Die Heilige Inquisition und die Folter

Rafael

Aktives Mitglied
In einem anderen Thread hat sich eine Diskussion zwischen Rukelie und mir entwickelt, die sich mit der Heiligen Inquisition und ihrer Form von Rechtsprozess und Folteranwendung auseinandersetzt.

Da die Beiträge doch relativ lang sind, kopiere ich sie hier nicht rein, sondern verweise auf den Thread ab Beitrag #13: http://www.geschichtsforum.de/f78/hat-mein-religionslehrer-recht-s-kularisierung-25850/

Zum Inquisitionsprozeß vor allem weltlicher Gerichtsbarkeit findet ihr in diesem Thread einige Informationen: http://www.geschichtsforum.de/f52/die-inquisition-als-grundlage-unseres-rechtssystems-4573/

Ich hoffe, dass sich nun einige mehr an dieser Diskussion beteiligen werden.


Nun meine Antwort auf Rukelies letzten Beitrag:

Zunächst danke ich für den informativen Link.
Doch leider wirft er auch wieder Fragen auf: Zunächst einmal sind mir die Regeln der Carolina bekannt [siehe letztgenannten Thread], doch weiß ich nicht, inwiefern die Heilige Inquisition an die CCC gebunden war. Dies müsste vielleicht noch eruiert werden.
Zum anderen belegt der von dir (Rukelie) zitierte Text, dass die Folter doch gerade in den Hexenprozessen vermehrt Anwendung fand.

Rukelie schrieb:
Hm, ich denke nicht, dass sie es mehr nötig hatte als andere Gerichte, abgesehen davon, dass den Part eh die weltliche Macht übernahm. Ganz einfach, weil auch, siehe Zitate oben, die gleiche Beweisführung notwendig war wie bei "weltlichen" Verbrechen. Und zwei Tatzeugen, ein außergerichtliches Geständnis und ähnliches wird es auch bei diesen Verbrechen nicht allzuoft gegeben haben. Wobei das alles nur Vermutungen sind.

Leider bin ich wieder nicht firm genug, wenn es um die geistlichen Gerichte bzw. um die Heilige Inquisition geht. Gefoltert hat sicherlich ein Laie, doch die Richter, die eine Folter ggf. anordneten, waren, so viel ich zu glauben weiß, immer noch Geistliche, nämlich die Inquisitoren, oder?

Bei weltlichen Gerichten sah die Lage der Indizien einwenig anders aus, um ein Beispiel des Unterschiedes zu nennen. Indizien reichten zwar nicht als Beweise aus, doch konnten sie zu einer Folterung führen. War ein Indiz jedoch "aufgebraucht", konnte wegen diesem nicht nochmals gefoltert werden. Die Indizienlage ist meiner Meinung nach also eine andere.
Wenn wir nochmal zu der Seite der Angeklagten wechseln, ist noch ein großer qualitativer Unterschied zu sehen: Ich denke, dass in den meisten Fällen vor weltlichem Gericht die Folter bei echten Straftätern Verwendung fand, während es, auch wenn die Leute daran glaubten, für den vermeintlichen Hexer bzw. die vermeintliche Hexe klar war, dass er nichts gemacht hat.

Ich hoffe mal, dass Du mich noch nicht verflucht hast. ;)

Spannend, da die Formulierung an die meine erinnert, ist eine Passage aus der neuen G/Geschichte April 4/09, wo ausgesagt wird, dass vor allem in den Hexenprozessen, in denen es nicht auszusagen gebe, die Folter exzessiv angewendet wurde.

Vgl. G/Geschichte April 4/09, S. 55.
 
Den hattet Ihr ja schon: historicum.net: Folter
Aus dem Artikel schrieb:
...
Die verstärkte Hinwendung zur Folter seit dem 13. Jahrhundert war keine Folge der Ketzerinquisition: In der päpstlichen Bulle Ad extirpanda von 1252 hieß es ausdrücklich, die Ketzer sollten gefoltert werden, „so wie man auch Diebe und Räuber weltlicher Güter zwingt, ihre Komplizen anzugeben und ihre Verbrechen zu gestehen“. Dazu passt es, dass die Folter in den italienischen Stadtstatuten des frühen 13. Jahrhunderts fast ausschließlich im Zusammenhang mit weltlichen Delikten genannt wurde. Die später stark verbreitete Anwendung der Folter im Hexenprozess erscheint unter diesen Vorzeichen weniger als Folge kirchenrechtlicher Traditionen, sondern dürfte eher dem Charakter der Hexerei entsprochen haben, die nach weltlichem Recht als todeswürdiges Verbrechen galt.
...

