Welchen Teil des Ultimatums hat Serbien 1914 nicht erfüllt?

PunGNU

Neues Mitglied
Hi,

wisst ihr zufällig welcher Teil des Ultimatums an Serbien nicht erfüllt wurde? (Julikrise). Meine Quellen widersprechen sich da. Einige sagen Serbien hätte es nicht akzeptiert, dass seine Souveränität beschränkt wurde. (Polizeihoheit, Österreich wollte auch auf Serbischen gebiet mir Staatseigenen Organen Ermitteln). Andere reden davon, Serbien hätte lediglich um eine Verlängerung der 48 Stundenfrist gebeten. Nicht zuletzt hab ich gehört, Serbien hätte alles erfüllt. Die Ereignisse hätten sich noch einer Teilmobilisirung Serbiens und Ö-U einfach überschlagen.
 
Hi,

wisst ihr zufällig welcher Teil des Ultimatums an Serbien nicht erfüllt wurde? (Julikrise). Meine Quellen widersprechen sich da. Einige sagen Serbien hätte es nicht akzeptiert, dass seine Souveränität beschränkt wurde. (Polizeihoheit, Österreich wollte auch auf Serbischen gebiet mir Staatseigenen Organen Ermitteln). Andere reden davon, Serbien hätte lediglich um eine Verlängerung der 48 Stundenfrist gebeten. Nicht zuletzt hab ich gehört, Serbien hätte alles erfüllt. Die Ereignisse hätten sich noch einer Teilmobilisirung Serbiens und Ö-U einfach überschlagen.

Was sind denn das für Quellen die du verwendet hast?

Aus: http://www.dhm.de/lemo/html/1914/index.html

23. 7. Österreich-Ungarn richtet ein auf 48 Stunden befristetes Ultimatum an Serbien mit der Aufforderung, alle serbisch-nationalistischen Aktivitäten sofort zu beenden und die Verantwortlichen des Attentats konsequent zu verfolgen.
25. 7. Serbien geht auf das Ultimatum weitgehend ein, mobilisiert aber zugleich seine Armee. Österreich-Ungarn reagiert mit einer Teilmobilmachung und bricht die diplomatischen Beziehungen zu Serbien ab. Der russische Kronrat beschließt, Serbien zu unterstützen.
26. 7. Österreich-Ungarn mobilisiert Truppen an der Grenze zu Rußland.
27. 7. Das Deutsche Reich lehnt den britischen Vorschlag einer Außenministerkonferenz zur Beilegung des Konflikts ab.
Antikriegsdemonstration im Berliner Lustgarten.
28. 7. Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien. Die Reichsregierung versucht jetzt, mäßigend auf Österreich-Ungarn einzuwirken.
29. 7. Teilmobilmachung Rußlands.
30. 7. Russische Generalmobilmachung.
Großbritannien lehnt die von Deutschland gewünschte Neutralitätszusage für den Kriegsfall ab.
31. 7. Wilhelm II. verkündet den Zustand "Drohender Kriegsgefahr" und fordert von Rußland ultimativ die Einstellung der Mobilmachung und von Frankreich eine Neutralitätserklärung im Fall eines bewaffneten Konflikts.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die serbische Regierung wollte keine österreichische Organe zur Bekämpfung des Terros und auch keine österreichische Beamte für die gerichtliche Untersuchung des Mordes am Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Ehefrau.

Dies war aber eine der Bedingungen des Ultimatums.
 
Die "Quellen" kann man alle nicht wirklich als "historische" werten.

Die erste These, dass Serbien eine Verletzung seines Souveränitätsrechtes nicht akzeptiert hat, haben wir so um Geschichtsunterricht gelernt. Auch kann man sie auf Wikipedia nachlesen:

Serbien akzeptierte das Ultimatum zwar, aber nicht bedingungslos. Hinsichtlich des Tätigwerdens österreichischer staatlicher Stellen auf serbischem Boden, die eine deutliche Verletzung der staatsrechtlichen Souveränität Serbiens bedeutete, hieß es:

„Die königliche Regierung hält es selbstverständlich für ihre Pflicht, gegen alle jene Personen eine Untersuchung einzuleiten, die an dem Komplotte vom 15./28. Juni beteiligt waren oder beteiligt gewesen sein sollen, und die sich auf ihrem Gebiete befinden. Was die Mitwirkung von hierzu speziell delegierten Organen der k.u.k. Regierung an dieser Untersuchung anbelangt, so kann sie eine solche nicht annehmen, da dies eine Verletzung der Verfassung und des Strafprozeßgesetzes wäre. Doch könnte den österreichisch-ungarischen Organen in einzelnen Fällen Mitteilung von dem Ergebnisse der Untersuchung gemacht werden.“

Die 2. These, dass Serbien lediglich versucht hat die Zeitspanne zum erfüllen des Ultimatums zu verlängern, kann man im Abitur-Trainer von Stark nachlesen.

