Gründe und Methoden zur Einteilung der Zeit

rena8

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Es gibt im Forum einige Threads in verschiedenen Bereichen, die einen Teilaspekt meiner Frage behandeln.

Für uns ist ein Leben ohne Uhr, Sieben-Tage-Woche, Monate und Jahre schwer vorstellbar und wenn ich an die Interpretationen von Henge- und Kreisgrabenanlagen, der Himmelsscheibe von Nebra und kürzlich der Götterhandphänomene denke, muß dieses Bedürfnis die Zeit zu strukturieren urmenschlich sein.

Die Orientierung an den Mondphasen, Jahreszeiten, Regenphasen, Sonnenständen kann ich nachvollziehen.
Die nahöstlichen Tierkreiseinteilungen wahrscheinlich auch, wenn ich über Jahre den Nachthimmel beobachten würde.

Worüber ich gern spekulieren würde, sind die Gründe in den verschiedenen Epochen und Kulturen und ob die Methoden sich anfangs an den Notwendigkeiten orientierten.

Damit das nicht zu theoretisch bleibt, ein Beispiel aus Woche ? Wikipedia der balinesische 3-Tages-Zyklus entstand, weil im Dorf an jedem 3. Tag Markt war.

Ich suche weitere Beispiele außerhalb unserer festgefügten 7-Tage-52-Wochen-12-Monate-Ordnung?
 
Das ist wirklich eine gute frage Rena.
Ich habe mir auch schon Gedanken darüber gemacht.
Ich kam zu dem Schluss, unsere Vor- vorfahren, als Jäger und Sammler brauchten keine Zeit. Sie haben sich an den rythmischen Wanderungen der Tiere gehalten. Als man dann mit dem Ackerbau begann, spielte Zeit schon eine grössere Rolle.
Zeit im Sinne der Jahreszeiten, nicht Stunden oder Minuten.
Mein Ur-uropa zB hatte gar keine Uhr. Der ist aufgestanden, wenn es hell wurde und ist ins Bett gegangen, wenn es dunkel wurde.
Wenn ich auch heute einen Artikel über historische Bauten, wie zB die Pyramiden lese, Wird da immer geschrieben, die hatten soviel Zeit damals, oder Zeit spielte keine Rolle.
Kann ich gar nicht glauben. Wer ein Bauwerk beginnt, möchte doch auch das Ergebniss sehen und nicht, wie bei Domen üblich, ein paar hundert Jahre warten.
 
Bis 1805 maß die britische Royal Navy (und bis 1820 die EIC) den Tag nicht von Mitternacht bis Mitternacht, sondern von Mittag bis Mittag.
Der Grund: Entsprechende Wetterverhältnisse vorausgesetzt, wurde zu jedem Mittag das Mittagsbesteck genommen (das sind jetzt weder Messer noch Gabel noch Löffel:red:), sprich die geographische Breite der eigenen Position bestimmt, wozu die Sonne im Zenit von zentraler Bedeutung ist.
Und der Zeitpunkt der relativ genauesten eigenen Positionskenntnisse markierte den Datumswechsel.
 
Eine interessante Fragestellung!

Wenn ich die richtig verstehe, geht es nicht so sehr um die verschiedenen Kalendersysteme, die ja allgemein bekannt sind [1], sondern um die "subjektive" Seite der Zeiteinteilung bzw. um deren Entwicklung in der Geschichte. Ein paar interessante Aufsätze dazu - nebst weiteren Verweisem - gibt es bei Chvojka et al. (Zeit und Geschichte ... - Google Bcher).


[1] Für Historiker reicht das Informationsspektrum bekanntlich von klassischen Werk von Grotefend über das dreibändige Handbuch von Ginzel - beides herunter ladbar - bis zu heutigen Einführungen.
 