Ebenfalls interessant dazu ist HEXENFORSCHUNG archives -- February 2006 (#7) bzw. http://fowid.de/fileadmin/textarchiv/Hexenverfolgungen__Rita_Voltmer___TA-2006-12.pdf
Zweite Fehlsicht: "Die Kirche schrieb:
...
Die Inquisition setzte meist nur sehr gemäßigt die Folter ein, und die Verdächtigten erhielten einen Anwalt.
Überdies galten hier - im Gegensatz zu den meisten weltlichen Gerichten - Besagungen (das heißt Bezichtigungen durch geständig gemachte "Hexen") nicht als beweiskräftiges Indiz. Zwar glaubten die Mitglieder der römischen Inquisition an die Realität magischer Verbrechen, aber insgesamt wurden nur sehr wenige Todesurteile von ihren Gerichten verhängt.
Vermeintliche 'Hexen' sollten nicht verbrannt, sondern reumütig in den Schoß der Kirche zurückgeführt werden; denn die Rettung ihrer Seelen hatte deutlichen Vorrang.
...

Die von mir herausgegriffenen Passagen - sowie insbesondere die Hervorhebungen durch Unterstreichung - dienen der Verdeutlichung; für den Zusammenhang muß man die Texte natürlich möglichst komplett lesen.
 
Danke für die Links. Nachdem ich nun den Text vom letzten Link gelesen und mal nach Titeln der neueren Forschung gesehen habe, scheint es tatsächlich so, dass die Heilige Inquisition weniger gefoltert und Hexen verurteilt hat, als es die weltlichen Gerichte taten. Jedenfalls ist eine neue Tendenz ersichtlich, die das Bild der Heiligen Inquisition verändern möchte.

Noch nicht ganz eindeutig ist mir jedoch die Beweis- und Indiziennutzung in den Prozessen der Heiligen Inquisition; dafür werde ich den Text wohl (irgendwann Mal) zu Hause nochmal genauer lesen müssen - sitz gerade in der Uni, weil ich von zu Haus nicht ins Internet komme :(

Wir sind stark zu den Hexenprozessen gerutscht, wobei nicht nur Hexen von der Heiligen Inquisition verfolgt wurden, sondern auch Häretiker.
Es wäre schön, wenn wir eine umfassendere Darstellung erstellen könnten, wobei ich leider im Moment einen kleinen Rückzieher machen muss, da ich gerade nicht genügend Zeit finde, mich richtig ins Thema einzulesen. Zudem warten noch andere Threads, in denen ich schreiben sollte, wo ich aber auch noch nichts erarbeiten konnte.
;)


Bis bald!

Rafael

P.S.: Drückt mir bitte die Daumen, dass ich schnell wieder einen Zugang zum Internet bekomme.:cry:
 
Das klingt wieder um einiges düsterer; ich glaube ich werde mal in das Buch schauen und mich doch eingehender mit dem Thema beschäftigen müssen.
 
Inquisition - Welche Befugnisse hatte sie?

Welche Befugnisse hatte die Inquisition? Konnte sie, de jure gesehen, eigentlich Bürger vorladen, oder war sie immer auf die Zustimmung der weltlichen Herren angewiesen?

Soweit ich weiß konnte die Inquisition ihre Urteile nicht mal druchsetzen, sondern stellte nur fest, dass jemand nicht mehr unter dem Schutz der Kirche stand, vorauf er dann auch auch von den weltlichen Herrschern für "Vogelfrei" erachtet wurde.
Hätte die Fürsten nicht also die Greuel der Inquisition verhindern können?
 
Welche Befugnisse hatte die Inquisition? Konnte sie, de jure gesehen, eigentlich Bürger vorladen, oder war sie immer auf die Zustimmung der weltlichen Herren angewiesen?

