Wie die Welt auf den Hund kam...

Augusto

Aktives Mitglied
Auf das Thema bin ich nebenbei gestoßen, und wollte eigentlich die Ergebnisse zunächst anderswo (Besiedelten solutréische Robbenjäger ) als Argumente verwursten. Dann dachte ich mir aber, daß die Geschichte des ersten Haustiers des Menschens und Vielen "bester Freund" (ich habs allerdings mehr mit Katzen) doch einen eigenen Faden wert ist - sowohl kulturgeschichtlich, als auch für die Anzeige steinzeitlicher Migrationen und Austauschprozesse.
Einen ausführlichen, sehr lesenswerten Überblick zum neusten Forschungsstand bietet wikipedia/Origin_of_the_domestic_dog,
Ich bin dann in einige dort genannten Quellen noch ein bißchen weiter eingestiegen. Höchst spannend ist der erste nachfolgend verlinkte Artikel von Thalmann e.a., der aus einem Vergleich alter und aktueller Hunde- sowie Wolfs-DNA Zeiten und Orte der Domestizierung rekonstriert. Freedman e.a. (2. Link) beleuchten das Verhältnis von Wölfen und Hunden. Van Asch e.a. (3. Link) haben sich Amerika, einschließlich prä-kolumbischer Hundefunde, genauer angesehen, und v.a. wunderbare phylogenetische Bäume, mit denen man gut einzelne Kontaktwege nachvollziehen kann, erstellt. Oskarsson e.a. (4. Link) haben nachgezeichnet, wie der Dingo nach Neuguinea und Australien, und Hunde nach Polynesien gelangten. Zu Afrika gibt es was von Boyko e.a. (5.Link), das muß ich mir aber noch im Detail ansehen. Die jeweils verwendete Quele werde ich in der Folge nach diesen Nummerierungen bezeichnen.
(1) Science Magazine: Sign In
(2) PLOS Genetics: Genome Sequencing Highlights the Dynamic Early History of Dogs
(3) http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/royprsb/280/1766/20131142.full.pdf
(4)http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/royprsb/early/2011/09/06/rspb.2011.1395.full.pdf
(5) Complex population structure in African village dogs and its implications for inferring dog domestication history

Also, nun zu den "bekannten" Tatsachen:


  1. Hunde entstanden aus der Domestizierung von Wölfen, richtig? Falsch: Hunde hatten sich schon vor der Domestizierung genetisch von den Wölfen getrennt [2], und zwar, nach archäologischem Befund spätestens vor gut 35.000 Jahren. Die genetische Trennung mag jedoch indirekt auf den Mensch zurückzuführen sein - die späteren Hunde folgten den Menschen als "Resteverwerter", die Wölfe blieben menschenscheu und jagten selbst, in der Folge nahm der genetische Austausch zwischen beiden Gruppen ab.
  2. Die erste Domestizierung erfolgte vor rund 35.000 Jahren im Altai. Jein - der erste Domestizierungsversuch fand wohl schon etwas früher in Belgien (Goyet-Höhle) statt, schlug aber, ebenso wie der im Altai, scheinbar fehl bzw. wurde abgebrochen. Zumindest führen von beiden Versuchen keine genetischen Spuren zu heutigen Hunden [1].
  3. Hunde wurden an mehreren Orten unabhängig voneinander domestiziert. Auch falsch: Es gab nur eine Domestizierung - die genetischen Unterschiede erklären sich durch spätere, geplante oder ungeplante Einkreuzung regional differenzierter Wolfsarten [2].
Forts. folgt.
 
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Bevor mir der Laptop das nächste Mal abstürzt, hier schon mal ein Nachtrag zu den Quellen:
zu (1) Supp. Materials (beachte insbes. Fig. S9, Legende dazu Fig. S1): http://www.sciencemag.org/content/suppl/2013/11/13/342.6160.871.DC1/1243650-Thalmann-SM.pdf
(6) mtDNA Data Indicate a Single Origin for Dogs South of Yangtze River, Less Than 16,300 Years Ago, from Numerous Wolves
Supp. Materials (phylogenisches Netz in Fig. S1, im Grundgerüst gut, auch wenn viele neugefundene Haplotypen fehlen): http://mbe.oxfordjournals.org/content/suppl/2009/08/28/msp195.DC1/mbe-09-0236-File001_msp195.pdf
(7) Taymir-Wolf: http://www.cell.com/current-biology/abstract/S0960-9822(15)00432-7

Forts. folgt, so der Compi mitspielt..
 
Die Hundelandschaft im Überblick

Die frühesten archäologischen Belege für erfolgreiche Hundedomestizierung stammen aus einer Begräbnisstätte des Gravetien in Predmosti, Mähren (32.000-22.000 BP). Dort wurden drei hundeähnliche Schädel zusammen mit begrabenen Menschen gefunden. Der Lehmboden der Chauvet-Höhle in der Ardeche (vor 22.000 BP) hat neben Fußabdrücken eines Jungen auch Hundepfoten festgehalten. Schädel aus Eliseevich I (15.000 BP), ca. 400 km SW Moskaus, wurden genanalytisch als vom Hund stammend identifiziert - dieser Hund konnte sich aber nicht in heutige Hunderassen fortpflanzen [1].
Der erste Fund eines Vorfahren heute lebender Hunde ist 14.7000 Jahre alt und stammt aus Bonn-Oberkassel. Hier handelt es sich noch um eine Art Großtante - sehr viel engere Verwandschaft zu heutigen Hunden zeigt der Hundeschädel aus der Kartstein- bzw. Kakushöhle (12.500 BP, Ahrensburger Kultur). Dreimal dürft Ihr raten, wie die engste Nachfahrin heißt - Deutscher Schäferhund (mtDNA C1)! Na ja, plus drei Schwestern, Pitbull, "Chinese Dog 1", auch bekannt als "Gemeiner chinesischer Straßenköter", und "Native American Village Dog" [1,3]. Weiterhin gibt es, genetisch gesehen, noch eine Cousine, d.h. eine zweite frühe Abspaltung (mtDNA C3), der u.a. Russischer Schwarzer Terrier angehört. Das Alter der Clade wird auf 18.000-24.000 Jahre geschätzt [1]. Hund und Herrchen waren offensichtlich mobil - wann sie China und Amerika erreichten, ist unklar. Die frühesten ostasiatischen Hundefunde (Jiahu, China) sind etwa 8.000 Jahre alt.
Aus der vorgenannten Urlinie entstand später, vor ca. 9.200 Jahren, eine weitere Klade (mtDNA B), die in genetischer Nähe zu heutigen schwedischen und ukrainischen Wölfen steht. Prototypen dieser Linie sind Finnischer Spitz, Bernhardiner, Basset, Golden Retriever und Pudel (alle Haplotyp B1) [1,3]. Auch diese Klade bildete schnell Unterlinien, die sich golbal verbreiteten. Verzweigungen werden u.a. markiert durch Saluki, Afghane (beide B2) und Canaan Dog (B2/B6/B9). Einige Haplotypen beschränken sich auf Ostasien, z.B. B5 und B14, beide zu finden beim japanischen Akita. Insbesondere B1, aber auch andere Haplotypen der Klade sind unter chinesischen und südostasiatischen Dorfhunden weit verbreitet {3,4,6].
Die vorgenannten Kladen B und C entsprangen einer noch älteren, wohl schon vor etwa 35.000 Jahren entstandenen Urform. Diese Urform hat nicht überlebt, jedoch durch Kreuzung mit mitteleuropäischen Wölfen (Funde aus der Schweizer Kesslerlochhöhle, 14.500 BC) die älteste und größte Klade heutiger Hunde, mtDNA A gebildet. Der "Urmutter" dieser Klade am nächsten steht, interessanterweise, ein 8.500 Jahre alter Hundefund aus der Koster Site, Illinois, USA. Die "Urmutter" entstand etwa vor 18.000 Jahren, so daß bereits die ersten Siedler Amerikas Hunde mitgeführt haben könnten [1].
Mir ist es nicht gelungen, Details zum Koster-Site-Haplotyp in Erfahrung zu bringen. Ältere genetische Untersuchungen konnten, infolge von DNA-Generierung, den Typ lediglich auf A1-18 eingrenzen. Da ähnliche Hunde-mtDNA auch in Cerro Lutz, Argeninien (1.000 AD) gefunden wurde, liegt die Vermutung liegt nahe, daß es sich um den heute noch in Carolina Dog und Dogo Argentino verbreiteten Haplotyp A18 handelt. Alternativ kommen u.a. auch die eng miteinander verwandten Typen A16 (Carolina Dog) und A17 (Dogo Argentino) in Frage [3]. A16 wurde über Neufundländer und Landseer, A17 über den Labrador Retriever in die europäische Zucht zurückgeführt [3].
Weitere wichtige Unteräste der Klade A sind, in der vermuteten Reihenfolge [1] ihrer zeitlichen Abspaltung:

  • A29: Aus diesem frühen asiatischen Ast stammen u.a. der nordkoreanische Pungsan, australische und neu-guineeische Dingos, Siberian Husky, Alaskan Husky und Alaskan Malamute [1,3]. Der Haplotyp ist in Südostasien weit verbreitet (u.a. 12% der Straßenhunde in Südchina und Kalimantan),noch mehr sein Unterzweig "Arc2" (A75/A120, 61% aller balinesischen Straßenhunde). Beide fehlen jedoch auf Taiwan und den Phillipinen. Dies erlaubt den Schluß, daß es vor der austronesischen Expansion aus Taiwan bereits spät-paläolithische oder früh-neolithische Kontakte von Südchina und Indonesien/ Melanesien gegeben hat, von wo dann letztendlich der Dingo nach Neuguinea und Australien, und Arc2 nach Polynesien/ Neuseeland (13 voreuopäische Funde) gelangte. Das Eintreffen der Dingos in Nueguinea/ Australien wird auf frühestens 18.000 BP, vermutlich um 10.000 BP datiert [4], und mag mit der ebenfalls vor etwa 10.000 Jahren erfolgten Neolithisierung im Hochland Neuguineas in Verbindung stehen. Interessanterweise schaffte es A29 nicht, über Alaska hinaus nach Amerika vorzudringen[3].
  • A1/A2: A2 wird in Europa u.a. durch Berner Sennenhund, Irish Red and White Setter und eine zweiten Varietät (neben B1) des Bernhardiners repräsentiert [1]. International gehören hierzu v.a. eine spezielle Hunderasse auf Iki (Insel) (enthält auch A18), der mexikanische Xoloitzcuintle, sowie ein kleinerer Teil (ca.7%) des Genmaterials des genetisch sehr vielfältigen sibirischen Laika [3]. Der eng (nur ene Mutation) verwandte Haplotyp A01 findet sich v.a. im Border Collie, sowie im Chow-Chow (50%, europ. Einkreuzung?). A1/ A2 fehlen in Afrika und unter chinesischen Dorfhunden. Einzelfunde von A1 gibt es Neuguinea, von A2 aus Anatolien, Indien und Thailand[3,4,6].
  • A5/A9: Beide, nah verwandte Haplotypen finden sich im kongolesischen Basenji [3,6]. Da der Basenji außerhalb der von Wölfen bewohnten geographischen Zone lebt, und so keinen späteren Geneintrag von solchen erfahren hat, gilt er als einer der "urtümlichsten" der heutigen Hunde. Seine Einführung wird auf die Neolithisierung Afrikas zurückgeführt. Er weist Beimischung israelischer Wolfs-DNA auf [2].
    A5 findet sich auch im Tibet-Terrier, sowie, zusammen mit der aus A5 hervorgegangenen A10, im nordafrikanischen Sloughi. A9 kommt als Beimischung im Saluki und vereinzelt in chinesischen und thailändischen Straßenhunden vor. Beide Haplogruppen nehmen zentrale Rollen im phylogenischen Netzwerk ein: A5 ist verbunden mit einer potentiellen "Urmutter", A17 (Dogo Argentino). A9 steht u.a. in Verbindung mit A29 (Dingo), den weiteren potentiellen "Urmüttern" A16 und A18 (über A15, u.a. Beimischung im Korea Jindo Dog), A7 (Thai Ridgeback) sowie A2 (s.o.) und A3 (s.u.) [3,6].
  • A3/ A11/ A22: Diese drei zentralen Haplotypen sind im Dreieck miteinander verbunden (der Weg von A11 zu A22 führt über den in einem indischen Dorfhund festgestellten A77), und finden sich gemeinsam in iranischen Schäferhunden (Persian Mastiff ?) [6].
    A3 und daraus hervorgegangene Haplotypen sind v.a. in chinesischen und festland-südostasiatischen Dorfhunden sowie Chow-chow und Shar-Pei vertreten. Der aus A3 entsprungene Typ A24 zeigt sich gemeinsam mit A11 und A22 in Pyrenäenhunden (Chien de Montagne des Pyrénées, Mastín del Pirineo) und Irischem Wolfshund.
    A11 und A22 sind weit über die Alte Welt verbreitet, u.a. in Västgötaspets, Rottweiler, Akbash (Anatolien), Azawakh (Mali), Kaukasischer Owtscharka, Rhodesian Ridgeback, Shikoku/ Mikawa (alle A11), Greyhound, Cirneco dell’Etna, Nguni (südl. Afrika), Korea Jindo Dog, (alle A11/A22), Deerhound (A22), sowie in vielen Dorfhunden quer durch Afrika und Asien, plus einer getesten deutschen Promenadenmischung. In Amerika fehlt A3 ganz, A22 ist rar. Lediglich A11 ist häufig (viele südamerik. Dorfhunde, 30% Anteil beim Chihuahua) [3,4,6].
  • A31: Prägend für, und beschränkt auf Inuit-Schlittenhunde einschließlich Grönlandhund und Kanadischer Eskimohund. Der Haplotyp entstand aus A3 (s.o.) durch Einkreuzung von Genmaterial des vor ca. 30.000 Jahren ausgestorbenen Taymir-Wolfs, wohl vermittelt über sibirische Grauwölfe [3,7]. Der Barsoi (A23) mag ebenfalls Taymir-Wolf-Gene in sich tragen [6].
Die kleinste gesicherte, aber ebenfalls mindestens 18.000 Jahre alte mtDNA-Haplogruppe D ist mit noch lebenden (Polen, Italien) und fossilen europäischen Wölfen verwandt, daneben "über drei Ecken" mit dem altaischen Domestizierungsversuch. Vielleicht schlug dieser also doch nicht völlig fehl, wobei die Verwandschaft aber auch über die beteiligten Wölfe zustandegekommen sein mag [1]. Vertreter sind Finnischer Lapphund, Norwegischer Elchhund (beide D1), Lappländischer Rentierhund (D1/ D3/ D4), Jämthund (D1/D3/D8), Cão da Serra da Estrela und Galgo Español (beide D6 gemischt mit anderen Haplogruppen). Daneben findet sich Einstreuung im Westsibirischen Laika (D1), dem anatolischen Kangal (D5) und dem malinesischen Azawakh (D7), womit der Verbreitungsraum abschließend beschrieben ist [3,4,6]. Aufgrund der Verwandschaft mit italienischen Wölfen, und der Verbreitung bis Mali (mit eigenständigem Haplotyp) würde ich auf eine iberische Domestizierung, die zum Eiszeitende hin an der Re-Kolonialisierung Skandinaviens teilnahm, tippen.
Ob die putativen Haplogruppen E (Japan, Korea, Südostasien) und F (Japan, Sibirien) wirklich eigenständig sind, ist noch nicht abschließend geklärt.[1,3,4,6]
 
Als Hundefreund bin ich auf Deinen Beitrag aufmerksam geworden. Allerdings frage ich mich worauf Du hinauswillst. Mein Kenntnisstand:

Hunde sind mit Wölfen genetisch näher verwandt als mit allen anderen Caniden (Schakale, Kojoten usw.) Demnach deutet alles darauf hin daß Hunde von Wölfen abstammen.

Seit wann Hunde mit Menschen zusammenleben lässt sich nicht eingrenzen, weil Hunde und Menschen selten zusammen beerdigt wurden. Selbst heute, wo der Hund geradezu sprichwörtlich der beste Freund des Menschen ist landet kaum jemals ein toter Hund in einem Menschensarg. Für die genetischen Rückberechnungen des Alters von Hunden oder Hunderassen gibt es also keine handfesten Beweise. Das sind nur Annahmen die sich auf die rechnerisch ermittelte Laufgeschwindigkeit der "biologischen Uhr" stützen.

Wann Hunde und Wölfe sich so unähnlich waren daß von verschiedenen Rassen oder gar Arten ausgegangen werden kann, ist außerdem deshalb nicht zu sagen weil Wölfe und Hunde (jedenfalls manche) sich noch heute sehr ähnlich sind. Daß es nicht eben viele prähistorische Wolfs- oder Hundefossilien gibt macht die Unterscheidung auch nicht leichter. Deshalb kann niemand sagen ob der Mensch Wölfe domestiziert hat oder ob es sich um "Wolfsähnliche" Nachkommen eines gemeinsamen Vorfahren gehandelt hat.

Der Versuch, aus DNA-Vergleichen die geografische oder zeitliche Herkunft von Hunden zu erschließen bleibt zweifelhaft weil Menschen mit ihren Hunden gewandert sind und niemand ausschließen kann daß sich Exemplare einer Hunderasse, die vor Beginn der Wanderung z.B. im nahen Osten domestiziert worden ist, im Laufe der Wanderung in Sibierien mit dortigen Wölfen gepaart haben. Selbst heutige Haushunde können sich noch mit Wölfen kreuzen.

Ich ziehe daraus den Schluss: Hunde stammen von Wölfen ab und Hunde und Menschen haben irgendwann eine Partnerschaft gebildet weil beide soziale Wesen sind und gut miteinander auskommen können. Wann das war? Manche Wissenschaftler sprechen von 100 000 Jahren. Wo das war? Vermutlich überall wo Menschen und Wölfe zusammen gelebt haben.

Mache ich irgendwo einen Denkfehler?
 
Als Hundefreund bin ich auf Deinen Beitrag aufmerksam geworden. Allerdings frage ich mich worauf Du hinauswillst.
Schön, daß jemand mitliest!
Worauf ich herauswill? Mein Ausgangspunkt war, daß Hunde uns einiges über die frühe Besiedelung der Welt erzählen können, aus Zeiten, wo wir sonst außer ein paar behauenen Steinen nur wenig Funde haben.
Konkret ging mein Augenmerk zunächst auf Amerika, aber je mehr ich dort lese, desto komplizierter wird es. Neben den "Urhunden" tauchen u.a. Phänomene wie Nackthunde auf, in schöner Kette vom mexikanischen Xoloizcuintli zum "Chinese Crested" und zum Ägyptischen Nackthund, alles wohl so entstanden vor 3-4.000 Jahren, und zumindest bei Xoloitzcuintli und "Chinese Crested" (Ägyptischer Nackthund ungestestet) mit identischer, sehr seltener Genmutation. Vielleicht damit zusammenhängend das Phänomen der Windhunde, heilig den Persern und Ägyptern, und bis ins ausgehende Mittelalter dem europäischen Adel vorbehalten. Der Tibetanische Terrier trägt yDNA amerikanischer Wölfe in sich. Der peruanische "Perro sin pelo", ein weiterer Nackthund, wird dagegen vorwiegend von mtDNA C16 geprägt, entstanden nach Erstbesiedlung Amerikas, und rückführbar auf die 12.500 Jahre alten Funde aus der Kartsteinhöhle. Plus die Funde von Haplogruppe B1 in präkolumbischen Hunden aus Mexiko (1.400 BP) und Peru (>1.000 BP) - B1, wie oben gesagt, entstand erst vor gut 9.000 Jahren in Nordost-Europa.
Ich krieg das Puzzle nicht zusammen, und der Thread ist vielleicht auch eine Art "Hilferruf" an andere Mitglieder, v.a. solche, die von Hunden mehr Ahnung als ich haben, beim Sortieren der Stücke zu helfen.Wenn Bereitschaft zur Mitwirkung besteht, könnte ich hier ein paar genanalytische "Brocken" hinschmeißen, und andere dort mit Recherchierung von Zuchtgeschichte o.ä. weitermachen. Darüber hinaus ist, auch ohne die "amerikanische Frage", das Thema Hund kulturhistorisch allemal spannend genug, (mindestens) einen eigenen Thread zu verdienen. "Hunde und frühe Viehzüchter", "Karawanenhunde an der Seidenstraße", "Hunde bei den Kelten" sind drei von vielen weiteren Stichpunkten, auf die ich gestoßen bin, und die Vertiefung nicht nur bei Hundefreunden lohnen, weil sie uns einiges über Ausbreitung und Kontakte von historischen Kulturen erzählen können.
Mein Kenntnisstand:

Hunde sind mit Wölfen genetisch näher verwandt als mit allen anderen Caniden (Schakale, Kojoten usw.) Demnach deutet alles darauf hin daß Hunde von Wölfen abstammen.
Yup. Jedoch ist das ein bißchen komplizierter. Schon vor der Domestizierung hatten sich Hunde und Wölfe genetisch getrennt. Die Menschen domestizierten also den Hund, nicht den Wolf. Der Schakal hat sich wohl vor 300.000 Jahren vom Wolf getrennt und blieb seitdem außen vor.
Da sich Hunde und Wölfe genetisch sehr nahe stehen, kam es immer wieder zu Einkreuzungen in beide Richtungen, was genanalytisch belegt ist. Weder "Urhund" noch "Urwolf" (eurasisch) leben heute noch, und in beiden Fällen gelten Einkreuzungen als wahrscheinlichste Ursache. Ich halte hier männliche Einkreuzung für häufiger und wahrscheinlicher, dementsprechend ist yDNA für die Spurensuche wohl weniger aussagekräftig als (weibliche) mtDNA. Auch eine Wölfin mag sich ab und zu einem domestizierten Hunderudel, und eine Hündin einem Wolfsrudel angeschlossen haben, oder Menschen zogen eine verlassene Wolfswelpe auf, aber grundsätzlich dürfte mtDNA mehr vom "Urhund" bewahrt haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Seit wann Hunde mit Menschen zusammenleben lässt sich nicht eingrenzen, weil Hunde und Menschen selten zusammen beerdigt wurden.
Denkfehler (oder wohl eher Wissenslücke) 1.
https://de.wikipedia.org/wiki/Tierbestattung_(Archäologie)
Als weitere frühe Beispiele gelten die Gräber von Männern und Hunden aus „Ain Mallaha“ (Eynan) im Natufien in Israel (12000–11000 v. Chr.).(..) Aus Eridu liegt ein obedzeitliches (5500–3500 v. Chr.) Grab eines Jugendlichen vor, dem ein Hund beigegeben war. Auch aus Tepe Gawra und Chafadji sind Hundegräber im Zusammenhang mit menschlichen Bestattungen bekannt. Betroffen sind aber auch die meisten stein- und metallzeitlichen Kulturen Mitteleuropas beginnend mit der Bandkeramik und endend bei den Germanen.
Zu den Germanen beispielhaft
http://www.gapa-kn.de/GAPA_Band1_PDFs/26.pdf
Diverse frühmittelalterliche Hundegräber gibt es im Ostseeraum. Sie werden gerne zur Interferenz der Bevölkerungsrelationen (Hundegrab= Wikinger/ Sachsen; anderes Grab = slawisch/ byzantinisch) genutzt.
Aus anderen geographischen Regionen hier Japan:
Phylogenetic studies of dogs with emphasis on Japanese and Asian breeds
The oldest dog skeletal remains discovered in Japan date from 9,500 before present (B.P.). The Jomon people, who lived by hunting and gathering, eventually settled in regions all over Japan, but mainly on Honshu, with dogs as their companions. The Jomon civilization lasted nearly ten thousand years, from 12,000 to 2,300 before present (B.P.) and through this period dogs seem to have been the sole domesticated animals. When their dogs died, their owners buried them.16)(..)
The care and devotion accorded to the burial of dogs in Jomon is no longer evident in sites dating from the Yayoi period (2300–1700 B.P.). Most dog skeletons are partial and the bone are scattered; the remains show cuts and seem to have had the flesh torn off. This suggests that in the Yayoi period dogs were eaten as food, and this habit would have been unthinkable among the Jomon.
[Die Jomon-Kultur ist übrigens als frühe keramische Jäger-Sammler-Kultur bemerkenswert. Alle Jomon-Hunde gehören zur mtDNA-Haplogruppa A. Der "Dingo-Typ" A29, und aus ihm entstandene Untertypen wie A73, finden sich häufig in traditionellen japanischen Hunderassen. Daneben sind auch A18 und die daraus entstandene A68 kennzeichnend.]

Baikalregion - Hühepunkt von Hundesbestattungen vor 7-8.000 Jahren, durch Jäger-Sammer-Kulturen:
PLOS ONE: Burying Dogs in Ancient Cis-Baikal, Siberia: Temporal Trends and Relationships with Human Diet and Subsistence Practices
Nicht zu vergessen Ägypten, wo diverse Traditionen, einschließlich Hundeopfer für Anubis, festzustellen sind:
Tiermumienkult: Tausende toter Hunde zu Ehren von Anubis - Spektrum der Wissenschaft

Da gibt es noch Berge alter Hunde-DNA auszuwerten, die uns sicherlich sehr viel mehr über Wanderungen von Hund und Herrchen erzählen können, als wir bis jetzt wissen. Aber einiges ist schon ausgewertet, und erlaubt halbwegs exakte Datierung.

[Ich lasse diesen Post separat. Hundebestattungen sind ein Thema, das prinzipiell einen eigenständigen Faden lohnt. Falls hier weitere Beiträge kommen, mag die Moderation Ausgliederung für sinnvoll halten - dem will ich nicht engegenstehen].
 
Hunde in Amerika

Ich stelle hier mal den derzeitigen Befund für Amerika dar, ohne Erklärungsversuch:


  1. Erster Hundefund ca. 8.500 Jahre alt, genetisch verwandt zu einem Hundefund aus der Schweiz (14.500 BC), zugehörig zur etwa vor 18.000 Jahren entstandenen mtDNA Haplogruppe A [1].
    Die Unterguppe des USA-Funds konnte nur teilweise eingegrenzt werden. Es kommen v.a. die folgenden, heute in amerikanischen Hunden verbreiteten bzw. präkolumbisch bezeugten Untergruppen in Frage: A2 (dominierend in Xoloitzcuintli), A11 (Chihuahua, div. südamerik. Dorfhunde, abgespaltene Untergruppe aus Tula, Hidalgo, Mexiko, 1400 BP belegt), A16 (Xoloitzcuintli, Carolina Dog), A17 (Dogo Argentino, Xoloitzcuintli, südamerik. Dorfhunde) und A18 (aus Chiribaja Baja, Peru, 1.000 BP belegt, Carolina Dog, Dogo Argentino, div. südamerik. Dorfhunde) [3,8]. Alle vorgenannten Untergruppen sind weltweit verbreitet und stehen an zentralen Positionen des phylographischen Netzes, so daß sie zu den "Urgruppen" gehören dürften.
  2. Zwei der vorgenannten "Urgruppen" sind präkolumbisch belegt und haben eigenständige, spezifisch amerikanische Unterlinien hervorgebracht, so daß von langer Präsenz in Amerika ausgegangen werden kann. Aus A11 sind u.a. A189 (Einzelfund Brasilien) und A190 (Einzelfund Kolumbien) hevorgegangen. Aus A18 entsprangen A63 (Beimischung im Kanad. Eskimohund) und A124 (Beimischung in Grönlandhund und "Inuit Sled Dog"), daneben auch die in Ostasien fehlenden A27 und A28. A28 ist nur in Kolumbien und in britischen Hunden (Beagle, Cav. K. Charles Spaniel) belegt. A27 kommt viel im Dogo Argentino, daneben u.a. auch im Podengo Português, in Gambia, Indien, Thailand und auf den Phillipinen vor [3,4,6]. Ob nun europäischen oder südamerikanischen Ursprungs - in jedem Fall scheinen Portugiesen/ Spanier an der interkontinentalen Verbreitung von A27 mitgewirkt zu haben.
  3. Eine weitere "Tochter" von A11 ist A185. Sie ist derzeit nur im Chihuahua belegt, und wurde in einem 1.300 Jahre alten Hundefund aus Teotihuacan, Mexiko nachgewiesen. A185 ist der länger gesuchte "missing link" zu zwei "Exoten", A64 und A65. Zu A64 gibt es lediglich Einzelfunde aus Japan und Korea. A65 prägt den tibetanischen Shih Tzu, und kommt daneben im Podengo Português, auf Taiwan und in Thailand vor.
    Daneben gibt es einen weiteren, 800 Jahre alten Fund aus Mexiko, der in enger genetischer Beziehung zu einem anderen, leider nicht näher beschriebenen, ausschließlich asiatischen Sprößling von A11 steht [3,4,6,8].
  4. Studie {3] enthält zwei phylogenische Netze. Das erste (Fig. 1) lehnt sich an das in Studie [6] erstellte Netz an, das zweite (Fig. 2) stellt eine "Ausschnittsvergrößerung" für Amerika, einschließlich Berücksichtigung neuidentifizierter Haplotypen und "ancient DNA" dar. Nach dem zweiten Netz gibt es keine direkte asiatische Verbindung zwischen den "Urgruppen" A11 und A18; sie müßten sich somit gemeinsam in Europa gebildet und von dort aus weltweit verbreitet haben. Dies impliziert längeres Verweilen in Europa, und ein sehr enges Zeitfenster für die Teilnahme an der Erstbesiedlung Amerikas.
  5. Haplogruppe A29 plus Untergruppen ist zwar asiatisch-pazifisch weit verbreitet (Dingos), wurde aber bislang im nichtarktischen Amerika nicht aufgefunden (Ausnahme: Ein Straßenhund ungeklärter Herkunft auf Puerto Rico). A29 ist jedoch prägend für den Alaskan Malamute (78%). Die aus A29 hervorgegangenen, jüngeren Untergruppen A38 und A39, sonst nur aus China und Japan belegt, wurden in Carolina Dog und argentinischen Dorfhunden aufgefunden[3].
    Haplotyp A161, eine andere jüngere Abspaltung von A29, wurde gleich in acht, 800-1.400 Jahre alten Hundegräbern aus Mexiko, Bolivien und Peru nachgewiesen. Heute ist dieser sehr seltene Haplotyp nur als Beimischung (6%) beim Korea Jindo Dog belegt [3,4,6,8].
  6. Auch die sonst weit, einschl. Sibirien und sogar Afrika, verbreitete "Urgruppe" A3 fehlt in Amerika. Die ihr entsprungene A31 dominiert in "Inuit Sled Dog" (78%), Kanad. Eskimohund (67%) und Grönlandhund (55%), wurde sonst aber bislang nirgendwo gefunden [3,4,6]. Ein weiteres Anzeichen für eine genetische Barriere zwischen Sibirien/ arktischem Amerika und dem Rest des Kontinents, und für sehr eigenständige genetische Entwicklung im arktischen Amerika.
  7. Noch kaum geklärt ist die Herkunft des nur im Carolina Dog aufgefundenen Haplotyps A184. A184 steht über bislang unbekannte Zwischentypen in Verbindung mit dem Cluster "a5" bzw. "Arc1", der sich von Südchina aus nach Südostasien, Melanesien und Polynesien ausbreitete [3,4,6].
  8. Aus Tula (Hidalgo), Mexiko liegt ein 1.400 Jahre alter Fund von Haplotyp B1 vor. B1 kommt als Beimischung in Chihuahua (30%), Xoloitzcuintli (26%) und Perro sin pelo del Peru (14%) vor, und wurde vielfach in südamerikanischen Dorfhunden, vereinzelt im Carolina Dog, jedoch nicht in amerikanisch-arktischen Hunden aufgefunden [3,8]. B1 ist der häufigste amerikanische Haplotyp (13%). Weltweit liegt er mit 11% nach A11 (12%) auf Platz 2, und ist auf allen Kontinenten ausser Ozeanien breit vertreten [3,4,6]. Der Typ mag insofern fast von überall her ins nichtarktische Amerika gelangt sein. Haplogruppe B ist jedoch zu jung (9.200 Jahre) für Teilnahme bereits an der Urbesiedlung Amerikas. Der geographische Ursprung liegt ziemlich sicher in Nordosteuropa (enge Verwandschaft zu schwedischen und ukrainischen Wölfen) [1].
  9. Neben B1 finden sich mehrere weitere, teils seltene Varianten von Haplogruppe B in Mittel- und Südamerika. Fallweise gibt es mehr oder weniger exklusive Verbindung nach Europa (B7: Dansk/svensk gårdshund; B8: Retriever Flatcoated, dazu mehrere Funde auf den Phillipinen; B36: Cão da Serra de Aires) oder Ostasien (B5: Akita, Pungsan). Andere in Südamerika vorkommende Haplotypen sind eurasisch verbreitet (B2: Afghane, Canaan Dog, Saluki, Pungsan; B6: Dackel, Canaan Dog, Yakushima Dog, Chukotka Sled Dog u.a.). Bemerkenswert ist der bislang nur in einem brasilianischen Dorfhund beobachtete Haplotyp B45, der aus B6 entsprungen ist und auf bereits längere Präsenz dieser eurasischen "Mutter" in Südamerika hindeutet
    Weiterhin ist die Abstammungslinie von B1 über B11 (nur im Chinese Crested) zu B18 (nur im Havaneser) interessant [3,4,6]. Wie weit B18 originär amerikanisch ist, harrt noch der Klärung.
  10. Bemerkenswert ist weiterhin das auf das nichtarktische Amerika beschränkte, dort jedoch massive Auftreten von Haplogruppe C. Auch diese, im Fund aus der Kartsteinhöhle in der Eifel (12.500 BP) verankerte Haplogruppe mit Deutschem Schäferhund als Prototyp ist zu jung, um an der Urbesiedlung Amerikas teilgenommen zu haben. Zwar ist Haplogruppe C nicht durch präkolumbische Funde belegt, mit 26% aller südamerikanischen Funde (weltweiter Schnitt 10%, Südeuropa 9,5%) aber regional zu dominierend, um allein über postkolumbische Admixtur erklärbar zu sein. Ausnahmen (einmaliges Auftauchen von C8, sonst europäisch beim Schapendoes verankert, im Perro sin pelo del Peru) bestätigen die Regel.
    Hier fällt zunächst eine Zwei- bzw. Dreiteilung ins Auge: In Mexiko dominieren C1 und C2 (Nordamerika ausschließlich C1, gefunden nur im "Indian Village Dog"*), in Südamerika ist dagegen C3 stark vertreten. C1-3 sind alle pan-eurasisch. Irritierenderweise dominiert C3 insbesondere im Fox Paulistinha (Brazilian Terrier, 81% C3), wurde jedoch in keinem der präsumtiven Vorfahren der Zucht (Jack Russel Terrier, Pinscher, Chihuahua) aufgefunden. Die Spur zeigt eher in Richtung Cão Fila de São Miguel (Azoren, 47% C3), daneben ist C3 u.a. auch stark unter Dorfhunden in Indien (11%) und auf Kalimantan (16%) verbreitet [3,4,6].
  11. Typisch amerikanisch ist der aus C2 entsprungene Haplotyp C16. Er dominiert insbesondere den Perro sin pelo del Peru (62%), und taucht daneben als Beimischung im Chihuahua (7%) und im Xoloitzcuintli (variierend, je nach Studie, zwischen 0% und 29%) auf. Zwei weitere Funde gibt es aus sibirischen Dorfhunden [3]. Die Verteilung legt Entstehung in Südamerika und Ausbreitung von dort nach Sibirien nahe, der umgekehrte Weg kann aber nicht völlig ausgeschlossen werden.
  12. Die Nackthunde Xoloitzcuintle, Peruanischer Nackthund und Chinesischer Schopfhund teilen eine sehr seltene Genmutation, die für ihre Haar- und Zahnlosigkeit verantwortlich ist (nachfolgender Link). Mexikanischer und Peruanischer Nackthund haben einige Haplotypen (A2, A17, B1, C16) gemeinsam. Engere genentische Beziehung zum Chinesischen Schöpfhund hat nur der Peruanische Nackthund: Beide teilen A18, die seltenen, lediglich beim Chinesischen Schöpfhund beobachteten Haplotypen A166 und B11 sind aus den im Peruanischen Nackthund zu findenden Typen A11 und B1 hervorgegangen [3,6]. Erwähnt sei hier auch, daß allen drei Nackthunden yDNA 1a (wohl europäischen Ursprungs, mehr dazu in einem separaten Post) gemeinsam ist. Das Bild deutet auf frühen Import des Chinesischen Schöpfhunds aus Peru. Zieht man zusätzlich Abessinischen, Ägyptischen und Türkischen Nackthund (alle ungetestet) in Betracht, ist prinzipiell aber auch nahöstliche Entwicklung, mit "Export" sowohl nach Mittel-/ Südamerika als auch nach China denkbar. Züchtung und Export hätten in diesem Fall vor den ersten Statuen/ Abbildungen mexikanischer Nackthunde, d.h. vor ca. 1.800 v. Chr. also spätestens während des Mittleren Reichs, erfolgen müssen.
    Science Magazine: Sign In
Zusammengefaßt:

  1. Hundehaltung schon bei Erstsiedlern möglich, aber nicht sicher; Weg ungeklärt;
  2. Frühe genetische Barriere zwischen arktischem und Rest-Amerika. Arktisches Amerika mit weitgehend eigenständiger genetischer Entwicklung bei gelegentlichem Austausch mit Sibirien;
  3. Späterer "Zuzug" originär europäischer Hunde v.a. nach Mittel-/ Südamerika. Weg und Zeitpunkt(e) offen, aber sicher prä-kolumbisch / vor Wikingern, und wohl nicht über Sibirien (s.o.).
  4. Intensiver transpazifischer Gentransfer, u.a. zwischen Chihuahua und tibet. Shih Tzu, Peruanischem Nackthund und Chin. Schopfhund, Korean Jindo Dog und Mittel-/ Südamerika, sowie aus Südchina/Indo-/Melanesien nach Nordamerika (A184). Zeitpunkte unklar, sicher präkolumbisch und meist prä-polynesisch, aufgrund der relativ jungen beteiligten Haplotypen aber wohl nicht vor Spätneolithikum/ Bronzezeit.
  5. Anzeichen für frühneuzeitliche interkontinentale Hundeverbreitung durch Portugiesen/ Spanier, hierbei evtl. "Auflesen" südamerikanischer indigener Hunde.

Zusätzliche Quelle (amerik. präkolumbische DNA):
(8) Science Magazine: Sign In

* Beim "Indian Village Dog" ist moderne Einkreuzung von C1 aus Huskies, oder auch vom Deutschen Schäferhund, nicht ausgeschlossen.
Common and Village Indian Dogs
Native American Village Dog Breed Information and Pictures
 
Zuletzt bearbeitet:
Dies erlaubt den Schluß, daß es vor der austronesischen Expansion aus Taiwan bereits spät-paläolithische oder früh-neolithische Kontakte von Südchina und Indonesien/ Melanesien gegeben hat, von wo dann letztendlich der Dingo nach Neuguinea und Australien, und Arc2 nach Polynesien/ Neuseeland (13 voreuopäische Funde) gelangte. Das Eintreffen der Dingos in Nueguinea/ Australien wird auf frühestens 18.000 BP, vermutlich um 10.000 BP datiert [4], und mag mit der ebenfalls vor etwa 10.000 Jahren erfolgten Neolithisierung im Hochland Neuguineas in Verbindung stehen.

Vermutlich nicht der Dingo, sondern - ebenso - vermutlich sein Vorläufer:

Aus dem ältesten archäologischen Nachweis von Dingos (3500 BP), und der Abwesenheit in Tasmanien (isoliert von Australien 12000 BP, Flutung der Bass-Straße) wurde die Spannbreite eingegrenzt:

"The earliest archaeological evidence for dingoes in Australia comes from Nullarbor plains in the southern part of the continent and has been dated to 3500 years BP. It is noteworthy that at approximately the same time, 3500 years BP, pigs appear in the archaeological record of eastern Indonesia."
Oskarsson et. al., 2011.
"In a sparse archaeological record, the earliest substantiated evidence of dingoes is from_3,500 yr ago. Finds are absent in Tasmania, which was separated from Australia by the rise of the sea level 12,000 yr ago. Archaeological data therefore
indicates the arrival of dingoes to Australia some time between 3,500 and 12,000 yr ago."
Savolainen et. al., 2004.


Die älteren genstatistischen Schätzungen bewegen sich innerhalb dieses archäologischen Rahmenas, mit weiterer Eingrenzung:

"Since A29 is also found among East Asian dogs, an origin from domestic dogs seems clear for these two wild populations. Based on the mtDNA diversity, the time of arrival of dingoes to Australia was estimated to approximately 5000 years BP, and possibly up to 10 000 years BP, indicating an earlier date than the 3500 BP suggested by the archaeological evidence."
Oskarsson, 2011.


Und werden von Oskarsson genstatistisch modifiziert wie folgt dargestellt (nun außerhalb der früheren "Grenze" von 12000 BP!):

"...the introduction of dingoes to Australia has previously been dated to approximately 5000 years BP, and possibly up to 10 000 years BP, years BP, from the mean genetic distance among dingo sequences (r) to A29. Based on the present sample of dingoes, with r ¼ 0.116 (s.e. ¼ 0.0005), excluding 25 samples from Pilbarra in Western Australia probably affected by genetic drift and using a conservative recalculation of the mutation rate [9], we estimate the time of arrival of dingoes to 4640–18 100 years BP (4600–18 300, 95% confidence limits). These calculations are dependent on A29 being the only founder;..."
Oskarsson, 2011.


Ergo:

Die genstatistischen Schätzungen würden eine Datierung bis 18.300 BP innerhalb der Konfidenzintervalle theoretisch erlauben.

Ob Datierungen vor 12000 BP möglich sind, ist unklar, und müssten irgendwann zu (bislang fehlenden) archäologischen Nachweisen in Tasmanien führen, oder - beim fortgesetzten Fehlen archäologischer Nachweise - genstatistisch die Eingrenzung auf 12000 - 18300 BP und die Ausgrenzung des Zeitraumes 4600-12000 BP voraussetzen. Das ist derzeit nicht der Fall.

Das offene Ergebnis:
"The mtDNA data suggest that dingoes arrived earlier than indicated by the archaeological record, before the arrival of the Neolithic to the surrounding regions. Whether the dingo was actually a Neolithic item that spread to an Australian continent otherwise unaffected by the Neolithic, or was introduced as a pre-Neolithic domesticate, remains to be elucidated."
Oskarsson, 2011.


Alles unter den gegebenen confidence limits ist derzeit denkbar, wobei die Datierungen konform mit Annahmen zur menschlichen Besiedlung gehen:

"These results suggest that Australian dingoes and Polynesian dogs originate from dogs introduced to Indonesia via Mainland Southeast Asia before the Neolithic, and not from Taiwan together with the Austronesian expansion"
 
Vermutlich nicht der Dingo, sondern - ebenso - vermutlich sein Vorläufer:
Genetisch hat sich, mangels Wölfen o.ä. in Australien, nach der von Freedman e.a. [2] festgestellten Einkreuzung chinesischer (männlicher?) Wölfe in A29(>Dingos), nicht mehr allzuviel getan. Optisch auch nicht, wie die angehängten Bilder von Dingos und balinesischen Hunden zeigen [Kleines Ratespiel - Welches Bild zeigt was].