Ich kam zu dem Schluss, unsere Vor- vorfahren, als Jäger und Sammler brauchten keine Zeit. Sie haben sich an den rythmischen Wanderungen der Tiere gehalten.
Habe ich bisher auch so gesehen und für die Grundsicherung brauchten sie wohl keine theoretischen Zeitmarken, da reichte die Beobachtung der Natur, des Sonnenstandes, der Jahreszeit. Damit konnten sie feststellen, wann sie in welchem Teil ihres Reviers erfolgreich sammeln, jagen und Vorräte lagern würden. Damit wäre aber jeder Tag irgendwie gleich, nur die Jahreszeiten brächten eine gewisse Abwechslung.


Sie mußten die jahreszeitlichen Merkpunkte aber benennen und beschreiben, um ihre Erfahrungen in die nächste Generation weitergeben zu können.
Und wurden Feste nur spontan gefeiert, wenn es reichlich Beute gab?
Und wie verabredete man Treffen mit entfernt lebenden Verwandten, ging man irgendwann zum Treffpunkt und wartete so lange, bis jemand kam?



Als man dann mit dem Ackerbau begann, spielte Zeit schon eine grössere Rolle.
Zeit im Sinne der Jahreszeiten, nicht Stunden oder Minuten.
Mein Ur-uropa zB hatte gar keine Uhr. Der ist aufgestanden, wenn es hell wurde und ist ins Bett gegangen, wenn es dunkel wurde.

Für die normale Lebenshaltung sehe ich keinen so großen Unterschied zu den Jägern und Sammlern. Beide leben im Rythmus der Natur und mußten ungefähr wissen, in welchem Abschnitt des Jahreslaufs sie sich befanden, dazu war keine Taggenauigkeit nötig.

Wenn ich auch heute einen Artikel über historische Bauten, wie zB die Pyramiden lese, Wird da immer geschrieben, die hatten soviel Zeit damals, oder Zeit spielte keine Rolle.
Kann ich gar nicht glauben. Wer ein Bauwerk beginnt, möchte doch auch das Ergebniss sehen und nicht, wie bei Domen üblich, ein paar hundert Jahre warten.

Ein Menschenleben wird immer ein wichtiges Maß gewesen sein, also mußte man den Ablauf eines Jahres festlegen.
Wurden die Menschen 60 Sommer alt?
 
Naja,da kommt es auch auf die Lebenslage an.
Tacitus soll
die Mitte der 70 überschritten haben.
Andere, die nichts zum knabbern hatten, wurden nur etwas 40 oder 45 Jahre alt.
Da muss ich aufpassen. Ich bin schon 49
 
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Die Woche geht auf die Babylonier zurück. Durch den Umstand, dass die neu entstandene Landwirtschaft den Menschen ermöglichte, durch gezielten Anbau resp. durch gezielte Zucht/Viehbewirtschaftung sich zu ernähren (und sogar darüber hinaus), ergab sich quasi ein neuer Beruf: Landarbeiter. Diese wurden angestellt und in regelmässigen Abständen entlöhnt. Offenbar war die Entlöhnung pro Monat wenig praktikabel (da die Löhne wohl zu tief), die tägliche Ausbezahlung zu aufwändig (Infrastruktur / Personalkosten / Sicherheitsaspekte), so dass man den Monat quasi viergeteilt hat (wöchentliche Entlöhnung).

Die Stunde wiederum geht auch auf die alten Babylonier zurück. Sie wurde ursprünglich aufgrund von Winkelmassen der Sonne berechnet.

Minuten / Sekunden gehen ebenfalls auf Babylonier/Sumerer zurück (sogenanntes Sexagesimalsystem, dass die Zahl 60 als Teiler nahm).

Im Mittelalter wurden Stunden unterschiedlich gerechnet: eine Stunde im Sommer war länger als 60 (heutige) Minuten, eine Stunde im Winter war kürzer als 60 (heutige) Minuten. Dies aufgrund der unterschiedlichen Taglänge.