Soweit ich weiß konnte die Inquisition ihre Urteile nicht mal durchsetzen, sondern stellte nur fest, dass jemand nicht mehr unter dem Schutz der Kirche stand, worauf er dann auch auch von den weltlichen Herrschern für "Vogelfrei" erachtet wurde.
Hätte die Fürsten nicht also die Greuel der Inquisition verhindern können?

Die Frage ist, auf welche Inquisition du dich beziehst. Die römische Inquisition des 16. Jahrhunderts kannte quasi keine Gräuel, im Ggt. sie versuchte immer wieder, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, Gräuel einzudämmen. Im Prinzip ist schon die mittelalterliche Inquisition ein erster Ansatz von Rechtsstaatlichkeit, wenn man sie mit dem vergleicht, was vor ihr war. Sie reglementierte erstmals die Folter als Wahrheitsfindungsinstrument. Z.B. durfte demnach die Folter nicht dazu führen, dass jemand auf Dauer physisch geschädigt würde, sollte er sich im Nachhinein als unschuldig herausstellen.
Die Spanische Inquisition wiederum war eher eine Mittel der Statsraison in Spanien, als eines der Kirche, wenn natürlich auch die Protagonisten Kleriker waren.
 
Die Frage ist, auf welche Inquisition du dich beziehst. Die römische Inquisition des 16. Jahrhunderts kannte quasi keine Gräuel, im Ggt. sie versuchte immer wieder, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, Gräuel einzudämmen. Im Prinzip ist schon die mittelalterliche Inquisition ein erster Ansatz von Rechtsstaatlichkeit, wenn man sie mit dem vergleicht, was vor ihr war. Sie reglementierte erstmals die Folter als Wahrheitsfindungsinstrument. Z.B. durfte demnach die Folter nicht dazu führen, dass jemand auf Dauer physisch geschädigt würde, sollte er sich im Nachhinein als unschuldig herausstellen.
Die Spanische Inquisition wiederum war eher eine Mittel der Statsraison in Spanien, als eines der Kirche, wenn natürlich auch die Protagonisten Kleriker waren.

Es geht um die Inquisition in Mittelalter und Neuzeit!

Danke für alle Antworten.
 
Es geht um die Inquisition in Mittelalter und Neuzeit!
Da muss man eben differenzieren, zwischen
- mittelalterlicher Inquisition (13./14. Jhdt., hauptsächlich Südfrankreich und Norditalien)
- römischer Inquisition (15./16.Jhdt. im römischen Kirchenstaat)
- spanischer Inquisition (15. - 19. Jhdt., in Spanien und Hispanoamerika, zeitweise auch Portugal)
 
Da muss man eben differenzieren, zwischen
- mittelalterlicher Inquisition (13./14. Jhdt., hauptsächlich Südfrankreich und Norditalien)
- römischer Inquisition (15./16.Jhdt. im römischen Kirchenstaat)
- spanischer Inquisition (15. - 19. Jhdt., in Spanien und Hispanoamerika, zeitweise auch Portugal)

Nur die ersten beiden.

Und wie wurden dann die (Hexen-)Prozeße in Deutschland geführt, wenn man das bei dem Thema auch erwähnen sollte?
 
Hexenprozesse haben mit der Inquisition wenig bis gar nichts zu tun. Im Kirchenstaat gab es während des Wirkens der Inquisition ganze vier Hexenprozesse. Dann wurde bestimmt, dass bei Verdacht auf Hexerei ein Arzt hinzu gezogen werden sollte, und fortan wurden keine Hexen mehr festgestellt. Desweiteren waren die Hexenverfolgungen nicht auf katholische Gebite beschränkt sondern wurden in katholischen wie protestantischen Gebieten gleichermaßen vollzogen. Erfolg hatten sie dort, wo die herrschaftlichen Strukturen entweder nicht vernünftig funktionierten oder die Verfolgungen sogar gefördert wurden.
 
Folter ???

Die Inquisition hatte in den Hexenprozessen natürlich freie Hand was sonst?

Inquisition ? Wikipedia

könnte helfen.

Wenn du was zur Hexenverfolgung machen sollst trifft übrigens die römische Inquisition eher nicht zu.

