sohlen durch. Weil das Oberleder aber noch vollkommen in Ordnung war, habe ich lediglich die Sohlen ausgetauscht, und nutze sie weiter.

Und so sehen sie aus.
 

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Also,erstmal Danke für die Antwort und nun präziser
Ich habe nichts genaues über die Fußbekleidung eines Mannes auf Reisen in der Norddeutschen Tiefebene aus der Zeit von ca 600 -900n.Chr gefunden.

(Moorleichen, Lesefunde, schriftliche Quellen, das es Schuhe als Grabfunde gibt, weiß ich, aber auch, das es scheinbar "Totenkleidung" gab)

Ging man die meiste Zeit barfuß oder trug er Schuhe? Wenn ja mit Fußlappen , eher eine Art "Socken" oder barfuß ?

Wenn Schuhe, welche Art und wie sah die Sohle aus?

Wie viel Kilometer auf welchem Untergrund halten wendegenähte Schuhe?

Gepilgert von wo nach wo? Diverse VA´s in drei Jahren sind auch nicht viel mehr als 15 Wochenenden entsprechend 30 Tage, die meiste Zeit im Sitzen.
 
Die Norddeutsche Tiefebene ist ein ziemlich umfangreiches Gebiet. :)

Aufgrund der hohen Dichte gerade von Schuhen bei den Lederfundlagen, ist davon auszugehen, daß Schuhe von vielen getragen wurden, ohne verallgemeinern zu wollen.
Primär beziehe ich mich mal auf die Fundlage von Haithabu (GROENMAN-VAN WAATERINGE, Willy: „Die Lederfunde von Haithabu.“; Berichte über die Ausgrabungen von Haithabu Bericht 21, Karl Wachholtz Verlag, Neumünster 1984 ISBN 3 529 1921 6), die dem von Dir anvisierten Zeitraum - in der mir vorliegenden Literatur - nahekommt..
Demnach liegt die Verteilung der Funde bei 23% Kinder-, 27% Frauen- und 50% Männerschuhen, also sind alle Altersklassen eingeschlossen, sodaß man tatsächlich von einem Allgemeingut sprechen kann (mit der Ausnahme von Kleinkindern).
Aufgrund der Vergleichsfunde gesamt Nordeuropas, einschließlich Novgorods und Staraja Lagodas, kann man feststellen, daß sich die Schuhmodelle ähneln, und lediglich in marginalen Punkten voneinander abweichen (zumindestens ab dem 8. Jahrhundert n.Chr.).

Bis auf wenige Ausnahmen gelten folgende Charakteristika für die Schuhmode des frühmittelalterlichen Nordeuropas:

"1. Ausschließlicher Gebrauch von pflanzlichen Gerbstoffen
2. Neben Schuhen, die aus einem Stück gefertigt wurden, kommen zugleich solche vor, bei denen Sohle und Oberlder aus zwei oder mehreren Stücken zusammen-gesetzt sind
3. Sohle und Oberleder sind in Wendearbeit aneinander befestigt
4. Die Sohlenform verjüngt sich geradlinig auf die Ferse zu
5. Das Fersenende der Sohle läuft spitz zu und biegt sich nach oben um
6. Die Schuhspitzen können offen und schnabelförmig sein, der Rist trägt zuweilen kleinen Laschen
7. Verzierungen kommen in der Form von Kerblinien, reliefierten Motiven und Woll-stickereien vor; auf dem Vorderfuß liegen Ziernähte
8. Breite Randversäuberungen kommen in zwei Typen vor
9. Knöchelverschnürungen überwiegen
10. Die langen Senkel sind aus kurzen Lederstücken zusammengestellt; es gibt Weber- und Schlaufenknoten."
(GROENMAN-VAN WAATERINGE, Willy:ebd., S. 59)
Zur Verdeutlichung hier eine Darstellung typischer Modelle (Bild 1).

Was die erwähnte Ausnahme betrifft, ist mir lediglich ein Modell bekannt, welches komplett - also Sohle und Oberleder - aus einem Stück besteht (Bild 2, 3, 4).

