Buch-Empfehlung zur Entstehung von Religion(en)

Forscherdrang

Neues Mitglied
Ina Wunn, Patrick Urban, Constantin Klein:
"Götter, Gene und Genesis - Die Biologie der Religionsentstehung", SpringerSpektrum-Verlag, Berlin / Heidelberg 2015

Dieser Hinweis - s.o. - ist gleichsam nur ein Test, um zu eruieren, ob meine Beiträge auch "ankommen". Buch-Empfehlungen darf ich offenbar (noch) nicht geben. Näheres zu diesem hervorragenden, wenn auch schwierig zu lesenden, intellektuell höchst anspruchsvollen Opus später...
FD
 
Buch-Empfehlungen kann nur die Moderatorin Ursi oder aber der Admin geben. Selbst wir anderen Moderatoren haben dieses Recht nicht.
 
Buch-Empfehlungen kann nur die Moderatorin Ursi oder aber der Admin geben. Selbst wir anderen Moderatoren haben dieses Recht nicht.

Sorry, ich muss als hiesiger Neuling noch sehr (!!) viel lernen.
Gleichwohl ist es mir unbegreiflich, warum Forum-Mitglieder Bücher nicht empfehlen dürfen. Gerade zu meinen besonderen Interessen-Schwerpunkten (Maya / Inka / Hopi / Sumerer / Assyrer.......) - anderen dürfte es womöglich ähnlich ergehen - würde ich gern...aber okay, sei's drum.
FD
 
El Quijote hat die zu gewerblichen Anbietern verlinkten Foren-Buchtipps angesprochen. Siehe hier:

http://www.geschichtsforum.de/buchtipps.php


Davon zu unterscheiden sind Meinungen und Tipps zu Büchern (ohne gewerbliche links wie Amazon etc.), die im Rahmen von User-Beiträgen zu Diskussionen im Forum abgegeben werden.
 
Sorry, ich muss als hiesiger Neuling noch sehr (!!) viel lernen.
Gleichwohl ist es mir unbegreiflich, warum Forum-Mitglieder Bücher nicht empfehlen dürfen. Gerade zu meinen besonderen Interessen-Schwerpunkten (Maya / Inka / Hopi / Sumerer / Assyrer.......) - anderen dürfte es womöglich ähnlich ergehen - würde ich gern...aber okay, sei's drum.
FD

Selbstverständlich dürfen Mitglieder im Forum Bücher empfehlen.
Man kann diesen Empfehlungen auch mit großem Gewinn folgen,
..es macht Spass.
Das findent aber innerhalb einer Diskussion statt an der man sich beteiligt.
 
Was ist denn an dem Buch, auf das oben hingewiesen wurde, neu und historisch interessant, welche Thesen und Nachweise enthält es?
Ich zitiere ich aus einer´Produktbeschreibung´ beim weltweit größten Online-Buchanbieter:

(Fettmarkierung von mir)

Götter – Gene – Genesis ist der ehrgeizige Versuch dreier interdisziplinär arbeitender Autoren, den Ursprung von Religion schlüssig und nachvollziehbar zu erklären. Ihr Buch verfolgt insofern einen originellen Ansatz, als es den aktuellen kognitionswissenschaftlichen und evolutionär-psychologischen Entwürfen zur Erklärung der Religionsentstehung eine ganz bewusst verhaltensorientierte Perspektive entgegensetzt: Religiöses Verhalten wird konsequent verhaltenswissenschaftlich – ethologisch, biologisch, psychologisch – erklärt. Entscheidende Faktoren für die frühe Entwicklung von Religiosität sind Territorialverhalten und Gefahrenabwehr, innerartliche Aggression und Ritualisierung, Angstbewältigung und Konfliktlösung sowie die kulturelle Evolution als Fortsetzung der biologischen Evolution.