Die 3. These, dass Serbien im Grunde alles erfüllte, die beteiligten Länder aus Sicherheitsgründen dennoch mobilisierten und sich die Ereignisse überschlagen haben, stammt von einem Freund von mir, der sich sehr gut mit Geschichte auskennt. Diese These scheint auch deine Quelle zu bestätigen, zumindestens wird dort nicht verdeutlich, dass Serbien sich einen Teil des Ultimatums widersetzt hat.

Edit: Danke, fand die erste These auch am plausibelsten ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die 3. These, dass Serbien im Grunde alles erfüllte, die beteiligten Länder aus Sicherheitsgründen dennoch mobilisierten und sich die Ereignisse überschlagen haben, stammt von einem Freund von mir, der sich sehr gut mit Geschichte auskennt. Diese These scheint auch deine Quelle zu bestätigen, zumindestens wird dort nicht verdeutlich, dass Serbien sich einen Teil des Ultimatums widersetzt hat.

Die dritte These halte ich für beachtlich, und zwar unter dem Blickwinkel der Abläufe. Sie legt die Betonung auf die (Teil-)Mobilisierungen, die den Ablauf durch die fest zementierten Militärplanungen automatisierten.

Bereits die kurz kalkulierte Zeitdauer des Ultimatums (48 Stunden) basiert doch auf diesen Planungen, wenn man unterstellt, dass es Ö-U im Streitfall und in diesem Zeitpunkt auf einen noch lokalisierbaren Konflikt ankam. Dafür spricht auch, dass für das "Timing" des Ultimatums die Abreise von Poincaré aus Petersburg gewählt wurde, also die Abstimmungsprozesse (FRA-RUS) erschwert wurden bzw. werden sollten.

Detailfragen des Ultimatums bzw. der Erfüllung von Bedingungen haben doch nicht wirklich mehr interessiert. In dem Zeitpunkt ging es eher um militärische Mechanismen, Logistik und Kriegsgrundfragen.
 
Bereits die kurz kalkulierte Zeitdauer des Ultimatums (48 Stunden) basiert doch auf diesen Planungen, wenn man unterstellt, dass es Ö-U im Streitfall und in diesem Zeitpunkt auf einen noch lokalisierbaren Konflikt ankam. Dafür spricht auch, dass für das "Timing" des Ultimatums die Abreise von Poincaré aus Petersburg gewählt wurde, also die Abstimmungsprozesse (FRA-RUS) erschwert wurden bzw. werden sollten.

Detailfragen des Ultimatums bzw. der Erfüllung von Bedingungen haben doch nicht wirklich mehr interessiert. In dem Zeitpunkt ging es eher um militärische Mechanismen, Logistik und Kriegsgrundfragen.
Genau! Das Ultimatum der K.u.K. an Serbien war in letzter Konsequenz so verfasst, dass die Ablehnung selbigem sicher sein sollte, denn der Krieg war bereits beschlossen.
Bezeichnend hierfür ist auch folgendes: die 48 Stundenfrist lief um 18 Uhr des 25. Juli ab, niemand rechnete noch mit einer Antwort aus Belgrad. Der österreichische Gesandte Wladimir Freiherr Giesel von Gieslingen hatte bereits seine Sachen gepackt, er wollte Belgrad bei Ablauf der Frist verlassen und um 18:30 Uhr den Schnellzug nach Budapest nehmen. Zu seiner Verblüffung erschien jedoch der serbische Ministerpräsident Nikola Pašić kurz vor 18 Uhr persönlich in der Gesandtschaft und überreichte Giesel die Antwortnote:

Völlig unerwartet nahm Serbien fast alle Bedingungen an, bis auf den Punkt, der die Stationierung österreichischer Ermittlungsbeamter auf serbischen Territorium forderte, denn das wurde als Verletzung der Souveränität Serbiens angesehen - ein nebensächlicher Punkt, über den man hätte reden können, wenn man den Frieden tatsächlich hätte retten wollen.
Giesl überflog die Note, sie interessierte ihn gar nicht mehr, der Krieg war beschlossene Sache. Eilends schickte er dem Ministerpräsidenten, der soeben bei ihm war, die längst vorbereitete österreichische "Antwort" hinterher. Er erreichte gerade noch den Zug, der ihn in zehn Minuten über die Donau und damit über die Grenze nach Ungarn brachte.
Die Note, die er hinterlassen hatte, teilte der serbischen Regierung den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit.