Im jüdischen Kalender teilt die Stunde nicht im Minuten oder Sekunden auf, sondern in 1080 Augenblicke.

Früher, in der Antike, war es übrigens so, dass ein neuer Monat erst dann begann, wenn man Mondbeginn nach Leermond eindeutig feststellen konnte: Erst wenn man nach dem Leermond die ersten Zeichen einer neuen Sichel sah, wurde der neue Monat begonnen. Falls zu diesem Zeitpunkt die neue Sichel des Mondes wegen Schlechtwetter nicht sichtbar war, verzögerte sich der Monatsbeginn: der laufende Monat wurde dann länger. Der Monatsbeginn wurde damals durch Höhenfeuer weiterkommuniziert/verbreitet.

Der neue Tag beginnt übrigens bei den Muslimen und Juden (sowie auch früher bei den Kelten) um 18 Uhr.
 
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Die Woche geht auf die Babylonier zurück. Durch den Umstand, dass die neu entstandene Landwirtschaft den Menschen ermöglichte, durch gezielten Anbau resp. durch gezielte Zucht/Viehbewirtschaftung sich zu ernähren (und sogar darüber hinaus), ergab sich quasi ein neuer Beruf: Landarbeiter. Diese wurden angestellt und in regelmässigen Abständen entlöhnt. Offenbar war die Entlöhnung pro Monat wenig praktikabel (da die Löhne wohl zu tief), die tägliche Ausbezahlung zu aufwändig (Infrastruktur / Personalkosten / Sicherheitsaspekte), so dass man den Monat quasi viergeteilt hat (wöchentliche Entlöhnung).
Klingt plausibel und nach der Auszahlung des Lohns wurde gefeiert und getrunken und am nächsten Tag der Rausch ausgeschlafen, woraus sich der freie "Sonntag" entwickelte.

Dann dürften egalitärere Gesellschaften ohne Lohnarbeit oder mit Arbeitssklaven diese freien Tage nicht gekannt haben?

Kann man die Teilung des Monats bei den Mayas ähnlich erklären und andere Zwischenschritte in anderen Kulturen?
 
Freie Tage gab es nachweislich auch in Sklavenhaltergesellschaften, um's mal marxistisch auszudrücken.
Der Sabbat der Israeliten galt nämlich ausdrücklich auch für Sklaven, selbst für Esel und Ochsen. Man muss also nicht einmal bezahlt werden, um freizubekommen.=)
So will es zumindest das Alte Testament.
Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun noch dein Sohn noch deine Tochter noch dein Knecht noch deine Magd noch dein Ochse noch dein Esel noch all dein Vieh noch dein Fremdling, der in deinen Toren ist, auf daß dein Knecht und deine Magd ruhe wie du. 5. Buch Mose 5.14

Die Woche der Babylonier hat bekanntlich sieben Tage, genau wie die anderen Wochen. Interessant ist, dass die alten Babylonier sieben bewegliche Gestirne am Firnament kannten. Sonne und Mond sowie Planeten Mars, Merkur, Jupiter und Venus. (Die Planeten wurden nach Göttern benannt.) Natürlich hatte diese Gestirne andere Namen, die heute gebräuchlichen erhielten sie erst von den Römern. (Die lateinischen Wochentagsnamen wurden unter Verwendung germanischer Götternamen ins Deutsche besser, dessen Vorgängersprache, übersetzt. Bei den Planeten blieb dies aus. Sprachpuristen vor: Nennt den Planet Merkur, Wandelstern Ding!=))
Nach der Entdeckung weiterer Planeten Uranus und Neptun wurde die Verlängerung des Wochenmaßes irgendwie verschlafen.:pfeif:

Die Römer übernahmen zwar die Woche aus dem Orient, nicht aber das Wochenende also den einen freien Tag. Stattdessen hatten sie feriae, also Ferien. Hierzu zählten unregelmäßige Feiertage auch jeden Monat wiederkehrende Kalenden, Iden, Nonen und Terminalen. Das sind dann vier Stück im Monat. Diese richteten sich jedoch nicht nach dem Lauf der Woche, sondern nach dem Tag im Monat. So fielen zum Beispiel die Iden auf 13. oder 15. Tag eines Monats. Dies war von Monat zu Monat verschieden. Die berühmten Iden des März fielen immer auf 15.3.
Dieser Aspekt des Römischen Kalendersystems ist so verwirrend, weil er sich anders als der Rest nicht bis heute erhalten hat.

