Thomas Müntzer

lucanias

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Mal ne Frage (und vllt auch eine Überlegung?):
Thomas Müntzer wird überall zumeist als Verfächter Luthers Lehren in der Zeit des Bauernkrieges bezeichnet (oder gar als Freund?) Andererseits habe ich auch gehört, dass sie zum Beispiel beide von Johannes Taulers Lehren beinflusst wurden, sich jedoch nicht verstanden. Bin jetzt grad ein bisschen verwirrt. Oder liegt der Bruch bei beiden darin, dass Luther sich zur Zeit des Bauerkriges mehr oder weniger von den Volksmassen abwendete und Müntzer aktiv für die Reformation kämpfte?
lg
 
Von einer Freundschaft habe ich noch nichts gelesen. Thomas Müntzer war zwar zeitweilig auch in Wittenberg wie Luther auch, aber ein engerer Kontakt ist mir nicht bekannt. Dazu muss man auch sagen, dass Müntzer ja durchaus eigene Ideen entwickelte. Aber beide wendeten sich an die Ernestiner. Luther wurde ja bekanntlich von Friedrich dem Weisen geschützt, während sich Müntzer an die beiden Fürsten Johann den Beständigen und Johann Friedrich den Großmütigen in seiner Allstedter Fürstenpredigt wendete.
 
Als Freunde kann man die beiden wahrlich nicht bezeichnen ; gibt es nicht von Münzer diese ausgesprochen bissige Schrift "Wider das sanftlebende Fleisch zu Wittenberg"?
 
Mal ne Frage (und vllt auch eine Überlegung?):
Thomas Müntzer wird überall zumeist als Verfächter Luthers Lehren in der Zeit des Bauernkrieges bezeichnet (oder gar als Freund?)


Th. Müntzer ist wohl von Luther ausgegangen, aber während bei Luther die augustinisch-mittelalterliche Tradition vorherrscht, nach der das Ende der Welt am "Jüngsten Tag "erwartet wird mit dann anbrechendem ewigen Reich Gottes, setzt Th. Müntzer seine chiliastische Hoffnung auf ein irdisches Reich Gottes. Müntzer versteht sich als Prophet diese anbrechenden Reiches und als auserlesenes Werkzeug und schreckt vor Gewalt nicht zurück, im Gegensatz zu Luther, der die gottgewollten irdischen Hierarchien nicht antastet.

Luther hat Müntzer literarisch scharf bekämpft in seinem Brief an die Fürstenzu Sachsen ( Von dem aufrührerischen Geist ).Später bezeichnet Luther Müntzer auch als Satan. Müntzer antwortete mit der "Hochverursachten Schutzrede und Antwort wider das geistlose, sanftlebende Fleisch zu Wittenberg "


Müntzer verwarf Luthers Rechtfertigungslehre und dessen Entwertung des Gesetzes zu Gunsten der Gnade.

Quelle: R. Decot : Kl. Geschichte der Reformation, Herder-Verlag
 
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Thomas Müntzer wird überall zumeist als Verfächter Luthers Lehren in der Zeit des Bauernkrieges bezeichnet

Es gab 40 Jahre in Ostdeutschland, da wurde Müntzer als Bauernkriegsführer geehrt. Dementsprechend hochlebend sein Ruhm in der DDR.
Allerdings wurde in der DDR zwischen Müntzer und Luther klar unterschieden. Dass Luther sich den Bauernkriegern nicht anschloss, wurde bis in die Mitte der 1980er Jahre ihm zur Last gelegt. Müntzer hingegen schaute vom ersten 5-DDR-Mark-Schein und x-Straßen und Schulen trugen seinen Namen. Nicht zu vergessen auch die Bergwerksschächte. Luther konnte höchstselten eine DDR-Straße oder sonstwas mit seinem Namen schmücken.
Dass Luther und Müntzer an einem Strang zogen, ist Mumpitz und ich wüßte auch nicht, wo "überall" man das meint.
Man könnte ihren Zwist mit der linken Bewegung heute vergleichen. Die Müntzers wollen Veränderung über Kampf, die Luthers wollen Veränderung durch Anpassung.
 
Beispiel der Bedeutung der beiden Theologen (das muss man sich auch mal auf der Zunge zergehen lassen) in der DDR sehe ich sehr anschaulich in den Bezeichnungen Müntzerstadt -Stolberg und -Mühlhausen, welche, für mich ein bisschen unverständlich, dann nach der Wiedervereinigung abgeschafft wurden, während die Namenszusatz der Lutherstädte erhalten blieb. Bei beiden bedeutenden historischen Persönlichkeiten ist ihr Schaffen und Leben ja jeweils eng mit diesen Städten verbunden gewesen. (Man findet neben den offiziellen Bezeichnungen für Eisleben und Wittenberg noch eine inoffizielle für Eisenach.)
Ich denke allerdings an der tatsächlichen historischen Bedeutung hat sich über die 480 Jahre nichts geändert. Wie schon richtig dargestellt, muss man eben auch das Nebeneinander und die Gleichzeitgkeit der Wirkungsphase von Luther und Müntzer betrachten.
 