Zwei Tage später kehrte der deutsche Kaiser Wilhelm II von seiner Nordlandreise (sein alljährlicher Urlaub) zurück nach Potsdam. Aber erst am nächsten Tag legte ihm der Reichskanzler Bethmann-Hollweg den Text der inzwischen zwei Tage alten serbischen Antwortnote auf den Tisch: "Eine brillante Leistung für eine Frist von 48 Stunden", vermerkte Wilhelm II, "das ist mehr, als man erwarten konnte! Damit fällt jeder Kriegsgrund fort, Giesl hätte ruhig in Belgrad bleiben sollen! Darauf hätte ich niemals Mobilmachung befohlen!"...



Saludos!
 
Anmerkung: Dieser Thread gehört inhaltlich zum Forum Deutsches Kaiserreich

Völlig unerwartet nahm Serbien fast alle Bedingungen an, bis auf den Punkt, der die Stationierung österreichischer Ermittlungsbeamter auf serbischen Territorium forderte, denn das wurde als Verletzung der Souveränität Serbiens angesehen - ein nebensächlicher Punkt, über den man hätte reden können, wenn man den Frieden tatsächlich hätte retten wollen.

Aber ganz bestimmt hätte man arübe reden können, denn das haben die Serben den Österreichern signalisiert gehabt. Nur war zu jenem Zeitpunkt schon die Kriegserklärung unterwegs. Österreich-Ungarn wollte den Krieg!
 
Die Bedingungen von Österreich-Ungarn halte ich jedoch mit etwas gutem Willen erfüllbar, immerhin ist der Thronfolger von serbischen Nationalisten ermordet worden.

Oder bin ich da zu naiv wenn ich sage, wenn jeder ein wenig nachgegeben hätte, wäre es nicht zum Krieg gekommen.

Denn mit der Kriegserklärung Ö-U an Serbien setzte sich ja ein Konstrukt an Beistandserklärungen und geheimen Bündniszusicherungen in Bewegung.
 
Die Bedingungen von Österreich-Ungarn halte ich jedoch mit etwas gutem Willen erfüllbar, immerhin ist der Thronfolger von serbischen Nationalisten ermordet worden.

Oder bin ich da zu naiv wenn ich sage, wenn jeder ein wenig nachgegeben hätte, wäre es nicht zum Krieg gekommen.

Denn mit der Kriegserklärung Ö-U an Serbien setzte sich ja ein Konstrukt an Beistandserklärungen und geheimen Bündniszusicherungen in Bewegung.


Die Frage ist doch, was wollte Österreich-Ungarn? Die Herren wollten unbedingt Krieg und deshalb wurde zu nächst ein Ultimatum mit der Absicht forumuliert, das es für Serbien unannehmbar sei. Am Ballhausplatz war man woll auch überrascht, wie weit das Entgegenkommen der serbischen Regierung reichte. Wilhelm II. war jedenfalls positiv überrascht und vertrat nunmehr die Auffassung, das kein Grund mehr für ein Krieg vorläge. In Wien und im deutschen AA sah man die Dinge allerdings anders und hielt an dem Willen zum Krieg fest. Aud diesem Grunde war es auch ohne Belang, das die serbische Regierung das Ultimatum fast vollständig erfüllt hat.
 
Für die serbische Regierung war allerdings die Abgabe der Antwortnote geradezu nebensächlich, vermutlich auch der Inhalt. Parallel zur Antwortnote mobilisierte man - recht erfolgreich, schnell und umfassend, wie die ersten Kämpfe später zeigen sollten. Unerwartet kam da nichts.

Offenbar war man sich über die forcierte Entwicklung im Klaren. Die weitgehende Annahme "kostete" nichts, sondern brachte politisch die gewünschte Schuldlage für die kommenden Ereignisse. Und man bockte an dem international verständlichsten Punkt, der nationalen Souveränität - war man hier doch wegen der Verstrickungen zugleich am Verwundbarsten.
 