Im Verlauf der Französischen Revolution wurde übrigens auch der Kalender revolutioniert. Der Republikanische Kalender galt von 1793 (rückwirkend bis 1792) bis 1805. Er enthielt das groteske Maß der Dekade, eine Zehn-Tage-"Woche" also.
Auch an den Monat wurde herumgeschraubt, es blieben aber 12.
Die kluge Idee Stunden, Minuten und Sekunden dem fortschrittlichen Dezimal-System zu überführen, hat sich wie man andere Errungenschaft der Revolution leider auch nicht gehalten. Damit ließe sich damit zumindest leichter rechnen. ;)
 
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Klingt plausibel und nach der Auszahlung des Lohns wurde gefeiert und getrunken und am nächsten Tag der Rausch ausgeschlafen, woraus sich der freie "Sonntag" entwickelte.

Gefeiert wurde tatsächlich, wobei der Feiergrund religiösen Ursprungs gewesen ist (das Ausruhen der Menschen stand nicht einmal im Vordergrund, dürfte aber ein sehr angenehmer Nebennutzen gewesen sein). Wie die Feiern ausgesehen haben: naja, zuerst dürfte wohl die Religion die Art der Feier beeinflusst haben (Zeremonien, Rituale, Wallfahrten etc.). Aber gemeinsames Tanzen, Musik, Speis und Trank gehörten wohl immer zum feiern (speisen bei nachfolgender Ausnahme natürlich nicht). Gemeinsames feiern hält auch die Gesellschaft zusammen.

=> interessant in diesem Zusammenhang: das (deutsche) Wort festen hat einen direkten Zusammenhang mit dem Wort fasten: viele Religionen kennen Fastenrituale.

Dann dürften egalitärere Gesellschaften ohne Lohnarbeit oder mit Arbeitssklaven diese freien Tage nicht gekannt haben?

Doch, solche Tage gab es auch dort: aus religiösen Gründen. So gab es z.B. bei den Kelten ein Fest der zehn Nächte und auch ein Fest der drei Nächte (die Kelten zählten die Nächte und nicht die Tage. Bei den Römern gab es die Saturnalien (und noch andere Feiertage), an denen gerade mehrere Tage gefeiert wurde (und ziemlich ausgelassen). Das ansonsten gültige Gebot der Ehelichen Treue war während der Saturnalien ausser Kraft.
Der feste freie Wochentag dürfte allerdings auch von den Babyloniern stammen, weil sie die Woche ja erfunden haben.
Der christliche Sonntag stammt vom jüdischen Sabbat ab, der jüdische Sabbat wiederum vom Babylonischen Wochenfeiertag (die Juden waren ja von 598 v.Chr. bis 539 v.Chr. in babylonischer Gefangenschaft und haben ihren Sabbat wohl von dort inspiriert bekommen.

Kann man die Teilung des Monats bei den Mayas ähnlich erklären und andere Zwischenschritte in anderen Kulturen?

Der Kalender der Mayas: ja, wobei Berechnung des Saatzeitpunktes oder Erntezeitpunktes ebenfalls eine Rolle spielten.

