Herrenhut, Mission und Rassismus

El Quijote

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Anlässlich eines Aufenthalts in der Lausitz war ich vor einigen Tagen in Herrenhut. Dort ist man natürlich sehr stolz auf die Sterne, aber eben auch auf die Mission der Herrenhuter Brüdergemeinde, die ethnologisch und auch historisch-archivalisch seh aktiv ist. So muss z.B. jeder zur Brüdergemeinde gehörige, wenn das Lebensende naht, einen Lebensbericht schreiben. Das ethnologische Museum in Herrenhut ist mit Mitbringseln und Zusendungen der auf Mission befindlichen Gemeindebrüder und -schwestern gefüllt.

Nun ist es so, dass die Herrenhuter eine reformatorische Strömung sind, welche sehr stark an die Gleichheit der Menschen glauben.* Nun fallen aber die aktivsten Zeiten der Herrenhuter Mission in die "Kolonialzeit". Die Magazine der ethnologischen und naturhistorischen Museen dieser Zeit sind ja zum Teil mit Zeugnissen rassischen Überlegenheitsdünkel gefüllt, insbesondere präparierten Schädeln. Unterschieden sich die Herrenhuter da von ihren vorwiegend lutheranischen Mitmissionaren?

*was möglicherweise auch einer der Gründe ist, warum die bereits kollektivierte Produktion der bekannten Sterne, das Kombinat Stern frühzeitig wieder reprivatisiert wurde, ein ziemlich einmaliger Vorgang in der DDR.
 
Google es mal. Da sieht man viele Bücher oder auch Tagungen, die es gab, da vorallem die EKiR in der EKD den Prozess vorangetrieben hat, die Arbeit der damaligen und heutigen Mission aufzuarbeiten.
Deutsche evangelische Kirche
im kolonialen südlichen Afrika
Die Rolle der Auslandsarbeit
von den Anfängen bis in die 1920er Jahre
Herausgegeben von
Hanns Lessing, Julia Besten, Tilman Dedering,
Christian Hohmann und Lize Kriel
im Auftrag der Träger und des Wissenschaftlichen Beirats
des Studienprozesses zur Rolle der deutschen evangelischen
Auslandsarbeit im kolonialen südlichen Afrika

das wäre die Dokumentation zum Studienprozess der Rolle der EKD, den die EKiR angeregt hatte (siehe auch: EKD: Evangelische Kirche in Deutschland - Evangelische Kirche im deutschen Kolonialismus und Vereinte Evangelische Mission: Kirche im Kolonialismus)

oder es gibt auch noch Bücher wie
Hamilton, Majida
Mission im kolonialen Umfeld
Deutsche protestantische Missionsgesellschaften in Deutsch-Ostafrika
 
Da sieht man viele Bücher oder auch Tagungen, die es gab, da vorallem die EKiR in der EKD den Prozess vorangetrieben hat, die Arbeit der damaligen und heutigen Mission aufzuarbeiten.
Danke für die Info. Ich habe mir gerade das http://www.ekd.de/download/Studienprozess_Tagungsflyer_Hofgeismar_2011.pdf durchgelesen - vielleicht bin ich zu misstrauisch, aber es macht auf mich keinen allzu neutralen Eindruck; auch sehe ich da keine Hinweise auf Untersuchungen in Richtung Rassismus in der Kolonialzeit.
 
Hier sind einige Zitate zum Thema, zuerst Luther selbst betreffend, einen nach heutigen Maßstäben psychopathischen Menschen. Danach Zitate das eigentliche Thema betreffend, denen zufolge die christliche Missionierung, auch die protestantische, von extremem Rassismus geprägt war.

(Predigt von 1526)

Der Tod im Kindbett ist nichts weiter als ein Sterben im edlen Werk und Gehorsam Gottes. Ob die Frauen sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts. Lass sie nur tot tragen, sie sind darum da.

(Handbuch der Judenfrage, 182)

Darum wisse Du, lieber Christ, und Zweifel nichts dran, dass Du, nähest nach dem Teufel, keinen bittern, giftigern, heftigern Feind habest, denn einen rechten Juden, der mit Ernst ein Jude sein will.

(Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern)

Drum soll hier erschlagen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann, und daran denken, daß nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres sein kann als ein aufrührerischer Mensch; (es ist mit ihm) so wie man einen tollen Hund totschlagen muß: schlägst du (ihn) nicht, so schlägt er dich und ein ganzes Land mit dir.

(Opery exegetica, 127) (über behinderte Kinder)

Wenn man aber von den teufelsähnlichen Kindern erzählt, von denen ich einige gesehen habe, so halte ich dafür, dass sie entweder vom Teufel entstellt, aber nicht von ihm gezeugt sind, oder dass es wahre Teufel sind.

http://www.weltbilder.de/missionierung.html

In weiten Teilen des südlichen und östlichen Afrika ist das Christentum die vorherrschende Religion. In ehemaligen britischen Kolonien wie Zimbabwe und Südafrika gehören die meisten Christen der protestantischen Kirche an. Andernorts überwiegen die Katholiken.

(...)

3.3 Protestantische Missionierung in Südafrika

Eine äußerst negative Entwicklung der Christianisierung fand im südlichen Afrika statt (...) In diesem Weltbild gab es keinen Platz für die schwarzen Ureinwohner, so dass die südafrikanisch-reformierte Mission, die schließlich im 19. Jahrhundert erfolgte, zu einem 'Werkzeug der Rassentrennung' wurde. Es gab nach Hautfarbe getrennte Gottesdienste und Kirchengebäude und 1880 wurde für die schwarze Urbevölkerung Südafrikas eine getrennte Kirche gegründet. Rassentrennung und Verdrängung der Ureinwohner von ihren Ländereien wurden als dem göttlichen Willen entsprechend praktiziert. Viele Missionare gliederten sich in ihrer Lebensweise immer stärker in die weiße Siedlungsgemeinschaft ein, forderten wie die Buren die Apartheid und vertraten ein Konzept der vorerst getrennten Entwicklung mit der Einrichtung von Reservaten.

(...)

Die Haltung, welche die Missionare zur einheimischen Kultur und Religion einnahmen wurde wesentlich von zwei Dingen geprägt. Zum einen spielte das allgemein verbreitete Selbstverständnis, Vertreterin einer 'höherwertigen' Kultur und gleichzeitig Inhaber der einzig wahren Religion zu sein, eine wichtige Rolle. Materieller Fortschritt wurde als Indikator für die Weiterentwicklung des Menschen angesehen. In Europa setzte man überlegene Kultur mit überlegener Rasse gleich. "Dementsprechend wurde Kultur und rassische Überlegenheit an der technologischen und materialistischen Weiterentwicklung gemessen" (SAUERWEIN, S. 130)

(...)

Der Missionswissenschaftler JOHANNES BECKMANN (1901-1971) bereiste das südliche Afrika zwischen 1938 und 1939 und stellte in den von den Buren beanspruchten Gebieten einen starken Rassismus fest, den auch die dort arbeitenden Missionare pflegten. In seinem Tagebuch berichtete er von unhaltbaren Zuständen in den dortigen Missionsstationen. Demnach gab es Buren-Missionare, die absolut keine Hochachtung vor den Schwarzen hatten und offen behaupteten, der Schwarze sei ohne Seele.

(...)

Aber nicht nur rassistische Anschauungen warfen ein verwerfliches Bild auf die Eroberer. Auch hinsichtlich der Anwendung der von den Missionaren propagierten Christlichen Religion gab es Negativenbeispiele, die das Christentum in einem unglaubwürdigen Licht erscheinen ließen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier sind einige Zitate zum Thema, zuerst Luther selbst betreffend, einen nach heutigen Maßstäben psychopathischen Menschen.
...psychiatrische Ferndiagnosen über etliche Jahrhunderte hinweg sind ziemlich entbehrlich ;)

In weiten Teilen des südlichen und östlichen Afrika (.......) gab es Negativenbeispiele, die das Christentum in einem unglaubwürdigen Licht erscheinen ließen.
sind diese kursiven Textauszüge in deinem Beitrag aus dem Link?
 
