Glaube und Gewalt

Liminith

Mitglied
Die Menschheit besaß in der Vergangenheit immer irgendwelchen Glauben. In jüngster Zeit wenden sich immer mehr Menschen von der Kirche ab. Ich frage mich, ob nicht zu Recht. Der christliche Glaube wurde mit Gewalt durchgesetzt. Ganz gleich, ob man nach Amerika zu den heidnischen Indianern sieht, oder zu unseren alten, ebenfalls heidnischen Germanen. Selbst Katholiken verfolgten vor Jahrhunderten die Evangelisten, von den Juden will ich hier überhaupt nicht sprechen. Unzählige Menschen wurden aufgrund ihres „falschen“ Glaubens hingerichtet.
Gibt es eine gewaltfreie Religion? Was ist eine Religion wert, wenn sie über Menschenleben und sogar Leichen hinweg geht? Scheint es mir nur so, oder waren gerade die heidnischen Glaubensbekenntnisse als annähernd einzige friedlich, da man sie keinem aufzwang? Oder irre ich hier?
Mein Resümee ist derzeit ernüchternd.

Wieder mal ein Thema, was als provokant erscheinen könnte. Findet ihr aber nicht auch, es lohnt mal darüber zu sprechen?
 
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Gewalt ist ein vollkommen natürliches Verhalten eines jeden Lebewesens, problemmatisch wird es wenn hochentwickelte Lebewesen, wie Menschen, den Umgang damit nicht mehr richtig lernen, und es so zu unangemessenem Verhalten kommt (typischer Facheuphemismus).

Zitat:" Der christliche Glaube wurde mit Gewalt durchgesetzt"

Nicht überall, die Römer, Griechen, Ägypter, Syrer, Anatolier, Araber, Äthiopier, Armenier, usw sind auch ohne Gewalt Christen geworden.

Die meisten damaligen "Priesterreligionen" also heidnischen Kulte, waren auch nicht unbedingt, das das wir heute als human nennen.
 
askan schrieb:
Gewalt ist ein vollkommen natürliches Verhalten eines jeden Lebewesens, problemmatisch wird es wenn hochentwickelte Lebewesen, wie Menschen, den Umgang damit nicht mehr richtig lernen, und es so zu unangemessenem Verhalten kommt (typischer Facheuphemismus).

Ich teile auch die Meinung, dass Gewalt ein dem Menschen angeborenes Verhalten ist, das zu unterdrücken ihm immer Mühe bereiten wird. Mit Religion hat das nichts zu tun.

Ich habe immer den Buddhismus für gewaltfrei gehalten. Oder irre ich? Ich kenne mich da nicht genau aus.
 
Glauben ist nicht gewalttätig. Erst die Auslegung der verschieden Religionen führt zur Gewalt. Solange es immer noch religiöse Führer gibt, die den Unsinn verbreiten nur ihre Religion ist die einzig wahre Religion, solange wird es Kriege geben. Da hat man aus der Vergangenheit leider nichts dazu gelernt.

Solange es Gläubige gibt die anders Gläubige als minderwertig ansehen, solange hört die Gewalt auch nicht auf.
 
Dann schau dir mal die Geschichte der Tibeter, Khmer, und Thai an. Alles Buddisten, aber in der Vergangenheit äußerst kriegerisch.


Zitat:"dass Gewalt ein dem Menschen angeborenes Verhalten ist, das zu unterdrücken ihm immer Mühe bereiten wird"

ich bin der Meinung, das gerade, das übermäßige unterdrücken der Aggression den Gewaltexsessen Vorschub leistet.
Denn was in Seele brennt, will aus und je länger man es zwingt in der Seele zu lassen, um so heftiger wird es, wenn es losgelassen wird.

Dazu braucht man nur einmal gesellschaften vergleichen. Gesellschaften in denen Gewalt und Aggression unerwünscht sind und man es seit langem versucht wird weg zuerziehen, in diesen Gesellschaften existiert das Phänomen des Amok-laufs und ähnlicher Gewaltorgien.

In den Gesellschaften in denen mit Gewalt lockerer umgegangen wird, also wenn es bei denen mal schnell etwas "hinter die Ohren" gibt, dort ist die Luft meist raus um zum Amok-lauf zu starten.
 
askan schrieb:
Nicht überall, die Römer, Griechen, Ägypter, Syrer, Anatolier, Araber, Äthiopier, Armenier, usw sind auch ohne Gewalt Christen geworden.
Das gilt auch für einen Großteil der germanischen Völker (Goten, Franken, Isländer). Die Kelten (Irland!) natürlich nicht zu vergessen...
 
