Namensänderung 1938 in Danzig

G

Gast

Gast
Vor ein paar Tagen erfuhr ich aus Nachlasspapieren ein sorgsam gehütetes Familiengeheimnis: Mein Großvater hat im März 1938 in Danzig seinen Nachnamen, der ursprünglich polnisch klang, ins Deutsche "übersetzt" und ändern lassen.
Gesetzliche Grundlage war das Namensänderungsgesetz (NamÄndG) vom 05.01.1938, das für diese Aktion einen "wichtigen Grund" fordert.
Wer weiß mehr darüber, bezogen auf 1938? War damals allein der polnisch klingende Name ein "wichtiger Grund"?
 
Gast schrieb:
Wer weiß mehr darüber, bezogen auf 1938? War damals allein der polnisch klingende Name ein "wichtiger Grund"?

Nein, auch jüdisch klingende Namen konnten geändert werden.
Als ich Ende der 70er Jahre mal die Ehrenbürger meines damaligen Wohnortes genauer untersuchte, stieß ich auf Philipp Larens. Er wurde Ende der 50er Ehrenbürger des Städtchens.
Dabei stellte es sich heraus, dass er aufgrund des Gesetzes von 1938 seinen Familiennamen von Lazarus in Larens ändern ließ, da er bei seinem beruflichen Wirken im fernen Karlsruhe ständig Probleme mit seinem Namen hatte.
In seinem Hematstädtchen ist der Name Lazarus seit dem 16. Jh. belegt. Keiner der Einheimischen hatte Probleme mit dem Namen.
 
In einem Artikel der "WELT" heißt es u.a.:

Die Möglichkeit, sich von einem ungeliebten oder herabsetzenden Familiennamen zu trennen, brachte erst das Namensänderungsgesetz von 1938. Seine damals vordringliche Absicht war allerdings, fremd klingende, vor allem slawische Namen, einzudeutschen.

(Quelle: http://www.welt.de/data/2004/03/22/254428.html )

Hervorzuheben beim Namensänderungsgesetz von 1938, das erst am 1.9.1939 in Danzig Gültigkeit erhielt, ist der Umstand, dass Jüdinnen und Juden zur Annahme der Namen „Israel“ bzw. „Sara“ als 2. Vornamen verpflichtet wurden. (Wen es interessiert: Hier ist ein interessanter Rechtsfall von einem Ministrialbeauftragten, der mit zuständig war für die "Kennzeichnung von Juden":
http://www1.jur.uva.nl/junsv/Excerpts/ddr1068004a.htm )

Zurück zu Danzig:
Da das o.a. Gesetz wie erwähnt erst bei Kriegsausbruch übernommen wurde, gehe ich davon aus, dass es davor etwas ähnliches gegeben hatte. Die Möglichkeit, seinen Namen zu ändern, dürfte es zu jener Zeit wohl überall in Europa gegeben haben, vor allem, wenn der Name zu kompliziert war.

In meinem Bekanntenkreis z.B. hat ein Vorfahr in den 30er Jahren den Namen "Buchikovski" in "Buchner" geändert... Ein "polnisch klingender Name" war also durchaus ein Grund zur Namenänderung, nicht nur aus deutschtümelnden Motiven heraus.

Gruß

Jacobum
 
Liegt dem Gesetz auch die Änderung von Ortnamen zu Grunde? Meine Grossmutter erzählte mir das in ihrer Gegend damals fast jedes dritte Dorf einen neuen Namen bekam. Aus Kaming wurde Steinhaus, aus Gauersch wurde Gauwald usw.
 
Klassenstreber schrieb:
was waren den z.b jüdische name?
ich weiß nur das alle jüdinnen sahra hießen
und wie hießen die männer nocheinmal
mfg:winke:

Es ging in meinem Beispiel um jüdisch klingende Namen .
Und Lazarus roch damals nicht sehr arisch.
 
Klassenstreber schrieb:
was waren den z.b jüdische name?
ich weiß nur das alle jüdinnen sahra hießen
und wie hießen die männer nocheinmal

mfg:winke:

Die hiessen doch nicht alle Sarah oder Israel.
Ab 1939 mussten sie diese Zweitnamen annehmen, die auch in den Pässen so standen.
 
florian17160 schrieb:
Die hiessen doch nicht alle Sarah oder Israel.
Ab 1939 mussten sie diese Zweitnamen annehmen, die auch in den Pässen so standen.

Richtig ist die Schreibweise "Sara" - nur als Ergänzung!
 
askan schrieb:
Liegt dem Gesetz auch die Änderung von Ortnamen zu Grunde?

