Luxenberg und die Jungfrauen

Chan

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Ich möchte hier Thesen und zwei philologische Analysen des deutschen Semitisten "Christoph Luxenberg" zur Diskussion stellen.

Unter diesem Pseudonym wurde vor 13 Jahren eine Studie über den Koran veröffentlicht ("Die syro-aramäische Lesart des Koran – Ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache") veröffentlicht, die internationale Aufmerksamkeit erregte und von einigen Fachleuten als koranwissenschaftliches Äquivalent der kritischen Bibelforschung des 19. Jh. gefeiert wird. Das Pseudonym wurde dem Wissenschaftler von arabischen Freunden angeraten, da seine Thesen eine Provokation für traditionelle Muslime darstellen. Es gibt muslimische Gelehrte in islamischen Ländern, die ähnliche Auffassungen vertreten, dies aber nicht öffentlich äußern dürfen. In Ägypten z.B. wurde ein Professor von seinen Studenten aus einem Fenster im 2. Stock geworfen (was er überlebte), im Sudan wurde ein Gelehrter sogar hingerichtet. Ich selbst erzählte gestern einem Araber (mit Abitur) über Luxenbergs ernüchternde Deutung der "Huri"-Passagen im Koran. Erst glaubte er, ich scherze, dann guckte er, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Ich ließ das Thema also schnell fallen.

Auch Günter Lüling, ein anderer Islamexperte und wie Luxenberg in mehreren großen internationalen Zeitungen besprochen, hat schon vor Jahrzehnten die These aufgebracht, der Koran sei aus einer Sammlung christlicher arabischer Lieder hervorgegangen, die von Mohammed lediglich erweitert wurden. Lüling wurde deswegen aus dem Hochschuldienst entlassen (auch in Deutschland haben kritische Orientalisten gegenüber der Mainstream-Islamwissenschaft einen schweren Stand). Luxenberg behauptet nun, der Koran sei in vielen Teilen eine Übertragung älterer christlicher und jüdischer Texte von ursprünglich liturgischer Bedeutung. Er habe in seiner Urfassung einfach dazu gedient, den Arabern die judenchristlichen Vorstellungen näherzubringen, und zwar in einem Umfeld, das bereits christianisiert war statt heidnisch zu sein, wie es die islamische Tradition behauptet.

Darüber hinaus sieht Luxenberg eine sprachliche Problematik, die dazu führte, dass viele Koranstellen im Verhältnis zum Urtext schlichtweg falsch sind. Einige davon - und gewiss nicht die unbedeutendsten - sind eben jene Passagen, die angeblich von schönen Jungfrauen im Paradies künden. Fakt ist, dass die ersten Koranhandschriften weder "diakritische Punkte" noch Vokalzeichen aufwiesen. Dadurch, so Luxenberg, sei es bei Kopisten und Exegeten zu einer Fehllesung von ursprünglich aramäischen Ausdrücken gekommen. Im Islam wird zwar behauptet, dass es eine mündliche Tradition gegeben habe, die als Korrektiv falscher Lesungen dienen konnte, das aber wird von Luxenberg bezweifelt. Fehllesungen, behauptet er, hätten auch zu jenen seltsamen Stellen im Koran geführt, die auch traditionelle islamische Exegeten schon lange vor Rätsel stellen, wie z.B. den bedeutenden Koran-Kommentator Tabari im 9. Jh.. Diese undeutbaren Stellen werden von Traditionalisten euphemistisch als "Poesie" und "religiöse Patina" verklärt (auch von konservativen deutschen Wissenschaftlern).

Hier sind zwei Beispiele für textkritische Analysen Luxenbergs:

+ die Jungfrauen-Passagen:

"Hur" (arabisch حور), ein Adjektiv im weiblichen Plural, bedeutet wörtlich "weiße" oder, laut Luxenberg, "weiße, juwelengleiche". Im Koran liest man dafür "weißäugige Jungfrauen", die im Paradies den Gläubigen Freude bereiten. Luxenberg interpretiert die "weißen, juwelengleichen" dagegen als Umschreibung für Trauben und übersetzt: "weiße kristallklare Trauben". Weiße Trauben, meint er, seien in den syrisch-christlichen Vorstellungen des Paradieses ein gängiges Sinnbild der Lebensfreude gewesen. Für Luxenberg ist die Jungfrauen-Lesart eine reine Wunschvorstellung, zumal an anderen Stellen im Koran dem Gläubigen zugesagt wird, dass sie im Paradies mit ihren irdischen Ehefrauen vereinigt werden. Wie aber passt das mit den "72" Jungfrauen zusammen, die dem Gläubigen angeblich zum Genuss bereitstehen?

+ die Kopftuch-Passage:

Im Vers 31 der Sure 24 heißt es wörtlich: "Sie (die Frauen) sollen ihre chumur über ihre Taschen schlagen". Chumur ist der Plural von chimar (arabisch خمار). Die Bedeutung von ´chumur´ ist auch für Araber unklar, wird aber traditionell, z.B. bei Tabari, als Kopftuch verstanden. Wie Tabari zu dieser Deutung kam, ist unklar. Warum das "Tuch" (als welches er ´chumur´ auslegt) den ganzen Kopf bedecken soll, ist aus dem Kontext nämlich nicht zu erschließen. Nur so ist das Kopftuch-Dogma überhaupt entstanden.

Was aber hat es mit dem ´chumur´ auf sich? Luxenberg hält chumur (Sing. chimar) für eine Fehllesung des aramäischen ´gmar´ (Gürtel, Band), das im Aramäischen zusammen mit "schlagen" phraseologisch gebraucht wird. Der Satz müsste also lauten: "Sie sollen sich ihre Gürtel um die Lenden schlagen (oder binden)".

Wie gesagt: Tabari legte das im Arabischen unbekannte Wort ´chumur´ im 9. Jh. eigenwillig als "Kopftuch" aus, welches "Hals, Haare und Ohrringe" zu verdecken habe. Ohne diese Tabari´sche Interpretation gäbe es das Kopftuch-Gebot überhaupt nicht.

Im Hadith 15 wird dieser Widerspruch indirekt sogar thematisiert, freilich in einer Weise, die das Gebot bestätigt. Es heißt nämlich, dass Aischa, die jüngste Gattin des Mohammed, und weitere Frauen ihre Stoffgürtel in Kopftücher umgearbeitet haben.
 