Chan, es ist lieb, dass du die Lutherzitate rausgeschrieben hast, aber das geht ein wenig an meiner Fragestellung vorbei. Mir geht es nicht etwa um den Rassismus lutheranischer Missionare, der sich aus den Rassetheorien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts speiste, sondern um die Frage, ob die Herrenhuter vom Rassismus ihrer Zeitgenossen gemäß ihrer Überzeugung, dass alle Menschen gleich seien, freizusprechen sind, oder aber ob das idealisierend wäre.

Luthers Antijudaismus ist noch nicht der Rassenantisemitismus späterer Zeiten; Luther hatte sich von der augustinischen Zeugenschaftslehre, welche die katholische Theologie vertrat (was Judenverfolgungen in katholischen Herrschaften trotzdem nicht gänzlich verhindern konnte, siehe etwa die iberische Halbinsel), verabschiedet und hatte die Juden zur Konversion zum Christentum aufgerufen, dem folgten diese aber nicht und blieben damit aus Luthers Sicht (die man aus heutiger Sicht gerne für arrogant halten darf) aus freien Stücken der Wahrheit fern. Dies löste Luthers antijudaistische Hasstiraden aus, durch welche sich spätere Rassenantisemiten bestätigt fühlen konnten, insbesondere dann, wenn sie lutheranischer Konfession waren, aber Luther selber ist noch nicht als Rassist zu bezeichnen. Mir ging es auch vorwiegend um das Verhältnis zu als unzivilisierte Barbaren diffamierten Nichteuropäern.
 
Ach Chan, es würde einer Diskussion wirklich nicht schaden wenn du im Bereich Religion einwenig objektiver an die Sachen dran gehen würdest.

Luthers Einstellung gegen Juden hat sich, wie teilweise gesagt, im Laufe der zeit geändert. Aber das kann wo anders diskutiert werden.

Ich hatte nicht ernsthaft erwartet, dass in den Kirchenlinks eine wirkliche Aufarbeitung stattfindet. Ich wollte nur zeigen, dass es Anfänge gibt die Situation zu untersuchen. Auch wenn es mich schmerzt muss ich sagen, dass die Kirche da versucht einiges unter Verschluss zu halten, was andere objektivere Untersuchen zeigen.
Ich habe es schwierig gefunden eine objektive Untersuchung zu finden, man wird wohl Untersuchungen der Kirche und von Kirchengegnern nehmen müssen und irgendwo in der Mitte eine Wahrheit finden. Wo genau wird man vielleicht in der Zukunft irgendwann erfahren.
 
Ich hatte nicht ernsthaft erwartet, dass in den Kirchenlinks eine wirkliche Aufarbeitung stattfindet. Ich wollte nur zeigen, dass es Anfänge gibt die Situation zu untersuchen. Auch wenn es mich schmerzt muss ich sagen, dass die Kirche da versucht einiges unter Verschluss zu halten, was andere objektivere Untersuchen zeigen.
das wollte ich so deutlich nicht sagen, ist aber auch mein Eindruck von den Kirchenlinks
 
Hier zeiogt sich wieder mal,dass bei einer exante-Bewertung von historischen Sachverhalten ,insbesondere wenn man diese an Einzelzitaten oder singulären Ereignissen festmacht übersehen wird,daß die handelnden Personen nun mal Kinder ihrer Zeit und der sie prägenden Anschauungen und Sichtweisen waren und ihr Handeln in dem entsprechenden Rahmen und nicht aus heutiger Sicht zu bewerten ist.
Die europäischen Gesellschaften agierten zumindest seit der kolonialen Expansion aus einem Gefühl der Überlegenheit gegenüber anderen Völkern und Ethnien heraus, das die Grundlage des Rassismus bildete und das galt für alle gesellschaftlichen Gruppen Rassismus in der Kolonialzeit muß also schlicht als gegeben angenommen werden.Unterschiedlich waren nur die Ausprägungen des Rassismus, die von brutaler Unterjochung und Ausbeutung eines Carl Peters bis zu entmündigender karitativer Fürsorge eines Albert Schweitzer gingen.Hinter allen stand aber die Grundhaltung "Die Einheimischen kriegen es nicht hin und bedürfen daher der Führung durch den überlegenen Europäer " Und die Mission,die dazu noch von der Überlegenheit des eigenen Glaubens ausging,war natürlich Teil dieser Ideologie.
Kriterium der Beurteilung einzelner Personen oder Geschehnisse kann also in diesem Zusammenhand nicht sein,ob sie rassistisch waren sondern nur wo sie innerhalb des oben skizzierten Rahmens sie einzuornden sind.