Ortsnamen wurden immer wieder geändert, manchmal sind die Ursachen nicht bekannt. Ein Beispiel aus dem Odenwald:
Zur Jahreswechsel[2005] jährt sich auch die Umbenennung von "Dumbach" zu "Donebach" vor 80 Jahren. Zwar wesentlich älter, tritt Donebach urkundlich erstmals im Jahre 1271 auf, und zwar unter dem Namen , den es seit dem 1. Januar 1926 wieder führt. Dieser Name blieb bis ins 16. Jahrhundert, dann lautet die Bezeichnung "Dumbach".
http://www.fnweb.de/archiv/2005/m12/31/bu/region/20051231_p020752022_36405.html

Anderes Beispiel:
Blödesheim gehörte zum Oberamt Alzey und blieb bis zur französischen Okkupation Ende des 18. Jahrhunderts bei der Kurpfalz. Im Frieden von Campo Formeo 1797 wurde das ganze linke Rheinufer an Frankreich abgetreten. Blödesheim/Hochborn wurde der Mairie (Bürgermeisterei) Monzernheim zugeteilt. Seit 1816 gehörte Blödesheim/Hochborn zum Großherzogtum Hessen.
Im Jahr 1972 wurde der Ortsname in Hochborn abgeändert (siehe unter "Blödesheim"). Der neue Ortsname Hochborn wurde aus der Höhenlage (280 m) der Gemeinde abgeleitet.
http://www.rheinhessen.regionalgeschichte.net/hochborn.html
 
entschuldigung über meine falschinformation:weinen:
ich dachte das die juden als weiter demütigung ihre vornamen in sara od. imael ändern mussten -> aber dafür gibt es ja dieses forum:yes:

mfg:gathering:
 
Ich habe das Thema angefangen...
Wenn das Gesetz 1938 in Danzig noch gar nicht galt, dann muss es eine andere Grundlage gegeben haben, ist ja egal, die Klausel "wichtiger Grund" stand da sicher auch drin.

Wer den alten Familiennamen am Telefon hörte, würde auch als Deutscher nicht nachfragen, wie das geschrieben wird. Von daher gab es sicher keine Schwierigkeiten, z.B. im Geschäftsverkehr, zumal der Name nicht eben selten ist und somit zumindest von den Einheimischen wohl akzeptiert wurde. Oder irre ich mich da, war das 1938 wirklich so anders?
Was mich irritiert ist, dass mir mein Vater (vor 25 Jahren verstorben) nie davon erzählt hat. Er war 1938 11 Jahre alt und hat es also gewusst und niemals vergessen.

Nun, nachdem Großvater, Großmutter, Onkel und auch die letzte die Tante gestorben sind, realisiere ich, dass es von dem ganzen Familienzweig keine einzige Geburtsurkunde gibt (aber von der Großmutter den Taufschein!), und auch keine Heiratsurkunde meiner Großeltern.

Zufällig finde im Nachlass ein einziges Dokument meines Onkels, beurkundet 1985 in NRW, wo als Fußnote steht: "Der Name des Kindes und seiner Eltern wurde mit Wirkung vom März 1938 in xxx geändert". Als sie alle noch lebten, wurde auf meine naiv-kindlichen Fragen nach den Wurzeln der Familie stets mit eisigem Schweigen reagiert. Ich erfuhr nur, dass alle Papiere bei der Flucht 1945 verloren wurden und dass das Kirchenbuch verbrannt sei, weswegen auch keine Abschriften beschafft werden konnten.

Mittlerweile denke ich, dass die Namensänderung nicht das einzige Geheimnis der Familie ist - und das will ich herausfinden. Nur wie? Irgendwo muss beurkundet sein, wann und warum der Name geändert wurde, sonst hätte es die Fußnote 1985 nicht geben können.

Die eigentliche Intention meiner Frage in diesem Forum war, ob es 1938 oder kurz danach etwa ganz normal war, seinen polnisch klingenden Familiennamen in einen deutschen umzutauschen... Ich kann's einfach nicht glauben.
 
Hans-Peter schrieb:
Die eigentliche Intention meiner Frage in diesem Forum war, ob es 1938 oder kurz danach etwa ganz normal war, seinen polnisch klingenden Familiennamen in einen deutschen umzutauschen... Ich kann's einfach nicht glauben.


Hallo Hans-Peter,

"normal" ist vielleicht nicht das passende Wort, aber es war jedenfalls in den 30er Jahren nicht unnormal.

In einigen Beiträgen wurde ja darauf hingewiesen, dass man einen Namen aus verschiedenen Gründen ändern lassen kann und konnte.

Ich kenne nun den geheimnisvollen Namen Deiner Familie nicht; daher kann ich mir über die Gründe Deines Großvaters - und Gründe hat er zweifelsohne gehabt! - kein Urteil erlauben.

Hast Du denn schon mal in den Tiefen des WWW nachgeforscht, ob der ursprüngliche Name irgendwo (womöglich in negativer Form) vorkommt?

Grüße

Jacobum
 
Hans-Peter schrieb:
Die eigentliche Intention meiner Frage in diesem Forum war, ob es 1938 oder kurz danach etwa ganz normal war, seinen polnisch klingenden Familiennamen in einen deutschen umzutauschen... Ich kann's einfach nicht glauben.