Es geht also um die alles andere als neue Idee, religiöses Verhalten allein aus ´diesseitigen´ Faktoren zu erklären. Ich halte das für einen unwissenschaftlichen Reduktionismus. Natürlich setze auch ich mich oft für eine soziologische und politische und psychologische Deutung religiöser Denkmuster ein, da religiöses Verhalten meistens auch solche Aspekte aufweist, die seine Phänomenologie oft sogar so sehr prägen, dass ein genuin religiöses Moment - bzw. was man darunter verstehen könnte - in den Hintergrund gedrängt wird, aber oft dennoch sichtbar bleibt. Ich meine damit die schamanistische Wurzel des religiösen Verhaltens, die z.B. in Ägypten und der Ägäis noch bewahrt wurde (Mysterienkulte).

Sofern es also Wunns Absicht ist, das Religiöse allein aus nicht-religiösen Faktoren ableiten zu wollen, kann ich diesen Ansatz in seiner Einseitigkeit nur ablehnen. Auch im Kontext des buddhistischen religiösen Erlebens oder der Aussagen einiger christlicher Mystiker des Mittelalters, allen voran Meister Eckhart, über ihre Erfahrungen wirkt Wunns Erklärung absurd ein- und kleindimensional.

Dazu passt auch der Vorwurf, den eine ältere Rezension des Bultmann-Schülers Prof. Siegfried Vierzig gegen Wunns Doktorarbeit von 1999 richtet (= Wunns Unvermögen, das Religiöse in seinen Zusammenhängen wirklich zu verstehen):

(Vierzig, Mythen der Steinzeit, 171):

(Fettmarkierung von mir)

Der Titel einer jüngst veröffentlichten Dissertation gibt diesen Befund ziemlich genau wider: „Götter-Mütter-Ahnenkult, Religionsentwicklung in der Jungsteinzeit“ von Ina Wunn. Isolierte Phänomene werden für sich interpretiert. Was fehlt, ist die Frage nach dem Zusammenhang, der Versuch, die innere Logik dieser Phänomene zu thematisieren. Die Autorin behandelt das Thema „Religion“ in der Steinzeit als ein Sammelsurium von einzelnen Kultformen, von magischen Praktiken und Verehrungsobjekten, die nichts miteinander zu tun haben. Eine solche Sichtweise ist meist auch verbunden mit dem Verzicht, nach Vorbildern oder älteren Traditionen zu forschen, also Entwicklungslinien innerhalb der einzelnen Epochen der Steinzeit auszumachen. In Wirklichkeit ist aber davon auszugehen, dass es ein kontinuierliches Weltbild gegeben hat, d.h. eine Vorstellung vom kosmischen Ganzen, mit einer religiösen Sinninterpretation versehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Um es nochmal und letztmalig klarzustellen: das Geschichtsforum ist kein Platz für weltanschauliche Dispute, theologische/religiöse/atheistische etc. Debatten.

Es geht also um die alles andere als neue Idee, religiöses Verhalten allein aus ´diesseitigen´ Faktoren zu erklären. Ich halte das für einen unwissenschaftlichen Reduktionismus.

"Religiöses Verhalten" aus nicht diesseitigen, also "jenseitigen Faktoren" erklären zu wollen, ist unwissenschaftlich und nicht Gegenstand des Forums.

Die weltanschauliche Verknüpfung "nicht diesseitiger Faktoren" mit dem Schlagwort des wissenschaftlichen/unwissenschaftlichen "Reduktionismus" ist ebenfalls in theologische Debatten oder Weltanschauungsforen zu überweisen, die nicht Gegenstand des Geschichtsforums bilden.

ein genuin religiöses Moment - bzw. was man darunter verstehen könnte - in den Hintergrund gedrängt wird, aber oft dennoch sichtbar bleibt. Ich meine damit die schamanistische Wurzel des religiösen Verhaltens, die z.B. in Ägypten und der Ägäis noch bewahrt wurde (Mysterienkulte).
Schamanismus/Schamanismen/schamanische Wurzeln:

"Im weiten Sinne alle wissenschaftlichen Thesen und Konzepte, die aufgrund bestimmter Ähnlichkeiten der Praktiken diverser spiritueller Spezialisten verschiedenster traditioneller Gesellschaften ein bestimmtes kulturübergreifendes Phänomen postulieren"
https://de.wikipedia.org/wiki/Schamanismus

https://de.wikipedia.org/wiki/Schamanismus#Pr.C3.A4historischer_Schamanismus :
"Wenngleich viele Fundstücke offensichtlich an schamanische Rituale erinnern, sind prinzipiell auch ganz andere Interpretationen möglich. Dass der Frühmensch religiöse Vorstellungen künstlerisch ausgedrückt hat, ist unbestritten, worum es sich dabei jedoch jeweils genau handelt, wird aufgrund der fragmentarischen Fundlage und fehlender Kontext-Informationen immer rätselhaft bleiben. Selbst die jüngsten, viel beachteten und gewürdigten Schlussfolgerungen des südafrikanischen Archäologen David Lewis-Williams und des französischen Archäologen Jean Clottes bleiben in vielerlei Hinsicht spekulativ und unbeweisbar.
...
Die Schamanismus-Konzepte, die kulturübergreifend bestimmte Phänomene selektieren und daraus weitreichende Modelle mit universellem Anspruch konstruieren, werden heute als zu spekulativ angesehen und von daher – zumindest auf ihre Kernthesen bezogen – kaum noch anerkannt."


Sofern es also Wunns Absicht ist, das Religiöse allein aus nicht-religiösen Faktoren ableiten zu wollen, kann ich diesen Ansatz in seiner Einseitigkeit nur ablehnen.

Dazu passt auch der Vorwurf, den eine ältere Rezension des Bultmann-Schülers Prof. Siegfried Vierzig ...

Vierzig ist Theologe, debattiert theologisch und ist für die diesbezügliche und "diesseitige" natur- und geschichtswissenschaftliche Diskussion nicht einschlägig. Daher sind auch seine jenseits-zentrierten Weltanschauungen zu solchen Thesen wie kontinuierliches Weltbild, Vorstellung vom kosmischen Ganzen, religiösen Sinninterpretationen, hier nicht Gegenstand der Debatte.
 
Vielleicht habe ich dich falsch verstanden, aber ich würde dir in diesem Fall nicht vollständig zustimmen. Natürlich kann eine immaterielle Religionsentstehung als solche naturgemäß nicht Gegenstand geschichtswissenschaftlicher Untersuchungen sein. Allerdings bedeutet das im Umkehrschluss nicht, dass sich einfach alle religiösen Deutungen und Erfahrungen auf konkrete materielle Vorteile zurückführen ließen.

Ein Beispiel: Natürlich profitierten viele orientalische Potentaten von der im Vorderen Orient verbreiteten Königstheologie, nach der der jeweilige Herrscher metaphorisch gesehen ein Sohn eines Gottes war und von diesem auch die Herrschaft verliehen bekam. Es wäre aber nun ein Fehler, davon auszugehen, dass diese Könige (und die Priester des jeweiligen Stadt- oder Reichsgottes) daran auf keinen Fall selbst glaubten, sondern sich insgeheim über die dummen Bauern lustig machten, die ihnen ihren Unsinn auch noch abnahmen.

Ein solches instrumentelles Verhältnis zur Religion mag es zwar gegeben haben, es war aber vermutlich nicht die Regel.
 
Dazu passt auch der Vorwurf, den eine ältere Rezension des Bultmann-Schülers Prof. Siegfried Vierzig gegen Wunns Doktorarbeit von 1999 richtet (= Wunns Unvermögen, das Religiöse in seinen Zusammenhängen wirklich zu verstehen):

(Vierzig, Mythen der Steinzeit, 171):

(Fettmarkierung von mir)

Der Titel einer jüngst veröffentlichten Dissertation gibt diesen Befund ziemlich genau wider: „Götter-Mütter-Ahnenkult, Religionsentwicklung in der Jungsteinzeit“ von Ina Wunn. Isolierte Phänomene werden für sich interpretiert. Was fehlt, ist die Frage nach dem Zusammenhang, der Versuch, die innere Logik dieser Phänomene zu thematisieren. Die Autorin behandelt das Thema „Religion“ in der Steinzeit als ein Sammelsurium von einzelnen Kultformen, von magischen Praktiken und Verehrungsobjekten, die nichts miteinander zu tun haben. Eine solche Sichtweise ist meist auch verbunden mit dem Verzicht, nach Vorbildern oder älteren Traditionen zu forschen, also Entwicklungslinien innerhalb der einzelnen Epochen der Steinzeit auszumachen. In Wirklichkeit ist aber davon auszugehen, dass es ein kontinuierliches Weltbild gegeben hat, d.h. eine Vorstellung vom kosmischen Ganzen, mit einer religiösen Sinninterpretation versehen.

