Auguste von Kielmannsegge - Eine Spionin Napoleons?

excideuil

unvergessen
Zu allen Zeiten gab oder gibt es recht undurchsichtige, geheimnisumwitterte Personen; so wohl auch diese Dame:

Auguste Charlotte von Kielmannsegge ? Wikipedia

Mein Interesse bestünde nicht, hätte die Dame nicht den Weg des Fürstin Talleyrand gekreuzt und wäre mir nicht in einigen Biografien dieses Zitat untergekommen:

"30. März [1812] Herr von Talleyrand fragte mich: "Was denken Sie? Welche Meinung wird die Nachwelt von mir haben?" - "Dass Sie ein Mann sein wollen, um den die Meinungen sich streiten." - "Ja, ja, so ist's, so ist's ganz genau! Ich will, dass man sich jahrhundertelang darüber streitet, was ich gewesen bin, was ich gedacht und gewollt habe." [1]

Was nicht bei Wiki steht ist, dass seit 1800 eine enge Freundschaft zwischen der Gräfin von Kielmannsegge und der Herzogin von Kurland bestand.
Bekanntlich hatte Talleyrand im Zuge des Erfurter Fürstenkongresses 1808 den Zaren Alexander I. bewogen, sein Heiratsprojekt mit der jüngsten Tochter der Herzogin, Dorothée, mit seinem Neffen Edmond zu unterstützen. Im Zuge dieser Heirat übersiedelten Mutter und Tochter nach Paris.

Die Gräfin v. Kielmannsegge wurde durch die Herzogin nach Paris eingeladen, auch um persönliche Dinge, der Graf von Kielmannsegge war ein erklärter Napoleongegner, zu regeln.
Sowohl durch die Beziehungen Talleyrands und der Herzogin und des sächsischen Botschafters Graf Senfft fand sie Eingang in die Pariser Gesellschaft und wurde Ende 1809 zusammen mit der Herzogin beim Kaiser eingeführt.
Keine Frage auch, dass Sie in den Salons von Talleyrand und der Herzogin herzliche Aufnahme fand.

Die Idylle trügt, die Gräfin wusste natürlich, dass der Fürst in Ungnade war und damit für eine Napoleonbewunderin ein natürlicher Feind. Entsprechend auch Ihr Bild zu ihm:

"Als Herr von Talleyrand mir mit seinem unsicheren Schritt, schwerem Körper, seinen blitzenden Augen, Schlangenmund und Gebiss, mit seinem Starrsucht erregenden Lächeln entgegenkam und mir unnatürliche Schmeicheleien aus diesem Körper entgegentönten, da dachte ich: die Natur ließ dich wählen zwischen Tiger und Schlange. Du wähltest Anakonda zu sein! ... [2]

Und so geht es noch eine knappe Seite weiter.
Schon im gleichen Jahr muss die Gräfin erkennen, dass die einstige Bewunderung der Herzogin für Napoleon verschwunden ist. Hier stellt sie wohl nicht in Rechnung, dass die Bezüge der Herzogin, die seit der 3. poln. Teilung russische Untertanin ist, vom Wohlwollen des Zaren abhängig sind und dass das einstige Idol Risse bekommen hat:

"Sie selbst [Herzogin von Kurland], voll Liebe und Aufmerksamkeit für mich, befand sich gänzlich unter dem Einfluss des Herrn von Talleyrand, der die Gunst des Kaisers verloren und seitdem des Kaisers Unglück destillierte. Die Herzogin von Kurland hatte kein Herz mehr für Napoleon und empfand es als eine Vermessenheit, ihm treu zu bleiben, weil ihr, mein und anderer Menschen Verstand da aufhöre, wo des Fürsten von Bénévent (Talleyrand) Verstand anfange." [3]

Damit waren die Fronten klar. Allerdings habe ich, ähnlich wie Wiki, so recht keine Hinweise auf eine Agententätigkeit der Gräfin finden können. Ihre Memoiren geben nicht wirklich etwas her. Sie spricht von Intrigen des Kreises um Talleyrand wie z.B. hier:

"Am 14. September [1811], als ich abends in den Salon der Herzogin von Kurland eintreten wollte, hörte ich die Stimmen der Herzogin, des Herrn von Talleyrand und der Frau von Laval so heftig und so erzürnt sprechen, dass ich im leeren Vorplatz stehenblieb. Ich hörte die Übereinkunft des schändlichsten Verschwörungsplanes gegen den Kaiser; gegenseitiges Versprechen ihm Schlingen zu legen und den Kaiser vun Russland zum äußersten zu bringen. Herr von Talleyrand endete mit den Worten: "Et voilà la façon dont nous le perdons!"
Die Damen umarmten sich, schlugen freudig in die Hände und erwiderten: "Nous le perdrons! Nous le perdons!" [4]