Mein Großvater hat auch seinen masurischen Nachnamen ändern lassen. Er war Beamter und es gab schon einen gewissen Druck, daß er als "deutscher" Beamter auch einen "deutschen" Namen zu tragen habe. Er hat dann diesem Druck nachgegeben; dafür ist er in anderen Punkten sich selbst und seiner Meinung treu geblieben. Ihm selbst war sein Name relativ egal und so hat er gemeint, wenn er in der Hinsicht nachgibt, könne er in anderer Hinsicht vielleicht ein wenig Ruhe haben.

Das Schweigen muß gar keine großen Hintergründe haben, oder jedenfalls keinen schwerwiegenderen als eine gewisse Peinlichkeit, mit der der frühere Name von der (neuen und/oder alten) Umgebung aufgenommen wurde.
 
Jacobum schrieb:
Hast Du denn schon mal in den Tiefen des WWW nachgeforscht, ob der ursprüngliche Name irgendwo (womöglich in negativer Form) vorkommt?
Hallo Jacobum,

ja und nein. Wie ich schon schrieb, der Name kommt (zumindest in der Gegend) sehr häufig vor, deshalb macht es auch keinen Sinn, ihn hier zu nennen.

Wie konnte mein Vater eigentlich 1949 in Deutschland heiraten, wenn er keine Geburtsurkunde hatte? Gab es die Heiratsurkunde einfach nach der Erklärung "Ich heiße ähmm, kleinen Moment mal, ähmm xxx xxxx"?
 
Hans-Peter schrieb:
Wie konnte mein Vater eigentlich 1949 in Deutschland heiraten, wenn er keine Geburtsurkunde hatte? Gab es die Heiratsurkunde einfach nach der Erklärung "Ich heiße ähmm, kleinen Moment mal, ähmm xxx xxxx"?

Wenn damals alle Flüchtlinge, die ohne Geburtsurkunde oder auch ohne sämtliche Papiere hier im Westen ankamen, nicht hätten heiraten dürfen/können.... Also, dann gäbs mich auch nicht.
 
Hans-Peter schrieb:
Wenn das Gesetz 1938 in Danzig noch gar nicht galt, dann muss es eine andere Grundlage gegeben haben, ist ja egal, die Klausel "wichtiger Grund" stand da sicher auch drin.
...
Zufällig finde im Nachlass ein einziges Dokument meines Onkels, beurkundet 1985 in NRW, wo als Fußnote steht: "Der Name des Kindes und seiner Eltern wurde mit Wirkung vom März 1938 in xxx geändert".

Mit Wirkung heißt, es wurde innerhalb der damals gültigen Gesetzgebung geändert. Zur Aufklärung der Fußnote müsstest du das zuständige Standesamt in NRW kontaktieren.
Hans-Peter schrieb:
Mittlerweile denke ich, dass die Namensänderung nicht das einzige Geheimnis der Familie ist - und das will ich herausfinden. Nur wie? Irgendwo muss beurkundet sein, wann und warum der Name geändert wurde, sonst hätte es die Fußnote 1985 nicht geben können.

Familiengeheimnisse sind Geheimnisse, damit der Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Hans-Peter schrieb:
Die eigentliche Intention meiner Frage in diesem Forum war, ob es 1938 oder kurz danach etwa ganz normal war, seinen polnisch klingenden Familiennamen in einen deutschen umzutauschen... Ich kann's einfach nicht glauben.

Objektive und subjektive Einschätzungen divergieren mitunter.
 
Ingeborg schrieb:
Das Schweigen muß gar keine großen Hintergründe haben, oder jedenfalls keinen schwerwiegenderen als eine gewisse Peinlichkeit, mit der der frühere Name von der (neuen und/oder alten) Umgebung aufgenommen wurde.

Danke, Ingeborg. Deine Antwort beruhigt mich.

Mein Familienname (der neue), den ich jetzt in dritter Instanz trage, hat einen Vorteil: Obwohl er eindeutig deutsch klingt, ist er in Deutschland sehr sehr selten...
 
Zuletzt bearbeitet:
Mercy schrieb:
Mit Wirkung heißt, es wurde innerhalb der damals gültigen Gesetzgebung geändert. Zur Aufklärung der Fußnote müsstest du das zuständige Standesamt in NRW kontaktieren.

Logo. Hatte Brett vorm Kopf.
Natürlich, da muss ich anfangen.
Danke.
 
Hans-Peter schrieb:
Mein Familienname (der neue), den ich jetzt in dritter Instanz trage, hat einen Vorteil hat: Obwohl er eindeutig deutsch klingt, ist er in Deutschland sehr sehr selten...
Das trifft auch bei mir zu.....
Ich habe in der Familie mal gehört, daß zwischen 33 und 45 per Gesetzgebung die Änderung zu einem "arischen" Namen erleichtert wurde und das relativ unbürokratisch lief, allerdings blieben die Kosten. Und daß es Vorschrift war, daß 4 Buchstaben des alten Namens auch im neuen Namen vorkommen sollten. Bei mir kommt es hin. Bei dir auch?
 
Zurück
Oben