Ein weiteres Beispiel für den beliebten Sport des title dropping *augenroll*.

Dagegen der Philosoph und Historiker Harari - den ich für zwar lesenswert aber auch für überschätzt halte - ganz gegenteilig zu Vierzig (und der kommt mit seinen Verriss von Leuten wie Vierzig wieder der von Vierzig so verrissenen Wunn sehr nah):

Animismus ist keine spezifische Religion, es handelt sich vielmehr um einen Überbegriff für Tausende verschiedene Religionen, Kulte und Glaubensvorstellungen, die sich untereinander ganz erheblich unterscheiden können. [...] Wenn wir sagen, dass die meisten Jäger und Sammler Animisten sind, dann besagt das nicht mehr, als die Aussage, dass die meisten Bauern Theisten sind. Theismus ist die Vorstellung, dass die Ordnung der Welt auf einem hierarchischen Verhältnis zwischen Menschen und […] Göttern basiert. Unter dem Oberbegriff [...] finden sich jüdische Rabbiner aus dem Polen des 18. Jhdt.s genauso wieder wie die hexenjagenden Puritaner […] Aztekenpriester […] Sufi-Mystiker […] Wikinger [...] römische Legionäre […] chinesische Bürokraten....
Zwischen den Glaubensvorstellungen und Praktiken dieser Gruppen liegen Welten und genauso groß waren vermutlich die Unterschiede zwischen den religiösen Vorstellungen der verschiedenen Jäger- und Sammlerkulturen.
Und dann sagt Harari das, was ich Chan immer wieder nahezubringen versucht habe, eigentlich auf der Hand liegend banal:

Jeder Versuch, die religiösen Vorstellungen der Jäger detaillierter zu beschreiben, wäre pure Spekulation, da wir kaum Beweise haben und sich die wenigen Indizien - eine Hand voll Gegenstände und bruchstückhafte Höhlenmalereien - in tausenderlei Weise interpretieren lassen. Wenn Wissenschaftler trotzdem Theorien aufstellen, dann verraten diese oft mehr über ihre eigenen Sehnsüchte und Vorurteile als über die Religionen der Steinzeit.
Statt auf der Grundlage von einigen Grabbeigaben [...] hochfliegende Theoriegebäude zu errichten, sollten wir ehrlich zugeben, dass wir nur sehr ungefähre Vorstellungen von den Religionen der steinzeitlichen Jäger und Sammler haben. Wir nehmen zwar an, dass sie Animisten waren, doch das sagt noch reichlich wenig aus. Wir wissen nicht, welche Geister sie anriefen, welche Feste sie feierten, oder welche Tabus sie einhielten. Vor allem wissen wir nicht, welche Mythen sie sich erzählten.
Soweit Harari, den ich persönlich zwar für überschätzt halte, aber hier vollkommen zustimme.
 
Wir wissen, dass wir - nicht nichts, aber sehr sehr wenig wissen. Wunn vertritt einen Zugang von der Ethologie her, die aber aus gegenwärtiger Sicht eher out ist. Andere (z.B. Boyer) einen Zugang von der Kognitionspsychologie (das war der Trend der 10er Jahre). Populär war auch der gehirnphysiologisch argumentierende Lewis-Williams. Das kürzlich ins Deutsche übersetzte Spätwerk von Bellah kommt aus der soziologischen Theoriebildung. Die große Theorie aber, die uns ein schlüssiges Gesamtbild liefert, sehe ich noch nicht - und ich rechne auch nicht damit, dass sie bald kommt. Wir verstehen ja auch unsere eigene Gegenwart oft nicht.
 
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