Die unsägliche Verquickung von christlicher Mission und Gewalt fing doch immer dann erst an, wenn Religion Teil der Politik wurde. Wenn Mission nur noch zum Vorwand wurde, um das Machtgebiet eines Staates zu vergrößern oder die MAcht eines Herrschers zu festigen.
 
askan schrieb:
Dann schau dir mal die Geschichte der Tibeter, Khmer, und Thai an. Alles Buddisten, aber in der Vergangenheit äußerst kriegerisch.
Das kann man dann noch um die chinesische Tang-Dynastie (618-979) erweitern. Eine stark dem Buddhismus zugeneigte Famillie, die die größte territoriale Ausdehnung der chin. Geschichte zustandbrachte. Besonders Kaiserin Wu Zetian (684/690-705) war stock buddhistisch und führte am meisten Krieg. Sie mordete wie es ihr passte und schreckte auch nicht davor zurück Teile der eigenen Kaiserfamillie auszurotten. Zeitgleich baute sie hunderte von buddhistischen Klöstern in ganz China und ließ offiziell verkünden sie sei die irdische Inkarnation des Buddha Maitreya. :rolleyes:
 
Liminith schrieb:
Selbst Katholiken verfolgten vor Jahrhunderten die Evangelisten, von den Juden will ich hier überhaupt nicht sprechen. Unzählige Menschen wurden aufgrund ihres „falschen“ Glaubens hingerichtet.
Gibt es eine gewaltfreie Religion?
Katholiken und Protestanten bekaempfen sich noch immer (Irland).

Ich habe noch von keinen Gewaltakten von Buddhisten gehoert. Ich wuerde es als die toleranteste grosse Religion bezeichnen, welche oft mit Pazifismus in Verbindung gebracht wird.
Oder kann mich da jemand eines besseren (oder in diesem Fall schlechteren) belehren ?

Beim Hinduismus hingegen sind mir zwar auch keine gewaltsamen Bekehrungsversuche bekannt (die meisten Konflikte sind politischen Ursprungs und ueber Territorien), jedoch ist in vielen Orten mehr Gewalt zu sehen.

Ist im Grundsatz nicht fast jede Religion gewaltfrei ? Gott, Allah, oder wer auch immer ist der Richter. Nicht der Mensch. So steht es geschrieben.
Religionen sind in meinen Augen etwas gutes. Viele Menschen brauchen sie, und sie veraendert viele zum besseren.
Doch jede Religion ist nur so gut wie die Menschen die sie predigen ! :bet:
 
Ich sehe schon, ich irrte gewaltig!
In einer Doku hab ich mal gehört, dass die Buschmänner die die Kalahari bevölkern einen völlig gewaltfreien Umgang pflegen. Wenn das stimmt, haben wir zumindest eine friedliche Naturreligion!
 
udaipur99 schrieb:
Ich habe noch von keinen Gewaltakten von Buddhisten gehoert. Ich wuerde es als die toleranteste grosse Religion bezeichnen, welche oft mit Pazifismus in Verbindung gebracht wird.
Oder kann mich da jemand eines besseren (oder in diesem Fall schlechteren) belehren ?
Ups, hatte wohl zu lange fuer meinen Beitrag gebraucht. Werde die Beispiele jetzt mal weiter nachforschen. Danke fuer die Info
 
Louis le Grand schrieb:
Das kann man dann noch um die chinesische Tang-Dynastie (618-979) erweitern. Eine stark dem Buddhismus zugeneigte Famillie, die die größte territoriale Ausdehnung der chin. Geschichte zustandbrachte. Besonders Kaiserin Wu Zetian (684/690-705) war stock buddhistisch und führte am meisten Krieg. Sie mordete wie es ihr passte und schreckte auch nicht davor zurück Teile der eigenen Kaiserfamillie auszurotten. Zeitgleich baute sie hunderte von buddhistischen Klöstern in ganz China und ließ offiziell verkünden sie sei die irdische Inkarnation des Buddha Maitreya. :rolleyes:
Die Tang-Dynastie endete 907, und der Buddhismus büßte seine dominierende Rolle endgültig mit der "Buddhistenverfolgung" schon während Huichang-Periode (841-846) ein. Das negative Bild Wu Zetians weist natürlich einige zusätzliche Verzerrungen durch die patriarachalisch-konfuzianistische Geschichtsschreibung auf. Auch Wu Zetians Vorgänger führten Angriffskriege und waren auch kaum weniger zimperlich, wenn es um die eigene Macht ging.

Trotzdem ist der Kernaussage zuzustimmen: Die Tang-Dynastie zeigt sehr deutlich, daß Buddhismus und Imperialismus sich keineswegs ausschließen.
 
