Jesus: Thesen zur Abstammung

ponzelar

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einleitung

die wichtigsten lebensdaten von jesus sind ungefähr klar. jesus wurde etwa zu beginn der christlichen zeitrechnung, wenn wir den spärlichen und etwas unsicheren quellen glauben schenken dürfen, ende dezember unweit der kleinen stadt bethlehem geboren. er verlebte eine angenehme kindheit mit seiner mutter und seinem (zumindest sozialem) vater. mit ca. 30 jahren ereilte ihn im frühjahr ein grausiger tod.
hinsichtlichs seiner tatsächlichhen herkunft bestehen jedoch unsicherheiten, während die mutter wohl einwandfrei feststeht, ist die frage, wer nun sein leiblicher vater war umstritten. mamas baby, papas may be.
die fragen, ob jesus geschwister hatte(http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=7645), ferner, oder ob er ein weib hatte (http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=5626), werden bereits an anderer stelle lebhaft diskutiert. wir lassen diese aspekte deshalb im folgenden aus und konzentrieren uns ganz auf seine herkunft väterlicherseits.

hinsichtlich der väterlichen abstammung stehen m.e. vor allem drei thesen zur debatte:

thesen

1. jesus ist der sohn von maria und joseph. diese erklärung scheint schon alleine deshalb plausibel, weil joseph mit marie verehelicht war, und es durchaus wahrscheinlich ist, daß aus eheverbindungen nachkommen hervorgehen. da verhütung dem einfachen volk wohl unbekannt war, kam als ausschlußgrund nur unfruchtbarkeit eines der ehepartner, was zumindest für maria sicher ausgeschlossen werden kann, nichtvollzug der ehe oder -man kann es nicht anders sagen- wirklich unglaubliches pech in frage.

2. jesus ist sohn der maria, der biologische vater ist der heilige geist. über die identität dieses heiligen geistes sind bisher nur wenig konkrete, man möchte fast sagen diffuse angaben bekannt. möglicherweise sind die hinweise auch deshalb so vage, um auf die gefühle von marias gatten rücksicht zu nehmen. da über die person des heiligen geistes gesicherte nachrichten nicht vorliegen, kann dieser these wissenschaftlich nach derzeitigem erkenntnisstand kaum weiter nachgegangen werden.
womöglich ist die frage nach dem heiligen geist aber auch in zusammenhang mit these 3 zu beantworten.
am rande sei noch erwähnt, daß ungeachtet der nicht unberechtigten zweifel, diese these bis heute weltweit sehr zahlreiche anhänger hat.

3. möglicherweise muß als vater aber auch eine andere, uns bislang unbekannte person angenommen werden. diese these mag dem ein oder anderen zunächst frivol erscheinen. wenn man dies aber mit der gebotenen wissenschaftlichen unvoreingenommenheit in betracht zieht, stellt man fest, daß dergleichen sich bereits seit urzeiten zugetragen hat, selbst heute noch geschieht und das auch bei personen, denen im allgemeinen ein tadelloser ruf zugesprochen wird. wir möchten dieser these in zwei varianten, 3.a und 3.b nachgehen.

3.a wenn wir von these drei ausgehen und ferner annehmen, daß joseph hinsichtlich der vaterschaft keinerlei argwohn hatte, wird freilich schwer verständlich, wieso die rede von der vaterschaft des immer noch nebulös scheinenden heiligen geistes aufkam. in diesem fall nämlich hätte einfaches verschweigen ausgereicht, den ruf der familie und den innerhäuslichen frieden aufrechtzuerhalten. dieser umstand führt , wenn wir uns mit dem unverständlichen nicht abfinden mögen schließlich zur these 3.b.

3.b wenn aber joseph anlaß zum zweifel hatte, selbst vater zu sein, wäre denkbar, daß maria, um den unbekannten vater zu decken und/oder um dennoch zumindest den häuslichen frieden zu wahren und die gefühle ihres gatten nicht unnötig zu verletzen (siehe auch unter these 2.), die vaterschaft des heiligen geistes (siehe these 2.) selber in die debatte warf, und zwar derart, daß joseph aufgrund der außerordentlichkeit der von seiner gattin geschilderten umstände davon absehen konnte, in den bei "gehörnten" männern dieser zeit üblichen zorn zu verfallen.

