Norddeutscher Bund aber kein Kaisertitel?

excideuil

unvergessen
1806 plante der franz Außenminister Talleyrand einen Norddeutschen Bund unter Führung Preußens. Er schlug vor, " Preußen durch die Bildung einer norddeutschen Gegenföderation unter der Herrschaft eines preußischen Kaisers in das neue System verstärkt mit einzubeziehen, um dadurch das politische Übergewicht des französisch gesinnten Bundes in Mitteleuropa auszugleichen." [1] (Hervorhebung von mir)

Die Idee eines preußischen Kaisers war 60 Jahre alt, als der Norddeutsche Bund 1866/7 politische Realität wurde.

Mich erstaunt, dass der König von Preußen nicht zum Kaiser erhoben wurde.
Bei Wiki heißt es nur dazu: "Dem König von Preußen stand das Präsidium des Bundes zu, auf einen Titel wie „Kaiser“ verzichtete man."

Warum?
Wollte man (mit Blick auf das Ausland) keine Provokation auslösen, dagegen Vertrauen gewinnen, vllt. im Hinblick auf die süddeutschen Staaten?
War der König dagegen?
Oder konnte der Titel Kaiser nicht vergeben werden, weil mögl. Kandidaten (auf den Kaisertitel) wie Bayern in einem zukünftigen gesamtdeutschen Staat verprellt werden konnten?
Oder war es in der Situation einfach nicht wichtig?

Grüße
excideuil

[1] Bernstein, Amir D.: Von der Balance of Power zur Hegemonie – Ein Beitrag zur europäischen Diplomatiegeschichte zwischen Austerlitz und Jena/Auerstedt, Duncker & Humblot, Berlin, 2006
 
Meinem Wissen nach hatte der Kronprinz Friedrich Wilhelm während der Friedenverhandlungen den Gedanken ventiliert, das sein Vater König von Deutschland werden solle. Denn dies entspräche, seiner Meinung nach, der Macht Preußens.

Bismarck hingegen machte geltend, dass es ja bekanntermaßen in Deutschland noch andere Könige gäbe und die müssten dann den Herzogstitel annehmen, was sie sicher ablehnen würden. Friedrich-Wilhelm vertrat zwar die Auffassung, dass die Könige dies müssten, zog seine Idee aber zurück.

1867 kam dann aber von ihm der Vorschlag, sein Vater könne ja Kaiser von Deutschland werden. Auch daraus wurde bekanntermaßen nichts.

Ich persönlich glaube, das die Zeit dafür noch nicht da war, weil durch ein norddeutsches Kaisertum die Vereinigung mit den Süddeutschen nicht eben leichter gefallen wäre. Ich weiß auch nicht, wie ein Begründung des Kaisertums im Norden gewirkt hätte.
 
1806 plante der franz Außenminister Talleyrand einen Norddeutschen Bund unter Führung Preußens. Er schlug vor, " Preußen durch die Bildung einer norddeutschen Gegenföderation unter der Herrschaft eines preußischen Kaisers in das neue System verstärkt mit einzubeziehen, um dadurch das politische Übergewicht des französisch gesinnten Bundes in Mitteleuropa auszugleichen." [1] (Hervorhebung von mir)

Von der Zeit habe ich keine Ahnung, deshalb erlaube eine Zwischenfrage:
Warum möchte ein französischer Außenminister eine Gegenföderation mit einem preußischen Kaiser fördern, eigenes politisches Übergewicht stört doch nur die anderen?
 
Meinem Wissen nach hatte der Kronprinz Friedrich Wilhelm während der Friedenverhandlungen den Gedanken ventiliert, das sein Vater König von Deutschland werden solle. Denn dies entspräche, seiner Meinung nach, der Macht Preußens.

Bismarck hingegen machte geltend, dass es ja bekanntermaßen in Deutschland noch andere Könige gäbe und die müssten dann den Herzogstitel annehmen, was sie sicher ablehnen würden. Friedrich-Wilhelm vertrat zwar die Auffassung, dass die Könige dies müssten, zog seine Idee aber zurück.

1867 kam dann aber von ihm der Vorschlag, sein Vater könne ja Kaiser von Deutschland werden. Auch daraus wurde bekanntermaßen nichts.