Mein Datierungsverweis bezog sich primär auf Neuguinea bzw. die östl. kleinen Sundainseln, die Zwischenstationen auf dem Weg von A29 nach Australien darstellten. Die in der Studie vorgelegte Kalkulation betrifft diese Orte, wo A29 ebenfalls Untergruppen gebildet hat, ja genauso.
Wie Australien letztendlich auf dem Hund kam, ist offen. Da die Aborigines Hunde bzw. Dingos nicht domestizierten, ist hier u.a. an einen "Betriebsunfall" zu denken (Anlandungen an der australischen Nordküste, während derer mitgeführte Hunde entliefen), weiterhin wird ein "Schenkungszenario" von ostindonesischen neolithischen Händlern erwogen. Alternativ gelangte A29 schon vor der Überflutung der Neuguinea und Australien trennenden Torres-Straße, also früher als vor 8.000 Jahren, ins meso- bzw. neolithische Neuguinea, und einzelne verwilderte Hunde fanden sich nach Überflutung dann auf der "falschen", d.h. australischen Seite wieder. Alle Szenarien implizieren eine zunächst sehr kleine Urbevölkerung, die erst mit der Zeit über den Kontinent expandierte, und machen so die relativ späten archäologischen Belege von Dingos plausibel. Das Fehlen von archäologischen Dingo-Funden auf Tasmanien sagt insofern auch nur etwas über die Ankunft von A29 in Südaustralien, nicht auf dem Kontinent im Ganzen, aus.
Der traditionelle Datierungsansatz für die Ankunft der Dingos über das Aussterben eines Teils der australischen Megafauna vor ca. 4.000 Jahren scheint sich inzwischen erledigt zu haben - da spielten wohl Klimaänderungen und menschlicher Bevölkerungszuwachs entscheidendere Rollen:
https://www.adelaide.edu.au/news/news64502.html
Aber letztendlich steckt natürlich in der genetischen Datierung immer noch einiges an Kaffesatzleserei. Freedman e.a. [2] datieren die Einkreuzung des chinesischen Wolfs in den Dingo auf vor etwa 5-6 Tsd. Jahren, stellen hierzu allerdings auch fest (meine Hervorhebung):
"Thus our assumptions regarding mutation rate imply a genome-wide rate (i.e. including filtered sites) of 1.4×10−8. Other studies of dog domestication assume slightly lower genome-wide rates. For instance, a recent study based on shotgun sequencing data [25] assumes a mutation rate of 1×10−8 and estimates the divergence time to be 14 kya (CI:11–18 kya) or 30 kya (CI:15–90 kya), depending on the assumed amount of gene flow. Another recent study [20] assumes an even lower mutation rate of 0.66×10−8 and estimates the divergence time at roughly 32 kya. Calibrating the different estimates using the same mutation rate shows a remarkable consistency with our conclusions. Unfortunately, very little is known about dog mutation rates, and estimates of mammalian mutation rates range from 0.22×10−8 per year (i.e., 0.66×10−8 per generation) [31] to 1.8×10−8 per generation [32]. Considering this wide range expands the credible interval for the divergence time of dogs and wolves from 14–16 kya to 11–34 kya. Importantly, our study was able to eliminate much of the uncertainty in the mutation-scaled divergence time (CI: 0.46×10−4–0.53×10−4), leaving the mutation rate as the dominant source of uncertainty in dating the origin of dogs."
Der archäologische Befund aus Mitteleuropa deutet in Richtung des oberen Bereichs des genannten Zeitintervalls. d.h. Trennung vor etwa 35.000 Jahren - eine Datierung, die auch [1] ermittelt. Nach [1] spaltete sich die mtDNA-Haplogruppe A etwa vor 18.000 Jahren in weitere Untergruppen, darunter A29, auf. Rechnet man aus [2] entsprechend hoch, wäre dann vor ca. 12.000 Jahren ein männlicher chinesischer Wolf "reingegrätscht", und Ankunft von A29 auf den Sundainseln vor ca. 10.000 Jahren gemäß Oskarsson e.a. ist nicht unplausibel.
Oskarsson e.a. sagen für Autralien aus " These calculations are dependent on A29 being the only founder; if any of the other haplotypes found among the dingoes was also introduced from outside Australia, an underestimation of the time of arrival is obtained. However, since all other haplotypes but one (carried by a single individual and possibly formed by a back mutation) were unique to Australia, the assumption that A29 was the only founder haplotype seems reasonable."
"Reasonable" scheint die Annahme schon, gesichert ist sie keinesfalls. Zum einen wurde die Hundepopulation Neuguineas bislang nicht wirklich intensiv genetisch untersucht - die 15 Samples Oskarssons waren die ersten Proben überhaupt von dort. Für Indonesien östlich Balis fehlen bislang jegliche Daten. Zum zweiten zeigt [2] einen starken holozänen Bevölkerungseinbruch bei Hunden, mit Bevölkerungsminimum vor etwa 4.000 Jahren. Das Minimum ist möglicherweise, wie bei der australischen Megafauna, klimatisch bedingt, der generelle Trend mag aber auch kulturelle Ursachen haben, z.B. Neolithisierung (mehr Hüte-, kaum noch Jagdhunde), Verdrängung von Viehzucht durch Ackerbau, soziale Differenzierung mit Hunden als Statussymbol (Ägypten, Kelten, chin. Kaiserhof etc.). Dingo-artigen Hunden, und entsprechender Gendiversität, hat die Neolithisierung sicher nicht gut getan. Sie bellen nämlich nicht, wie ein guter Wachhund, sondern beißen - gerne auch Schafe. Schließlich hat die Hundefeindlichkeit des Islams (Hunde gelten, wie Schweine, als unrein), die genetische Diversität im islamisierten Teil Indonesiens alles andere als gefördert - auf Java sind Hunde, anders als auf Bali, ziemlich rar.​
Will sagen - es gibt mehrere, ebenfalls "reasonable" Gründe zur Gegen-Annahme, daß einige der Dingo-Haplotypen sich schon in Indo-/Melanesien bildeten, jedoch dort noch nicht gefunden wurden oder nicht überlebten. Unter solcher Annahme mögen Hunde, selbst wenn Oskarsson e.a. grundsätzlich richtig gerechnet haben (wovon ich persönlich ausgehe), dann doch erst vor vielleicht 5.000 Jahren nach Australien gelangt sein.​
 

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Es gibt auch eine Analyse zur yDNA von Hunden und Wölfen. Die in der Analyse gezogene Schlußfolgerung, Hunde seien (weitgehend) in Süd-China domestiziert worden, halte ich nicht für tragfähig. Zum einen dürfte Austausch männlicher DNA zwischen Wölfen und Hunden relativ häufig gewesen sein, so daß von yDNA nur eingeschränkt Aufschluß über den "Ur-Hund" erwartbar ist. Zum zweiten konzentriert sich die Analyse stark auf heutige chinesische Wölfe, während isolierte und damit tendenziell "archaischere" Wolfspopulationen (Pyrenäen, Abruzzen, Arabien, Indien etc.) fehlen.
Hier fällt besonders das Fehlen israelischer Wölfe ins Gewicht. Diese sind physiognomisch kleiner, und gelten von daher als präsumptive Vorfahren der ersten, ebenfalls relativ kleinen Hunde. Zudem ist früher Geneintrag israelischer Wölfe in den afrikanischen Basenji durch Analyse autosomaler DNA gesichert [2]. Ein phylogenetischer Baum canider yDNA, der israelische Wölfe unberücksichtigt lässt, ist somit in seiner Aussagekraft begrenzt. Schade ist auch, daß Dingos nicht berücksichtigt wurden, für die ja ebenfalls spätere Introgression von Wolfs-DNA, in diesem Fall aus China, belegt ist (siehe vorangegangenen Post). In geographischer Hinsicht ist China überrepräsentiert, während Südasien und der malayische Archipel ganz fehlen, und Amerika nur verhältnismäßig schwach repräsentiert ist.
http://www.nature.com/hdy/journal/v108/n5/pdf/hdy2011114a.pdf
Bei allen vorgenannten Schwächen ist die Studie immer noch informativ, und zeigt einige interessante Verbreitungsmuster auf. Grundätzlich wurden 27 Haplotypen identifiziert, die 6-7 Clustern zuzuordnen sind, und, von zwei weiter unten besprochenen Ausnahmen abgesehen, jeweils mindestens 3 Mutationen vom heutigen eurasischen Wolf (China-Skandinavien) entfernt sind (Anhang 1). Ich habe diese Cluster auf Basis der im Supplementary Dataset 3 enthaltenen Informationen (Link unten) kartiert. Wo Herkunftsinformationen fehlten, habe ich die Rassenbenennung (z.B. Rottweiler, Chukotka Sled Dog) herangezogen. Gerade für "Sibirien" wäre jedoch etwas detailliertere Lokalisierung wünschenswert gewesen - so ist meine Kartierung dort leider relativ willkürlich ausgefallen.
Heredity - Supplementary Information for article: Origins of domestic dog in Southern East Asia is supported by analysis of Y-chromosome DNA
Haplogruppen 1/1*: Hg1 (Anhang 2, gelb) ist die einzige über alle Kontinente verbreitete, und insbesondere die einzige im nichtarktischen Amerika festgestellte Haplogruppe. Sie dürfte somit das männliche Pendant zur "Ur-mtDNA" Clade A darstellen. HG1 zeigt, wie auch die eng verwandte Hg1* (orange), klaren Schwerpunkt in Europa, mit weitreichender Verbreitung auch in Afrika. Der Weg nach Ostasien scheint maritim gewesen zu sein, Hg1/1* fehlen völlg in Zentralasien. Jüngere Abspaltungen sind auf Europa (Hg 21: Shetland Sheepdog, Hg 11: Norwegian Elkhound, Karelo-Finnish Laika) und Afrika (Hg 24: traditionelle südostafrikanische Jagdhunde) beschränkt, und korrespondieren mit raren/ späten, entsprechend geographisch beschränkten mtDNA Haplotypen (A 70 beim Shetland Sheepdog, D1 beim Norwegian Elkhound und Finnish Lapphound).
Haplogruppe 2 (weiß) ist selten und zeigt mit Funden in Skandinavien, Belgien und Südafrika ein ähnliches Muster wie die Abspaltungen von Hg1/1*.
Haplogruppe 9 (grün) wurde lediglich beim Basenji im Kongo gefunden, und dürfte den vorerwähnten zusätzlichen Geneintrag israelischer Wölfe in europäisch-nahöstliche "Urhunde" wiederspiegeln. Wie die daraus hervorgegangene Hg 18 (dunkelgrün) ihren Weg zum Ostsibirischen Laika fand, ist mysteriös. Einkreuzung in historischer Zeit?
Haplogruppe 3 (Anhang 3, rosa) steht im Mittelpunkt des am weitesten verzweigten Clusters, der Schwerpunkt in Ostasien hat. Migration nach Sibirien und Alaska ist offensichtlich. Die beiden Untercluster Hg 5 (dunkelrot) und Hg 22 (braun) zeigen spezifische geographische Schwerpunkte in Japan und in Alaska, die übrigen "Abspaltungen" sind weitgehend auf (Indo-)China beschränkt. Das Muster scheint mir stark mit der "Dingo-mtDNA" A29 und ihren Untergruppen zu korrespondieren. Bei Hg22 (Alaska) besteht Korrespondenz zur auf das arktische Amerika beschränkten mtDNA A31. Hier dürfte der weiter oben beschriebene Geneintrag von Nachfahren des Taymir-Wolfs zum Tragen gekommen sein.
Die lediglich im Canaan Dog gefundene Hg4 (hellrosa) mag alternativ frühe Migration Richtung China, oder frühe chinesische "Einfuhr" über die Seidenstraße repräsentieren. Die europäischen Funde von Hg3 (Norwegian Ludehund, Cav. King Charles Spaniel) sind etwas mysteriös. Neben rezenter Einkreuzung ist hier auch an prähistorische Einwanderung aus Sibirien, oder Paralleleinkreuzung der gleichen Wolfs-yDNA (heutige chinesische und skandinavische Wolfs-yDNA zeigte sich als identisch, jedoch nicht näher mit Hg3 verwandt) zu denken.
Haplogruppe 6 (Anhang 4, hellgrau) ist interessant. Hier finden sich einige tibetanische Hunde (Spaniel, Mastiff), die zu Hofhunden am Kaiserhof in Peking wurden, und so eine plausible Erklärung für die chinaweite Verbreitung der Haplogruppe liefern. Die Haplogruppe entstammt einem Geneintrag nordamerikanischer Wölfe in die vorbeschriebene ostasiatische´Hg 3. Offenbar eine längerdauernde, beidseitige Hund-Wolf-Beziehung. Eine hierfür in Frage kommende Region ist Beringia - Hg 6 wäre in diesem Fall wohl mit der "Out of Beringia"-Migration zurück nach Asien, letztendlich bis Tibet gelangt.
Auffällig ist allerdings, daß auch der tibetanische Shih Tzu, einer der "Stammväter" des Pekingesen, Hg6 trägt. Der Shih Tzu ist, wie oben beschrieben, mütterlicherseits durch die auf den Chiahuahua rückführbare mtDNA A65 geprägt. Hier könnte sich also auch eine komplexe Geschichte von transpazifischem Export von Hg3 nach Amerika, anschließender Einkreuzung nordamerikanischer Wolfs-DNA, und Re-Import als Hg8 von Nord-/ Mittelamerika nach China abzeichnen. Warum solch "Re-Import" dann ausgerechnet in Tibet in die Zucht gelangte, wäre eine noch zu klärende, spannende Frage.
Haplogruppe 23 (Anhang 5, hellblau) nahm scheinbar den Ursprung ebenfalls in Tibet bzw. Yunnan. Die eng verwandte Hg 23* (farblich nicht gesondert gekennzeichnet) verbreitete sich von dort einerseits bis Alaska, andererseits bis an die Adria. Interessanterweise trug auch ein chinesischer Wolf, von insgesamt 10 getesteten, Hg 23*. Ich tippe hier auf Genfluß vom Hund zum Wolf, aber die Gegenrichtung kann natürlich nicht ausgeschlossen werden.
Die an Hg 23 angelagerten Hg 8 (mittelblau) und Hg 10 (dunkelblau) sind geographisch im Nahen Osten konzentriert. Wie die ebenfalls in den Cluster gehörige Hg7 (Türkis, Afghane) sind sie typisch für Windhunde, insbesondere Saluki (Pers. Windhund). Die Verbreitungskarte scheint mir sehr schön die Geschichte von Karawanenhunden entlang der Seidenstraße wiederzugeben - eine, in Anbetracht der genetischen Differenzierung, offenbar recht lange Geschichte. Der Hg 23* tragende Hokkaido (Hunderasse), der von den Ainu als japanischen "Aborigines" und präsumtiven (Mit-)Trägern der Jonon-Kultur gezüchtet wird, scheint eine archaische Züchtung zu sein, genauso wie Cane Corso Italiano und Slovenský kopov am westlichen Ende der Kette. Mütterlicherseits gibt es teilweise Korrespondenz zu mtDNA A17, v.a. aber zu mtDNA B2 (Saluki, Afghane).
 