3.a und 3.b der einwand, daß sich für beide unter 3. dargestellten möglichkeiten keine schriftlichen belege finden lassen hat durchaus auch seine berechtigung. andererseits liegt es in der natur der sache, daß, vorausgesetzt 3. trifft zu, die beteiligten kein interesse haben konnten, schriftliche zeugnisse hiervon zu hinterlassen.


zusammenfassung

letzte sicherheit könnte wohl nur ein dna-test bringen, jedoch ist hierfür die quellenlage nach wie vor unbefriedigend. während von der fraglichen person selbst, jesus, dank der sammelfreude seiner anhänger zahlreiche fragmente zur gewinnung von dna-proben in form gesammelter knochen- und fußnagelsplitter, vor- und hornhautfetzen, schnurbarthaaren, liebevoll aufbewahrter körperausscheidungen und der gleichen mehr –wenn auch verstreut- verfügbar sind, fehlt entsprechendes material der in frage kommenden väter joseph bzw. heilger geist bisher völlig. hinsichtlich eines ggf. bisher unbekannten vaters wäre vor der suche geeigneten materials erst noch die identität zu bestimmen. die frage kann also erst dann einer klärung näher kommen, wenn auch von joseph, dem heiligen geist und ggf. sofern namhaft zu machen, vom bisher unbekannten dritten entsprechendes material gefunden wird.

bis dahin muß man sich also damit begnügen, das eine oder eben das andere oder wiederum ein drittes oder sogar viertes zu glauben. wer aber auch immer vater von jesus gewesen sein mag, der herausragenden, nicht nur historischen bedeutung von jesus, tut das keinerlei abbruch.
 
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ponzelar schrieb:
außer den evangelien, deren zweifelhafter quellenwert wohl von niemanden betritten wird, stehen keine schriftlichen quellen zur verfügung.
allerdings ergeben sich die thesen aus schlüssigem kombinieren des wenigen, was wir aus den evangelien erfahren können.

Um mal beim Thema "Genealogie" zu bleiben: Genealogisch geben diese Quellen eigentlich gar nichts her, was man schlüssig kombinieren könnte:

Matthäus-Evangelium Kapitel 1:

"Nach der Babylonischen Gefangenschaft war Jojachin der Vater von Schealtiël, Schealtiël von Serubbabel, Serubbabel von Abihud, Abihud von Eljakim, Eljakim von Azor. Azor war der Vater von Zadok, Zadok von Achim, Achim von Eliud, Eliud von Eleasar, Eleasar von Mattan, Mattan von Jakob. Jakob war der Vater von Josef, dem Mann Marias; von ihr wurde Jesus geboren, der der Christus (der Messias) genannt wird."

Lukas-Evangelium Kapitel 3:

"Jesus war etwa dreißig Jahre alt, als er zum ersten Mal öffentlich auftrat. Man hielt ihn für den Sohn Josefs. Die Vorfahren Josefs waren: Eli, Mattat, Levi, Melchi, Jannai, Josef, Mattitja, Amos, Nahum, Hesli, Naggai, Mahat, Mattitja, Schimi, Josech, Joda, Johanan, Resa, Serubbabel, Schealtiël, Neri..."
 
das kann so nicht stehen bleiben, verehrter hyokkose, immerhin erfahren wir folgendes:

Wenn wir matthäus 1.25 folgen, müssen wir davon ausgehen, daß die ehe zwischen joseph und maria bis zur geburt von jesus nicht vollzogen war
Das joseph sich darüber im klaren war, daß das kind nicht ehelich, also nicht von ihm gezeugt war, geht aus matthäus 1.19 hervor. Das der leibliche vater von jesus der heilige geist gewesen sein soll, entnehmen wir matthäus 1.20 sowie lukas 1. 35.
Zu den vorfahren josefs, der demzufolge aber als vater nicht in betracht käme erfahren wir hingegen einiges (matthäus 1, 2-16).
Sollte aber dennoch josef als vater angenommen werden, hatte jesus wohl recht prominente vorfahren, seis drum.

was die abweichende darstellung von lukas 3.kapitel angeht, habe ich mir berichten lassen, daß hier nicht die väterliche, sondern die mütterliche linie dargestellt ist.

allerdings sind die quellen mit vorsicht zu genießen. wenn nämlich matthäus darlegt, daß der leibliche vater von jesus ein gewisser heiliger geist war, warum verwendet matthäus dann so große mühe darauf, die abstammung des josephs in zusammenhang mit jesus stammbaum so ausführlich darzulegen?
 