Mal davon abgesehen, welch ungehinderten Zugang die Gräfin zu den Salons hatte, ist es recht unglaubwürdig, dass Talleyrand zu solchen Tschakka-Tschakka- Einpeitschungen, die eher an moderne Führungskräfte erinnern, gegriffen haben soll:

Eine langjährige Freundin des Fürsten,
Aimée de Coigny, äußerte sich einmal so über den Fürsten:

„M. de Talleyrand […] erschien uns immer halb-trügerisch. Das einzige, was er offen zeigte, war seine Unzufriedenheit, aber die Form, die er ihr geben würde, blieb uns verborgen und beunruhigte uns umso mehr, als sie uns Hoffnung machen könnte.“ [5]

Keine Frage, die Gräfin fand Eingang in die Pariser Gesellschaft und zur kaiserlichen Familie und lernte die Persönlichkeiten des Kaiserreichs kennen. Als Beispiel mag Champagny gelten, von dem sie ein recht zutreffendes Bild erstellt:

"Ich sah in ihm ein geschmeidiges, verwirrtes, halbblindes Wesen, einen nicht sicheren Mann - einen Anstand, der sich leicht verwickelt - die Freundlichkeit eines Zerstreuten - Züge eines schwachen, unruhigen und unglücklichen Staatsbeamten, den das Glück auf eine Höhe stellte, auf der er sich nicht zu halten vermochte, und dessen Tage der Gunst dem Missgeschick abgebettelt schienen." [6]

Oder eine Begegnung mit Caulaincourt, einem Freund Talleyrands:

"Er ritt an meinen Wagen und fragte mich, wo ich hinfahre. Ich erwiderte: nach Saint-Germain, um mit Herrn von Talleyrand bei der Herzogin von Kurland zu speisen. Herr von Caulaincourt sagte: "Bitte sagen Sie Herrn von Talleyrand, er möchte sich meiner erinnern." - "Diese Phrase ist für einen Freund recht banal." - "Für mich, Madame, gibt es sehr wenige Personen, von denen ich wünsche, dass sie sich meiner erinnern." [7]

Von einer Agententätigkeit erwähnt die Gräfin in ihren Memoiren nichts.
Auch in den Erinnerungen der Polizeiminister Fouché und Savary kein Hinweis.
Als Exkurs sei mir Savarys Meinung zu seiner Ernennung erlaubt:

"Ich flößte jedermann Schrecken ein, jeder packte ein, man hörte von Verbannungen, Einkerkerungen und noch schlimmeren Dingen sprechen; ich glaube, dass am Ende die Nachricht von dem Ausbruche der Pest auf irgend einem der Punkte der Seeküste nicht mehr erschreckt haben würde, als meine Ernennung zum Polizeiminister." [8]

Da spürt man zwischen den Zeilen das Bedauern der Pariser Gesellschaft, dass der ehemalige Terrorist und "Königsmörder" Fouché entlassen wurde ...

Aber ausgeschlossen ist es nicht, dass die Gräfin den Kaiser über das was bei Talleyrand passierte informierte:

"Auguste von Kielmannsegge erweist sich allerdings in der Folge als wichtigste Informantin Napoleons im Hause Talleyrand und trägt 1812 auf Grund des Vorwurfes zu Gunsten der Russen zu konspirieren, nicht unwesentlich zur Flucht der Herzogin aus Paris bei. Zuvor kommt es zum Bruch im Verhältnis der beiden Damen, als die Spitzelei in Talleyrands Kreis bemerkt wird. [Talleyrand selbst warnt die Herzogin in seinen Briefen vor "diesem großen ungeschlachten Frauenzimmer von Kielmannsegge ... die in meinem Haus dauernd Intrigen stiftet"[9]] Jetzt benutzt die Kielmannsegge allerdings das gute Verhältnis zu Dorothée nicht nur, um Mutter und Tochter zu entfremden, sondern auch, um ständige Informationen über das Tun der beiden Gegner Napoleons zu erlangen. Zahlreiche, der im Brandenburgischen Landeshauptarchiv verwahrten Billets und Briefe verraten neben ganz alltäglichen Nachrichten auch die Konspiration in welche die noch nicht zwanzigjährige Dorothée hinein gezogen wird." [10]