Ich persönlich glaube, das die Zeit dafür noch nicht da war, weil durch ein norddeutsches Kaisertum die Vereinigung mit den Süddeutschen nicht eben leichter gefallen wäre. Ich weiß auch nicht, wie ein Begründung des Kaisertums im Norden gewirkt hätte.

Es gab also Gedanken dazu. Alles andere hätte mich auch wirklich gewundert, wobei mich die Idee zu den Herzögen dann doch etwas den Kopf schütteln läßt. Die, die ihre Rangerhöhung dem "Usurpator" Napoleon verdankten, und ihre Titel nach seinem Sturz trotzdem behielten, sollten sie dann wieder ablegen? Kaum glaubhaft und recht realitätsfern!

Sicher hast du recht, dass es Probleme mit den süddeutschen Staaten hätte bringen können.

Grüße
excideuil
 
Von der Zeit habe ich keine Ahnung, deshalb erlaube eine Zwischenfrage:
Warum möchte ein französischer Außenminister eine Gegenföderation mit einem preußischen Kaiser fördern, eigenes politisches Übergewicht stört doch nur die anderen?

Herzlich gern!

Napoleon hatte Frankreich räumlich vergrößert, und mit den süddeutschen Staaten (Bayern, Württemberg, Baden ...) den Rheinbund gegründet. Mit Österreich war der Frieden von Preßburg geschlossen. Talleyrand wollte als 3. deutsches (Gegen-)Gewicht den Nordbund unter der Führung Preußens, versuchte gleichzeitig mit Rußland und auch England Friedensschlüsse zu erzielen. Das hätte ein neues Gleichgewicht auf dem Kontinent bedeutet. Ganz nebenbei wäre dieses System auch ein Ende der weiteren räumlichen Ausdehnung ( Stichwort Hegemonie) Frankreichs gewesen. Hat leider nicht funktioniert.

Grüße
excideuil
 
Der Kaisertitel war zu dieser Zeit einfach nicht mehr modern. Erst zur Reichsgründung kam er wieder ins Gespräch, da die süddeutschen Staaten, in Erinnerung an die Wiener Kaiser, eben nur so die preussische Führung anerkannten. Es war eigentlich ein Schritt zurück, weg von den Bundestaaten und dem Bundeskanzler, hin zu altem Reichsgedanken.
 
Ich kann zwar keine Quellen nennen, aber ich möchte die These wagen, dass der Titel "Kaiser" dem gesamtdeutschen Staat (sei es in der klein- oder großdeutschen Variante) vorbehalten sein sollte. Konsequenterweise wurde dann bei der Reichsgründung der Kaisertitel wieder vergeben.

Die Paulskirchenverfassung ? Wikipedia von 1848 (als kleindeutsche Lösung) sah den Kaisertitel übrigens vor.
 
[FONT=&quot]Am 10.Janaur 1870 hatte Bismarck die Umbenennung der außenpolitischen Dienststellen in Auswärtiges Amt des Norddeutschen Bundes und Gesandter des Norddeutschen Bundes vorgenommen. Gleichzeitig ist auch durchgesickert das Bismarck plane, Wilhelm I. zum Kaiser des Norddeutschen Bundes krönen zu lassen.[/FONT]
[FONT=&quot]
[/FONT]

[FONT=&quot]Bismarck hatte dies in einem Gespräch mit dem Kronprinzen am 07.Januar geäußert und der britischen Außenminister Lord Clarendon war vom Botschafter der Donaumonarchie Wimpffen am 11.Januar entsprechend informiert worden. Bismarck hatte in dieser Sache auch mit Clarendon Ende Januar einen Meinungsaustausch und dann das Projekt vorläufig ruhen lassen. Beust, der Reichskanzler Österreich-Ungarns war natürlich alarmiert.[/FONT]
 
Nun, eventuell wäre der Titel "Kaiser des Norddeutschen Bundes" auch einfach zu lächerlich. Denn es gab ja im Bund nur ein zusätzliches Königreich, Sachsen ...
Und der König in Sachsen hätte dem "Kaiser" vielleicht noch zu gestimmt.
Aber was für ein Kaiser wäre das gewesen?