Na, daran ist nur die gesellschaft schuld. denn wo es nichts zu holen gibt, da gibt auch kaum streit.

In Bezug auf die Buschleute
 
Gehen wir,was den Budhismus angeht doch einfach nach Japan.
Dort wird u.a. Zen Budh. gepflegt und gehegt, und das nicht erst seit heute. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb ist die Religion untrennbar mit der kriegerischen Vergangenheit des Landes Verbunden.
Kriegermönche, die in die Bürgerkriege eingriffen oder in der Sengoku-Periode als Machtfaktoren, als umwerbenswerte Heere saßen seit dem 10. Jh. z.B. auf dem Berg Hiei oder bei Nara.
Ja, solche Religionsgemeinschaften errichteten sogar gegen die Armeen der Daimyos eigene Ländereien. Nagashima und Ishiyama sind zwar Klöster, wirken aber wie Festungen und weisen blutige Geschichte auf.
Sogar "Konfessionskriege" kennen die Japaner (z.B. zwischen Enryakuji und Zen).

Auch die Klöster in China weisen teilweise Bewaffnung und Ausbildung zum Kampf auf, Bekanntestes Beispiel sind die Shao Lin.
Von friedlicher Religion in der Praxis kann man also kaum reden.

Doch es wurde ja schon gesagt, theoretisch ist jede Religion friedlich. "Du sollst nicht töten!" u.ä. wird nur schlicht nicht beachtet.

Und was die Missionisierung des Christentums angeht: bis zur Neuzeit war sie doch sehr friedlich.
Selbst unter der riesigen Anzahl Märtyrer griff die römische Urgemeinschaft nicht zu den Waffen. Die in die german. Gebiete pilgernden Mönche mußten damit rechnen erschlagen zu werden, ohne sich wehren zu können. (da gibts die schöne Geschichte eines Mönches, der seine Bibel hob um zu parieren und als diese vom Schwert durchtrennt wurde, gab es kein zerstörtes Wort darin).

Nicht zu vergessen die Legende, wie Attila von einem Papst zum umkehren bewegt wurde (ohne Kampf, in Realität aber wohl mit einigem Geld).
Das täuscht natürlich nicht über die gerade während des imperialistischen Phasen begangenen Verbrechen hinweg, läßt unsere Religion aber nicht mehr ganz so düster erscheinen.
 
Gewalt hat nichts mit Glaube zu tun.
Der Mensch in seiner Ur-Ur-Urgeschichte gehörte noch zu den Affentieren. Affen haben sich (heute auch noch) mitunter mit gewalttätigen Aktionen auseinandergesetzt, um etwas durchzusetzen oder zu verteidigen oder zu erobern.
Dieser Urinstinkt lebt fort, bis heute. Es mag Menschen geben, die körperliche Gewalt ablehnen und praktizieren, aber die Sprache wird nach wie vor als Waffe eingesetzt. Nicht zu vergessen, wer gewaltlos lebt, wird in einer Notsituation (Freundin, Ehepartner, eigenes Kind werden im eigenen Beisein gequält, nicht tatenlos das Martyrium anschauen) auch gewalttätig.
 
Deswegen, schrieb ich Eingangs, das ein zu übermässiges Unterdrücken der natürlichen Aggression, letztendlich nichts bringt.
denn die eigene Wehrhaftigkeit sollte man sich nicht weg erziehen, denn wenn man doch mal in die Situation kommt, sich wehren zu müssen, dann wird Agression, gepaart mit Angst und Hilflosigkeit zur richtig brutalen Gewalt!
 
@askan: Glaubst du wirklich, dass Menschen die in ihrer Erziehung Gewalt erfahren haben weniger zu Aggression neigen, als Menschen die gewaltlos erzogen wurden?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ganz bestimmt nicht! Das ist wissenschaftlich erforscht an Gewaltverbrechern. Ich glaube aber, Askan meinte etwas anderes.
 
Weiß jemand von euch, ob heidnischer Glaube auch zwangsweise verabreicht wurde? Mir ist nichts derartiges bekannt. Nach meinem Dafürhalten ist dies jedoch bei (fast) allen anderen Glaubensrichtungen teilweise geschehen.
 
Liminith schrieb:
Weiß jemand von euch, ob heidnischer Glaube auch zwangsweise verabreicht wurde? Mir ist nichts derartiges bekannt. Nach meinem Dafürhalten ist dies jedoch bei (fast) allen anderen Glaubensrichtungen teilweise geschehen.
Das jüngste Beispiel, das mir aus dem Stegreif einfällt, ist der japanische Shintoismus (bis 1945).
 
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