 
 
Ein paar Stimmen zu Luxenberg - zwei davon von Mitgliedern mit einer islmawissenschaftlichen Ausbildung, eines von einem Mitglied, welches zumindest Kenntnisse des Arabischen hat - aus dem Forum:

Dieses Buch gibt wohl eher seinen Standpunkt wieder. (Und die seiner sehr spärlichen Mitstreiter, wie Luxenberg)

Ohlig und Luxenberg sind ebenfalls mit den meisten ihrer Thesen in einer Minderheitenposition innerhalb der deutschen islamwissenschaftlichen Forschung. Wenngleich auch nicht so isoliert wie Kalisch, und einige Impulse und Blickrichtungen in die Diskussionen liefern konnten. Das war's aber auch schon. (Interessanterweise finden besonders die Minderheiten- oder Extrempositionen der Forschung Gehör in den Medien... Sensation! Sensation! Auflagensteigerung! Profit! Geifer! ;))
Das unter dem Link aufgezeichnete Gespräch beim Deutschlandradio wird bestritten von renommierten Islamwissenschaftlern einerseits (Neuwirth, Bobzin, Richter-Bernburg) und einem Mitarbeiter einer Koranforschungsgruppe in Saarbrücken (Ohlig).
Ohlig hat zusammen mit einem Chistoph Luxenberg (Pseudonym) ein Buch herausgegeben, das nachweisen will, daß der Koran ursprünglich in syro-aramäisch verfaßt wurde - neben einigen anderen schrägen Behauptungen. Das verärgert natürlich die Kollegen in der Islamwissenschaft. :D Wer dieser Herr Luxenberg ist, weiß angeblich keiner. Man vermutet hinter dem Pseudonym einen deutschen Semitisten.
Ich habe mal ein bißchen recherchiert, um mehr zu erfahren. Offensichtlich basiert die Argumentation vor allem auf sprachhistorischen Dingen, von denen ich Mangels Kenntnis des Syro-Aramäischen nichts verstehe. Was mir allerdings sehr spanisch vorkam, war die Behauptung, es gäbe so gut wie keine schriftlichen Zeugnisse des Arabischen in den ersten zwei (angeblich) islamischen Jahrhunderten. Das stimmt nämlich einfach nicht. (Hat ja auch Herr Illig schon vergeblich als Argument gebracht.) Es heißt weiter, daß der Korantext erst im 8. Jh. von Angehörigen einer isoliert lebenden christlichen Sekte aus Ostiran auf die arabische Halbinsel gebracht worden ist und der endgültige Text erst dann entstand. Den Propheten Muhammad hat es demnach nicht gegeben und auch die frühislamische Geschichte, so wie wir sie kennen, ist erfunden. Dieser Luxenberg schreibt wohl , daß von Muslimen in den christlichen Quellen des 7. Jhs. nicht die Rede sei, und daß der Islam daher noch gar nicht existiert haben kann.
Dieser Artikel hier, der sich sehr kritisch mit der Theorie befaßt, erscheint mir recht plausibel und setzt sich mit einzelnen Punkten der Argumentation auseinander. From Alphonse Mingana To Christoph Luxenberg: Arabic Script & The Alleged Syriac Origins Of The Qur'an Der Autor, R. Hoyland, ist auf frühislamische Geschichte spezialisiert und wohl kompetent genug, um glaubwürdig zu sein. Sein Buch "Seeing Islam as Others Saw It" habe ich mir gerade in der Bib bestellt. Das ist sicher interessant. Er hat darin unzählige islamische und außerislamische Texte aus der islamischen Frühzeit zusammengetragen, die sich mit dem Thema Araber und Islam befassen. Ganz bestimmt ist da auch die Rede von Muslimen. :pfeif:

Danke für das sonntägliche Amüsement :winke:.
Der Artikel ist äußerst interessant, vor allem, wenn man auch mal auf die Versionsgeschichte und die Diskussionsseite schaut. Offenbar wurden Ersteintrag sowie mehrere anfängliche Erweiterungen von ausgesprochenen Ohlig-Fans (sofern nicht vom Herrn Emeritus selbst) vorgenommen. Zwischenzeitlich sind sogar mehrere Edit-Wars zu verzeichnen - ua um die nicht vorhandenen arabischen Sprachkenntnisse von Herrn Ohlig, die zwar mit Beleg nachgewiesen waren, aber augenscheinlich nicht jedem paßten.

Die Anfänge des Artikels zu Ohlig wurden übrigens von einer IP aus angelegt, die in Luxemburg lokalisiert wird - siehe dazu zB den im Artikel genannten Autor Christoph Luxenberg, der ebenfalls mit einem eigenen Wikipedia-Artikel bedacht wurde, obwohl es sich auch hier um ein Pseudonym handelt und der bürgerliche Name des Autoren sowie auch vor allem seine Qualifikation offenbar als umstritten gelten dürfen.

Eine diskutierte Änderung am Ohlig-Artikel mußte übrigens vorgenommen werden, weil die als Beleg verlinkte Seite von Ohlig auf dem Universitätsserver von der Uni Saarbrücken gelöscht wurde... Das scheint jedoch wenig mit einer Emeritierung zu tun gehabt zu haben.

Also, wir haben einen emeritierten Theologie-Prof und zwei Autoren, die zwar wissenschaftlich zu argumentieren behaupten, jedoch offenbar alle drei eine wissenschaftliche Argumentation lege artis nicht umzusetzen verstehen. Zudem ziehen zwei es vor, unter Pseudonym zu veröffentlichen, so daß nicht vorhandene wissenschaftliche Qualifikationen wenigstens nicht gleich bei der ersten Recherche des Namens auffällig werden. Und alle drei (?) referenzieren und rezensieren sich munter gegenseitig. Ein Schelm, der jetzt Böses dabei dächte.... :fs:

Es ist durchaus so, dass es auf der arabischen Halbinsel zur Zeit Muhammads Christen und Juden gab, dies kommt auch in Qur'an und Sunna vor, die die Djahiliyya nicht auf das Heidentum reduziert. Ich selbst halte den Qur'an ohne die Lektüre der Bibel, und zwar sowohl des Alten, als auch des Neuen Testaments für in Teilen unverständlich, da er stellenweise die Kenntnis der jüdischen und christlichen Texte voraussetzt. Dass der Qur'an aber eine Zusammenstellung und Übersetzung von christlichen und jüdischen Liedern sein soll, ist völlig absurd. Niemand der den Qur'an mal gelesen hat, würde darauf kommen.
 
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Unter diesem Pseudonym wurde vor 13 Jahren eine Studie über den Koran veröffentlicht ("Die syro-aramäische Lesart des Koran – Ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache") veröffentlicht, die internationale Aufmerksamkeit erregte und von einigen Fachleuten als koranwissenschaftliches Äquivalent der kritischen Bibelforschung des 19. Jh. gefeiert wird.

