Die bisherigen Beiträge zeichnen m.E. ein einseitiges Bild der napoleonischen Ära und ihrer Bedeutung für Europa
Zunächst sollte man eine Reihe von analytischen Dimensionen unterscheiden, um die Fragestellung zu vertiefen:
1. welche politischen Ziele hat er real verfolgt?
2. welche Ziele hat er zur politischen Rechtfertigung formuliert?
http://www.jstor.org/discover/10.2307/40194603?uid=3737864&uid=2&uid=4&sid=21101544490443
3. welche Entwicklungen hat er durch seine Politik und durch seine Kriegsführung angestoßen?. allerdings ist dabei zu unterscheiden nach:
3.1 welche hat er intendiert und auch in die Praxis umgesetzt
3.2 welche egaben sich als quasi Adaption des Modernisierungsdrucks, der durch seine Aktionen erzeugt worden sind. Diesen Effekt kann man z.B. in Preußen im politisch-administrativen und militärischen Bereich als Modernisierung erkennen.
Eine Beantwortung der aufgeworfenen Fragen werde ich kaum hier leisten können, sondern eher eine fragmentarische Kommentierung.
Insgesamt ist es sicherlich richtig, die nachträgliche Rechtfertigung und die egoistische Ausrichtung seiner dynastischen Ziele bei der Eroberung sehr kritisch zu sehen, wie Excideuil es ja auch macht.
Gleichzeitig wurden durch ihn jedoch auch Fakten geschaffen, die jenseits von dynastischer Willkür lagen und wichtige Elemente der Modernisierung der europäischen Staaten beinhaltete.
Als da wären:
- die zunehmende Bedeutung des Nationalstaates, wie beispielsweise bei Bell beschrieben
The Cult of the Nation in France: Inventing Nationalism, 1680-1800 - David Avrom. BELL, David Avrom Bell - Google Books
- die zunehmende Ausweitung der Bürokratie als zentrale Institution des Nationalstaates und die damit zusammenhängende Integration des Nationalstaates
- auch ein wichtiger Aspekt, der erst die Mobilisierung und Aufstellung der zukünftigen gewaltigen Massenheere ermöglichte (ein durchaus sehr problematisches Erbe)
- aber auch das Aufbrechen bisheriger staatlicher Strukturen (HRR etc.)
Napoleon's Integration of Europe - Stuart Joseph Woolf - Google Books
wie auch z.B. bei Rowe beschrieben:
From Reich to State: The Rhineland in the Revolutionary Age, 1780-1830 - Michael Rowe - Google Books
- Auf seinen Anteil an der Militarisierung Europas (vgl. Parker und Howard dazu), durch die Steigerung der Effizienz staatlicher Administration, bin ich kurz eingegangen und diese Form der bellizistischen Sichtweise wird dann auch ein Teil des europäischen Verständnisses im Rahmen der Politik gegenüber der restlichen Welt, stichwort Imperialismus
Imperien: Die Logik der Weltherrschaft - vom Alten Rom bis zu den ... - Herfried Münkler - Google Books (vgl. z.B. S. 60)
Und nicht zuletzt thematisiert er eine Idee, die Idee einer vernüftigen Weltordnung (auch wenn er sie selber gründlich diskreditiert hat), die weiter über die Wiener Konferenz, dem Völkerbund in die UNO einmündet wie Mazower es darstellt.
Governing the World: The History of an Idea - Mark Mazower - Google Books