Recht zurückhaltend bis ablehnend gegenüber der zeitgenössischen Hexereipanik agierten die Inquisitionsbehörden der Frühen Neuzeit. Im 16. Jhd. verfolgte die Spanische Inquisition (im Gegensatz zu den zeitgleich handelnden königlichen Gerichten) nur gelegentlich Hexen und Hexer. Auch von der Römischen Inquisition sind diesbezüglich nur Einzelfälle bekannt.
 
Ich habe mal eine Frage im allgemeinen zu der Thematik Inquisition.

Ich habe mir so einiges durchgelesen, das die Inquisition zwar vom Papst eingeleitet wurde (wenn ich es so richtig verstanden hab). Doch eine Frau, die Geschichte studiert hat, meinte, das die Inquisition überhaupt nix mit der Kirche zu tun gehabt hatte. Zwar wurden Hexen verfolgt, aber nur im protestantischen Bereich und von Landesherren - und nicht von Seiten der Katholischen Kirche bzw. von einem Papst.
Was ist nun wahres daran??
Das würde mich mal brennend interessieren.

LG Monika, die Wissbegierige :)
 
Ich habe mir so einiges durchgelesen, das die Inquisition zwar vom Papst eingeleitet wurde (wenn ich es so richtig verstanden hab). Doch eine Frau, die Geschichte studiert hat, meinte, das die Inquisition überhaupt nix mit der Kirche zu tun gehabt hatte. Zwar wurden Hexen verfolgt, aber nur im protestantischen Bereich und von Landesherren - und nicht von Seiten der Katholischen Kirche bzw. von einem Papst.

Selbstverständlich hatte die Inquisition was mit der römisch-katholischen Kirche zu tun, sie wurde doch gerade von ihr zu Beginn des 13. Jahrhunderts ins Leben gerufen. Allerdings diente die Inquisition nicht der Verfolgung von "Hexen" sondern von dogmatischen Abweichlern (Häretiker) und deren Lehre. Bekannte häretische Gruppierungen waren zB die Katharer und Waldenser.

Nach dem Ende des Albigenserkreuzzuges 1229, der eigentlich das Katharertum zerstören sollte, hatte die kirchliche Obrigkeit auf einem Konzil in Toulouse unter Vorsitz eines päpstlichen Legaten die Einführung der Inquisition in Südfrankreich beschlossen. Diese Untersuchungsverfahren waren zunächst Aufgabe der lokalen bischöflichen Obrigkeit, ist dann aber 1233 auf päpstliche Anweisung in die Hände des Dominikanerordens gelegt wurden, was häufig als eigentlicher Beginn der Inquisitionsgerichtsbarkeit gilt. In Nordfrankreich hat es nur sporadisch zum Auftreten von Inquisitoren gekommen, wohl weil die Häresie nach der "Arbeit" Roberts des Bulgaren hier schnell zerschlagen wurde.

https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_der_Bulgare

Bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts ist das Katharertum in Frankreich dank der Inquisition ausgerottet wurden, was der Albigenserkreuzzug nicht hatte vollbringen können. Danach wurde die Inquisition in Frankreich nur noch in seltenen Einzelfällen (Templerprozess, Jeanne d'Arc) angewandt. In anderen Ländern, besonders in Spanien, ist sie allerdings fest institutionalisiert und als Werkzeug zur Verfolgung ganzer Volksgruppen eingesetzt wurden.

Die Hexenprozesse der Neuzeit waren, wenn ich mich nicht irre, in erster Linie eine Angelegenheit der weltlichen Juristiktion. Man denke nur an die Hexenprozesse in Salem (USA).
 
Ich habe mal eine Frage im allgemeinen zu der Thematik Inquisition.

Ich habe mir so einiges durchgelesen, das die Inquisition zwar vom Papst eingeleitet wurde (wenn ich es so richtig verstanden hab). Doch eine Frau, die Geschichte studiert hat, meinte, das die Inquisition überhaupt nix mit der Kirche zu tun gehabt hatte. Zwar wurden Hexen verfolgt, aber nur im protestantischen Bereich und von Landesherren - und nicht von Seiten der Katholischen Kirche bzw. von einem Papst.
Was ist nun wahres daran??
Das würde mich mal brennend interessieren.