Die Presse und andere hätten bestimmt gelästert:(Vermutung)
"Nun wird der König einer Sandbüchse auch noch ein Kaiser von Fliegenschissen"
Man sehe sich mal die Liste des Norddeutschen undes an
 
Zu bedenken ist auch, dass sich Wilhelm I. auch nach der Kaiserkrönung (gegen die er sich ja bekanntermaßen bis zuletzt sträubte) bis zu seinem Tod 1888 in erster Linie als König von (und nicht mehr wie zu Beginn preußischer Königsherrschaft "IN") Preußen sah. Hier überlagerten sich anscheinend der Nationalismus des 19. Jh. auf mehreren Ebenen.

@ Wilfried: Dein Zitat gefällt mir überaus gut! ("Nun wird der König einer Sandbüchse auch noch ein Kaiser von Fliegenschissen") Entstammt es deinem Geiste oder ist es ein allgemein bekannter Ausruf?
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Ravenik:

Ja, ich hatte vergessen, dass es im Thread ausschliesslich um den NDB ging. Daher hatte ich auch bereits vor deiner Antwort meinen Edit gelöscht ;-)

Dass die Süddeutschen Territorien nicht Bestandteil des NDB waren, ist mir natürlich klar ;)
 
Das ist eine Vermutung, was die Presse geschrieben hätte, wenn denn der norddeutsche Bund nen Kaiser gekrönt hätte ...
 
Ein Artikel der antipreussischen, möglicherweise von Wien und Paris beeinflussten, Presse. Es gab im Pressechor auch andere Stimmen.
 
nun, so etwas wäre da , eigentlich nur da , möglich gewesen, aber es ist eine Spekulation, die allerdings den realen Hintergrund hat, das der König des mittlerweile ja sehr großen Preußen als "Kaiser" des NBD ebenKaiser von zusätzlich sehr wenig mehr als Preußen gewesen wäre.

Ich kann mir durchaus vorstellen, das Wilhelm sich mit diesem Titel ohne zusätzliche Macht lächerlich vorgekommen wäre.
 
Ich kann mir durchaus vorstellen, das Wilhelm sich mit diesem Titel ohne zusätzliche Macht lächerlich vorgekommen wäre.

Ein "Kaiser des Norddeutschen Bundes" ist tatsächlich eine absurde Vorstellung. Erst die Möglichkeit, ganz Deutschland 1871 unter einen Hut zu bringen, bot Bismarck die Chance zur Errichtung eines zweiten Kaiserreichs.
 
So absurd nun auch wieder nicht, denn Bismarck kam in der Einigungsfrage mit den süddeutschen Staaten nicht vom Fleck.

Sein Gegenspieler in Wien, Beust, zeigte sich auf dem diplomatischen Parkett im Süden Bismarck durchaus gewachsen. Er verstand es mit Takt und Einfühlungsvermögen auf die Süddeutschen einzuwirken. Sein fein gesponnenes Netz aus Druck, Lockungen und Warnungen, der er mit der Werbung von Sympathie für Österreich und Weckung von Antipathien gegen Preußen eng zu verknüpfen wußte, führte im Zusammenspiel mit dem von Frankreich mit drohender Geste ausgeübten Druck zum Erfolg. Die Süddeutschen fühlten sich in ihrer Bewegungsfreiheit immer stärker eingeschränkt. Das Ergebnis der Zollparlamentswahlen in Bayern und Württemberg dürfte für Bismarck reichlich ernüchternd gewirkt haben, denn dort haben die Pateien obsiegt, die gegen eine kleindeutsche Lösung und klar antipreussisch eingestellt waren. Bismarck brauchte eine Objekt, was das Nationalgefühl der Deutschen wieder entfachen konnte. Da war ihm die Kaiseridee gerade recht.
 
Aber nicht "Kaiser von Norddeutschland"! :D


Hierzu ein Zitat aus dem Tagebuch des Kronprinzen Friedrich Wilhelm vom 27.März 1870:

"Bismarck arbeitet im Verein mit Roon u. Moltke an einer Regelung der nationalen Frage, indem die KaiserFrage ernstlich in Angriff genommen wird! in diesem Augenblick bleibt ihm unter den obwaltenden Umständen kein anderer Ausweg übrig um aus der polit. Zerfahrenheit und Sackgasse herauszukommen. Also auch diese Frage als Nothbehlef seinen Händen anvertraut."

Baumgart, Kaiser Friedrich III. Tagebücher 1866-1888, S.158-159
 
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