Das ist so nicht den Fakten entsprechend - es gab wenig internationale Aufmerksamkeit und ganz wenig feiernde Fachwissenschaftler. Dagegen gibt es einige Rezensionen, die "Luxenberg" bescheinigen, unsauber zu arbeiten und herzuleiten und unzulässige sowie unsinnige Folgerungen zu ziehen.

Das Pseudonym wurde dem Wissenschaftler von arabischen Freunden angeraten, da seine Thesen eine Provokation für traditionelle Muslime darstellen.
Das ist jedoch lediglich Legende. Im Gegensatz dazu bestreiten Autoren von wissenschaftlichen Rezensionen, daß "Luxenberg" Dozent für semitische Sprachen sein kann, da ihm zuviele Fehler unterlaufen.

Das Pseudonym erlaubt jedenfalls weder einen Beleg für, noch einen Beleg gegen die Behauptung, "Luxenberg" sei Fachwissenschaftler; etwaige Qualifikationen lassen sich schlicht nicht belegen oder bestreiten. Das kann natürlich durchaus bequem sein oder sogar gelegen kommen.

Es gibt muslimische Gelehrte in islamischen Ländern, die ähnliche Auffassungen vertreten, dies aber nicht öffentlich äußern dürfen. In Ägypten z.B. wurde ein Professor von seinen Studenten aus einem Fenster im 2. Stock geworfen (was er überlebte), im Sudan wurde ein Gelehrter sogar hingerichtet.
Dafür hätte ich gerne Belege - jedoch bitte keine Webseiten auf Rechtsaußen·...

"Luxenbergs" Buch hat in dreizehn Jahren keine sonderliche wissenschaftliche Beachtung oder positive Rezeption durch die Wissenschaft erfahren. Ohlig, der die Publikation hochhält, ist kein Fachwissenschaftler, kann gar kein Arabisch und ist daher nicht in der Lage, sich in der Sache zu äußern.

Es gibt jedoch einen Bereich, in dem "Luxenberg" intensiv - man möchte sogar sagen: freudig - rezipitert wird. Dies wird bereits deutlich, wenn man das Verfasserpseudonym googelt: bereits ab der ersten Seite mit Ergebnissen wird man von einer Welle von Seiten aus dem rechtsextremen Spektrum überrollt, allen voran PI-News.

In dieses Erscheinungsbild paßt, daß auf Wikipedia zb ein User "Dr Christoph Heger" am Artikel "Luxenberg" mitgearbeitet hat bzw dies versucht; seine Ergänzungen mußten regelmäßig revertiert werden und Heger hat sich auf Edit Wars eingelassen.

Eine schnelle Recherche ergibt, daß Dr Christoph Heger pensionierter Physiker ist, sich also ebenfalls in diesem Bereich nicht sachkundig äußert. Auf welcher Grundlage sich Heger zb bei Linkedin als "Selbständige Fachkraft im Bereich Forschung" eintragen mag, wird leider wg des ungenannten Fachbereichs nicht ersichtlich.

Zudem ist zu erwähnen, daß Heger im Jahr 2011 als Landratskandidat für "Pro NRW" auftrat und im Rheinisch-Bergischen Kreis mit sagenhaften 2,8% abschnitt. Weiterhin läßt sich ermitteln, daß Heger weiterhin offenbar recht aktiver Kommentator beim inzwischen abgeschalteten kreuz.net war; angesichts der Vielzahl der Ergebnisse von PI-News ist Heger dort offenbar ein rühriger und langjähriger Kommentator. Mehrere Google-Resultate zeigen Beiträge von Heger in Newsgroups aus dem Jahr 2004, in denen er davon spricht, er habe eine Petition gegen die von Kanada geplante Auslieferung von "Herrn Leuchter" unterzeichnet (womit allerdings vermutlich Ernst Zündel gemeint ist - offenbar kommt Heger mit all den Holocaustleugnern ins Schleudern...).

Eine Google-Suche erbringt jedenfalls reichlich Ergebnisse, bei denen man sich die Seiten gar nicht mehr ansehen braucht, da bereits aus den Namen die politische Verortung dieser Seiten überdeutlich wird. Daß Heger nunmehr in solchen Kreisen als "Islamexperte" herumgereicht wird und sich offenbar selbst für einen solchen hält, der auch bei Wikipedia fachlich mitreden könne, heißt ja nun in gar keiner Weise, daß er auch nur entfernt von Ahnung "gestriffen" ist.
 
Es gibt jedoch einen Bereich, in dem "Luxenberg" intensiv - man möchte sogar sagen: freudig - rezipitert wird. Dies wird bereits deutlich, wenn man das Verfasserpseudonym googelt: bereits ab der ersten Seite mit Ergebnissen wird man von einer Welle von Seiten aus dem rechtsextremen Spektrum überrollt, allen voran PI-News.

Dafür allerdings kann Luxenberg nichts - was an der Problematik, dass seine Qualifikation nicht überprüfbar ist nichts ändert. Die Rechten spannen ja gerne mal Leute als Kronzeugen vor ihren Karren, die das gar nicht wissen und in manchem Fall auch nicht wollen.
 
Wobei zu fragen ist, wie Luxenberg von weißblendend (ḥūr) zu Trauben kommt. Liefert er einen Nachweis dafür, dass im Aramäischen das Farbadjektiv weißblendend mit Trauben verwoben ist? Die Trauben, die man herkömmlicherweise so kennt, sind grün oder lila.
Absurde Thesen zum Islam gibt es im Übrigen noch ein paar mehr. Ignacio Olagüe z.B. behauptete mal in seinem Buch Revolución Islámica en Occidente (zunächst auf Französisch unter Les árabes n'ont pas envahi l'Espagne erschienen), dass "die Araber"* das Westgotenreich nie unterworfen hätten sondern stattdessen wegen der von ihm unterstellten Kompabilität von arianischem Christentum und Islam in einem Bürgerkrieg zwischen arianischen und katholischen Christen erstere den Islam und die arabische Sprach angenommen hätten. Seine These ist wohl der spanischen Maurophobie, die in den Kolonialkriegen des 19. und 20 Jhdts. und im spanischen Bürgerkrieg wegen der Brutalität der maurischen Kontingente der Franco-Truppen (die wiederum daraus erklärlich ist, dass Franzosen und Spanier gegenüber den Nordafrikanern brutaler vorgingen, als gegen europäische Gegner) noch mal verstärkt wurde .

*ethnisch ist der Begriff Quatsch, da die Kämpfer mehrheitlich Berber gewesen sein dürften. Den Begriff des Mauren lehne ich jedes Mal mehr ab. Muslime trifft es wohl am ehesten, wobei es auch hier sicher begründete Einwände gibt, aber irgendwie muss man das Kind ja nennen.
 