LG Monika, die Wissbegierige :)

Das sind zwei völlig verschiedene Themenbereiche, auch wenn es ein paar Kontaktpunkte gibt: Die Inquisition wurde vom Papst erschaffen, um die "Reinheit des Glaubens" zu bewahren, also hauptsächlich gegen Ketzer. In Frnakreich wütete sie hauptsächlich zur Zeit der Albigenser(Katharer), Waldenser und anderer abtrünnigen Sekten, also hauptsächlich im 13. Jahrhundert, lange vor den großen Wellen der Hexenverfolgungen.

In Spanien, wo es eine besonders mächtige Inquisition gab, überwachte sie auch die konvertierten Muslime und Juden. Sie diente im Grunde der Assimilierung der Bevölkerung in einer Religion, in einem Staat unter einem König. Dort hatte sie ihren Hähepunkt erst in den 15. und 16. Jahrhundert, bestand aber bis in das 19. (genau bis 1821, wobei 1826 noch ein Lehrer wegen Verbreitung ketzerischer Meinungen von der Junta de Fe de Valencia hingerichtet wurde).

Eigentlich, laut offizieller Lehre der Kirche, gab es keine Hexen und keine Hexerei. Aus diesem Grund hätte es auch keine Hexenverfolgung geben dürfen. Die spanische Inquisition hat sich auch überwiegend daran gehalten und ausser ein paar Prozessen im Baskenland (Las brujas de Zugarramurdi) gab es dort keine Hexenprozesse.

Anderswo hat man sich jedoch nicht danach gerichtet und es war ein Inquisitor, der Dominikaner Heinrich Kramer, der den Hexenhammer verfasste. Dieses geschah jedoch gerade weil es innerhalb der Kirche umstritten war und der Bischof von Insbruck eine Reihe seiner Prozesse anullierte und die Urteile aufhob.
Kramer schaffte es sogar den Papst zur Unterschrift einer von ihm verfassten Bulle zu drängen bzw. zu überreden.

Dieses Machwerk hatte einen recht großen Einfluss, auch wenn es nie von der Kirche anerkannt wurde, bis der Jesuit Dominikaner Friedrich Spee es mit der "Cautio Criminalis" endgültig widerlegte. Bis dahin brannten auch in Katholischen Ländern zahlreiche vermutliche Hexen.

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Das würde mich mal brennend interessieren.
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Eine treffende Formulierung in Verbindung mit der Inquisition oder den Hexenverfolgungen!:D
 
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Doch eine Frau, die Geschichte studiert hat, meinte, das die Inquisition überhaupt nix mit der Kirche zu tun gehabt hatte. Zwar wurden Hexen verfolgt, aber nur im protestantischen Bereich und von Landesherren - und nicht von Seiten der Katholischen Kirche bzw. von einem Papst.

Die Hexenverfolgung ist ein Phänomen hauptsächlich Mitteleuropas. Im Kirchenstaat wurden im 16. Jhdt. ganze vier Hexen verbrannt, dann befahl der Papst, dass bei Hexereiverdacht ein Arzt hinzuzuziehen sei, um Krankheiten auszuschließen und fortan wurde im Kirchenstaat kein/e Hexe/r mehr verbrannt. Dass die Hexenverfolgung nur in protestantischen Gebieten durchgeführt worden sei - wo es natürlich keine kathol. Inquisition gab! - stimmt nicht. Eine der bekanntesten Hexenverfolgungen wurde vom kathol. Bischof Bambergs iniziiert. Aber können wir bitte das Thema Inquisition (welche? Die mittelalterliche des 13. Jhdts., die Römische ~ des 15./16. Jhdts. oder die Spanische ~ des 15. - 19. Jhdts) und das Thema Hexenverfolgung voneinander trennen?!
 
