Adels/Helden/Eliten-Konstruktionen während der Weimarer Republik

K

keinplan

Gast
Hallo, ich heiße Michi und komme aus Augsburg.

Zur Zeit schreibe ich an einem Thesenpapier und dafür bräuchte ich zitierfähige Literatur zum Thema Adel/Heldentum/Elite während der Weimarer Republik. Im Speziellen ginge es um das Männer-/Selbstbild, welches später dann von den Nazis ausgeschlachtet wurde. Also der unabhängige, technisch begabte, Eroberer und bezwinger, der sich selbst genügt und wahre Heldentaten vollbringt.

Ich hoffe, ich konnte mich einigermaßen verständlich ausdrücken und danke euch für eure Mühe.

Viele Grüße
Michi
 
Geht es mehr um das Heldenbild dieser Zeit oder wer in dieser Zeit zum Helden stilisiert wurde? Also etwa Hindenburg zum "Helden von Tannenberg"?
Ansonsten schau dir mal die Arminiusrezeption in dieser Zeit an (Band Mythos der Ausstellung zur Varusschlacht 2009). Und jede Menge Erinnerungsliteratur zum Ersten Weltkrieg. In einem Buch zum Regiment meines Großvaters z.B. wird die todbringende Dummheit eines Offiziers als Heldentum verbrämt: Während seine Soldaten auf dem Boden liegend, den Gegner beschießen, meint dieser seine Soldaten inspizieren zu müssen und stolziert an diesen, diese inspizierend vorbei. Klar, dass er da ein wunderbares Ziel für die Schützen der anderen Seite abgab, die sich nicht zweimal bitten ließen...
 
steht ja nirgends dass Helden überleben müssen^^
Tja, man mag sich Leonidas oder Arminius kaum als Rentner vorstellen...:grübel:

Eines der besten und zitierfähigsten Helden-Bücher der letzten Jahre hat René Schilling geschrieben. [1] Seine auch in der Weimarer Zeit, erst recht bei den Nazis, populären Protagonisten sind Körner, Friesen, Weddigen und Richthofen.

Einfach mal reinschauen. Aber Vorsicht: "Die langjährige Beschäftigung mit 'Kriegshelden' und ihrem 'Heldentod' kann einen düster stimmen." (S. 13)


[1] Rene Schilling: "Kriegshelden": Deutungsmuster heroischer Männlichkeit in Deutschland 1813-1945. Paderborn 2002.
 
Adel, Elite, Helden? Weshalb schreibt man so etwas heute noch? Ist das Revisionismus?

Viel eher sollte man doch einmal das Leben der Menschen in der Breite darstellen. Nicht ein Helden- oder Männerideal der Weimarer Republik, sondern die Eugenik und Rassenlehre seit dem 19. Jh. waren die Triebfedern des Tuns von Nazis. Sie waren Täter und werden es immer sein. Kein Mensch hätte sich davon beeindrucken lassen.

Die Menschen wählten Hitler, weil sie nix zu beißen hatten und meinten, er bringe Arbeit. Was er dann auch tat, doch es war nur Rüstung und Sterben. Das Wirken eines narzisstisch Gestörten und seiner Clique. Eines Gierschlunds, der nie genug kriegen konnte.

Der einfache Frontsoldat hatte mit Heldenmut nichts am Hut. Der hat geschossen, weil er leben wollte. Tat er das nicht, wurde er entweder sofort von den eigenen Leuten umgebracht oder kam in die Strafkompanie, was mitunter einen noch qualvolleren Tod bedeutete.

Das ganze Gefasel von Eliten ist die Perspektive der Herrschenden. Helden? Alle müssen sterben. Adel? Durch keines Menschen Adern fließt blaues Blut. Elite? Schon immer eine Clique von Verbrechern, die mit unlauteren Maßstäben andere aussaugten. Wieso sollte man aus einer solchen Perspektive Geschichte schreiben?

Viel eher sollte man die alten Eliten ganz vergessen, und zwar auf immer. Damit würde man in meinen Augen dem ganzen Getöse Recht tun, das sie veranstaltet haben. Geschichte sollte auch vergessen können und nicht krampfhaft an alten Werten festhalten. Heldentum, Adel, Elitendenken halte ich für überkommen und verkommen.

Das ist nur meine Sicht.
 
Heldentum, Adel, Elitendenken halte ich für überkommen und verkommen.
Halt ein, Du Wüterich!

Die Ausgangsfrage war eine historische: Wer wurde zu einer gegebenen Zeit als H./A./E. angesehen, und wie wurde das politisch ausgeschlachtet? Dazu gibt es entsprechende Literatur, damalige und heutige, und die Kritik daran ist auch nichts Neues.