Mein Arabischwörterbuch gibt im Übrigen für حورية (ḥūriyya) 'Nymphe' an. Gebe ich nun Nymphe in Wikipedia ein und lasse mir den arabischen Artikel anzeigen, kommt dabei folgendes heraus:
(حورية (ميثولوجيا إغريقية

Ich transkribiere mal: ḥūriyya (mītūlūǧiyyā Iġrīqiyya)
Wer die Transkription laut liest, benötigt keine Arabischkenntnisse um zu verstehen, was da steht.

Das hat zugegebenermaßen keinerlei Beweiswert, allerdings wäre es ein Indiz, in welche Richtung man forschen müsste.
 
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Mein Arabischwörterbuch gibt im Übrigen für حورية (ḥūriyya) 'Nymphe' an. Gebe ich nun Nymphe in Wikipedia ein und lasse mir den arabischen Artikel anzeigen, kommt dabei folgendes heraus:
(حورية (ميثولوجيا إغريقية

Ich transkribiere mal: ḥūriyya (mītūlūǧiyyā Iġrīqiyya)
Wer die Transkription laut liest, benötigt keine Arabischkenntnisse um zu verstehen, was da steht.

Das hat zugegebenermaßen keinerlei Beweiswert, allerdings wäre es ein Indiz, in welche Richtung man forschen müsste.
Ich mache mich ja nur ungern unseriös. Hab aber gerade mal spässekenshalber erst "72 Engel Paradies" in den google gerattert, dann gestutzt und auf Grund der ersten Sucherergebnisse "72 Engel" bzw. "72 Engel Kabbalah" reingetan.

Ich gebe zu, dass der gemeine Engel - zumindest der mir persönlich bekannte ebensolche, der das katholische Firmament durchflattert - nur sehr eingeschränkt mit einer Nymphe gleichzusetzen ist, aber immerhin überbrücken wir 1500 Jahre und etliche Kulturkreise :friends:.
Die '72' haben mich aufmerksam gemacht - rechnerisch sind das zwar ein halbes Dutzend Dutzend, aber die Zahl ist mir bislang noch gar nicht in religiösem Zusammenhang erschienen, deswegen die Betonung der 72 in der Suche.

Auf das Suchergebnis hin muss ich durchaus doof geguckt haben.:S Sind leider durch die Bank nur Esoterikseiten, die da erscheinen und was von den '72 Engeln' bzw. den '72 Namen Gottes' erzählen, aber dennoch: haben wir einen gewieften Theologen unter uns, der da einen Zusammenhang erkennen oder ausschließen kann? Es wäre nun zwar keine Schüssel weißer Trauben, die dem frischgebackenen Märtyrer die Tränen in die Augen trieben, aber dennoch durchaus sittliche 72 Gegenüber anstelle dessen, was man sich landläufig unter den 'huris' vorstellen mag...
 
Das Ökunomische Heiligenlexikon sagt zur Zahl 72:

Ökumenisches Heiligenlexikon schrieb:
72 - als 6 x 12 Zahl der Größe und Vielfalt. 72 ist eine astronomische Zahl, 1/5 des Kreisumfanges. 72 ist die Zahl der Vollständigkeit der Völker, was sich in der Zahl der 72 Jünger, die von Jesus ausgesandt wurden (Lukasevangelium 10, 1), niederschlägt.
http://www.heiligenlexikon.de/Glossar/Zahlenmystik.uhtm

 
Aus Zeitgründen gehe ich nur auf ein paar Äußerungen ein, mehr folgt morgen.

@Ingeborg:

Das ist so nicht den Fakten entsprechend - es gab wenig internationale Aufmerksamkeit und ganz wenig feiernde Fachwissenschaftler.

Besprechungen Luxenbergs in der "New York Times" und im "The Guardian" sind aber klare Anzeichen für internationale Aufmerksamkeit.

Siehe:

Scholars Are Quietly Offering New Theories of the Koran - New York Times

Virgins? What virgins? | Books | The Guardian

Und wo ist der Unterschied zwischen "ganz wenigen feiernden Fachwissenschaftlern" (bei dir) und "einigen Fachwissenschaftlern" (bei mir)?

Dass sich Rechte auf Luxenbergs Thesen stürzen, ist doch klar. Der Feind meines Feindes ist mein Freund. (Dieses Sprichwort soll nur das Prinzip verdeutlichen, ich sage damit natürlich nicht, dass Luxenberg ein Feind des Islam ist).

Belege für die erwähnten Attacken auf kritische Gelehrte?

Aus Wiki:

Mahmud Muhammad Taha (arabisch محمود محمد طه Maḥmūd Muḥammad Ṭaha; * 1909 oder 1911 in Rufaʿa; † 18. Januar1985 in Khartum) war ein sudanesischer Gelehrter, Politiker und Sufi-Theologe, der wegen des Vorwurfes des Abfalls vom Islam zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.

Was Suliman Bashear betrifft (unteres Zitat aus oben verlinkter NY-Times-Seite), so hat mein Gedächtnis den Tatort von Nablus/Westbanks nach Ägypten verlegt. Ansonsten ist meine Darstellung (leider) korrekt:

And when the Arab scholar Suliman Bashear argued that Islam developed as a religion gradually rather than emerging fully formed from the mouth of the Prophet, he was injured after being thrown from a second-story window by his students at the University of Nablus in the West Bank.

Der Vorfall ereignete sich 1991.

Dagegen gibt es einige Rezensionen, die "Luxenberg" bescheinigen, unsauber zu arbeiten und herzuleiten und unzulässige sowie unsinnige Folgerungen zu ziehen.

Solche Vorwürfe sind in der religionswissenschaftlichen Szene gang und gäbe, besonders dann, wenn einige es wagen, althergebrachte und liebgewonnene Anschauungen in Frage zu stellen.

@ElQuijote:

Absurde Thesen zum Islam gibt es im Übrigen noch ein paar mehr
.

Warum absurd? Was ist an den überlieferten Deutungen weniger absurd? Die primäre Frage ist doch nicht, wie plausibel Luxenbergs Thesen sind, sondern wie plausibel die konventionellen Koranübersetzungen und Lehrmeinungen sind. Nimm die Kopftuch-Passage: Ist es nicht evident, dass der koranischen Überlieferung nicht 100prozentig zu trauen ist? Da kommt ein Kommentator über zwei Jahrhunderte nach der angeblichen Abfassung des Koran und etabliert aus einer rein subjektiven Deutung heraus ein Dogma, das seither die Kopfmode muslimischer Frauen diktiert.

