Also konnte man ohne Einladung des Hausherren, in Schloss Verseille ein- und ausgehen, solange man jemand kannte - Durft man dann auch an der Tafel speisen oder war das nicht allen vergönnt?
Welches sind denn diese "ersten Familien Frankreichs"?
Bei den Besuchern von Versailles ist in verschiedene Gruppen zu unterscheiden.
Da gab es zum einen die
königliche Familie. Diese wohnte ohnehin einen großen Teil des Jahres dort, einmal abgesehen von den Prinzessinnen und Prinzen die schon an einen anderen Hof durch Heirat oder Erlangung einer Krone gekommen waren oder bspw. den Weg ins Kloster gewählt haben.
Dann gab es jene Hofadeligen, welche erreichten, dass sie
im Schloss Versailles wohnen konnten. Scheinbar genügte vielen Adeligen mit dem Wohnrecht im Schlosstrakt selbst diese Unterkunft nicht, denn viele richteten sich noch außerhalb des Schlosses eine Wohnung ein oder errichteten ein Palais. Dennoch war es ein großes Privileg im Schloss theoretisch wohnen zu können und entsprechend begehrt.
Dann gab es jene Adeligen, die zwar nicht im Schloss von Versailles wohnen konnten (weil sie keine guten Beziehungen zu den dafür zuständigen Hofbeamten hatten oder kein Platz frei war...), aber
der königlichen Familie vorgestellt worden waren. Diese Adeligen hatten den Vorteil bspw. vom König eher Beachtung geschenkt zu bekommen und zählten wie die oben genannten Adeligen zum eigentlichen Hof. Eine besondere Ehre war es für die Adeligen beim Levée oder Coucher des Königs bzw. der Königin eine Rolle zu spielen, oder auch nur zugegen sein zu dürfen. Zu den größten Gunstbezeigungen zählte es, wenn man zum auserwählten Kreis derjenigen gehörte, welche auf die Jagd des Königs geladen wurden oder die dann unter Louis XV bei den intimeren Soupers des Königs zugegen sein konnten, wozu nur wenige Adelige (um die 20, wenn ich mich recht entsinne) Zutritt hatten.
Auch wenn man nicht dem König vorgestellt worden war, konnte man sich, wenn man halbwegs von Stand war in Versailles verkehren, wurde aber von der eigentlichen Hofgesellschaft kaum bis garnicht beachtet. Die Vorraussetzung dafür war, dass man ordentlich gekleidet war. Ich glaube, es gab sogar einen Verleih von Degen für Leute, die keinen besaßen, aber passend herumlaufen wollten. Diese Personen waren aber bei wichtigen Anlässen nicht zugegen und hatten keine Chancen dem König aufzufallen. Es wird immer wieder erwähnt, dass die eigentlichen Hofadeligen, also diejenigen welche vorgestellt worden waren, rote Absätze als besonderes Privileg tragen durften.
Tatsächlich sieht man diese Absätze oft auf zeitgenössischen Gemälden des 18.Jh..
Du hast die
Mahlzeiten angesprochen.
Da muss man klar unterscheiden zwischen Mahlzeiten der königlichen Familie mit eher Schaucharakter und gemeinschaftlichen Essen der Hofgesellschaft. Das offizielle Diner des Königspaares nahm dieses im Sitzen ein, während die adelige Gesellschaft stehend dieses anschauen konnte. Bedeutende Personen wie der Großfürst von Russland Paul durfte sich auch bei seinem Besuch bei Louis XVI dazu setzen.
Dann gab es eher inoffizielle Mahlzeiten, die sozusagen außerhalb des Zeremoniells stattfanden. Bedeutend waren diesbezüglich die Soupers des Königs, wobei auch zur Zeit von Louis XV und der Madame de Pompadour die Mätresse des Herrschers anwesend war und wobei man sich verhältnismäßig ungezwungen verhielt. Dann gab es noch große Festessen zu wichtigen Anlässen, wobei die Hofgesellschaft gemeinsam speiste. An den meisten Höfen Europas war es dann so, dass es eine der Rangfolge entsprechende Sitzordnung gab. Unbedeutende Adelige wurden auch bisweilen in Räumen verköstigt, die von denen der Spitze der Feudalgesellschaft getrennt waren.
Bei den Bällen gab es auch schon so etwas wie ein Buffet.
Von diesen verschiedenen Mahlzeiten sind noch diejenigen zu unterscheiden, welche Hofadelige in ihren Räumen ihren Freunden oder unterstellten Beamten gaben, bspw. wenn der Kriegsminister ein Essen gab und vor allem Befehlshaber und Beamte einlud.
Mit "die ersten Familien Frankreichs" meine ich die Familien, welche durch ihre Verdienste und Posten im Staat einen besonderen Ruf genossen und jene, die ihre Ahnen so weit in die Vergangenheit als adelig nachweisen konnten, dass sie das Recht hatten, den König als "Vetter" anzureden.