Verwendung verschiedener handschriftlicher Stile in einem Dokument

El Quijote

Moderator
Teammitglied
Mir ist vor kurzem diese Dokument in die Hände gefallen, es handelt sich wohl um einen Anschlag für Litfasssäulen.

Was mich wundert ist die Verwendung verschiedener Schriftstile in dem Dokument, da es sich ja um Handschrift handelt.
Besonders deutlich wir das am <e>, welches einmal in der Form der deutschen Current, zum anderen in der modernen Form geschrieben ist.
Current: e
Modern: e

Keine Aktionen gegen Juden mehr
Ein Aufruf des Reichsministers Dr. Goebbels

Reichsminister Dr. Go[e]bbels gibt bekannt: Die berechtigte und verständliche Empörung des deutschen Volkes über den feigen jüdischen Meuchelmord an einem deutschen Diplomaten in Paris....


Ich denke das reicht.
Auffällig ist, dass der Name Goebbels immer mit modernem e geschrieben wird, genauso der Monat November und die Überschrift. Alle anderen e sind in Currentfassung geschrieben. Wegen des November bin ich auf die Idee gekommen, dass dies die Entsprechung zu Fremdworten sein könnte, wie dies in Drucktexten ja auch vorkommt, wo alles in Fraktur geschrieben ist, das Fremdwort dann aber in Latina wiedergegeben. Allerdings kann das wegen der Schriftweise des Namens Goebbels eigentlich nicht stimmen. Wer hat eine Idee?
 

Anhänge

  • Extrablatt.jpg
    Extrablatt.jpg
    212,6 KB · Aufrufe: 430
An dem <G> wird es im Übrigen auch deutlich. Das G in Goebbels ist anders - flüchtiger - als das G in Gebäude und Geschäften. Beim <o> ist der Schreiber nicht eindeutig. Das <o> in Goebbels ist geschlossen, im Sütterlin ist es offen. Allerdings ist es auch in Aktionen und November, welches nach nichtsütterlinscher Manier geschrieben ist, offen, dafür beim Diplomaten, ein im deutschen Current geschriebenes Wort eher geschlossen.
 
Das <A> unterscheidet wieder deutlicher: Siehe Aktionen und Aufruf.

So ähnlich schrieb mein Vater, Jahrgang 1902, "Sütterlin" und "Latein" in den Buchstaben durcheinander.
Ich habe zufällig gerade ein längeres Schriftstück aus seinen letzten Lebensjahren auf dem Schreibtisch liegen. Das S in "Stuttgart" ist ganz anders wie in "Strasser" (nix politisches, war eine Spedition) ich unterstelle mal, dass die Schreibweise Bezug nimmt, in welchem Lebensabschnitt er zuerst mit dem betreffenden Wort zu tun hatte.

Reine Vermutung, der Schreiber könnte ja ein ähnlicher Jahrgang gewesen sein.

Komisch, bei Mutter, war ein Jahr jünger, konsequent Latein.
 
Ich vermute auch, dass es sich um ein der Situation (welcher eigentlich?) entsprechendes "Durcheinander" der Typen gehandelt haben könnte. Ich verwende auch eine "Tafelschrift", wenn ich wichtige Dinge nicht nur für mich festhalten will, kann das aber oft nicht durchhalten, wenn die Zeit drängt. Dann geht es mir ähnlich: Wichtige Worte werden deutlicher, andere nachlässiger dahingeschmiert.
 
Die Erklärung von Repo finde ich gut, aber wirklich zufrieden stellt sei mich leider nicht.
Die Überschrift ist ganz klar ein anderer Schriftstil als der Text, obwohl alles vom gleichen Schreiber zu stammen scheint. Später sind ja nur die Worte Goebbels und November noch in der modernen Schrift abgefasst. M.E. kann das nicht mit dem Lebensabschnitt zu tun haben, zumal Sütterlin ja erst 1942 abgeschafft, dieser Text aber 1938 verfasst wurde.
 
Die Überschrift ist ganz klar ein anderer Schriftstil als der Text, obwohl alles vom gleichen Schreiber zu stammen scheint.

Man könnte mutmaßen, dass der Verfasser bewusst versucht hat, die Überschrift in einem anderen Schriftstil zu halten, als den eigentlichen Text - das wäre nichts Unübliches.