Und wie plausibel ist die traditionelle Deutung der "weißblendenden" als Jungfrauen? Du schreibst:

Wobei zu fragen ist, wie Luxenberg von weißblendend (ḥūr) zu Trauben kommt. Liefert er einen Nachweis dafür, dass im Aramäischen das Farbadjektiv weißblendend mit Trauben verwoben ist? Die Trauben, die man herkömmlicherweise so kennt, sind grün oder lila.

Die angeblichen Jungfrauen werden im Koran gerne mit Rubinen, Perlen und Kristall verglichen. Wer aber kann nachweisen, dass irdische Jungfrauen auch nur annähernd an Rubine, Perlen und Kristall erinnern :)?

Dass laut Luxenberg Trauben in der syro-christlichen Vorstellungswelt als Kennzeichen des Paradiesischen gelten, hatte ich schon erwähnt und kann dafür im Moment folgende Belege vorweisen: Die Traube gilt in der jüdischen Abraham-Apokalypse, 23,4 und in der syrischen Baruch-Apokalypse 4,8 als Frucht des paradiesischen Baumes der Erkenntnis (und nicht der Apfel).

Zudem ist die islamische Vorstellung paradiesischer Sexgespielinnen ein Unikum in der Religionsgeschichte. Warum weicht ausgerechnet der Islam von den gängigen Vorstellungen des Jenseits so deutlich ab? Und warum steht im arabischen Korantext nicht unmissverständlich "Jungfrauen" oder ähnliches? Warum drückt er sich so unklar aus?

Konkretes Beispiel Sure 44:54 وزوجنهم بحور عين

In der Paret-Übersetzung heißt es durch eine bestimmte Anordnung der "diakritischen Punkte":

...und wir gegeben ihnen großäugige Huris als Gattinnen.

Luxenberg kommt durch anderes Setzen (statt „ زوجنهم" nämlich „ روحنهم") zu dem Satz:

... wir werden es ihnen unter weißen, kristallklaren Weintrauben behaglich machen.

@Dekumatland:

wenn aber die paradiesischen Jungfrauen nun einfach nur Trauben sind, dann finde 72 Stück davon (also Trauben) nicht eben bemerkenswert üppig...

"72" ist eine symbolische Zahl, die "sehr viele" bedeutet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich verstehe wenig nennenswertes von Arabisch, Aramäisch oder Koran-Exegese. Und ich will mich auch durchaus nicht mit den gewichtigen Argumenten unserer ExpertInnen messen.

Trotzdem will ich etwas von meinem "Senf" dazugeben:
Traube ist etwas anderes als Beere.
An Trauben kann man recht gut sehen, dass Farbe buchstäblich Ansichtssache ist. Aus den grünlichen Trauben macht man Weißwein, den Rotwein dagegen aus lila oder schwarzen Trauben. Von den grünlichen gibt es Varietäten, die man im reifen Zustand durchaus als transparent-weiß, alabasterfarben bezeichnen kann.
Dass für Menschen, die in eher trockenen Gegenden lebten, eine saftig-süße Frucht etwas "himmlisches" hatte, ist mir durchaus plausibel. (Mit dem Honig ist es ähnlich, nicht nur "im Land, wo Milch und Honig fließen").

Sexagesimalsystem ? Wikipedia

https://www.bibelwerk.de/serie+zur+bibel.89118.html?id=51258
 
Warum absurd? Was ist an den überlieferten Deutungen weniger absurd? Die primäre Frage ist doch nicht, wie plausibel Luxenbergs Thesen sind, sondern wie plausibel die konventionellen Koranübersetzungen und Lehrmeinungen sind. Nimm die Kopftuch-Passage: Ist es nicht evident, dass der koranischen Überlieferung nicht 100prozentig zu trauen ist?

Absurd ist in erster Linie nicht, dass evtl. einzelne Worte aufgrund von Schreibfehlern missverstanden worden wären, sondern die Annahme, dass der Islam quasi durch ein Missverständis entstanden sei und dass der Qur'an eine Sammlung christlicher und jüdischer Lieder sei. Dass der Qur'an entgegen muslimischen Dogma nicht offenbart worden ist und dass sein Verfasser wohl eine oberflächliche Kenntnis jüdischer und christlicher Glaubensvorstellungen hatte steht völlig außer Frage. Im weiteren knüpft Lichtenberg an frühmittelalterliche christliche Mohammed-Schmähungen an, die ihn zu einem Schüler eines christlichen (arianischen) Lehrers machten. Mohammed war also - aus der Sicht der Autoren dieser mittelalterlichen Schmähschriften ein Häretiker. Luxenberg scheint in dasselbe Horn zu stoßen.
 
Konkretes Beispiel Sure 44:54 وزوجنهم بحور عين

In der Paret-Übersetzung heißt es durch eine bestimmte Anordnung der "diakritischen Punkte":

...und wir geben ihnen großäugige Huris als Gattinnen.

Luxenberg kommt durch anderes Setzen (statt „ زوجنهم" nämlich „ روحنهم") zu dem Satz:

... wir werden es ihnen unter weißen, kristallklaren Weintrauben behaglich machen.
Also - z-w-ǧ (زوج) gegen r-w-ḥ (روح) - bzw. ruwwaḥa, 'amüsieren, unterhalten' gegen zawwaǧa, 'trauen, verheiraten'.
Dann müsste man unterstellen, dass die Muslime alle den Originaltext vergessen hätten - und das, obwohl das Auswendiglernen (Qur'ān = Rezitation) so eine wichtige Rolle spielte - und so alle auf einen Lesefehler hereinfallen konnten.
Und dann bleibt noch die Frage, wie das 'ayn zu interpretieren wäre. Denn 'ayn (عين) ist das Auge. Die Weintraube dagegen ist 'ainab (عنب). Woher kommt also in der Lichtenbergschen Interpretation die Weintraube?
 
Zuletzt bearbeitet:
;)

Georg Friedrich Lichtenberg??

Gemeint ist offensichtlich Luxenberg (wenn dessen Pseudonym auch wohl - siehe WP - von Lichtenberg inspiriert ist).


@chan:

Mahmud Muhammad Taha wurde zwar zum Tode verurteilt, die Begründung Abfall vom Glauben war jedenfalls nur vorgeschoben (siehe zb: <style type="text/css"> <!-- @page { margin: 2cm } P { margin-bottom: 0.21cm } --> </style> Nachwort auf Al-Ustadh Mahmud Muhammad Taha ). Taha war ein scharfer Kritiker des damaligen sudanesischen Regimes und insbesondere von dessen Einführung der Scharia als staatliche Strafgesetzgebung, die allem Anschein nach auch weniger der Durchsetzung religiöser Vorschriften und Gebote diente, sondern der Einschüchterung und Kontrolle der Bevölkerung, zumal sie auch auf Nicht-Muslime angewendet wurde.