Stalin liess seinerzeit die Woche in fünf Tage unterteilen, wobei die Menschen an vier Tagen arbeiteten, am fünften frei hatten. Jedoch war es so, dass die Freitage nicht miteinander waren, sondern auf die Woche aufgeteilt. So passierte es, dass die Sekretärin ausgerechnet an dem Tag frei hatte, als eine wichtige Sitzung war. Dieses System wurde dann später (1940) wieder aufgegeben.

In China gab es vor über tausend Jahre eine Zehntagewoche, die sind dann auch auf die Siebentagewoche umgeschwenkt.

Bei den Römern gab es zuerst gar keine Woche, dann eine Achttagewoche, die dann von Kaiser Konstantin in eine Siebentagewoche umgeändert wurde (siehe dazu Kalender des Römischen Reichs).

Bei den Bantu und Ibo dauert die Woche vier Tage.

So nebenbei noch: Heute gibt es noch Fälle, wo selbst der freie Tag pro Woche in Gefahr ist:
China-Artikel 1
China-Artikel 2
(und natürlich auch noch an anderen Orten. Bei Sklaverei sowieso.)
 
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Interessanter Beitrag, aber für mich kaum zu glauben.
Selbst den Arbeitstieren gönnt man Ruhephasen.
Der Mensch hat und braucht eben eine.

Da wird wohl da mit der Religion zuviel hineingedeutet.
Und auch Sklaven brauchten mal eine Auszeit. Schliesslich war das ja eine Investition, die man nicht verlieren wollte.

Die Vertreter der Religionen wussten das und haben das so eben in ihren Gesetzen niedergeschrieben. Ich frage mich heute , wie die es geschafft haben, ganze Völker zu beeinflussen.
Das mit China, naja, wenn man Religion definiert, kommt man auch um einen realen Menschen, wie zB Mao oder Hitler nicht umhin, zu sagen, das waren für viele Menschen gottgleiche Wesen.
Da hat jeder seine Zeit gebaut. Die Sommerzeit, übrigens heute, wurde auch im dritten Reich eingeführt.
 
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Danke für die interessanten Beiträge.
So weit es heute abend noch geht, möchte ich die Informationen in Bezug auf meine Eingangsfrage zusammenfassen.
Mir ging es um die Gründe der Zeitstrukturen.
Der Tag ist global und über alle Zeiten durch Sonnenauf- und untergang und den angeborenen Biorythmus festgelegt. Bei der Ableitung der Stunden vom Sonnenstand im Tageslauf waren mir die längeren Sommerstunden im Mittelalter neu, ist aber logisch. In geographischen Breiten mit Unterschieden in der Tageslänge und ausgeprägten Jahreszeiten benötigte man den Monat zur Orientierung. Ergibt sich die Zwölftelung des Jahres zwingend aus der Beobachtung des Sternenhimmels?
Die Mayas lebten nahe am Äquator und teilten das Jahr anders, Indien und Südchina könnte man dazu vergleichen.

Die Woche aus den Mondphasen ableiten, kann man überall und die römischen Feiertage verteilen sich irgendwie auch danach.
Kann es abstrakte Systeme nur in Äquatornähe und im Wald geben, in Gebieten wo die Beobachtung des Nachthimmels erschwert ist.

Ich hatte auf was ganz anderes gehofft, vielleicht so eine Art Gezeitenuhr an flachen Küsten bei Fischervölkern, aber das kann wohl nicht gehen, weil Tag/Nacht dazwischenfunkt.
Oder einen natürlichen Rythmus von Arbeits- und Feiertagen, da scheint zwischen 5 und 10 Tagen alles möglich zu sein.
 