Serbien war ein politischer Gewinner der Balkankriege. Zwar wurde der Zugang zur Adria nicht erreicht, aber die Eingliederung Mazedoniens hat das Land deutlich gestärkt. Die Schwächung der Truppe durch die Verluste aus den Balkankriegen war zwar deutlich, die Unterlegenheit gegenüber Österreich konnte aber durch eine schnelle und umfassende Mobilisierung (selbst Frauen griffen zur Waffe) und die Zusammenarbeit mit der montegrinischen Miliz etwas gemildert werden. Auf dieser Basis und mit großserbischen Ideen im Hinterkopf ist die Annahme des Ultimatums eigentlich schon ein großes Entgegenkommen. Das Attentat der Schwarzen Hand war selbst aus Sicht Serbiens zu extrem, dennoch war Punkt 6 des Ultimatums so nicht akzeptabel. Es ging ja nicht nur um Ermittlungen (an deren Mitwirkung durch Österreicher wäre es wohl nicht unbedingt gescheitert), sondern auch
„einzuwilligen, daß in Serbien Organe der k.u.k. Regierung bei der Unterdrückung der gegen die territoriale Integrität der Monarchie gerichteten subversiven Bewegung mitwirken"
Dies ist natürlich schon ein grober Eingriff in die Souveränität eines Landes.

Ich weiß nicht, ob dieser Passus des Ultimatums absichtlich so formuliert wurde oder ob einfach nur eine scharfe Forderung mit der Erwartung einer Ablehnung als Kriegsgrund gestellt wurde.

Aus Sicht von Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf hätte Serbien natürlich schon 1908 erobert werden müssen. ;)

Solwac
 
solwac schrieb:
Ich weiß nicht, ob dieser Passus des Ultimatums absichtlich so formuliert wurde oder ob einfach nur eine scharfe Forderung mit der Erwartung einer Ablehnung als Kriegsgrund gestellt wurde.

Die Formulierung wurde absichtlich so scharf aufgesetzt.

silesia schrieb:
Offenbar war man sich über die forcierte Entwicklung im Klaren. Die weitgehende Annahme "kostete" nichts, sondern brachte politisch die gewünschte Schuldlage für die kommenden Ereignisse. Und man bockte an dem international verständlichsten Punkt, der nationalen Souveränität - war man hier doch wegen der Verstrickungen zugleich am Verwundbarsten.

Möchtest du damit zum Ausruck bringen, das Serbien ebenfalls sehenden Auges in den Krieg steuerte?
 
Möchtest du damit zum Ausruck bringen, das Serbien ebenfalls sehenden Auges in den Krieg steuerte?

Ganz genau. Weniger aufgrund der Papierlage, als vielmehr aufgrund der Mobilmachung am 26.7.1914, parallel zur Antwortnote. Rational betrachtet kann der Krieg allerdings nicht gewünscht gewesen sein, Serbien war von der Papierlage her natürlich nicht kriegsbereit:

The First World War could not have come at a worse time for Serbia. In late July of 1914, Serbia faced an adversary which could muster overwhelming mihtary force, both quantitatively and qualitatively. Serbia was completely exhausted and unprepared in every regard—economically, socially, politically, and mihtarily—and did not want a new war. The Balkan Wars of 1912 and 1913 had exacted a terrible toll on Serbia's economy, nearly bankrupted the state budget, and killed or maimed large numbers of able-bodied men. The eountry's internal political structure was in turmoil, and the military had worn out or used up most of its equipment during the preceding two years of war.

Der Organisator Putnik wurde festgesetzt, ein interessanter Kontext ...:
When the ultimatum was delivered, Vojvoda Putnik, who masterminded Serbia's victories in both Balkan Wars, designed Serbia's defensive strategy, and held the key to the safe in which the mobilization plans were stored, was out of the country at the Austrian spa of Bad Gleichenberg. Accompanied by his daughter, Putnik was taking a cure for his chronic bronchitis, which had turned into emphysema. Hearing of the Austro-Hungarian ultimatum on 24 July, he had left Bad Gleichenberg for Serbia on 25 July. That same day while en route to Serbia, Habsburg authorities arrested Putnik in Budapest. With this arrest, it appeared as though the Dual Monarchy had won a major victory prior to the official declaration of war, without a bullet having been fired... According to the Austro-Hungarian General Alfred Krauss, the rationale behind releasing Putnik was that it would be better that the Serbs be commanded by the old, uneducated Putnik, than by one of the younger offieers educated in France.