Nach den seinerzeit gültigen Bestimmungen im Sudan hätte Taha überhaupt nicht hingerichtet werden dürfen, da die Todesstrafe nur bei Personen unter 70 Jahren angewendet werden durfte; Taha war bereits über 70.

Einen derartiges, politisch motiviertes Urteil kann aber nicht als Beleg in diesem Fall dienen.

chan schrieb:
Solche Vorwürfe sind in der religionswissenschaftlichen Szene gang und gäbe, besonders dann, wenn einige es wagen, althergebrachte und liebgewonnene Anschauungen in Frage zu stellen.

Da es deutliche Hinweise auf eine unsaubere Herleitung sowie auf unsinnige und unzulässige Folgerungen gibt, hilft es auch nicht weiter, der Religionswissenschaft so etwas wie 'übliches um sich beißen' unterstellen zu wollen.

El Quijote hat oben bereits einen mE sehr wichtigen Einwand geäußert: nämlich die mündliche Überlieferung des Qur'an bis zur ersten schriftlichen Fixierung. In schriftlosen Gesellschaften kann die Weitergabe nur mündlich, durch Auswendiglernen, gewährleistet werden und üblicherweise besitzt das gesprochene Wort und die detailgetreue Wiedergabe in solchen Gesellschaften einen außerordentlich hohen Stellenwert. Dies war in der arabischen Gesellschaft der Fall, noch lange über die Verschriftlichung des Qur'an hinaus.

Jeder Muslim war und ist noch gehalten, den Qur'an auswendig zu lernen, und zwar die arabische Fassung. Damit aber lag der Wortlaut vor und brauchte nicht durch spätere Verschriftlichung zugänglich gemacht werden, womit ein erhebliches Stück - wenn nicht gleich die Basis - von Luxenbergs Argumentation aber als Luftballon gegen einen Kaktus fliegt.

Sollte es sich bei Luxenberg wie u.a. kolportiert um einen libanesischen Christen handeln, wäre bei seinen Thesen zusätzlich sein politischer Standpunkt zu berücksichtigen, was er aber aufgrund des Agierens mit Pseudonym verhindert (zu verhindern sucht?). Es kursieren jedenfalls auch nationalistische Fabeln und Deutungsversuche in christlich geprägten Umfeldern im Nahen Osten, die wie viele andere ebenfalls keiner Betrachtung bei Licht standhalten und mit denen Vorbehalte sowohl gegen 'die Araber' wie auch gegen 'die Türken' untermauert und zu Fakten erklärt werden sollen.
 
Sollte es sich bei Luxenberg wie u.a. kolportiert um einen libanesischen Christen handeln, wäre bei seinen Thesen zusätzlich sein politischer Standpunkt zu berücksichtigen, [...] Es kursieren jedenfalls auch nationalistische Fabeln und Deutungsversuche in christlich geprägten Umfeldern im Nahen Osten, die wie viele andere ebenfalls keiner Betrachtung bei Licht standhalten und mit denen Vorbehalte sowohl gegen 'die Araber' wie auch gegen 'die Türken' untermauert und zu Fakten erklärt werden sollen.

Für die weitere Recherche mögen die Stichworte Phönizianismus und Assyrismus dienen. Ich mag diese politischen Ideologien nicht völlig verurteilen, weil sie gewissermaßen aus der Position der bedrängten* Minderheit ihre Kraft beziehen (naja, im Libanon bei einem Gleichgewicht von etwa fifty-fifty wohl nicht), dennoch handelt es sich um nationalistische und andere nicht dulden wollende Ideologien, die Nation aufgrund von Religion definieren.

*Wobei sich die Ba'at-Partei (sowohl) in Syrien (als auch im 'Iraq) auf eben diese Minderheiten stützt(e).
 
Mir ist noch etwas eingefallen: Angenommen, Luxenberg hätte recht und man müsste statt و زوجنهم بحورعين zu lesen, وروحنهم بحورعين lesen - ich ignoriere mal das Problem, dass Augen auch weiterhin keine Trauben sind - also Allāh statt die verstorbenen Muslime mit den Schwarzäugigen zu verheiraten sie unter glänzenden Trauben zu lagern verspräche, dann wäre da ein grammatisches Problem: In den semitischen Sprachen befindet das Adjektiv normalerweise in enklitischer Stellung zum Substantiv (Typische semitische Satzfolge: (und)-konjugiertes Verb-Substantiv-Adjektiv). Hier wäre das Adjektiv aber in proklitischer Stellung: und-konjugiertes Verb-Adjektiv-Substantiv. Ich bin nun kein Semitist und habe nur sehr rudimentäre Kenntnisse semitischer Sprachen (ein wenig Arabisch und Hebräisch, einige aramäische Buchstaben kann ich lesen), aber aus meiner Warte wäre die Adjektivstellung der lichtenbergschen Interpretation eher ungewöhnlich. Ergo wirft Luxenberg mit seiner Uminterpretation ein grammatisches Problem auf, was vor der Uminterpretation gar nicht existierte.
Edit: Außerdem frage ich mich - aber da bin ich wirklich sehr unsicher - ob eine Präposition mit einem Adjektiv stehen kann, was nämlich ebenfalls der Fall wäre: ب + حور = بحور
 
Zuletzt bearbeitet:
@Ingeborg:

El Quijote hat oben bereits einen mE sehr wichtigen Einwand geäußert: nämlich die mündliche Überlieferung des Qur'an bis zur ersten schriftlichen Fixierung.

Diesem Argument habe ich im Anfangspost schon vorgegriffen mit einem Hinweis auf Luxenbergs Meinung zu diesem Punkt:

Dadurch, so Luxenberg, sei es bei Kopisten und Exegeten zu einer Fehllesung von ursprünglich aramäischen Ausdrücken gekommen. Im Islam wird zwar behauptet, dass es eine mündliche Tradition gegeben habe, die als Korrektiv falscher Lesungen dienen konnte, das aber wird von Luxenberg bezweifelt. Fehllesungen, behauptet er, hätten auch zu jenen seltsamen Stellen im Koran geführt, die auch traditionelle islamische Exegeten schon lange vor Rätsel stellen, ...

