1. Siehst du, genau das glaube ich nämlich seit Browning und Welzer nicht mehr.
Das perfide war die langsame Heranführung an die Verbrechen, dass man zunächst immer nur ein kleines Rädchen in einer großen Maschine war. Man bedenke die Genese des Holocaust. Der mag von der Führung so gewünscht gewesen sein, aber möglich wurde er, weil die Grenzen schrittweise überschritten wurden.
2. Und ich glaube, wenn den Menschen vorher klar gewesen wäre, was 1945 alles auf das Konto der Deutschen ging, dann hätten viel mehr Leute an viel früheren Stellen gesagt: "Nein, da mache ich nicht mehr mit."
3. Es wäre leicht, Täter zu verurteilen, stereotype SSler und alle anderen waren halt unschuldig oder allenfalls leicht mitschuldig. Nein! Es geht darum den zukünftigen Generationen zu vermitteln, dass man rechtzeitig "Stopp!" sagt.
zu 1. Mit den militärischen Erfolgen dynamisierte sich das Vernichtungssystem. Es gab sicherlich Personen, die wie Browning es beschreibt, mehr oder minder in diese Rolle "reingerutscht" sind, andere sind aber sehr bereitwillig auf die "Rutschbahn" gestiegen, um mit dabei zu sein.
Wie beispielsweise die Gestapo-Beamten im Rahmen von "T-4", die bereits bis 41 ca. 70.000 liquidiert hatten, wurden ja auch gezielt für den Osten als "Spezialisten" angefordert und gingen gerne.
Und auch diesen Mechanismus zeigt der Film nicht angemessen. Er wird verpackt in Szenen, in denen beispielsweise der Hauptmann zu dem Leutnant sagt, "Wilhelm wir müssen die Zeit vergessen, die wir kannten" (sinngemäß). Der Hauptmann stand bereits oben auf der "Rutschbahn". Wieso war er aber oben und der Leutnant zu diesem Zeitpunkt noch unten?
zu2. Kann sein und ich hoffe rückwirkend, Du hast recht mit der Einschätzung. Ich befürchte mindestens Götz Aly würde Dir widersprechen wollen. Und in folgendem Buch wird ja auch deutlich, wie bereitwillig man sich hat verführen lassen, obwohl man die Chance hatte, eine kritische Sichtweise zu bekommen.
"Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne": Tagebücher 1939-1945 - Friedrich Kellner - Google Books
Der fausttische Pakt, Karriere gegen Mitmachen, war ja eine universelle Größe, die nicht nur für die Wehrmacht und die Aussicht auf Beförderung relevant war. Ebenso für die SS-Elite und die Bevorzugung eines technokratischen Verhaltenscodex.
Hitlers Elite: Die Wegbereiter des nationalsozialistischen Massenmords - Christian Ingrao - Google Books
zu 3. Volle Zustimmung! und das ist ja genau mein Kritikpunkt. Dieses wird m.E. nicht geleistet.
Im Interview mit Frau Hempel wird deutlich, was die Ziele sind. Die Maximierung der Quote, eine Senkung des Durchschnittsalters des ZDF-Zuschauers und eine "moderne" (State of the Art) ästhetische Inszenierung des Films.
Gemeint ist damit im wesentlich genau das, was ich mit Wember und Knilli kritisierte, dass die didaktische Wirkung von solchem Histotainment komplett an die Wand gefahren wird.
Beim Zuschauer bleibt die Erkenntnis vieler "bunter Bilder" und von sehr viel sinnloser Brutalität und Gewalt.
Interview mit Heike Hempel zu "Unsere Mütter, unsere Väter" - SPIEGEL ONLINE
Ein Film, der die Widersprüche und die Brüche, die Genese der Gewalt deutlich besser und prägnanter auf den Punkt bringt, ist der Film "Die Brücke". Gerade weil er auch eine Gruppe von jungen Menschen in das Zentrum stellt und sie ebenfalls sehr schnell in den Bereich der Grenzerfahrung von Krieg und Tod führt. Und das wesentlich überzeugender!
http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Br%C3%BCcke_%281959%29