Warum dann aber später
ja nur die Worte Goebbels und November noch in der modernen Schrift abgefasst
sind, kann ich mir anders als durch Nachlässigkeit nicht erklären.
 
Ist mir wieder eingefallen,
es wurde damals (bis in die 20er Jahre) zumindest in Württemberg an den Schulen beides (Kurrent + Latein) unterrichtet. "Sütterlin" kam erst später.
Die meisten haben sich irgendwann für eine von beiden entschieden.
Aber diese kuriosen "Misch-Schriften" waren anscheinend keineswegs selten.

Es gibt hier auch irgendwo eine Diskussion dazu.
 
Warum dann aber später
ja nur die Worte Goebbels und November noch in der modernen Schrift abgefasst
sind, kann ich mir anders als durch Nachlässigkeit nicht erklären.

Das war auch meine erste Idee. Aber es fällt doch auf, dass dies jedes Mal beim Wort Goebbels der Fall ist. Leider kommt das Wort - auch in dem ungescannten Teil des Dokuments - nicht weiter vor. Ein zweimaliges Auftauchen ist empirisch natürlich ein wenig dünn.
 
Sicher, damals wurde nicht abfotographiert, da wurde gesetzt.

:pfeif: Ja, das wußte ich. Ich meine ja nur, daß das Zettelchen da oben für mich aussieht, wie der Entwurf für einen Leitartikel. Ob es das handschriftliche Original oder eine später gemachte Fotokopie ist, kann ich anhand der Grafik nicht beurteilen.
 
Das Original ist Din A 3, ich habe etwa die Hälfte des Textes eingescannt.
Dass es sich bloß um einen Entwurf handelt, kann ich aufgrund der Größe und des Umstandes, dass es ja offensichtlich Vordrucke für solche hss Extrablätter gab, nicht ganz glauben.
Desweiteren ist wohl auszuschließen, dass es sich um die Erfindung einer Lokalredaktion handelt und wenn es die Mitschrift am Tel. gewesen wäre, dann hätte 1938 sowohl ein Reporter, als auch eine Sekretärin auf einem Notizblock stenographiert.
Wobei natürlich der Einwand der mangelnden Fotokopiermöglichkeiten nicht ganz von der Hand zu weisen ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das sieht mir so aus, als ob das alles recht schnell an die Litfassäule drankommen musste.
Hatten denn damals schon alle Druckereien die gleichen Setzthüpen zum drucken?
Man beachte den Strich darunter und dicke der Tintenschrift.
So ein Plakat würde selbst damals kene Zeitung rausgeben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Oder der Redakteur hat gesagt, ich gebe euch die Überschrifft und nun macht mal alle ein bischen was dazu, aber im Sinne Goebels.
 
Zuletzt bearbeitet:
Fällt mir gerade ein::

In meiner frühen Jugend sind solche Zettel öfter mal an den Schaufenstern der Lokalzeitung gepeppt.
Handschriftlich und oftmals mit Sauklaue:devil: mit Schlagzeilen über aktuelle Ereignisse die in der Zeitung dann ausführlich zu lesen waren, oder im extra gedruckten "Extra-Blatt" Kennedy-Attentat, Chrustschow entmachtet, kann ich mich erinnern.

Ich denke das wird so ein "Plakat" sein.

Litfass-Säule, so ein Ding 20-30 mal abpinseln, will mir nicht einleuchten.
 
Ulkiges Ding, Vordruck + dann aber Handschrift und offenbar noch ne Art Zeitung, wo ist das her?

Eine endgültige Erklärung, warum der Schreiber oben eher "lateinisch" und unten eher "deutsch" schreibt, wird man hier wohl nicht finden.
 
Ulkiges Ding, Vordruck + dann aber Handschrift und offenbar noch ne Art Zeitung,

Ich fand Repos Erklärung recht einleuchtend:

In meiner frühen Jugend sind solche Zettel öfter mal an den Schaufenstern der Lokalzeitung gepeppt.
Handschriftlich und oftmals mit Sauklaue:devil: mit Schlagzeilen über aktuelle Ereignisse die in der Zeitung dann ausführlich zu lesen waren, oder im extra gedruckten "Extra-Blatt" Kennedy-Attentat, Chrustschow entmachtet, kann ich mich erinnern.

Ich denke das wird so ein "Plakat" sein.

Litfass-Säule, so ein Ding 20-30 mal abpinseln, will mir nicht einleuchten.
 
Zurück
Oben