Gibt es noch mehr Hinweise oder gilt dies was Günther Elbin schon 1968 schrieb:
Die Gräfin war "eine ergebene Verehrerin Napoleons, die man später stark übertreibend eine "Spionin des Kaisers" genannt hat" [11]

ZUm Schluss noch eine Anekdote aus den Memoiren der Gräfin (Geschichte soll ja nicht bierernst sein):

"Ich saß heute zwischen der Fürstin Talleyrand und Frau von Souza, der Mutter des Herrn von Flahault. Beide Damen liebten sich nicht. Spöttisch sagte die Fürstin Talleyrand der Frau von Souza: "Nicht wahr, Madame, Sie gäben Ihr Leben für Ihren Sohn?" - "Lieber Gott, ja, Madame und das Ihre dazu!" [12]

Grüße
excideuil

[1] Aretz, Gertrude: „Memoiren der Gräfin Kielmannsegge über Napoleon I.“, Paul Aretz Verlag, Dresden, 1927, Seite 115
[2] Aretz a.a.O. Seite 7
[3] Aretz a.a.O. Seite 12
[4] Aretz a.a.O. Seite 80-81
[5] Willms, Johannes: Talleyrand Virtuose der Macht 1754-1838, C.H. Beck, München, 2011, Seite 199
[6] Aretz a.a.O. Seite 13
[7] Aretz a.a.O. Seite 65
[8] Savary, Anne-Jean-Marie-René: Memoiren des Herzogs von Rovigo, Leipzig, 1828, Bd. 4, Seite 285-6
[9] André Beau: Anna Dorothea, Herzogin von Kurland, "Fürstin in Frankreich" in: Hofmann, Klaus (Hrsg.): Die Herzogin von Kurland im Spiegel ihrer Zeitgenossen, Museum Burg Posterstein, 2011, Seite 131
[10] Sabine Hofmann: Von Kurland nach Löbichau in
Hofmann, Klaus (Hrsg.): Die Herzogin von Kurland im Spiegel ihrer Zeitgenossen, Museum Burg Posterstein, 2011
[11] ] Elbin, Günther: Macht in zarten Händen – Dorothea, Herzogin von Kurland, Franz Ehrenwirth Verlag, München, 1968, Seite 226
[12] Aretz a.a.O. Seite 103
 
@exi

Was hatte die Dame mit der Bretagne zu tun? Auf Wiki gibt es einen Eintrag in bretonisch, keinen in franz.
 
@exi

Was hatte die Dame mit der Bretagne zu tun? Auf Wiki gibt es einen Eintrag in bretonisch, keinen in franz.
Gute Frage, da ist wohl vermutlich ein Bretone ein Fan der Gräfin und hat den Eintrag bei Wiki verfasst, weil hist. hatte die Sächsin nichts mit der Bretagne zu tun und ihre Besitzungen lagen nur in Deutschland.

Grüße
excideuil
 
In vielen Napoleon-Biografien - zumindest denen mit Registerteil -spielt die Gräfin keine Rolle.

Aber ich habe etwas gefunden, was wohl den Wert der Agententätigkeit der Gräfin - sofern tatsächlich stattgefunden - relativiert:

Bekanntlich war Talleyrand 1809 in Ungnade gefallen. Er selbst schreibt dazu:


"Zu gleicher Zeit musste ich aber in meinem äußeren Leben eine gewisse Gleichgültigkeit gegen die Tagespolitik zur Schau tragen, um bei Napoleon keinen Verdacht zu erregen. Schon der bloße Umstand, dass ich nicht mehr direkt in seinem Dienst war, genügte bei seinem misstrauischen Charakter zu einem solchen Verdacht; hatte er mir doch in der letzten Zeit sogar öffentlich gar manche heftige Szene bereitet ..."[1]

Hiermit ist vor allem die Szene vom 28. Januar 1809 gemeint, die ich schon einmal näher betrachtet habe:

http://www.geschichtsforum.de/f16/die-szene-vom-28-januar-1809-a-43880/

Dennoch wird der Fürt von Bénévent immer wieder auch um Rat gebeten, so auch bei der Nachfolge von Josephine obwohl er im Grunde der Meinung war, dass "selbst die Hand einer Erzherzogin, die Österreich ihm im Drange der Not zugestand, war nur ein flüchtiger Aufschub seines Falles." [2] ist.