Die DDR hatte wohl zu Martin Luther eine ähnlich zwispältige Haltung wie zu Fridericus Rex und Preußen. Thomas Münzer fand da als "Bauernkriegsheros" mehr Beachtung. Doch erinnere ich mich an eine ganze Reihe Veranstaltungen, die 1983 anläßlich seines 500. Geburtsjahres veranstaltet wurden. Vor allem eine DEFA Produktion in der einige der namhaftesten Schauspieler der DDR mitspielten.
 
Vergleichend würde ich von keiner größeren Beachtung für Müntzer als für Luther sprechen, ABER dass heute eine weit größere Beachtung für Luther als für Müntzer existiert und vielmehr Thomas Müntzer in den Medien einfach kaum Niederschlag findet. Natürlich bin ich da auch ein bisschen beeinflusst von einer Stadtbibliothek, die vom Müntzergeburtstag, den Scorpio erwähnte, ungemein profitierte. Es gab schon viel Fachliteratur zu Thomas Müntzer und auch viele Publikationen für den Normalverbraucher. Die DDR war von dem Abschnitt der Geschichte des Bauernkrieges, welcher in der Schlacht bei Frankenhausen oder in dem Kerker der Wasserburg Heldrungen sein finales Ende fand eben sehr beeinflusst, ist ja klar, denn das ist Landesgeschichte allererste Priorität.
Dennoch war man sich der welthistorischen Wichtigkeit eines Martin Luther allerorten bewusst. Die Wartburg und Wittenberg waren schon damals Pilgerstätten von historisch und theologisch Interessierte.:fs: (Ich müsste noch daheim Prospekte haben, in denen für beides in den 1980ern natürlich mit dem Verweis auf Luther geworben wurde.)
Die internationale Beachtung ist natürlich durch das globale Luthertum weit eher bei Luther und das war vor '89 nicht anders.

Man sollte recht viel in besagten Publikationen auch über die Beziehung zu Luther finden, leider bin ich nur derzeit nicht in meiner Heimatstadt, um nachzuschlagen. Spannend ist das Thema aber dennoch.
 
Thomas Münzer fand da als "Bauernkriegsheros" mehr Beachtung. Doch erinnere ich mich an eine ganze Reihe Veranstaltungen, die 1983 anläßlich seines 500. Geburtsjahres veranstaltet wurden. Vor allem eine DEFA Produktion in der einige der namhaftesten Schauspieler der DDR mitspielten.


Der Aufstand der Bauern blieb eigentlich auf Süddeutschland beschränkt, wo die zahlreichen kleinen Ritter, Grafen, Städte und Fürsten des Reiches eine klare allgem. Ordnung der bäuerl. Verhältnisse verhinderten.
Nur in Ostpreußen kam es zu einem lokalen Aufstand und völlig getrennt von d. süddt.Bauernkrieg erfolgte ein Aufstand in Thüringen. Hier hatte der radikale Priester Th. Müntzer in der wirtschaftl. absteigenden Reichsstadt Mühlhausen ein "Gottesreich" errichtet, das mit der Vernichtung aller Standesunterschiede sozialistische Züge trug und daher so gern von den DDR- Identifikationsstiftern später herangezogen wurde.
Müntzers Einfluß auf den linken Flügel d. Reformation war beträchlich, er selber sah die gewalttätigen Auseinandersetzungen als Kampf der Endmächte, die sozialen Fragen des Bauernkrieges blieben ihm eher unverständlich.
Die Schlacht v. Frankenhausen war dann sein gewalttätiges Ende , wo er das rechte Handeln der Bauern gegen die Fürsten mit seiner Überzeugung unterstützte. Milit. war sein Zutun eher bescheiden. 300 Mann und das Motto : "Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit" steuerte er zur Schlacht bei, die die letzte große Auseinandersetzung d. Bauernkrieges war.
 
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Dass Luther und Müntzer an einem Strang zogen, ist Mumpitz und ich wüßte auch nicht, wo "überall" man das meint.
Ja, wo man das überall meint, hat mich auch schockiert. So wird es in einer Schule gelehrt, was mich sehr erschreckt hat. Als ich meinen Bruder (13 Jahre Thema grad in der Schule-Hefter....) nach Müntzer fragte, meinte er, er sei ein Freund Luthers gewesen. Dass machte mich stutzig, da ich selbst gelesen hatte, dass sie sich eigentlich nicht verstanden. Aber zunächst dachte ich, vllt hat mein Bruder sich geirrt und erzählte ihm, was ich wusste....Aber als ich dann noch den in der DDR produzierten DEFA- Film über Thomas Müntzer mir auf DVD anschauen wollte, las ich zu meinem Erstaunen auch hier, dass Müntzer für Luthers Lehren eintrat. Da kamen mir Zweifel und deswegen auch der Beitrag. Aber ich bin schon mal froh, dass ich mich nicht geirrt habe darin, dass sich Luther und Müntzer nicht verstanden...
 