Woher können wir denn mit Sicherheit wissen, dass ein Urtext mündlich über Jahrhunderte unverändert weitergegeben wurde? Hier dreht sich die Debatte doch im Kreis. Die einen (wie du und ElQuijote) sagen, auf die islamische Tradition, welche die Zuverlässigkeit der mündlichen Überlieferung behauptet, ist Verlass, die anderen (wie Luxenberg) sagen, nein, auf diese Überlieferung ist nicht Verlass. Also kann das Argument der mündlichen Überlieferung als Garant eines korrekten Korantextes nicht greifen - es setzt ja die unbeweisbare Zuverlässigkeit der islamischen Selbsteinschätzung der eigenen Geschichte voraus. Der jüdische Orientalist Ignaz Goldziher hatte schon im Jahr 1900 auf die "vorsintflutliche" Methode der Islamwissenschaft aufmerksam gemacht, die islamische Selbstdarstellung (Geschichtsschreibung) unkritisch zu übernehmen. Ich zitiere ihn aus seinem Vortrag "Islamisme et Parsisme", gehalten 1900 an der Sorbonne:

Je weiter wir in der kritischen Prüfung der frühen Dokumente des Islams vorankommen, wie sie in den letzten Jahren unternommen wurde, desto mehr können wir uns davon überzeugen, dass die muslimische Tradition (Hadith), die nach dem Koran unsere zeitlich älteste Informationsquelle darstellt, nur in geringem Maße uns in die frühe Kindheit des Islam zurückführt. Sie bietet uns eher ein Bild gegensätzlicher Tendenzen, die noch nicht die feste Form angenommen haben, welche die spätere muslimische Orthodoxie in ihrer bis in die Gegenwart feststellbaren Systemstarrheit und Ritenverfestigung aufweist.

Diese Überzeugung breitet sich mehr und mehr aus. Indem wir die reichen Materialien dieser Tradition, in der die Muslime Dokumente sehen, die ihr heiliges Buch bestätigen, auswerten, gehen wir weit über die kritisch-rationale Methode hinaus, die die muslimische Schultradition seit dem zweiten Jahrhundert Hedschra angewandt hat.

Wir sind strenger und umsichtiger hinsichtlich dieser Literatur geworden. Niemand, der seriös Islam-Studien betreibt, würde es wagen, die Mohammed und seinen Gefährten zugeschriebenen Aussprüche als Quelle zu benutzen, um ein Bild vom frühen Zustand und den ursprünglichen Lehren des Islam zu entwerfen. Die moderne historische Kritik lässt uns gegen eine solche vorsintflutliche Betrachtungsweise auf der Hut sein. Kämpfe politischer und religiöser Parteien stellen für uns Schlüssel zum besseren Verständnis dieser Dokumente dar und lassen die eigentlichen Behauptungen und Aussageabsichten erkennen, die dieses Wort Mohammeds oder jene Nachricht eines „Gefährten" des Propheten stützen oder widerlegen soll.
 
Sollte es sich bei Luxenberg wie u.a. kolportiert um einen libanesischen Christen handeln, wäre bei seinen Thesen zusätzlich sein politischer Standpunkt zu berücksichtigen, was er aber aufgrund des Agierens mit Pseudonym verhindert (zu verhindern sucht?).

Natürlich kann man jedem auch persönliche Motive unterstellen, klar. Was aber hat das mit der objektiven Übersetzungsproblematik vieler Koranstellen zu tun? Ich halte Spekulationen über angeblich nicht-wissenschaftliche Motive (mehr als Spekulationen sind es nicht) jedenfalls für ad-hominem-verdächtig. Man könnte umgekehrt auch argwöhnen, dass die akademische Islamwissenschaft an den Strippen muslimischer Vereinigungen hängt, mit denen sie es sich nicht verderben möchte. Der Fall Sven Kalisch zeigt das doch deutlich. Ein Islamwissenschaftler, der die (geschichtlich-religiösen) Dogmen des Islam in Frage stellt, muss in der BRD mit heftigem Gegenwind seitens dieser Organisationen rechnen. Ein Teil seiner Studenten protestierte gegen ihn, weil sie befürchteten, später von muslimischen Gemeinden nicht anerkannt zu werden (!!). Mit Freiheit der Forschung hat das nichts zu tun, sondern mehr damit, dass die Islamwissenschaften den Wasserträger für muslimische Organisationen spielen (müssen). Allerdings erhielt Kalisch auch viel Unterstützung durch Fachleute wie z.B. Tilman Nagel (Verfasser mehrerer islamwissenschaftlicher Standardwerke).
 
@ElQuijote:
Absurd ist in erster Linie nicht, dass evtl. einzelne Worte aufgrund von Schreibfehlern missverstanden worden wären, sondern die Annahme, dass der Islam quasi durch ein Missverständis entstanden sei und dass der Qur'an eine Sammlung christlicher und jüdischer Lieder sei.

Keiner spricht von "Missverständnis" bei der Islamentstehung. Ein rückwirkendes Missverständnis könnte aber sehr wohl durch eine entstellende spätere Geschichtsschreibung entstanden sein. Was den Einfluss von Juden- und Christentum auf den Islam betrifft, fehlt mir gerade die Zeit, darauf im Detail einzugehen. Die Tage aber dann.

In der bisherigen Debatte ist das andere von mir genannte Übersetzungsproblem betr. Kopftuch überhaupt nicht angesprochen worden. Ich zitiere die Stelle aus meinem Post hier nochmal:

+ die Kopftuch-Passage:

Im Vers 31 der Sure 24 heißt es wörtlich: "Sie (die Frauen) sollen ihre chumur über ihre Taschen schlagen". Chumur ist der Plural von chimar (arabisch خمار). Die Bedeutung von ´chumur´ ist auch für Araber unklar, wird aber traditionell, z.B. bei Tabari, als Kopftuch verstanden. Wie Tabari zu dieser Deutung kam, ist unklar. Warum das "Tuch" (als welches er ´chumur´ auslegt) den ganzen Kopf bedecken soll, ist aus dem Kontext nämlich nicht zu erschließen. Nur so ist das Kopftuch-Dogma überhaupt entstanden.

Was aber hat es mit dem ´chumur´ auf sich? Luxenberg hält chumur (Sing. chimar) für eine Fehllesung des aramäischen ´gmar´ (Gürtel, Band), das im Aramäischen zusammen mit "schlagen" phraseologisch gebraucht wird. Der Satz müsste also lauten: "Sie sollen sich ihre Gürtel um die Lenden schlagen (oder binden)".

Wie gesagt: Tabari legte das im Arabischen unbekannte Wort ´chumur´ im 9. Jh. eigenwillig als "Kopftuch" aus, welches "Hals, Haare und Ohrringe" zu verdecken habe. Ohne diese Tabari´sche Interpretation gäbe es das Kopftuch-Gebot überhaupt nicht.