In der Sitzung des Kronrates sprachen erst Cambacérès, dann Lebrun ... Fouche, dann er:

"Dann kam ich an die Reihe, und ich glaube, ich zog mich recht gut aus der Sache; denn ich konnte ja hier über mein Lieblingsthema sprechen. Eine Allianz Frankreichs mit Österreich, sagte ich, sei allen anderen Verbindungen vorzuziehen ... (dass Österreich dadurch gegen die napoleonischen Gelüste sichergestellt würde, sagte ich natürlich nicht), und ohne dabei Rußland zu nahe zu treten, müsste ich nach meiner Überzeugung dem habsburgischen Kaiserhause den Vorrang einräumen. "Sire", so schloss ich meine kleine Rede, "ich appelliere an Sie als Franzosen, rufen Sie eine österreichische Prinzessin auf Ihren Thron und lösen Sie dadurch den Bann, der in den Augen Europas noch immer auf Frankreich lastet, den Bann jenes Verbrechens, den es durch die Ermordung einer österreichischen Königstochter auf sich geladen, und zeigen Sie, dass nicht Frankreich dies Verbrechen begangen, sondern nur eine elende Partei ehr- und pflichtvergessener Schurken ... Sire, versöhnen Sie Frankreich mit Europa!"

Dass Talleyrand sehr aktiv an der Scheidung Anteil nahm, belegt dieser Auszug aus den Memoiren der Marquise de la Tour du Pin:

"Sie [Josephine] war sehr böse auf Herrn von Talleyrand, den sie beschuldigte, den Kaiser zur Scheidung zu drängen. Niemand war hiervon überzeugter als mein Gatte, denn während der letzten Reise nach Paris hatte Talleyrand mehrere Male mit ihm darüber gesprochen, jedoch Herr von la Tour du Pin hütete sich wohl, diese Tatsache zu enthüllen." [4]

Ganz im Gegensatz dazu der Bericht der Gräfin Kielmannegge in Ihren Erinnerungen zum letzten Auftritt der Kaiserin Josephine im Hoftheater:

"Herr von Talleyrand nahm die Herzogin von Kurland und mich in den seinigen [Wagen]. Kaum saßen wir darin, so fing er an, sich zu schütteln, ein wahrhaftes Gebrüll auszustoßen, und rief: "Das ist ja furchtbar! Ein Mann, der seine Frau wegjagt! Ich werde diese Tat rächen." [5]

Der Kaiser - sofern ihm dies zugetragen wurde - wird wohl still geschmunzelt haben und so können wir wohl davon ausgehen, dass der Wert der Agententätigkeit der Gräfin eher marginal war.

Grüße
excideuil

[1] Talleyrand: „Memoiren des Fürsten Talleyrand“, herausgegeben mit einer Vorrede und Anmerkungen von Herzog de Broglie, Original Ausgabe von Adolf Ebeling, Köln und Leipzig, 1891-1893, Bd. 2, Seite 3
[2] Talleyrand a.a.O. Seite 4
[3] Talleyrand a.a.O. Seite 7
[4]
Tour du Pin, Marquise de la: Tagebuch einer Fünfzigjährigen 1778 – 1815, Rascher Verlag, Zürich und Leipzig, 1937, Seite 256
[5]
Aretz, Gertrude: „Memoiren der Gräfin Kielmannsegge über Napoleon I.“, Paul Aretz Verlag, Dresden, 1927, Seite 44
 
"Herr von Talleyrand nahm die Herzogin von Kurland und mich in den seinigen [Wagen]. Kaum saßen wir darin, so fing er an, sich zu schütteln, ein wahrhaftes Gebrüll auszustoßen, und rief: "Das ist ja furchtbar! Ein Mann, der seine Frau wegjagt! Ich werde diese Tat rächen." [5]

Der Kaiser - sofern ihm dies zugetragen wurde - wird wohl still geschmunzelt haben und so können wir wohl davon ausgehen, dass der Wert der Agententätigkeit der Gräfin eher marginal war.

Ich habe manchmal den Verdacht, dass es Hr. von Talleyrand manchmal genoss zu schauspielern; zumindest, wenn er ein entsprechendes Publikum hatte.
 
Ich habe manchmal den Verdacht, dass es Hr. von Talleyrand manchmal genoss zu schauspielern; zumindest, wenn er ein entsprechendes Publikum hatte.
Das kann als gesichert gelten, denn auch ein Aristokrat und Ausnahmediplomat ist ein Mensch aus Fleisch und Blut mit einer Portion Emotionen.

Grüße
excideuil
 
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