... und wurde am 26.7.1914 freigestellt, so dass er seine Reise fortsetzen konnte. Tatsächlich befand sich ein Großteil der regulären Armee in Mazedonien, und für einen Transport an die kommende "Nordfront" fehlten die Ressourcen der Eisenbahn. Das wurde in einer Denkschrift bereits am 20.7. untersucht und dargestellt. Die Mobilisierung brachte die Stärke im Norden auf rund 250.000 Mann (320.000 insgesamt, Teile eben im Süden), teilweise ohne Uniformen und Bewaffnung (pro Division fehlten 2- 3.000 Gewehre), Ausrüstungen in katastrophalem Zustand:

In essence, the Serbian Army of August 1914, half uniformed, poorly equipped, and in many cases dressed entirely in peasant clothes, gave all the appearances of being what one historian has referred to as a 'peasant mob'. Nikola Pasic bemoaned the state of Serbia's Army and the lack of support from its allies: "our army was left, so to say, completely without clothes, shoes, and camping equipment.

Serbien war darüber hinaus kaum zur Munitionsproduktion gerüstet. Die ersten Schiffstransporte zum Ersatz des Munitionsverbrauchs aus dem Balkankrieg 1912/13 trafen im Juli 1914 ein.

James M. B. Lyon: "A Peasant Mob": The Serbian Army on the Eve of the Great War, JoMH 1997, S. 481-502

Dass man in dieser Situation mobil machte, läßt den Schluß zu, dass man sich über den weiteren Ablauf - vor der Reaktion - im Klaren war. Umso erstaunlicher ist im Kontext dieser Bedingungen die auf Souveränität bei der Untersuchung und Bestrafung fixierte Antwort. Vom 16.-19.8.1914 erlitt die ö-u Armee ihre erste Niederlage gegen diesen 'Mob' am Cer, und es folgte eine weitere in der Schlacht von Kolubara Nov./Dez. 1914.
 
Hochinteressant; war mir noch gar nicht bekannt. Man lernt halt ständig etwas dazu.

Ich gehe davon aus, das die Russen dort im Hintergrund entsprechend gewerkelt haben, denn ohne deren Rückdeckung wäre das Vorgehen ja geradezu selbstmörderisch.
 
Russland muß über die Mobilisierung in Kenntnis gewesen sein. Vermutlich reichte als Rückendeckung der Beistandspakt. Aus russischer Sicht ist das sicher eine geeignete Abschreckungsstufe gewesen, um den Ernst der Lage nach außen zu dokumentieren.

Es gibt da doch so ein Standardwerk über die Ö-U Planung.
 
Ich habe nachgeschaut, gemeint war Kronenbitters "Krieg im Frieden".

Besitze ich leider (noch) nicht.:winke:
 
Die Frage ist doch, was wollte Österreich-Ungarn? Die Herren wollten unbedingt Krieg und deshalb wurde zu nächst ein Ultimatum mit der Absicht forumuliert, das es für Serbien unannehmbar sei. Am Ballhausplatz war man woll auch überrascht, wie weit das Entgegenkommen der serbischen Regierung reichte. Wilhelm II. war jedenfalls positiv überrascht und vertrat nunmehr die Auffassung, das kein Grund mehr für ein Krieg vorläge. In Wien und im deutschen AA sah man die Dinge allerdings anders und hielt an dem Willen zum Krieg fest. Aud diesem Grunde war es auch ohne Belang, das die serbische Regierung das Ultimatum fast vollständig erfüllt hat.

Ich sehe das ähnlich.

Wenn man dazu die inzwischen erschienene Publikation von Clark [Schlafwandler] nimmt, geht es ihm im Schwerpunkt um die serbische Kriegsschuld. Um so wichtiger wird für die Seriösität der Forschungsarbeit die Frage der Antwortnote, bei der man seitens Clark eine sorgfältige und umfassende Auseinandersetzung mit dem Forschungsstand erwarten müsste. Nichts dergleichen erfolgt. Hier die entscheidenden Abschnitte:

"Es fällt schwer, Musulins ehrfürchtiger Bewunderung für diesen geschickt ausformulierten Text zu widersprechen. Die häufig zu hörende Behauptung, diese Antwort sei einer fast vollständigen Kapitulation vor den österreichischen Forderungen gleichgekommen, ist von Grund auf falsch. Es handelt sich hier um ein Dokument, das für Serbiens Freunde geschrieben wurde, nicht für seinen Gegner. Es bietet den Österreichern erstaunlich wenig.1421 Vor allen Dingen schiebt es Wien den Schwarzen Peter zu, ..."