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Wann und wie kamen Hunde nach Amerika?

Zurück zum Thema Hunde in Amerika: Weiter oben hatte ich auf die Studie von Thalmann e.a. verwiesen, die einen ca. 8.500 Jahre alten caniden Fund aus der Koster Site, Illinois der mtDNA Haplogruppe A zuwies. Noch etwas älter, ca. 9.300 Jahre alt, ist ein Fund aus der texanischen Hinds Cave. Der dort gefundene Hund war verwandt mit dem heutigen Labrador Retriever, und trug wohl mtDNA A16 (in der Studie als D12 bezeichnet).
Brief Communication: DNA from early Holocene American dog
We present the oldest genetically identified dog in the Americas, directly dated to 9,260±170 Cal. B.P. The DNA was extracted from an occipital condyle imbedded in a human paleofecal sample from Hinds Cave in southwest Texas. (..) Compiled with published data, our results characterize ancient American dogs within clades rooted by Eurasian wolves. In the Americas, these data provide no evidence of local interbreeding with wolves. (..) Our discovery of domestic dog bone in a human paleofecal sample provides the earliest direct evidence for human consumption of dogs in the New World. These data support the hypothesis that dogs were a food source for early Paleoamericans.
Indirekte Hinweise reichen noch etwas weiter zurück:
Blood residue from ancient tools reveals clues about past - Aiken Standard
Blood residue on spear points and other ancient stone tools made by American Indians thousands of years ago is providing scientists based at the Savannah River Site with new clues about life in the Carolinas thousands of years in the past. (..)
Testing done on the tools from the Early Archaic Period, which was from 11,500 to about 9,000 years ago, revealed residue results similar to the findings on Paleo-Indian Period tools. Traces of doglike mammals also turned up.
"Large canid remains" (Hunde? Wölfe?) wurden in größerer Anzahl in einer der jüngeren Folsom-Kultur zugewiesenen, gut 10.000 Jahre alten Schicht in der MacHaffie Site nahe Helena, Montana aufgefunden.
http://sspa.boisestate.edu/anthropo...iocarbon-dates-for-paleoindian-components.pdf
Möglicherweise hielten schon die Clovis-Leute Hunde. Hier ergeben sich aus der Stratigraphie allerdings Datierungsprobleme:
http://web.utk.edu/~anthrop/researc...4_The_First_Peoples_of_Tennessee_03032008.pdf
There was no clear evidence for human-megafauna interaction in Tennessee until discovery of Coats-Hines site (40Wm31) in 1994 (Breitburg, et al. 1996; Breitburg and Broster 1995; Corgan and Breitburg 1996). (..) The tool assemblage was consistent with Clovis lithic technology and included 24 resharpened flakes, a prismatic blade, bifacial knife fragment, two gravers, two uniface side scrapers and two scrapers/cores (Breitburg, et al. 1996).(..)
Mastodon, horse, deer, muskrat, frog, turkey, turtle, and canid (probable domestic dog) remains were also recovered. Unfortunately, direct dating of the site has been problematic due to a lack of bone collagen in the mastodon bones. A date of 27,050 ± 200 BP was obtained from materials below the remains and a date of 6530 ± 70 BP was obtained from soil associated with one of the mastodon molars (Breitburg, et al. 1996). Also, a date of 12,030 +/- 40 was obtained from material underneath the first rib. While the inconsistent dates may indicate a substantial degree of bioturbation or contaminants, the remains were recovered from a late-Pleistocene stratum and the stone tools suggest an Early Paleoindian association.​
Der scheinbar früheste Nachweis von Caniden in menschlichen Nutzungskontexten stammt aus der etwa 15.000 Jahre alten, zu den als gesichert geltenden Prä-Clovis-Fundorten gehörigen Page-Ladson_prehistory_site in Florida. Hier kommen neben Hunden jedoch auch Koyoten in Frage. Allerdings deuten Kartierungen außerhalb menschlicher Kontexte gefundener Caniden darauf hin, daß während des Pleistozäns Koyoten v.a. westlich des Mississippis siedelten. Alle fünf dokumentierten eiszeitlichen Canidenfunde aus Florida stammen aus menschlichen Kontexten.
https://books.google.de/books?id=mj...lM#v=onepage&q=Clovis dog paleoindian&f=false

Im Gegensatz dazu überrascht das Fehlen von caniden Funden in den prinzipiell gut erforschten Clovis- und Folsom-Fundstätten in Texas (vgl. die ausführlichen Funddiskussionen in nachfolgendem Link).
https://books.google.de/books?id=LU...FL#v=onepage&q=Clovis dog paleoindian&f=false
Für die wohl besterforschte paläo-indianische Siedlungsregion, die Channel Islands vor der Küste Süd-Kaliforniens, wird festgestellt:

http://www2.humboldt.edu/anthropology/faculty/docs/braje/Rick et al. 2008 Channel Island Dogs.pdf
Dogs are the only animal known unequivocally to have been introduced by Native Americans to the islands, but relatively little is known about their distribution, antiquity or influence on native island fauna and flora. We identified a minimum of 96 dogs from 42 archaeological sites on six of the eight islands. Dogs were present for at least 6000 years and appear to have increased in abundance through time. (..)
The oldest dog remains from the Channel Islands appear to be a left mandible fragment from Daisy Cave on San Miguel Island, the depth of which may correlate with the site’s early Holocene (c. 8600–10 000 cal. yr BP) deposits (Walker et al., 1978; Erlandson, 1994: 194). An early-Holocene date would make these remains among the oldest dog bones in the Americas (see Morey, 2006), but the specimen has not been directly dated and it could be from one of the younger site components.
Die Channel Islands waren seit mindestens 13.000 Jahren besiedelt. Daß die "ersten Amerikaner" offenbar noch keine Hunde mit sich führten, wird u.a. auch aus der Ausrottung lokaler nicht flugfähiger Vögel erst "near the end of the middle holocene" deutlich. In diesem Zusammenhang vermutet die obige Studie:​
A few ethnographic accounts of Chumash and Gabrielino peoples on the mainland, however, suggest that some Chumash groups may not have employed dogs for hunting, but occasionally used them for food (Kroeber, 1941; Harrington, 1942: 6–7). Given the dearth of terrestrial animals on the Channel Islands, dogs probably were of limited use in hunting. They would hinder hunting sea mammals hauled out along the coast, for example, because they would likely scare them into the water before they could be taken.
Zusammengefaßt:

  1. Der Befund von den kalifornischen Channel Islands legt nahe, daß die ersten pazifisch-maritimen Siedler Amerikas noch keine Hunde mit sich führten. Hiermit korrespondiert, daß das japanische Paläolithikum als eine der präsumtiven Quellen solch pazifisch-maritimer Besiedlung wohl noch keine Hunde kannte. Hundehaltung wird erst für die frühe Jomon-Kultur, d.h. ab ca. 10.000 v. Chr., angenommen bzw. ist belegt. Für Indo-/Melanesien dürfte, wie weiter oben diskutiert, ein ähnlicher, ebenfalls hinter die Erstbesiedlung Amerikas zurückfallender Zeitrahmen gelten.
  2. Studien sowohl canider mtDNA als auch yDNA zeigen, daß ostasiatisch-sibirische Hunde zwar die Vorfahren der Hunde im arktischen Amerika waren, diese Hunde aber keine nennenswerten genetischen Spuren im nichtarktischen Nordamerika, von Südamerika ganz zu schweigen, hinterließen.
  3. Vor 9-10.000 Jahren waren Hunde im nichtarktischen Nordamerika offenbar schon relativ flächendeckend, von den Carolinas bis Texas und Montana, verbreitet. Ältere Funde sind mit einzelnen Fragezeichen zu versehen, deuten jedoch unter Vorbehalt auf eine Ausbreitung von der Atlantikküste her, die bereits im Pleistozän ihren Anfang nahm, hin.
  4. Präkolumbische Hunde sind genetisch auf Europa, insbesondere 16.500 Jahre alte Wolfs-DNA aus der Schweizer Kesslerlochhöhle, rückführbar. Sämtliche bislang in nichtarktisch-amerikanischen "Traditionshunden" (Chihuahua, Xoloitzcuintli etc.) festgestellte yDNA ist europäischen Ursprungs (Hg 1).
Alles zusammen läßt eigentlich nur den Schluß zu, daß die ersten Hunde aus Europa nach Amerika gelangten, und zwar spätestens am Ende, möglicherweise schon während der Eiszeit. Die Implikationen diskutiere ich im "Robbenjäger"-Thread.
 