Guter Beitrag! Bdaian hat dazu das Nötige schon gesagt. Die Inquisition wurde als Antwort der Kirche auf die Ketzerbewegungen des Spätmittelalters ins Leben gerufen, und sie wurde von den Päpsten autorisiert. Die Hexerei wurde zwar von Heinrich Institoris, dem verfasser des Hexenhammers als besondere Form der Ketzerei bezeichnet, und es gab Hexenverfolgungen im MA. Der Hexenwahn und die großen Verfolgungswellen waren aber im Wesentlichen ein Phänomen der frühen Neuzeit, auch wenn sie durchaus in der Tradition der Ketzerverfolgungen standen. Sie ging aus von geistlichen wie weltlichen Obrigkeiten, protestantischen wie katholischen. In Bistümern, Fürstentümern, Freien Reichsstädten und Kolonien wurden Hexen verfolgt. Im Gegensatz zu den Katharer- Waldenserverfolgungen waren die Mehrzahl der Opfer Frauen, obwohl es in einigen Verfolgungen auch männliche Opfer traf. Der Verfasser des Hexenhammers stellte, um sich mehr Autorität zu geben die Bulle Innozenz VIII. Summis desiderantis affectibus voran, aber im Gegensatz zu den Häretikerverfolgungen des Spätmittelalters ging die Dynamik nicht vom Papst oder "der Kirche" aus, auch wenn es die schlimmsten Verfolgungen in den katholischen Bistümern Würzburg und Bamberg gab. Weder die Spanische, noch die Römische Inquisition waren Vorreiter der Verfolgung. Der einzige Papst, der sich dazu äußerte, war Gian Battista Cibo (Innozenz VIII., der möglicherweise etwas abzeichnete, was ihm ein Dominikaner, Heinrich Institoris vorlegte, der im eigenen Orden auf starke Kritik stieß. Orden der Gegenreformation wie die Dominikaner und Jesuiten waren nicht führend in der Verfolgung, einer der schärfsten Kritiker war der Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld. Das ideologische Fundament wurde zwar von einem Inquisitor verfasst, fand aber innerhalb der Inquisition viele Kritiker. Einige der schlimmsten Verfolgungswellen spielten sich auf protestantischen Territorien ab, in der Schweiz, in Schottland, in Hessen, Thüringen, in Massachusetts. Martin Luther glaubte an Hexen wie Johannes Calvin. es gab einzelne Exekutionen von Hexen im Mittelalter, doch im Gegensatz zu den Ketzerverfolgungen waren die Hexenverfolgungen ein Phänomen der frühen Neuzeit.

Alle die Thesen, die man manchmal hört, es habe sich um eine Verfolgung zur Vernichtung der "weisen Frauen" gehandelt oder es wären Hebammen, Rothaarige bevorzugt Opfer gewesen sind Unsinn. Ebensowenig wurden nicht Millionen von Frauen exekutiert. Die Opfer waren äußerst heterogen. Es traf Arme, Alte und Außenseiter und Reiche und Spitzenreiter gleichermaßen. Insgesamt werden es in ganz Europa etwa 50-60.000 Menschen gewesen sein. Die Mehrzahl Frauen, aber nicht nur. Vieles spricht heute dafür, dass es nicht von oben angeordnet, sondern vielfach auf Wunsch großer Teile der Bevölkerung geschah. Es spricht manches dafür, dass gerade der demokratische Charakter der Schweiz dazu beitrug, dass sie sich neben Frankreich und Deutschland zu einer Kernzone der Hexenverfolgung entwickelte. Die Menschen, die von Agrarkrisen, Hungerkatastrophen und Klimakatastrophen heimgesucht wurden, suchten nach Erklärungen und Sündenböcken. Es handelte sich mehr um eine Art Verschwörungstheorie, einen kollektiven Massenwahn, als um eine rational geplante Verfolgungswelle wie bei den Ketzerverfolgungen. Ursachen und Dynamiken waren vielfältig. Es gab einzelne Hexenkommissare, die daraus ein Geschäft machten, denn das Vermögen der Exekutierten wurde eingezogen, und Denunzianten bekamen etwas ab. Dennoch wiederholten Städte, Gemeinden und Kolonien in denen es Verfolgungen gab in der Regel das Experiment nicht, zu leicht geriet es außer Kontrolle, wurde zum Massenwahn, dem auch Eliten zum Opfer fielen. Die Hexenverfolgungen waren die größte Einebnung von Standesunterschieden vor der Periode des Terreur in der Französischen Revolution
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe schon etwas den Eindruck, dass hier versucht wird, den Einfluss der mittelalterlichen Kirche auf die Hexenprozesse zu marginalisieren. Da wird auf Massenpsychose, Denunziation, protestantische Hexenverfolgung, Bereicherung (am Vermögen der Opfer) etc. hingewiesen, Umstände die alle zutreffen. Es ist auch richtig, dass in den Anfängen des Hochmittelalters Hexen meistens noch nicht als Ketzer verfolgt wurden sondern nur Fälle von "Schadenzauber" verhandelt wurden, wobei Aburteilung und Strafmass lediglich nach dem vermeintlich verursachten Schaden beurteilt wurden.