Ich erinnere mich, übrigens daß in dem evangelischen Kindergarten ,in den ich ging noch Anfang der sechziger ein sogenanntes "Heidenbübchen" stand, also eine Sammelbüchse der Mission, auf der die Figur eines "Negerkindes" angebracht war,das mit dem Kopf nickte,wenn man eine Münze einwarf. Auch eine Form des Rassismus,die heute nicht mehr denkbar wäre,damals aber gang und gäbe wär.
 
Unterschiedlich waren nur die Ausprägungen des Rassismus, die von brutaler Unterjochung und Ausbeutung eines Carl Peters bis zu entmündigender karitativer Fürsorge eines Albert Schweitzer gingen.
...diese beiden in einem Satz, wobei das tertium comparationis der Rassismus der Kolonialzeit ist... recht gewagt...

Ich erinnere mich, übrigens daß in dem evangelischen Kindergarten ,in den ich ging noch Anfang der sechziger ein sogenanntes "Heidenbübchen" stand, also eine Sammelbüchse der Mission, auf der die Figur eines "Negerkindes" angebracht war,das mit dem Kopf nickte,wenn man eine Münze einwarf. Auch eine Form des Rassismus,die heute nicht mehr denkbar wäre,damals aber gang und gäbe wär.
ja, im schwäbischen heißt das der Nickneger bzw. s´Nicknegerle - erst unlängst im Bistum Rottenburg (Tucholski: "das schwarze Rottenburg"), genauer im Kloster Weggental am Rande von Rottenburg, gab es ein kleines peinliches Lokalskandälchen, da die Leserbriefdiskussion um das Nicknegerle im Kloster Weggental geradezu paranoide Züge annahm... :D:D man sehe:
UTE PLANERT, 42,
lehrt als außerplanmäßige Professorin Neuere Geschichte an der Eberhard Karls Universität in Tübingen.
Der Stein des Anstoßes ist nur wenige Zentimeter groß. Ein schüchtern-devotes Lächeln im schwarzen Gesicht, kauert die kleine Mohrenfigur am Rand einer orientalisch anmutenden Phantasielandschaft. Die Hände mit dem Sammelhut streckt sie dem Besucher der Wallfahrtskirche bittend entgegen.
Jede Münze für die Mission mit dankbarem Kopfneigen belohnend, hat das im schwäbischen Volksmund "Nicknegerle" genannte Heidenkind das Afrika-Bild ganzer Generationen geprägt. Die harsche Kritik antirassistischer Gruppen verbannte den heimlichen Star der Weihnachtskrippe im württembergischen Weggental für einige Jahre in die Rumpelkammer des angeschlossenen Franziskanerklosters. Dass er inzwischen wieder nicken darf, ist, neben dem unbefriedigenden Spendenaufkommen der blondgelockten Ersatzfigur, der steten Nachfrage eifriger Kirchgänger aus der nahen Bischofsstadt Rottenburg zu verdanken. Sie wollten ihren "Missionsneger" nicht missen - und auch nicht, so darf man unterstellen, die Erinnerung an eine Zeit, da man noch mit dem Überlegenheitsgefühl des Europäers glaubte, den "armen Heiden" im fernen Afrika mit der christlichen Zivilisierungsmission etwas Gutes zu tun.
aus: http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecialgeschichte/d-51672166.html
 
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