Problematisch an der Ausgangsfrage ist zum einen die scheinbare Kongruenz von H., A. und E., die es realiter nicht gab und gibt, und zum zweiten der fehlende Konsens darüber, wer z.B. als H. gelten darf. Man könnte letzteres sehr gut am Beispiel des erwähnten U-Boot-Kommandanten Weddigen exemplifizieren. [1]

Das gleiche Konsensproblem gilt für den Begriff E., für A. nicht, weil sich durch Konvention/Abstammung ergebend.


[1] Siehe
...geradezu unglaublichen "Genietat"...
 
Ja, JSchmidt, eine Übereinstimmung der drei Bereiche A/H/E war wohl allenfalls eine teilweise Überschneidung, falls überhaupt. Adel gründet sich auf Abstammung, daneben auch und v.a. auf eine oft (nur) konstruierte Erinnerung einer Gemeinschaft Zugehöriger.

"Wüterich", "realiter", "exemplifizieren", auch nicht gerade die Sprache von heute. Das ist eine Falle für Historiker, dass sie in die Vorstellungswelten von damals tappen und darin kleben bleiben.

Ob es über etwas sogenannte wissenschaftliche Literatur gibt oder nicht, ändert nichts daran, dass es in meinen Augen ein nutzloses Thema ist. Ich würde immer die Frage stellen, ob ein Thema auch für die Gegenwart (und Zukunft) relevant sein kann.

Einen schönen Sonntagnachmittag!
 
Um ein Urteil über Geschichte bilden zu können, muss man sich mit der Geschichte auseinandersetzen, Geschichtsbilder dekonstruieren. Insofern ist die Aufgabenstellung voll legitim.
 
Was haben diese drei Begriffe überhaupt miteinander zu tun ?

Adel - wurde 1919 abgeschafft, gab es in der Weimarer Zeit objektiv gar nicht; subjektiv wurde (und wird) noch ein Bisschen Gesummse um ihn gemacht, wegen der Kleider & Kutschen und so, politisch waren sie aber weitestgehend bedeutungslos.

Heldentum - aus der Logik des militärischen koordinierten Handelns ergibt sich die Notwendigkeit, dass der einzelne Soldat den militärischen Erfolg über sein eigenes Überleben stellen möge. Da dies dem Menschen natürlich wesensfremd ist, versucht man es, durch besondere post-mortem-Ehrung von "Helden" (vulgo : nützlichen Idioten) zu kompensieren.

Elite - Dies ist in der Tat ein interessanter Begriff. Es bedeutet, dass manche Menschen politisch mehr zu entscheiden haben als andere.

Wer sind diese Eliten ? Vor dem Betrachtungszeitraum war es häufig der Adel - das war auch so gewollt (zumindest vom König). Helden taugen nicht als Elite, denn die sind i.d.R tot.

Haben die Väter der Weimarer Verfassung überhaupt darüber nachgedacht, wer den Platz des nicht mehr vorhandenen Adels und der nie vorhanden gewesenen (da stets in statu nascendi verstorbenden) Helden als Elite ablösen sollte ? Wahrscheinlich haben sie es nicht. Das Ideal war vermutlich, dass es keine Elite geben sollte. Oder dass die Beamten, die ja (zumindest theoretisch) durch gewählte Politiker überwacht wurden, quasi ferngesteuert durch diese als Funktionäre ohne eigene Meinung agieren sollten. Oder sollten die Studierten mehr entscheiden, weil sie ja so gescheit waren ?

Ich bin der Meinung, dass immer irgendjemand mehr entscheidet als irgendjemand anderes, da nicht 80 Mio Leute (DE) über jede Detailfrage eine Volksabstimmung machen können. Natürlich, Politiker werden gewählt, aber auch sie können nicht 1 Mio Detailfragen pro Tag, und dann auch noch im Geiste des Wählerauftrags, entscheiden. Daher denke ich, dass, wenn man sich um die Entscheidung, wer oder was die Elite bilden soll, herumdrückt, sich eine solche unkontrolliert bildet, also praktisch "von selbst" und ohne demokratische Kontrolle. Die Eliten bilden sich dann eher nach den Eigengesetzlichkeiten der Mechanismen, die Eliten hervorbringen (wer das für einen Zirkelschluss hält, der hat Recht).

Wer nach Ende der Weimarer Demokratie mehr zu sagen hatte als andere, ist bekannt. Zumindest waren sie weder von Adel, noch waren sie Helden.
 
Haben die Väter der Weimarer Verfassung überhaupt darüber nachgedacht, wer den Platz des nicht mehr vorhandenen Adels und der nie vorhanden gewesenen ....Helden als Elite ablösen sollte ? Wahrscheinlich haben sie es nicht.