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Lies die Stammtafel noch ein bisschen genauer, Du wirst noch bestimmt zwei Überraschungen erleben... :still:
 
ponzelar schrieb:
was die abweichende darstellung von lukas 3.kapitel angeht, habe ich mir berichten lassen, daß hier nicht die väterliche, sondern die mütterliche linie dargestellt ist.

Ach wirklich? Hieß nach dieser Theorie die Mutter auch Josef?
 
ponzelar schrieb:
da verhütung dem einfachen volk wohl unbekannt war
Rosmarin und Thymian wächst in unsrem Garten,
Jungfer Ännchen ist die Braut, kann nicht länger warten ...

Ohne jetzt "aus dem Hut" konkrete Quellen angeben zu können und ohne die Suchfunktion angeworfen zu haben, möchte ich sagen, dass dem wahrscheinlich nicht so war. Mir fällt jetzt auf Anhieb ein "anderes" Forum ein, in welchem dieses Thema allerdings für das europäische Mittelalter lang und ausführlich diskutiert wurde bzw. wird. Und wenn man von einem Wissensverlust des MA gegenüber der Antika ausgeht, darf man vermuten, daß kontrazeptive bzw. abortative Methoden durchaus bekannt waren.

ponzelar schrieb:
um den unbekannten vater zu decken und/oder um dennoch zumindest den häuslichen frieden zu wahren und die gefühle ihres gatten nicht unnötig zu verletzen
Oder aber um gesellschaftliche Ausgrenzung zu vermeiden.

Bye
Suedwester
 
ponzelar schrieb:
einleitung

[...und etwas unsicheren quellen glauben schenken dürfen, ende dezember unweit der kleinen stadt bethlehem geboren.]


Aus welcher Quelle stammt das? Die Geburt in Bethlehem ist eines der umstrittensten Punkte in der Jesus-Geschichte. Und über den Monat der Geburt rätselt man auch. Das christliche Weihnachtsfest ist meines Wissens irgendwann mal auf Ende Dezember festgelegt worden, weil dort wichtige (heidnische) Feiertage lagen, die man vergessen machen wollte.
 
verehrter el quijote,

es wäre schön, wenn du die sachaufklärung befördern würdest, indem du die von dir angesprochenen überraschungen nennen würdest.

nein, lieber hyokkose,

die mutter hieß wohl weder joseph noch josephine, im folgenden also der bericht, den auch ich mit staunen zur kenntnis nahm:

http://www.dasjahrderbibel.de/Bibel/AbstammungJesu.htm

ich kann auf diesen bericht nur verweisen. eine sachliche würdigung überlasse ich lieber den ausgewiesenen experten für so was.


und richtig, geschätzter suedwester,

neben dem bestreben den häuslichen frieden zu wahren und die gefühle ihres gatten nicht mehr als nötig zu strapazieren kommt natürlich auch in betracht, gesellschaftliche ächtuing zu vermeiden. letzteres wie es scheint mit erfolg. was häuslichen frieden und die gefühle ihres gatten betrifft kann man nur spekulieren, da dergleichen ja oft vor der interessierten öffentlichkeit verborgen wird (nach dem motto: nicht vor allen leuten!).

danke, lieber frodo,

für deinen hinweis auf die quellenprobleme hinsichtlich des mutmaßlichen geburtsmonats. wenn hierzu von interessierter seite bewußt desinformation betrieben worden ist, wie du andeutest, müsste man allgemeine zweifel an der vertrauenswürdigkeit eben dieser seite haben, oder?
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir reicht die Darstellung von Kishon in "Um Gottes Willen - der Vaterschaftsprozess des Zimmermann Josephs"
Nettes Theaterstück in dem Gott am ende zugibt der vater zu sein um Gerüchten bezüglich seines hohen Alters vorzubeugen.
 
ponzelar schrieb:
nein, lieber hyokkose,

die mutter hieß wohl weder joseph noch josephine

Ach, schade... "Mario und Josephine", das hätte eine schöne neue These ergeben.


ponzelar schrieb:
im folgenden also der bericht, den auch ich mit staunen zur kenntnis nahm:

http://www.dasjahrderbibel.de/Bibel/AbstammungJesu.htm

ich kann auf diesen bericht nur verweisen. eine sachliche würdigung überlasse ich lieber den ausgewiesenen experten für so was.

Erstaunlich ist die Unlogik der Beweisführung und die Unverfrorenheit, mit der der Leser genarrt wird. Aber es dient ja einem höheren Zweck, schließlich muß der Stammbaum herhalten als "erstaunliches Beweisstück dafür, dass Gott der Autor der Bibel ist".
 