Im Hadith 15 wird dieser Widerspruch indirekt sogar thematisiert, freilich in einer Weise, die das Gebot bestätigt. Es heißt nämlich, dass Aischa, die jüngste Gattin des Mohammed, und weitere Frauen ihre Stoffgürtel in Kopftücher umgearbeitet haben.
 


 
 
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Leider gehst du auf meine grammatikalischen und lexikalischen Argumente überhaupt nicht ein. Denen hat zumindest noch kein Orientalist widersprochen und ich habe mindestens einen den Thread lesen sehen.
Aber wenn du es genau wissen willst: Memotechniken werden auch heute noch verwendet. im 18. Jahrhundert war die arabische Welt mit ihren Memotechniken sogar im Fokus der abendländischen Forschung. Man erhoffte sich nämlich dadurch Rückschlüsse über die Mythen- und Sagenüberlieferung bei Griechen, Römern und Germanen. Die Memorierung des Qur'an also allein auf die arabische-islamische Geschichtsschreibung zu reduzieren, langt nicht.
 
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+ die Kopftuch-Passage:

Im Vers 31 der Sure 24 heißt es wörtlich: "Sie (die Frauen) sollen ihre chumur über ihre Taschen schlagen". Chumur ist der Plural von chimar (arabisch خمار). Die Bedeutung von ´chumur´ ist auch für Araber unklar, wird aber traditionell, z.B. bei Tabari, als Kopftuch verstanden. Wie Tabari zu dieser Deutung kam, ist unklar. Warum das "Tuch" (als welches er ´chumur´ auslegt) den ganzen Kopf bedecken soll, ist aus dem Kontext nämlich nicht zu erschließen. Nur so ist das Kopftuch-Dogma überhaupt entstanden.

Was aber hat es mit dem ´chumur´ auf sich? Luxenberg hält chumur (Sing. chimar) für eine Fehllesung des aramäischen ´gmar´ (Gürtel, Band), das im Aramäischen zusammen mit "schlagen" phraseologisch gebraucht wird. Der Satz müsste also lauten: "Sie sollen sich ihre Gürtel um die Lenden schlagen (oder binden)".

Wie gesagt: Tabari legte das im Arabischen unbekannte Wort ´chumur´ im 9. Jh. eigenwillig als "Kopftuch" aus, welches "Hals, Haare und Ohrringe" zu verdecken habe. Ohne diese Tabari´sche Interpretation gäbe es das Kopftuch-Gebot überhaupt nicht.

Im Hadith 15 wird dieser Widerspruch indirekt sogar thematisiert, freilich in einer Weise, die das Gebot bestätigt. Es heißt nämlich, dass Aischa, die jüngste Gattin des Mohammed, und weitere Frauen ihre Stoffgürtel in Kopftücher umgearbeitet haben. 

Nun dort steht, dass sie die ḫumur über die ǧuyub legen sollen. Das Wort ǧayb bedeutet so etwas wie Hosentasche (bzw. Tasche im qafṭān bzw. in der ǧalabiyya), wird aber hier als Dekolleté verstanden, was auch aus dem Kontext logisch ist, denn es wird davon gesprochen, dass die Frauen ihren Körper gegenüber fremden Männern verdecken und auch den Schmuck den sie tragen nicht zeigen sollen, außer ihrem Vater, Ehemann oder Bruder.
Und jetzt fragen wir uns mal, was Frauen im Nahen Osten auch schon vor dem Islam trugen (und in Europa im Mittelalter im Übrigen auch): Kopftücher. Zu vermuten, dass die Frauen ihr Kopftuch so schlagen sollten, dass es ihre Dekolleté verdeckt mag zwar vielleicht falsch sein, ist aber zumindest naheliegend.
Luxenbergs Argumentation, was eine Fehllesung angeht, kann ich ein Stück weit nachvollziehen, da sich ǧ, ḥ und ḫ in der Graphie tatsächlich nur durch den Punkt (der nämlich entweder gar nicht da ist, oder aber sich über oder unter dem Buchstaben befindet) voneinander unterscheiden: , ,.
Das Arabische <ǧ> (Punkt unten), welches nach Luxenberg mit dem <ḫ> (Punkt oben) verwechselt worden wäre, ist historiolinguistisch mit dem hebräischen, aramäischen und punischen -g-<g> verwandt. Die These wäre nun also, dass Muḥammad das ܓ mit (gemeint aber ) transkribiert hätte, und - nachdem man dann die diakritischen Punkte entwickelt hatte, der Buchstabe nicht unten sondern oben den Punkt bekam: .

So weit, so gut.

Nun steht Luxenberg aber vor einem Problem: Zunächst einmal dem schon skizzierten der mündlichen Arabischen Überlieferung, die einen solchen Fehler eigentlich ausschließen sollte. Diese mündliche Überlieferung streitet Luxenberg - und du mit ihm - ab.
Das zweite Problem ist die Koranexegese aṭ-Ṭabarī. Die führt uns aber nicht wirklich weiter, bzw. es kommt hier zu einer Vermischung der Probleme, nämlich Problem Nr. 1, Muḥammad habe ein unverstandenes Wort in den Koran und damit in das Arabische eingebracht und Problem Nr. 2, aṭ-Ṭabarī habe es falsch ausgelegt. Beides hat erst einmal nichts miteinander zu tun, denn das eine ist ein etymologisches, das andere ein semantisches Problem. Für das semantische Problem wäre es aber - handelte es sich tatsächlich um ein aramäisches Lehnwort, wie von Luxenberg behauptet, völlig unerheblich, ob man es nun korrekt im Arabischen ḫumur oder ǧumur hätte aussprechen müssen, wenn es vorher nicht existierte. Das hat in etwa dieselbe Bedeutung wie die Unterscheidung zwischen China als ['ki:na] im Süddeutschen und ['çi:na] im Norddeutschen. Von daher halte ich die Einbringung von aṭ-Ṭabarī für die Argumentation, der Koran sei aus aramäischen Quellen entstanden entweder für Nebelwerferei oder aber für eine unfreiwillige Offenlegung des eigentlichen Motivs, nämlich nicht nach den Quellen des Koran zu suchen, sondern die Falschheit des Koran nachzuweisen.* Damit aber hätte Luxenberg die wissenschaftliche Ebene verlassen und würde auf einer rein religiösen bzw. antireligiösen Ebene diskutieren.


*ich glaube, wir sind uns alle einig, dass der Koran nicht von Gott durch den Engel Gabriel in einer Felsspalte offenbart wurde, oder?</g>
 
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