Wenn man historische Akteure für "ignorant" oder "unreflektiert" erklärt und wenn man sich nicht selber bemüht, wenigstens ein wenig die damalige theoretische Diskussion und die Implikationen der praktischen Politik im Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik zu verstehen, dann sollte man sein Urteil ein wenig vorsichtiger formulieren

Die "Wahrscheinlichkeit" ist für eine korrekte historische Beschreibung wenig hilfreich!

In diesem Sinne zwei Hinweise auf zwei akademische Positionen, die einflußreich waren und das Thema zeitgenössisch reflektiert haben

Weber: Politik als Beruf
https://de.wikipedia.org/wiki/Politik_als_Beruf

Michels: Ehernes Gesetz der Oligarchie
https://de.wikipedia.org/wiki/Ehernes_Gesetz_der_Oligarchie
 
Zuletzt bearbeitet:
... in meinen Augen ein nutzloses Thema ...
Mir geht das bei manchen anderen Themen genauso. Aber wir beide sind ja nicht gezwungen, uns in diesen Fällen zu Wort zu melden. :zunge:

Aber im Ernst: Auch ein scheinbar "nutzloses" Thema kann nützlich sein insofern, als es zum "Geschichtsbilder dekonstruieren" (El Q.) einlädt.

Auch Dir einen schönen Nachmittag!

... besondere post-mortem-Ehrung von "Helden" ...
etwa mit dem Hintergedanken: Schau, was dieser Mann (seltener: diese Frau) für Dich/Deine Gemeinschaft/Dein Volk getan hat! Geh hin und tu desgeichen (oder zeichne wenigstens eine Kriegsanleihe).

Siehe aber die luziden Vorschläge für Helden aus dem zivilenSektor in http://www.geschichtsforum.de/f55/nationalheld-deutschlands-32076/

Elite - Dies ist in der Tat ein interessanter Begriff. Es bedeutet, dass manche Menschen politisch mehr zu entscheiden haben als andere.
Wobei die ewig spannende Frage ist: Wie schafften sie es, zur Elite gerechnet zu werden? Geist, Macht, Geld, (Aus-)Wahlverfahren?
 
Von der speziellen Fragestellung noch einmal zurück zur headline, Adel/Heldentum/Elite in der Weimarer Republik:

1. Adel
Hier ist der Blick auf die Offiziersstruktur der Reichswehr lohnend, als "Betätigungsfeld" des ansonsten 1919 funktionslos gewordenen Adels. Die Übernahme der begrenzten Offizierszahl vom Kaiserlichen Heer in die Reichswehr führte hier zu Adelsquoten um die 50%, im Heer würde ich das höher noch als in der Reichsmarine schätzen.

2. Heldentum:
Für den Blick zurück, sozusagen prägend für den Referenzrahmen, würde ich die Kriegsliteratur zu 14/18 (auch verbunden mit "Im Felde unbesiegt" und als Gegenpol zur Kriegsschulddiskussion) und ggf. die 1919/33 rezipierte Kolonialgeschichte betrachten, bzw. die entstehende "Heldenliteratur", vielleicht in Verbindung zur Bewältigung des verlorenen Krieges. Das könnte man an Personen festmachen, eine lange Liste ist hier nicht schwer zu erstellen.

3. Elite:
Veränderte sich der Blickwinkel auf "Eliten" in der Weimarer Republik? Vergleich der Bedeutung von zB Wirtschaftseliten zum Kaiserreich? Wie sah es mit dem Beamtentum aus, Justiz, Wissenschaft, Kunst, Wahrnehmung und Bildungen von "Elitenzirkeln"? Wurde hier in der breiten Wahrnehmung der Adel ersetzt bzw. abgelöst?
 
[Nochmal zur "speziellen Fragestellung".]

Haben die Väter der Weimarer Verfassung überhaupt darüber nachgedacht, wer den Platz des nicht mehr vorhandenen Adels und der ... Helden als Elite ablösen sollte?

Während ich noch rumgrübelte, wurden Weber und Michels in Stellung gebracht. Allerdings haben die zur Weimarer Verfassung, auf die Klaus Bezug nahm, wenig geschrieben. Aber da mag ich mich irren und bin für genauere Angaben dankbar.

Das Ideal war vermutlich, dass es keine Elite geben sollte
Mal anders herum: Ist es vorstellbar, dass in der Verfassung eines demokratischen Staates eine "Elite" benannt und womöglich sogar definiert wird? Wenn ja, welche historischen Beispiele gibt es dafür?

Natürlich könnte man argumentieren: Wer von Verfassungs wegen eine besondere Funktion innehat (Reichspräsident, Reichskanzler, Reichsminister...) gehört de facto zur politischen Elite. Hiervon abgesehen, sind demokratische Verfassungen aber prinzipiell auf die politische Gleichheit aller Staatsbürger angelegt.
 