Wir haben eine einigermaßen sichere Kunde von Jesus erst von der Zeit nach seinem 30. Lebensjahr. Alles, was davor war, ist Legende - mit Ausnahme wohl des Namens seiner Eltern und des Berufes seines Vaters.

Hinsichtlich der Frage nach dem Herkommen Jesu hat die Frage keinen Sinn mehr.

Man kann nur folgende Fragen sinnvoll mit aussicht auf Antwort stellen (und sie sind auch wirklich interessant!):
1. Welche Antworten wurden warum im Laufe der Geschichte gegeben? (Ich denke an die allererste Antwort, dass es sich um einen römischen Soldaten gehandelt habe, der Maria geschwängert habe).
2. Warum haben zwei Evangelisten ihren Evangelien Kindheitsgeschichten vorangestellt, und zwar nicht irgendwelche, sondern gerade diese. M.a.W.: Was wollte uns der Dichter damit sagen? Welche theologischen Aussagen wurden in den Stammbäumen versteckt, oder in dem Kindermord von Betlehem oder der Flucht nach Ägypten oder dem 12-jährigen im Tempel? Es gibt ja richtige Kindheitsevangelien als apokryphe Schriften. Warum wurden diese ausgeschieden, die Abschnitte in den kanonisierten Evangelien aber nicht?
Die Antwort auf solche Fragen ergäbe einen gewissen Einblick in die Vorstellungswelt der Verfasser und Adressaten der Evangelien und derjenigen, die dann die 4 kanonisierten.

Dagegen aus einer DNA-Prüfung ergäbe sich gar nichts historisch Relevantes.
 
Brüder

Wieso war eigentlich die Frage nach den Geschwistern und einer Frau ausgeklammert?

Die Geschwister stehen doch in der Bibel, die männlichen sogar mit Vornamen. Frauen werden kaum erwähnt, und das liegt schlicht am Frauenbild von damals. Dass Jesus wie alle anderen normalen Menschen seiner Zeit verheiratet war (waren die Jünger wohl auch, wie man zum Beispiel an der geheilten Schwiegermutter von Petrus sieht), ist doch selbstredend. Dass Jesus sogar Kinder hatte lässt die Stelle vermuten, in der er eines der Kinder in seinem Haus herbeiruft, und seinen Jüngern vorführt um zu sagen "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder..." An der wegen eines miserablen Buchs gerade weitverbreiteten Auffassung, dass Magdalena seine Frau war, ist vielleicht sogar was dran. Schließlich wird sie als eine von ganz wenigen Frauen aus seiner großen Jüngerschar namentlich erwähnt.

Zur Abstammung von Jesus: Es ist doch bezeichnend, dass sich mehrere Evangelisten mit einem Stammbaum des Vaters (wenn auch unterschiedliche Namen genannt werden) abmühen, wenn doch später behauptet wird, allein der Heilige Geist sei der Vater... Ursprünglich stand die leibliche Vaterschaft Josef also gar nicht außer Frage. Viel interessanter ist aber wohl die Abstammung mütterlicherseits! Maria stammt, wie man an ihrer Verwandten Elisabeth (der Mutter Johannes des Täufers) sehen kann, aus einer angesehnen Priesterfamilie. Hohe Tempelaufgaben und Rechte sind damit verbunden. In mehreren Fällen wird in der Bibel davon berichtet, dass Frauen (das steht für die damalige Auffassung schon fast für Unwürdige), den "Kragen seines Mantels" berührt hätten. Solch ein Kragen ist typisch für das Priestergewandt. Bekanntlich hat Jesus bereits mit zwölf Jahren im Tempel gepredigt. Und wenn man dann endlich verstanden hat, das Jesus ein höherer jüdischer Priester mit ererbten Rechten war, dann ergibt es auch einen Sinn, wenn er die Händler aus dem "Haus seines Vaters" wirft...

So weit überliefert ist, ist Jesus um das Jahr 4 vor Christus geboren (weil Herodes da gestorben ist, und er aber noch die Kinder hat umbringen lassen. Sein Nachlassverwalter, Varus, ist kurz darauf nach Germanien versetzt worden). Gegreuzigt wurde er den bekannten Quellen nach mit 33 Jahren. Nach ihm hat sein Bruder Jakob das ererbte Priesteramt weitergeführt, bis auch er rituell umgebracht wurde, aber das war ja ein paar Jahrzehnte später...
 
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