Klaus1971

Neues Mitglied
Hallo miteinander!

Da ich bereits bei meinem ersten Thema sehr hilfreiche Denkanstöße erhalten habe, möchte ich im Folgenden auch mein zweites Geschichtsthema mit Euch teilen.
Hierbei handelt es sich um die Rolle der Frau in der DDR, unter Berücksichtigung der Leitfrage "war Gleichberechtigung nur ein Mythos?".
Wenn jemand etwas dazu beizutragen hat, wäre ich dankbar wenn dieser sein Wissen mit mir teilen würde.

Grüße,
Klaus
 
Hallo miteinander!

Da ich bereits bei meinem ersten Thema sehr hilfreiche Denkanstöße erhalten habe, möchte ich im Folgenden auch mein zweites Geschichtsthema mit Euch teilen.
Hierbei handelt es sich um die Rolle der Frau in der DDR, unter Berücksichtigung der Leitfrage "war Gleichberechtigung nur ein Mythos?".
Wenn jemand etwas dazu beizutragen hat, wäre ich dankbar wenn dieser sein Wissen mit mir teilen würde.

Grüße,
Klaus

Die Fragestellung suggeriert, dass die Frage mit ja oder nein zu beantworten ist. Welche Gesellschaft könnte von sich sagen, dass sie totale Gleichberechtigung verwirklicht habe, dass Männer und Frauen in allen sozialen Millieus, auf allen politischen, wirtschaftlichen, religiösen und sozialen Bereichen die gleichen Chancen haben, den gleichen Lohn bekommen. Das war natürlich in der DDR nicht der Fall. In der Bundesrepublik musste eine Frau in der Adenauerzeit wenn sie berufstätig sein wollte, eine schriftliche Erlaubnis des Ehemannes vorlegen. Der § 218, der Abtreibung verbot wurde in der Bundesrepublik weitaus rigider angewendet, als in den Ostblockstaaten. 1988 musste sich ein Frauenarzt in Memmingen vor Gericht verantworten wegen Schwangerschaftsabbrüchen. Er wurde zu 2 1/2 Jahren Haft verurteilt, was zu einer erhitzten Debatte um den § 218 führte.

Um bei der Ausgangsfrage zu einer differenzierten Antwort zu gelangen, muss man sie in den Kontext der Frauen-Emanzipationsbewegung stellen, die kurz vor dem 1. Weltkrieg begann. Im Weltkrieg mussten auf allen Seiten Frauen ihren Mann stehen, was ihnen in den meisten Staaten nach dem Krieg das Wahlrecht brachte. Der Nationalsozialismus hatte ein extrem konservatives Frauenbild und propagierte die Mutterrolle, die deutsche Frau rauchte nicht, aber diese schon damals antiquierten Geschlechterrollen ließen sich in Realität kaum umsetzen, erst recht nicht, als mit dem Krieg Frauen Männer in Betrieben ersetzen mussten.

Diese Vorgeschichte und die unterschiedliche Entwicklung der Frauenrechtsbewegung in den beiden deutschen Staaten muss man kennen und im Blick behalten. Um zu differenzierten Antworten zu kommen, muss man die Frauenrechtsbewegung in der Bundesrepublik mit anderen europäischen Staaten und Ostblockstaaten vergleichen.

Eine öffentliche Diskussion über Frauenrechte, über Benachteiligung in Betrieben, über unterschiedliche Löhne, über Abtreibung und § 218 war in der DDR nicht möglich. Die Frau wurde für gleichberechtigt erklärt, so wie man die DDR einfach für antifaschistisch und für den besseren deutschen Staat erklärte. Im real existierenden Sozialismus stellten sich solche Fragen nicht, da der real existierende Sozialismus sie ein für alle mal gelöst hatte oder bald lösen würde (oder auch nicht).

So gesehen ist die Frage schnell beantwortet, die Gleichberechtigung der Frau war in der DDR ebenso wenig verwirklicht wie dort eine geschichtliche Aufarbeitung der NS-Vergangenheit stattgefunden hat. Dennoch gibt es durchaus Bereiche wie Schwangerschaftsabbruch, wo der Vergleich der beiden deutschen Staaten keineswegs eindeutig zugunsten der Bundesrepublik ausfällt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Memminger_Prozess
 
Und in Anlehnung an die gute und zutreffende Darstellung von Scorpio:

1. Es ist in der Tat zwischen dem Verfassungsanspruch und der Wirklichkeit in der DDR zu unterscheiden.

2. Im Ergebnis kann man eine patriachalische Gesellschaft erkennen, die den Frauen formal die Gleichstellung anbot.

3. In der Praxis führte die formale Gleichstellung in Ausbildung und Betrieben jedoch dazu, dass die Frauen in der DDR eine massive Doppelbelastung hatten.