Elite - Dies ist in der Tat ein interessanter Begriff. Es bedeutet, dass manche Menschen politisch mehr zu entscheiden haben als andere.
Wobei die ewig spannende Frage ist: Wie schafften sie es, zur Elite gerechnet zu werden? Geist, Macht, Geld, (Aus-)Wahlverfahren?
Nein ... man muss das umgekehrt definieren : Zu einer Elite kann man diejenigen rechnen, die mehr zu sagen haben als andere. Dazu brauchen sie keine Legitimation, sondern das ist eben so.

Die ewig spannenede Frage ist vielmehr, welche Gruppen auf diese Weise zu Eliten geworden sind (Beamte, Promis, Journalisten, ...). Die Politiker würde ich nicht dazu rechnen, denn die sind ja eigens zu dem Zweck gewählt worden, stellvertretend für ihre Wähler mehr zu sagen zu haben als andere. Interessant sind diejenigen, die ohne Legitimation zu einer Elite geworden sind.
 
Die Übernahme der begrenzten Offizierszahl vom Kaiserlichen Heer in die Reichswehr führte hier zu Adelsquoten um die 50%, im Heer würde ich das höher noch als in der Reichsmarine schätzen.
Dass die Adelsquote überproportional hoch war, ist unbestritten. (Bei etwa 4.000 Reichswehr-Offizieren könnte man das anhand der Ranglisten genau ermitteln.)

Wohlfeil [1] nennt folgende Zahlen: Adelige nahmen anfangs etwa 20 % aller Offiziersstellen ein. Die Tendenz war steigend wegen der Reichswehr-internen Rekrutierungs-Modi: 1932 waren 32,9 % der neu ernannten Leutnants adelig. Die Unterschiede zwischen den Waffengattungen waren groß (1926): Kavallerie 46 %, Pioniere 4 %.


[1] In: MGFA (Hg.), Deutsche Militärgeschichte (Taschenbuchausgabe), Abschnitt VI, S. 178.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein ... man muss das umgekehrt definieren : Zu einer Elite kann man diejenigen rechnen, die mehr zu sagen haben als andere. Dazu brauchen sie keine Legitimation, sondern das ist eben so.

Es gab und gibt allerdings auch Menschen, die in ihrem Leben nicht die Anerkennung genießen, die eigentlich ihren selbst empfundenen Fähigkeiten entspräche und die sich - sozusagen kontrafaktisch - erst recht als Elite definieren, etwa als die einzigen Retter des bedrohten Vaterlandes.

In der WR war das anscheinend bei jüngeren Männern aus bürgerlichem Hause recht verbreitet, weil ein gewisser Lebensstil und eine aus der Kaiserzeit stammende Karriereplanung häufig nicht mehr möglich waren. Auch einige Soldaten (insbesondere junge Offiziere), die im Krieg hohe Anerkennung genossen hatten, welche ihnen im Frieden fehlte, haben sich gegen die Republik als militärische Elite der Nation zu definieren versucht.
 
Die Tendenz war steigend wegen der Reichswehr-internen Rekrutierungs-Modi: 1932 waren 32,9 % der neu ernannten Leutnants adelig. Die Unterschiede zwischen den Waffengattungen waren groß (1926): Kavallerie 46 %, ...

Ganz genau.

Die Quoten 1919/20 und dann im Verlauf bis 1933 muss man sich qualitativ anschauen.

Mit der Errichtung der Reichswehr ging ein großer Teil der pimalDaumen 13.-15.000 adligen Offizieren im Kaiserlichen Heer - nur zu etwa 11/12 übernommen, nun überwiegend beschäftigungslos - in eine ("proletarisierte") Militäraristokratie über. Der Trend bis 1933 wird für die Reichswehr auch als Re-Aristokratisierung des Offizierskorps beschrieben (während man in den ersten Jahren kaum genug Freiwillige als Offiziersanwärter fand).

Teilweise suchte man sich nach der Freisetzung "Beschäftigung" in paramilitärischen Vereinigungen, schwarze Reichswehr etc. Hier könnte man die Perspektive über die Papierlage der Reichswehr hinaus erweitern.

Der andere Aspekt ist die differenzierte Betrachtung der Offiziersstellen, und zwar außerhalb der unteren Ränge, also "Hauptleute" aufwärts. Das wäre eine qualitative Sichtweise, neben der feinen Unterscheidung nach der Bedeutung der Verbände ("niedrige Ziffern", etwa bei den Regimentern). Der Anteil der Kavallerie wird auch bedeutsam, die zugleich später die Aufklärungsabteilungen bzw. Panzerwaffe speiste, und bereits in der Reichswehr (neben den "niedrigen Ziffern") als elitär galt.

Zu empfehlen ist auch die Diss von Richardt, im www verfügbar.
 
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