Frühe Hunde: Begraben oder gebraten?

Weiter oben hatte ich eine japanische Studie zitiert, die u.a. den Unterschied zwischen Hundebegräbnissen während der mesolithischen Jomon-Kultur, und Hundeschlachtung in der nachfolgenden neolithischen Yayoi-Periode herausstellte, und diesen unterschiedlichen Umgang als Indiz für auch anderweitig belegten Bevölkerungswechsel zwischen beiden Kulturen anführte. Ist dieser Befund verallgemeinbar? Lassen sich aus unterschiedlichem Umgang mit Hunden weitergehende Schlüsse zur Ausbreitung früher hundehaltender Kulturen ableiten?
Die Antwort ist Jein! Es gibt Kulturen/ Regionen, in denen beides, sowohl Hunde als Fleischlieferant, als auch "heilige", intakt begrabene Hunde belegt sind. Hervorstechendstes Beispiel ist Mexiko, mit einer archäologisch und auch noch durch frühe spanische Texte belegten Tradition von Hundemast und -schlachtung, und gleichzeitiger, auch ikonographisch belegter "Heiligung" einzelner Hunderassen wie des Xoloitzcuintli.
https://books.google.de/books?id=Hl...ge&q=Human dog consumption mesolithic&f=false (S. 88ff)
China kennt ähnlichen Dualismus, noch verstärkt durch die Präsenz von "Palasthunden".
https://en.wikipedia.org/wiki/Dogs_in_ancient_China
Über die "Urfunktion" domestizierter Hunde wird viel spekuliert. Klar ist, daß Hundehaltung bereits in Paläolithikum und Mesolithikum begann, wo für Hütehunde noch kein Bedarf bestand. Die ersten Hunde dienten also wohl v.a. der Jagd, u.a. für Hetzen und Isolieren von Großwild, aber auch als Spür- und Apportierhunde bei der Kleinwildjagd. Letztere werden als unabdingbar für die Jagd mit Pfeil und Bogen und wohl auch schon mit leichten Schleuderspeeren angesehen, weil solche Projektile in der Regel nicht sofort tödlich sind, und das angeschossene, oft langsam verblutende Tier verfolgt und aufgespürt werden muß. Insofern wundert es nicht, daß die welweit früheste Pfeil und Bogen nutzende Kultur, die rentierjagende jungpaläolithische Ahrensburger Kultur, auch Anzeichen der Hundedomestizierung (u.a. Fund eines zum Schmuckstück umgearbeiteten Hundezahns im Hohler Stein (Kallenhardt)) aufweist. Hunde wurden dort wohl auch als Last- und Zugtiere genutzt.
Schon überraschender ist, daß die ebenfalls rentierjagende, der Ahrensburger Kultur indirekt, mit klimatisch bedingtem ca. tausendjährigem Bruch vorausgehende Hamburger Kultur noch keine Belege von Hundehaltung zeigt - wohl ein Grund für ihr Scheitern.
Adaptation and niche construction in human prehistory: a case study from the southern Scandinavian Late Glacial
Both mitochondrial and non-recombining Y-chromosome data in Scandinavia indicate that a demographically viable colonization of the region is linked to the Ahrensburgian [177179], implying that earlier colonization attempts had been unsuccessful. (..) The emergence of specialized reindeer economies together with dog-use in the Ahrensburgian can thus be seen as an example of positive cultural NC that enabled an efficient adaptation to the harsh GS-1 conditions.
In contrast, the appearance of Hamburgian hunters seems strongly correlated with a pronounced abundance of Rangifer during the initial stages of faunal succession, first in the southern part of Scandinavia, and then increasingly northwards.(..) In the absence of dogs, and coupled with the climatic downturn at GI-1d most probably associated with a pronounced drop in reindeer populations across the region, Hamburgian foragers were no longer able to uphold the cultural buffer mechanisms protecting their niche space from larger scale, independent changes in the environment.
Überraschend deswegen, weil für das noch ältere (süd)-französische Magdalénien Hundehaltung eindeutig belegt ist:
New evidence for Upper Palaeolithic small domestic dogs in South-Western Europe
In this study, we describe and discuss new evidence for Late Glacial small dogs in the South-West (Pont d’Ambon and Montespan) and North of France (Le Closeau). (..) Detailed analyses of the archaeological contexts alongside that of taphonomy, morphoscopy, morphometry and pathology, identified 49 small canid remains from the three sites. (..) These, together with other more sparse discoveries, confirmed the presence of Western European Upper Paleolithic Small (WEUPS) dogs from, at least, the Middle Magdalenian to the end of the Epipaleolithic (i.e. 15,000–11,500 cal BP).
Über den Zweck dieser Hunde ist noch wenig bekannt. Aber ihre regionale Verbreitung und relativ geringe Körpergröße deuten eher auf Apportierhunde denn auf Einsatz in der Rentier- oder Großwildjagd. Hundefunde treten fast zeitgleich mit den ersten spätglazialen, dem (Epi-)Magdalénien zugeschriebenen Menschenfunden in Britannien auf. Hier, wie auch für andere jungpaläolithische/ mesolithische Hundefunde, fällt der hohe maritime Nahrungsanteil auf (nachstehender Link). Wasservögel (Gänse), Lachse und Aale werden als Nahrungsquelle weitgehend ausgeschlossen. Der Nutzen von Hunden beim Herings-, Dorsch- oder Thunfischfang erschließt sich mir nicht. Bleibt eigentlich nur Robbenjagd (Vertreiben der Mutter bei der Jagd auf Heuler, Bewachung von Eislöchern etc.)
Dogs, divers, deer and diet. Stable isotope results from Star Carr and a response to Dark | Rick Schulting - Academia.edu
Über frühe britische Hunde konnte ich nichts finden, aber im französischen Magdalénien (und auch noch lange danach) wurden sie geschlachtet:
https://www.animalsciencepublications.org/publications/af/articles/4/3/23
The last well-attested use of dogs was as a meat-producing animal. This has been brought to light by cut and burn marks similar to those found on traditional meat species (..) Evidence of these practices exists in Europe from the Upper Paleolithic (as on the site of Pont d’Ambon, Pionnier-Capitan et al., 2011), continuing throughout the Neolithic, Bronze Age (in Hungary, Vretemark and Sten, 2010), and Iron Age [in Slovakia (Chrószcz et al., 2013), British Isles (Hambleton 2008), and Gaul (Méniel, 2006; Horard-Herbin, 2014)]. (..). Dogs were consumed when young, either as puppies of a few months old or when they reached adult body weight, and they were managed in a similar way to pigs in the setting of certain Gallic farms that mainly produced livestock for meat (Horard-Herbin, 1997). Cynophagy is a practice that steadily declined with the new culinary habits of the Roman world, until it gradually stopped, for example, in Gaul in the second century AD (Lepetz, 1996).
Hunde als "Konservierungsmittel" für temporäre Fleischüberschüsse bzw. Schlachtabfälle machen durchaus Sinn, insbesondere in Klimaperioden, wo Holz knapp ist und lieber zum Heizen als zum Räuchern oder Dörren genutzt wird, und in (halb-)nomadischen Kulturen, die zu kurz an einem Ort verbleiben, um Lufttrocknung oder Pökeln abzuwarten. Generell scheint, bei Betrachtung des WP-Artikels zu Dog meat, die Tabuisierung von Hundefleisch kulturell eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Selbst skandinavisch-germanische Kulturen, mit einer fast durchgehend belegten Geschichte der Hundebegräbnisse von der Ertebölle-Kultur (5-6. Jtd v. Chr.) bis zur Christianisierung (Link 1, sehr lesenswert!) waren vor knapp 8.000 Jahren noch Hunde-Esser (Argus-Bank zwischen Lolland und Falster, Link 2). Auch im skandinavischen Jungpaläolithikum/ Frühmesolithikum wurden Hunde offenbar geschlachtet (Lundby Mose, DK, ca. 11.000 BP, Link 3).
http://www.isvroma.it/public/pecus/graslund.pdf
The composition of Mesolithic food. Evidence from the submerged settlement on the Argus Bank, Denmark | Anders Fischer - Academia.edu
Early Maglemosian culture in the Preboreal landscape: Archaeology and vegetation from the earliest Mesolithic site in Denmark at Lundby Mose, Sjælland
Woher die Sinnesänderung? Die "Heiligung" des Hundes, die in vereinzelten Wolfsbegräbnissen Vorläufer findet, wird mystisch-metaphorisch erklärt: Wölfe, und in späterer Übertragung größere, wolfsähnliche Hunde, ständen für Kraft, Schnelligkeit, Aggresivität nach außen, aber auch ausgeprägtes Sozialverhalten nach innen - eine Symbolik, die ja auch die römische Gründungslegende aufnimmt. Daneben zieht sich durch viele Kulturen das Motiv des Hunds als Führer ins, oder Bewacher des Totenreichs (Kerberos, Garm, Cŵn Annwn, Anubis, Xolotl, Sagdid, Yama). Solch frühe pan-eurasische Metaphorisierung könnte das parallele Auftreten von mesolithischen Hundebegräbnissen in Skandinavien, Zentralsibirien und Japan erklären (oder gab es da doch direkten, bislang unbekannten Kulturaustausch?).
In West-Eurasien gestaltet sich die Spurensuche einfacher: Die erste vollständige Hundebestattung (nicht nur Schädel-/ Knochenfunde) stammt aus dem israelischen Natufien vor ca. 12.000 Jahren. Die Kultur ist schon proto-neolithisch. Auf dem Balkan herrscht spätmesolithisch noch Hundeschlachtung vor, mit der Neolithisierung kommt es vor gut 9.000 Jahren auch zu ersten Hundebestattungen (nachfolg. Link). Judentum und Islam benennen Hundefleisch als unrein (nicht kosher bzw. haraam), das Christentum scheint solche Tabuisierung implizit ebenfalls zu beinhalten, Zusammengenommen zeigt dies ziemlich eindeutig Richtung Naher Osten. Ein Zusammenhang mit der Neolithisierung, und dem Aufkommen von Hüte- / Schäferhunden wäre plausibel, ist jedoch noch unbelegt.
Neither person nor beast ? dogs in the burial practice in the Iron gates Mesolithic | Ivana Radovanovi? - Academia.edu
Stellt sich die Frage, wie und warum die Sitte der Hundebegräbnisse vor gut 7.000 Jahren zu den Mesolithikern nach Süd-Skandinavien/ Norddeutschland gelangte und dort kulturprägend wurde, während neolithische Linearbandkeramiker in Herxheim offenbar noch fleißig Hunde (und ab und zu Menschen) aßen.
Mehr noch - wieso findet sich eines der ältesten derzeit weltweit belegten Hundebegräbnisse, nach Israel, aber etwa gleichalt mit den frühesten Funden aus Japan und China (Jiahu, dort offenbar Opferung), in der Koster Site in Illinois (ca. 8.500 BP)? Anders gefragt - wieso tritt der Dualismus von "heiligen" und Eß-Hunden nirgendwo früher und augenscheinlicher auf als in den heutigen USA?
Early Holocene Domestic Dog Burials From the North American Midwest | Darcy F. Morey | Michael D. Wiant | Academic Room
 
Stellt sich die Frage, wie und warum die Sitte der Hundebegräbnisse vor gut 7.000 Jahren zu den Mesolithikern nach Süd-Skandinavien/ Norddeutschland gelangte und dort kulturprägend wurde, während neolithische Linearbandkeramiker in Herxheim offenbar noch fleißig Hunde (und ab und zu Menschen) aßen.