Ich hatte auf was ganz anderes gehofft, vielleicht so eine Art Gezeitenuhr an flachen Küsten bei Fischervölkern, aber das kann wohl nicht gehen, weil Tag/Nacht dazwischenfunkt.
Es gibt aber doch in der Tat eine Art Gezeitenuhr an jeder Tidenküste. Sie hat sich lediglich nicht außerhalb der seefahrenden Gemeinschaft festgesetzt. Gerade zur Segelschifferzeit rechnete man in gewisser Weise in Gezeiten. Da war es dann eine Kurzfristzeitangabe, zu sagen, "wir laufen mit der übernächsten Ebbe" aus.
Insgesamt sind bei jeder Gesellschaft oder Berufsgemeinschaft, deren Aktivitäten von periodisch wiederkehrenden Naturereignissen abhängig sind, diese eine Art spezieller Zeiteinteilungsmethode. Allerdings war diese globaler und unschärfer - reichte allerdings für die Notwendigkeiten. Die Marineoperationen in Westindien tickten mit der Hurricane-Saison. Man operierte außerhalb dieser in der Karibik und verließ diese rechtzeitig, um sich in nordamerikanischen oder europäischen Gewässern weiterzuprügeln. Ähnliches kannst Du auch bis ins 19. Jahrhundert im Landkrieg zu den Feldzugsperioden sagen. Dito in der Hochseefischerei oder bei der Jagd.

Ich wage zusätzlich die Fragothese in den Raum zu werfen, ob die Fischer oder Anwohner an der Südamerikanischen Pazifikküste in El-Nino-Perioden rechnen (bewusst oder unbewusst) - googeln hat mir hier aber mal keine Erleuchtung gebracht. Des weiteren spukt mir noch im Hinterkopf herum, dass möglicherweise Polynesier / Hawaiianer sowie Azteken nebst Nachbarn eine periodische Wiederkehr ihrer Götter Lono bzw. Quetzalcoatl alle x? Jahre zelebriert hätten. Das krieg ich im Netz aber nicht nachgewiesen und Anne Salmonds Buch in dem ich das zum Lono gelesen zu haben meine liegt 150 km wech...
 
Wer braucht Zeitmessung?

Eine sehr interessante Frage. Ich beschäftige mich gerade mit diesem Problem, dieser thread ist mir aber bisher entgangen.
Nach meiner Auffassung wird seit dem Neolithikum Zeit gemessen. Als "Instrumente" dienen z. B. Kreisgrabenanlagen. Innerhalb dieser wurden der Lauf von Sonne und Mond und auch Sterne beobachtet und mittels vermutlich hölzerner Kerbhölzer, die sich nicht erhalten haben, Tage gezählt. Man ist auch schon zu symbolischen Geräten übergegangen. Ein Beispiel stellt nach Auffassung von Martin Kerner das Steinbeil von Radewell (Salzmünder Kultur) als Vorläufer der Himmelsscheibe von Nebra dar. Dabei soll es sich nach Kerner auf der Oberseite um die Symbolik der Venus-Synode als Mond-Äquivalent mit hoher Genauigkeit handeln, die entlang der Kontur umläuft.

