Hausierer im 19. bis frühen 20.Jahrhundert?

R

Rotfälscher

Gast
Hallo!

Meine Frage lautet: Aus welchen sozialen Gruppen setzte sich in 19. Jahrhundert bis zum 1. Drittel des 20. JH die Gruppe der Hausierer zusammen, die zum Beispiel versuchten Zeitungen zu verkaufen oder ähnliches?
Waren es tendenziell eher arme aus der Umgebung, zugewanderte oder gesellschaftlich relativ gut positionierte "Provisionsjäger"?

Wissen wir noch, wie die Leute damals sich zusammensetzten oder sind nur die alten Schilder "Betteln und Hausieren verboten" überliefert?
 
Die Wikipedia hat eine Antwort auf Deine Frage - Zitat: „Hausierer gehörten oft ethnischen Minderheiten an und waren Zigeuner, Juden oder Jenische. Sie waren fester Bestandteil insbesondere der ländlichen Sozialstruktur, man richtete sich auf ihr durchaus erwünschtes, oft herbeigesehntes Kommen ein. Eine ihrer wichtigsten Nebenfunktionen war, dass sie Nachrichten und Informationen aus dem weiteren Umfeld überbrachten.“

In meiner Verwandtschaft gab es eine Hausiererin. Sie war die 6. Tochter eines Kleinbauern und musste schon mit 12 Jahren vom Haus als Kindermädchen, für Kinder eines reichen Bauern, später in der Stadt auch für andere, die sich ein Kindermädchen leisten konnten. Unter diesen war eine Kaufmannfamilie, wo sie auch im Laden aushelfen musste. Dadurch lernte sie Lieferanten kennen – und damit Einkaufsquellen. Sie machte sich selbständig und hausierte fortan auf dem Land. Sie sammelte dort Bestellungen, kaufte ein und trug alles auf ihrem Rücken zu den Bestellern. Sie war sehr tüchtig und konnte mit 35 Jahren ein Haus bauen, was damals für eine Frau sehr außergewöhnlich war. Etc.

Übrigens: Der Gründer der Firma Benetton, Luciano, geboren 1935, war in seinen jungen Jahren auch ein Hausierer: ein venditore ambulante, wie sie in Italien sagen. Erst mit 30 Jahren gründete er mit seinen Geschwistern zusammen eine eigene kleine Fabrik für Strickwaren, womit (Produktion und Verkauf in einer Hand) der eigentliche Aufstieg der Firma begann.
 
Hallo,

zu den Juden als Hausierer im ersten Drittel des 19. Jh. interessant sind die Debatten um ihre bürgerliche Rechtsstellung; z.B. wurde in Bayern 1819 darüber verhandelt, und die Gegner der jüdischen Emanzipation führten zahlreiche wirtschaftliche Motive und auch das Hausierer(un)wesen an. Es gab dann auch einige Vorschriften gegen das Hausieren, soweit ich mich erinnere. Da ist dann auch einiges über Konkurrenz in diesem Wirtschaftszweig enthalten.

lg, Marie Luise
 
Zurück
Oben