Aber es sicher falsch und höchst einseitig, die "Hauptschuld" an der Eskalation Heinrich Kramer und dem Hexenhammer zu geben, so als hätte dieser als Einzelner gehandelt und der Kirche als Ganzes sei es "nur" um die Häretiker gegangen, aber nicht um die Hexen. Hier wird meiner Meinung nach eine wesentliche Thematik, welche zur Hexenverfolgung beigetragen hat, unterschlagen: die theologische Frauenfeindlichkeit. Bei den Hexenprozessen hat sehr oft auch die sogenannte "Teufelsbuhlschaft" (nicht nur der Teufelspakt) eine Rolle gespielt, was hier im Forum nicht erwähnt wird.

Bekanntlich galten Frauen der mittelalterlichen Kirche meist als Wurzeln allen - sexuellen - Übels. In diesem Zusammenhang ist - lange vor Heinrich Kramer - die absurde, frauenfeindliche Gelehrtentheorie der Scholastiker von der Buhlschaft der Hexe mit dem Teufel zu verstehen. Das Teufelspakttheorie (und auch die Frauenfeindlichkeit) ist schon vor dem Mittelalter bereits bei Augustinus ein Thema. Und bei Thomas von Aquino (Hochscholastik) kann über die "Gegenkirche des Teufels" nachgelesen werden und darüber, dass Zauberer/Zauberinnen ihren Teufelspakt vermittels Geschlechtsverkehr mit Dämonen beschliessen würden.
Aufbauend auf diese scholastischen "Theologien" bildeten innerhalb der inquisitorischen Befragung Details der geschlechtlichen Beziehung zwischen Teufel und Hexe oftmals die Hauptpunkte, denen am meisten Gewicht beigemessen wurde - was ein bezeichnendens Licht auf die perversen sexuellen Phantasien der in dieser Beziehung immens frustierten Mönche wirft. Schon aus diesem Grund glaubte man, dass eine Hexe viel härter zu bestrafen sei als der gewöhnliche Kezter. Während dieser lediglich "irregeleitet" sei, unterstellte man den Hexen, dass sie anstelle Gottes den Teufel anbeten würden, was nun wirklich die grösstmöglichste Häresie darstellt.

Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit scheint jedenfalls die von Thomas von Aquino ausgehende Teufesbuhlschaft der Hauptanklagepunkt des grössten Teils der Hexenprosse gewesen zu sein.
Ich persönlich bin überzeugt (meine Meinung) dass in der Hochblüte der Hexeninqusition ein Hauptgrund für die Hexenprozesse in einem gewohnheitsmässigen Sadismus der Inquisitoren zu suchen ist. Was bei den dem Zölibat verpflichteten Dominikanern, ihrem verklemmten Frauenbild und ihrer unterdrückten Sexualität nicht weiter erstaunlich ist.

Übrigens: die mit der Hexenverfolgung beauftragten Inqusitioren und Beichtväter kassierten Blutgelder. Und gelegentlich wurde kirchlicherseits Fanglöhne für eingebrachte Frauen ausgeschrieben.

Es ist auch nicht so, dass die Hexenprozesse des Mittelalter nur Randerscheinungen darstellen. Wurden die in Freising 1090 verbrannten Hexen (ohne klerikale Beteiligung) von der Kirche noch zu Märtyrern erklärt, gestand bereits 1227 eine Frau in Südfrankreich die Teufesbuhlschaft. Und bereits 1275 wurde die erste Hexe, die im Rahmen eines Inqusitionsverfahren verurteilt wurde , in Toulouse verbrannt. Anfang des 13. Jahrhundert gab Gregor IX als erster Papst den Befehl, Hexen zu verfolgen.
Zu den ersten grösseren Verfolgungen von Zauberern durch die Inqusition kam es bereits im Mittelalter und nicht erst in der Neuzeit, zwischen 1320 und 1350 in Südfrankreich. Eine der frühsten Vorwürfe der Teufelsbuhlschaft in Deutschland wurden gegen die auftständischen Stedinger-Bauern in Friesland erhoben (Stedinger-Kreuzzug).
 
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