Gepilgert insgesamt ca. 250 km, hauptsächlich über Asphalt bei wechselhafter Wetterlage.
Möglicherweise sind die Schuhe auf den VA´s nicht einer extremen Belastung hinsichtlich der Sohlenabnutzung ausgesetzt, aber dennoch wird das Leder durch die entsprechende Witterung strapaziert. Ich gebe zu bedenken, hierbei handelt es sich nicht um modernes Schuhwerk, mit moderner Herstellungstechnik und -materialien.
Bei entsprechender Nutzung ist der hohe Schuhverschleiß von Wendegenähten des Mittelalters durchaus nachvollziehbar.

Ich hoffe dir ein wenig geholfen zu haben.

(Bildnachweise:
Bild 1: GROENMAN-VAN WAATERINGE, Willy: ebd., Abb. 39, S. 60
Bild 2, 3, 4:
WESTER, Stephan: „Praktische Alltagsgegenstände des Hochmittelalters.“; 2. Auflage, Verlag Barbarossa, Zülpich 2001 ISBN 3-935274-00-9, Abb. 74 - 78, S. 42f)


 

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Danke , KvdL
mit der Auskunft kann man doch was anfangen.Vorallem das Bild mit der Heueinlage spricht ja Bände.
Sehen die im Netz angebotenen Schuhe "nach Fundlage" wie bessere Hausschuhe aus, scheinen mir die doch eher "wintertauglich". Ist das Foto von Fundstücken oder von "Repliken"?
 
Keine Ursache.

Der Begleittext zu Bild 4 lautet: "Abb. 74: Lederschuhe mit Heufütterung. Reproduktion Groß-Raden."
Im Abbildungsnachweis gibt´s noch folgende Information: "Abb. 74: Freilichtmuseum Groß-Raden, Archäologisches Landesmuseum Mecklenburg-Vorpommern, Schloß Wiligrad, 19069 Lübstorf."

Hinsichtlich der von Dir erwähnten "Hausschuhe" möchte ich feststellen, daß, nach meiner Erfahrung in der Herstellung von Wendegenähten, eine andere Optik gar nicht möglich ist. Technik und Material bedingen einander.

Allerdings ist die implizierte Vermutung, wendegenähtes Schuhwerk sei nicht "wintertauglich", so nicht haltbar. Der Schuh entspricht durchaus den Anforderungen aller Witterungslagen. Es kommt im Detail auf die weitere Fußbekleidung an. So sind nadelgebundene Wollstrümpfe, Filzsocken, resp. -einlagen, Fußlappen, etc. durchaus empfehlenswert, und bereits seit der Antike nachgewiesen.

Da hätte ich - hinsichtlich des einteiligen Schuhs - beinahe noch etwas vergessen. Dieses Modell birgt einige Nachteile. Zum einen das Problem irreparabler Schäden. Insofern die Sohle durchgelaufen ist, kann man den Schuh endgültig entsorgen, da ein Austausch, wie bei Wendegenähten, nicht möglich ist. Flickschusterei ist in dem Sinne unangebracht, da die Ausbesserungsstelle immer undicht bleiben wird.
Zum anderen, was die Materialstärke betrifft. Beim Zuschnitt muß darauf geachtet werden, ein entsprechend großes Stück Leder zur Verfügung zu haben. Separate Sohlen hingegen können aus der stabilsten Lederpartie (meist das Nackenstück des Rinds) unabhängig des Oberleders angefügt werden.
 
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zum Thema Hausschuhe
Wie gesagt, die mir bekannten sehen nicht nur aus wie Hausschuhe, sondern scheinen auch deren Qualität und Festigkeit zu haben. Die Lederqualität der Schuhe vom Bild scheint eine doch stabilere Qualität zu sein.
Eine Sohle aus 2mm Ziegenleder oder eine aus dem Nacken (kpl, kein Spaltleder) vom Rind dürfte ein Unterschied sein. Und ~ ein halbes Jahr für eine Sohle ist eigentlich auch für moderne Ledersohlen normal.
 
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