"Der Strahlenkranz als Zählsequenz

Den Mittelpunkt der Ritzung bildet ein offener Ring mit radialen Strahlen um das Loch für den Stiel des Beiles. die kurzen und langen Strahlen sind in je zwei Gruppen unterteilt von 14 + 9 kurzen und 3+2 langen Strahlen, wobei die beiden zur Schneide hin gerichteten die Öffnung begrenzen. Dieser Strahlenkranz gibt die Zählsequenz des Verfahrensplanes an, er ist vergleichbar mit einem Stenogramm, in welchem die Symbole, die ihnen zugeordeneten Werten und Dimensionen bezeichnen. Der Strahlenkranz hat damit eine mehrfache Aufgabe für die Zählung des luni-solar-planetaren Kalenders.
- 14 kurze Strahlen zeigen eine 14-tägige Halblunation an.
- 14 kurze und 1 langer Strich zeigen eine 15-tägige Halblunation an.
- 1 x 14 und 3 x (14+1) entsprechen einer Doppellunation zu 59 Tagen.
- Insgesamt 36 Stahlen bedeuten in Dekaden gezählt die Anzahl der Tage des altägyptischen Dekankalenders.
- Die beiden langen Striche, die die Öffnung des Ringes gegrenzen, symbolisieren damit die 5 oder 6 Tage der Epagomenen und die Ungradzahligkeit der Zyklen.
- Mit 33 Mondjahren gibt es die 32-jährige Gesamtperiode des luni-solaren Kalenders vor.
- Mit 33 Lunationen bestimmt es die Schaltfrequenz für die Lunationen.
- Mit 33 Mondjahren zeigt er die relative Wiederkehr der Dreifach-konjunktion von Venus - Erde - Mars an, die in der frühen Religion von mythologischer Bedeutung war.
- Mit 19 Lunationen und 22 Tagen wird das Mond-Äquivalent der Venus-Synode von 583 Tagen gezählt.
- Mit 3 x 33 = 99 Lunationen wird der Durchlauf der Venus durch den Zodiak in acht tropischen Jahren gezählt.
- 3 + 2 lange Striche zählen ebenfalls den umlauf der Venus.
- 3 + 2 lange Striche in diametraler Stellungzeigen die Konjunktion der Venus-Synoden an..." Soweit Martin Kerner: Bronzezeitliche Astronomie, 2006.

Weiter Kalendersymbole sind die Himmelsscheibe von Nebra, der Goldhut von Schifferstadt und nach Kerner auch das Venusszepter von Bernstorf.
Ich will hier nicht behaupten, das ich in diesem Buch alles verstehe.
Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, daß es den Menschen wichtig war, Zeit zu messen. Neben religiösen Betrachtungen interessiert mich vor allem die profane Seite. Wolfhard Schlosser hat in Meller: Der geschmiedete Himmel, im Abschnitt "Der Kreisgraben von Goseck" etwa sinngemäß ausgeführt, daß die Dorfbevölkerung im Neolithikum Aussaat- und Erntetermin gewissermaßen von ihren Priestern vorgegeben wurden.
Ich glaube das nicht. Nur der Fernhandel erzwingt die Notwendigkeit eines Kalenders. Da nicht zu allen Tagen wichtige Güter wie Salz, Silex und später Metall transportiert und getauscht werden konnten, war ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Kalendersystem notwendig. Nur so konnten aus verschiedenen Richtungen anreisende Händler an einem besonderen Platz sich treffen - nennen wir ihn einmal "Markt" - optimalen Güteraustausch organisieren und auch entsprechende Preise erzielen. Da die Priester aus z.B. religiösen Gründen den Kalender beherrschten, organisierten sie auch damit den Fernhandel und damit erfolgte die Aneignung von "Marktgebühren", Steuern o.ä. Es entstehen so Fürstenbegräbnisse.
 
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Nein, es ist so zu verstehen, daß mit der Zeitmessung auch die Gesellschaftspyramide entsteht (Fernhandel ist die Reichtumsquelle). Erst nach Reichtumsaneignung kann das Grab reich ausgestattent werden mit den persönlichen Gegenständen der Verstorbenen. Aber ich glaube, Du meinst diese Frage gar nicht ernst.
 
Oh, ich meinte das schon ernst.
Ich verstehe nur nicht, was du meinst.
Aber was ist denn mit denen, die keinen Reichtum hatten?
 
Diese These geht also davon aus, dass Fernhandel nur per Kalender möglich war, weil man sich an wohl unbewohnten Märkten traf. Ist es nicht sehr viel plausibler, dass Händler die Orte aufsuchten, an denen Menschen zu erwarten waren (um nicht zu sagen: Siedlungen)? Dann hätte sich der Kalender schon erübrigt. Wanderhändler gab es ja bis in das 20. Jahrhundert hinein, die machten es genauso. Sie waren damit sogar in der Lage Bestellungen aufzunehmen und gezielt Waren, von denen sie sicher sein konnten, dass sie Abnehmer fänden, einzukaufen oder selber herzustellen.
 
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