Hunde wurde auch viel später noch regelmäßig gegessen:

... denn für die Kelten bildete Hundefleisch nachgewiesenermaßen ein geläufiges Nahrungsmittel (z. B. Petri 1961; Arbinger-Vogt 1978), während ein Römer solche Kost verschmähte.
Günter Ulbert, Der Auerberg (München 1994)

Da über ein Drittel der in Manching gefundenen Hundeknochen Schnittspuren aufweist, war der Verzehr von Hundefleisch zumindest bei einem Teil der Bevölkerung weit verbreitet, wobei allem Anschein nach Hunde unterschiedlicher Rassen und Größen verspeist wurden.
Bernhard Maier, Geschichte und Kultur der Kelten (München 2012)
 

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Und noch sehr, sehr viel später:
Hintergrund: Schweizer sollen keine Hunde und Katzen mehr essen - Schweiz: Standard - tagesanzeiger.ch
Die Frage scheint ihr nicht genehm, die Antwort fällt entsprechend schroff aus: «Wie verlogen, so etwas zu fragen! Dann dürfte man auch keine Schweine essen!» So oder ähnlich reagiert nicht nur eine Landwirtin aus dem St. Galler Rheintal auf die Frage des «Tages-Anzeigers», warum sie Hundefleisch geniesse. Ein Bauer, auch er wohnt im Rheintal, hält es für «nichts Aussergewöhnliches», Hund oder Katze zu essen: «Fleisch ist Fleisch.» Ein Landwirt aus dem Appenzellischen schildert ohne grosses Aufheben, wie er Hunde erschiesst oder mit einem Knüppel totschlägt. Dann komme ein befreundeter Metzger vorbei, häute das Tier, zerlege es und räuchere das Fleisch. «Serviere ich Mostbröckli, merkt niemand, dass es Hundefleisch ist.» Bei Bauarbeitern etwa seien sie als Pausensnack sehr beliebt.
Ein Rezept für Schweizer "Gedörrtes Hundefleisch" findet sich hier, zusammen mit dem Hinweis: "The only two cases of human trichinosis diagnosed in Switzerland in recent years resulted from the patients eating their dogmeat too rarely cooked".
Der altehrwürdige (Hundelederfunde in Hallstatt), jedoch wohl nicht sehr angesehene Beruf des Hundshautgerber starb erst im 20. Jahrhundert aus.

Es sei allerdings darauf verwiesen, daß sich meine Ausführungen zu Hundebegräbnissen v.a. auf die skandinavisch-germanische Sitte (von Ertebölle bis zu Sachsen und Wikingern) bezog, während wir es hier mit keltischen Traditionen zu tun haben, die bis ins Magdalénien zurückverfolgbar sind.
[Wobei mein aus Lübeck stammender Schwiegervater berichtet, daß in der frühen Nachkriegszeit Wert darauf gelegt wurde, Kaninchenfleisch mit Kopf und unabgezogenen Läufen zu verkaufen, damit jeder sehen konnte, daß es sich auch wirklich um Kaninchen handelte...]
 
Zuletzt bearbeitet:
[Wobei mein aus Lübeck stammender Schwiegervater berichtet, daß in der frühen Nachkriegszeit Wert darauf gelegt wurde, Kaninchenfleisch mit Kopf und unabgezogenen Läufen zu verkaufen, damit jeder sehen konnte, daß es sich auch wirklich um Kaninchen handelte...]

... die sonst eher mit den Dachhasen verwechselt worden wären.

Apropos Hund und Katz: Auf den Geschmack des Dachhasen scheint man in der erteböllisch-skandinavisch-germanischen Bevölkerung erst spät gekommen zu sein, der Verzehr von Hunden scheint andererseits nie ganz außer Gebrauch gekommen zu sein:

Es kann somit festgehalten werden, daß der archäologische Befund für das fortgeschrittene 8. Jh. in der ältesten Phase frühstädtischer Siedlungen im Norden das erste merkbare Auftreten der Hauskatze belegt, die dann rasch an Bedeutung gewinnt. Sie wurde sicherlich zumeist gegen die Zunahme der Mäuseplage gehalten, was unmittelbar zusammenhängt mit der Siedlungsverdichtung und Massierung der Speicherung von Handelsgütern. Katzenfleisch wurde nicht gegessen - im Gegensatz zu Hundefleisch -, doch wurde das Fell genutzt.

Heiko Steuer, Zur Herleitung des nordischen Greiftierstils (1994)
 
Der altehrwürdige (Hundelederfunde in Hallstatt), jedoch wohl nicht sehr angesehene Beruf des Hundshautgerber starb erst im 20. Jahrhundert aus.

Ebenso der Beruf des Hundemetzgers in Deutschland. Angeblich fand die letzte offizielle Hundeschlachtung 1985 in Augsburg statt. Die Hundeschlachtung wurde in Deutschland auch erst 1986 verboten. Das Verbot ist heute in § 22 Abs. 1a Tier-LMHV geregelt.

Ergänzung: In § 1 Reichsfleischbeschaugesetz vom 03.06.1900 wurde Hundefleisch noch unter das zum menschlichen Verzehr bestimmte Fleisch gezählt:

"Rindvieh, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde und Hunde, deren Fleisch zum Genusse für Menschen verwendet werden soll, unterliegen vor und nach der Schlachtung einer amtlichen Untersuchung."

https://de.wikisource.org/wiki/Gesetz,_betreffend_die_Schlachtvieh-_und_Fleischbeschau

 
 
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In dem Film "Little big Man" sagt der alte Häuptling, nachdem er sich zum sterben niedergelegt hatte und schließlich feststellte dass es kein guter Tag zum sterben war : "komm lass uns zu meinen Tipi zurückgehen. Snake-Woman kocht einen sehr guten Hund."
 
In den 1980er Jahren sorgte eine Pressemeldung über ein "Hunde essendes Dorf" im Schwarzwald für Aufruhr. Die machten wohl hauptsächlich Hunde-Schinken.
 
Du meinst, wir sollten da wieder einsteigen (vielleicht, ohne entsprechendem Diskussionstil unsererseits fortzuführen)? Hatte ich auch schon überlegt - nun gibt es ja eine deutlich, sowohl geographisch als auch zeitlich, verbesserte Diskussionsgrundlage für Wander-/ Lehnwörter. Da macht ein zweiter Blick, z.B. auf die Verbreitung von Hunde-yDNA HG1, Ketten von Malayen zu Zulu weit weniger "humorig" als es zunächst den Anschein gehabt haben mag (die Herren Skoglund/ Reich haben hierzu übrigens auch noch etwas zu berichten). Auch mögliche Wege vom mexikanischen itzcuintli zun kasachischen Hund werden langsam klarer, insbesondere wenn man aktuelle (ebenfalls andernorts noch zu berichtende) Erkenntnisse zu Dené–Yeniseian languages, "Out of Beringia/ America", plus Raghavan 2015 in Betracht zieht. Ein paar Volltreffer, die andernorts (z.B. im Robbenjäger-Thread) Vertiefung lohnen, waren ja auch dabei. Setzt allerdings voraus, daß moderatorenseitige Entscheidungsfindung irgendwann zum Abschluß kommt*
Der vorletzte Kommentar im nachfolgenden Link steuert übrigens auch etwas zum Thema bei, was Vertiefung lohnt, insbesondere wenn man baskische Parallelen in Betracht zieht, und sich den hohen Anteil "europäischer Admixtur" bei den Sioux vor Augen führt. [Die im Kommentar vertretene Grundthese von "Out of Beringia" wird durch aktuelle Ergebnisse, einschließlich Hunde yDNA Hg6, vgl. oben, gestützt. Allerdings kamen wohl nicht Sioux- sondern Dené-sprachige Gruppen über die Beringstraße bis zum mittleren Baikal. Weiteres, wie gesagt, andernorts.]
Dienekes’ Anthropology Blog: Western Eurasian mtDNA in modern Siberians
Auf den Geschmack des Dachhasen scheint man in der erteböllisch-skandinavisch-germanischen Bevölkerung erst spät gekommen zu sein, der Verzehr von Hunden scheint andererseits nie ganz außer Gebrauch gekommen zu sein:
Heiko Steuer, Zur Herleitung des nordischen Greiftierstils (1994)
Wobei die dort für Hunde berichteten Zahlen - 1% in Schleswig, 4 identifizierte Hundeknochen in Ribe - nicht den Eindruck vermitteln, Hunde seien je Grundnahrungsmittel gewesen.

*) Tipp: Auslagerung ab #442, Kaufleute und Kaiser in einen weiteren Thread. Bei der Detailsortierung bin ich gerne behilflich - weiteres ggfs. per PM.
 
Der vorletzte Kommentar im nachfolgenden Link steuert übrigens auch etwas zum Thema bei, was Vertiefung lohnt, insbesondere wenn man baskische Parallelen in Betracht zieht, und sich den hohen Anteil "europäischer Admixtur" bei den Sioux vor Augen führt. [Die im Kommentar vertretene Grundthese von "Out of Beringia" wird durch aktuelle Ergebnisse, einschließlich Hunde yDNA Hg6, vgl. oben, gestützt. Allerdings kamen wohl nicht Sioux- sondern Dené-sprachige Gruppen über die Beringstraße bis zum mittleren Baikal. Weiteres, wie gesagt, andernorts.]
Dienekes’ Anthropology Blog: Western Eurasian mtDNA in modern Siberians

Und da wären wir wieder bei den interkontinentalen Hundewortketten. Der Kreis schließt sich. Nur dass im dortigen vorletzten Kommentar mit Hundebezeichnungen in verschiedenen Sprachen gezeigt werden soll, dass ein Vorläufer der Irokesischen, Sioux- und Caddo-Sprachen zur Entstehung des Indoeuropäischen geführt haben soll. Hast du diesen Kommentar geschrieben?
 
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