@ lucanias
Es ist ja durchaus richtig, dass Müntzer anfangs Luthers Lehren vertrat. 1519 soll er in Jüterbog Luthers Thesen vertreten haben. Aber mit seinem Ortswechsel nach Allstedt, wo er bekanntlich Prediger war, änderte sich dies, da er eigene Ideen entwickelte, wie er diese reformatorischen Ansätze konkret umsetzen könne.
Sowohl Karlstadt als auch Müntzer dürften anfänglich sogar davon überzeugt gewesen sein, in Luthers Sinne zu handeln. Müntzer suchte ja anfangs, wie die berühmte Fürstenpredigt beweist, ebenso wie Luther den Weg über die Fürsten, zur Umsetzung seiner Vorstellungen.

Übrigens wird in dem mir vorliegenden DDR - Geschichtsbuch: Lehrbuch Geschichte Klasse 7 Volk und Wissen Ausgabe 1989 unter Leitung der Akademie der Wissenschaften (Zentralinstitut der Geschichte) der DDR erstellt - der Konflikt zwischen Luther und Müntzer ganz deutlich dargestellt und sogar hervorgehoben, vor allem indem die sich gegeneinander richtenden Schriften beider Seiten vorgeführt werden.
@ Arcimboldo
Wenn auch zeitlich voneinander getrennt (der Schwäbische Bund hatte durch Verhandlungen u.a. die Aufstände in Süddtl. bereits zum Zeitpunkt der Versammlung der Bauern bei Frankenhausen weitesgehend zum Erliegen gebracht) und untereinander kaum bis nicht in Kontakt, sehe ich die Thüringer Bauern von den Karten her als nördlichste Erhebung einer breiten Schneise der Gebiete, die von den Unruhen erfasst wurden von der Schweiz bis hoch in die Gegend um Halberstadt.
Du stellst aber sehr richtig dar, dass Müntzer eben kein Bauernführer war. Die Problematik in den Städten war oftmals eine andere als auf dem Land, auch wenn sich manche Städte den Bauernhaufen anschlossen oder angesichts der zahlenmäßigen Macht (man denke allein an 6.000 Bauern bei Frankenhausen, was eher ein kleiner als ein großer Haufen war) sich übergab.
Erst kurz vor der Schlacht bei Frankenhausen auf dem Hausberg schloss sich Müntzer mit einigen Hundert Mühlhausern dem dort lagernden Bauernhaufen an. Scheinbar hatten die Fürsten allerdings Müntzers Gefährlichkeit durch dessen Publikationen erkannt und forderten dessen Auslieferung, welche zu Zwist innerhalb des Haufens führte. Man darf also davon ausgehen, dass man zwar Müntzer nicht direkt als einen Führer der Bauern ansehen kann, aber dass die Bewegung vor allem in Thüringen von ihm beeinflusst wurde, sonst hätte man ihm nicht von der Gegenseite eine solche Bedeutung beigemessen.
Die besondere Verbindung zu Mühlhausen wird deutlich auch, indem man ihn zusammen mit Heinrich Pfeiffer, einem der führenden Anhänger in Mühlhausen, am 27. Mai 1525 vor den Toren der Stadt enthauptete.
 
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Ich kann mich aus meiner Zeit heraus micht daran erinnern, dass Luther oder Müntzer eine höhere Achtung in der DDR fanden. Dies zeigt sich an den Namenszusätzen von Städten und auch der Bezeichnung von Schulen, Straßen etc.
Da ich irgendwann mal Landwirtschaft studiert habe, wurde da natürlich Müntzer etwas mehr betrachtet.
Sehr interessant ist übrigens das Denkmal zum Bauernkrieg auf dem Kyffhäuser, das zu DDR-Zeiten Elefantenfuß genannt wurde.
 
1. Ich kann mich aus meiner Zeit heraus micht daran erinnern, dass Luther oder Müntzer eine höhere Achtung in der DDR fanden. Dies zeigt sich an den Namenszusätzen von Städten und auch der Bezeichnung von Schulen, Straßen etc.


2. Da ich irgendwann mal Landwirtschaft studiert habe, wurde da natürlich Müntzer etwas mehr betrachtet.

3. Sehr interessant ist übrigens das Denkmal zum Bauernkrieg auf dem Kyffhäuser, das zu DDR-Zeiten Elefantenfuß genannt wurde.
1. Wie gesagt, scheinbar waren beide bedeutend. Auch in Torgau und neben der Wartburg auch im Lutherhaus in Eisenach und an anderen Stätten außer den genannten Lutherstädten wurde Luthers Bedeutung in der Weltgeschichte unterstrichen.

2. Ich kann mich auch an mindestens eine LPG erinnern, die "Thomas Müntzer" hieß.

3. In mehreren Zeitungsartikeln fand ich übrigens eine Diskussion, ob nun das Tryptichon "Frühbürgerliche Revolution in Deutschland” (1983-1987) von Werner Tübke als wahres Kunstwerk ernstzunehmen ist oder nicht. (Ich würde für Ersteres plädieren.)
Schöne Eindrücke von dem Gemälde von Tübke: Panorama Museum
 
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