[es folgt eine Reihe von Unterstellungen ohne Beleg, und ohne Bezug zur Kernfrage des Kriegsgrundes aufgrund der Antwortnote, aufgezogen als Traktat gegen serbische Perfidie, danach resümierend:]

"In Wirklichkeit handelte es sich um eine hübsch verpackte Ablehnung der meisten Forderungen. Man kann sich durchaus fragen, ob Pašić nicht einen anderen Kurs hätte einschlagen können. Immerhin hatte er inzwischen mit seiner Weigerung, durch die Schließung irredentistischer Netzwerke die Initiative zu ergreifen, zugelassen, dass die Krise diesen Punkt erreicht hatte. Verschiedene Gründe für die Passivität des Regierungschefs nach dem 28. Juni wurden bereits erörtert: seine anhaltende Verwundbarkeit nach den aktuellen Auseinandersetzungen mit der Militärpartei und dem Netzwerk der Schwarzen Hand, die tief verinnerlichten Gewohnheiten der Zurückhaltung und Verschwiegenheit, die er sich im Laufe von mehr als dreißig Jahren an der gefahrvollen Spitze der serbischen Politik angeeignet hatte, sowie die grundlegende Sympathie Pašićs und seiner Kollegen für die Sache der Irredentisten. Dem muss eine weitere Überlegung hinzugefügt werden: Pašić dürfte allen Grund gehabt haben, eine gründliche Untersuchung des Verbrechens zu fürchten, weil dies durchaus Verbindungen hätte aufdecken können, die in das Zentrum der serbischen politischen Elite reichten. Jedes Licht, das auf die Machenschaften von Apis fiel, hätte Belgrads Stellung, milde ausgedrückt, erheblich schwächen können. Viel beunruhigender war jedoch die Möglichkeit, dass bei der Verfolgung und Ermittlung gegen den Doppelagenten Ciganović, den die Österreicher bereits als Tatverdächtigen im Visier hatten, aufgedeckt worden wäre, dass Pašić und seine Minister im Voraus von den Attentatsplänen gewusst hatten – ein Vorauswissen, das Pašić in seinem Interview mit der Budapester Zeitung Az Est (Der Abend) vom 7. Juli vehement dementiert hatte. In gewissem Sinn verlangten die Österreicher vielleicht wirklich das Unmögliche, nämlich dass das offizielle Serbien der politischen Landkarte das expansionistische, ethnische Serbien des Irredentismus in die Schranken wies. Das Problem bestand darin, dass die beiden voneinander abhängig und untrennbar miteinander verknüpft waren; sie waren zwei Seiten desselben Gemeinwesens. Im Kriegsministerium in Belgrad, einem offiziellen Gebäude, wie es kaum ein anderes gab, hing vor dem großen Empfangssaal das Bild einer serbischen Landschaft mit einer allegorischen weiblichen Figur im Vordergrund, auf deren Schild die »noch zu befreienden Provinzen« aufgezählt waren: Bosnien, Herzegowina, Vojvodina, Dalmatien und so weiter.1422"

Wie man daraus sieht:

Keinerlei Auseinandersetzung von Clark mit der Kernfrage, ob die Antwort die Kriegserklärung rechtfertigt, keine Auseinandersetzung mit dem Forschungsstand.

Die Spitze stellt der völlige banale Bildhinweis dar [wenn man denn überhaupt systematisch verwenden möchte, dann im Kontext des Nachweises serbischen Nationalismus und der Großmachtträume. Dafür ist er allerdings völlig überflüssig, den Nachweis kann man auch stringenter führen]. Und die beiden Zitate sind unzureichend, einseitig, und zT veraltet:


1421 Roberto Segre, Vienna e Belgrado 1876–1914, Mailand [1935], S. 78; siehe auch James Joll, The Origins of the First World War, London 1984, S. 13; Joachim Remak, »1914 – The Third Balkan War: Origins Reconsidered«, in: Journal of Modern History, 43 (1971), S. 353–366.
1422 Siehe »Monarchiefeindliche Bilder im Belgrader Kriegsministerium«, eine dem Dossier beigefügte Notiz, das nach Eingang der serbischen Antwort an die österreichisch-ungarischen Gesandtschaften verschickt wurde, ÖUAP, Bd. 8, Dok. 10654, S. 665–704, hier S. 704.


Wenn man es mal ähnlich - höflich gesagt: - "rhetorisch" formulieren würde wie Clark: derartig unsaubere Arbeit würde bei einem Forschungsanspruch in jeder Examensarbeit zum Thema bemängelt, und in jeder Disputation um die Ohren geschlagen werden.
 
Zurück
Oben