4. Aufgrund der traditionellen Rollenmuster fiel ihnen weitgehend, neben der Berufstätigkeit, die Rolle zu, den Haushalt und die Kinder zu versorgen. Insofern war die formale Gleichstellung in der Realität für die Frauen eine durchaus ambivalente Situation.

Gleichzeitig bot sich für die Frau - in der DDR wie in der BRD - aus unterschiedlichen Gründen zunehmend die Möglichkeit, ein enges Korsett der Rollenerwartungen zu durchbrechen. Und in beiden deutschen Staaten erodierte das "klassische Frauenbild" und wurde durch ein - ambivalentes - neues emanzipierteres Frauenbild ersetzt.

Dieses auch als Ergebnis der Rückwirkungen der Industrialisierung und der zunehmenden Beschäftigung von Frauen in Unternehmen.

Das ließe sich natürlich auch literaturgestützt argumentieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Meine ganz unwissenschaftliche Erfahrung ist, dass dieses Thema in der DDR, wie so vieles, auf die Arbeitswelt beschränkt blieb und daher staatlicherseits verwaltet wurde. Die inhaltliche Auseinandersetzung im individuellen Bereich fand entsprechend nur eingeschränkt statt.

Vorschreiber haben es ja schon angedeutet: die Frau durfte gern Vollzeit ranklotzen, aber vom Mann eine weitergehende Arbeitsteilung zu erwarten, das hätte inhaltliche, gedankliche und persönliche Auseinandersetzung erfordert, und das hatte Mann nicht nötig weil ja staatlicherseits "für alles gesorgt war". Diesen mangelnden Ausgleich für eine gesellschaftliche Neukonstruktion haben dann die Kinder ausgebadet, denn die Lösung für "Mutti geht arbeiten" waren neben einem sinnvollen Betreuungssystem auch Auswüchse wie Wochenkrippen - eine Freundin von uns ist mit unter 2 Jahren eine zeitlang montags in die Krippe gekommen und freitags abgeholt worden. Auch gab es Kinderlieder und -bücher, die die tüchtige Mithilfe braver Kinder (bzw. Mädchen natürlich) im Haushalt thematisiert haben - aber keine, die den Mann in dieser Rolle propagiert hätte, das kam erst in den letzten Jahren vereinzelt vor.

Auch habe ich die persönliche Erfahrung gemacht, dass nicht alle, aber auch wirklich nicht wenige Männer mit DDR-Sozialisation auf frauenrechtliche Positionen so reagieren, wie es westdeutsche Männer vor der Emanzipation taten - nicht inhaltlich (was ja im Sinne von Meinungsverschiedenheit berechtigt wäre), sondern höhnisch bis klassisch sexistisch und mit Entscheidungsanspruch über erwachsene Frauen. Man merkt daran, dass die menschlichen Fragen hinter der Frauenfrage hier einfach nicht verhandelt wurden, ähnlich wie autoritäre Strukturen nicht Thema waren weil der Staat ja behauptete, alles habe schon seine antifaschistische Ordnung. Dieses nicht-reflektieren geht auch heute noch in Bereiche wie "wenn ich es witzig finde darf ich ruhig anfassen/kommentieren/bewerten", denn die Erwartung, über die eigene Zeit und den eigenen Körper zu entscheiden ist nach wie vor eine Humorlosigkeit der Frau.

Man kann man weiters sehen, dass Frauen in der DDR sehr wohl Schlosserarbeit verrichten oder Schürfbagger bedienen durften (was die Zugänglichkeit aller Bereiche angeblich belegt), aber, abgesehen vom Medizinstudium und ein paar akademischen Bereichen, in allen Berufen mit einer gewissen Autorität/Prestige praktisch inexistent waren. Berufspilotin oder Kapitänin ist m.W. im formal ultra-gleichberechtigten Land keine einzige geworden, in allen Leitungsfunktionen sehr wenig Frauen, also muss irgendjemand gelogen haben: entweder waren die DDR-Frauen beruflich doch nicht gleichgestellt, oder sie waren familiär keineswegs so entlastet wie behauptet, oder sie waren 40 Jahre lang massiv unfähiger als die DDR-Männer (deren Spitzen-Erfolg ja bis heute nachhallt...). Nur an den Strukturen und am Denken kann es ja keinesfalls gelegen haben, sagt sich bis heute so mancher Mann.

Im übrigen wird auch bis heute die konsequent männliche Berufsbezeichnung verteidigt, kann man akzeptieren bzw. nebensächlich finden, aber dass Sprache nicht auch das Denken entlarvt kann mir keiner weismachen.

Also Fazit, man muss ganz sicher einiges zeittypische abziehen (die DDR endete in den späten 80ern, vor diesem Zeithintergrund muss man das sehen), aber die Öffnung von Vollzeitjobs und harten Malocherjobs bedeutete keineswegs, dass man die vollen Interessen von Frauen oder gar die Männer in eine echte gesellschaftliche Verhandlung einbezogen hätte oder Frauen persönlich ernster genommen wurden.
 
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