Clan ist nicht identisch mit Stamm, oder?
Der Begriff ´Clan´ ist nicht eindeutig definiert und daher nur bedingt brauchbar. Anthropologisch unumstritten sind aber die Begriffe Horde (engl. band), Stamm, Chiefdom und Staat. Ich lasse ´Clan´ in der folgenden, rein provisorischen und nur als Diskussionsbasis gedachten Darstellung also weg. Historisch verlief die Entwicklung sozialer Organisation in etwa so:
1) "Band":
Das ist die englischsprachige anthropologische Bezeichnung für die früheste Organisationseinheit mit maximal etwa 100 Mitgliedern. Sie entspricht dem deutschen Begriff ´Horde´, den ich aber für so unschön halte (wegen seiner modernen pejorativen Nebenbedeutung), dass ich provisorisch lieber von ´Band´ spreche. Der Zusammenhalt basiert auf Verwandtschaftsbasis. Bis zum Neolithikum ist davon auszugehen, dass Verwandtschaft ausschließlich über die Abstammung von einer gemeinsamen Mutter bestimmt wurde, sie funktionierte also matrilinear. Sexuelle Beziehungen waren exogamisch, gab es also nur zwischen Mitgliedern verschiedener Bands. Das Inzesttabu hat vermutlich eine genetische, also instinktive Grundlage.
Aufgrund der Matrilokalität wohnte der männliche Sexualpartner während der Zeit der Beziehung (informell, also keine "Ehe") im Haus seiner Partnerin, also im Wohnbereich der matrilinearen Gruppe. Die einzigen Männer, die regulär bei den Frauen wohnten, waren Söhne einer gruppenzugehörigen Mutter, also Onkel, Brüder oder Söhne der Frauen. Sozial funktionierte die Gruppe auf weitgehend egalitärer Basis (akephale Gemeinschaft). Bei wichtigen Entscheidungen hatte die Meinung ´alter´ und erfahrener Mitglieder das größte Gewicht (hier ist zu berücksichtigen, dass die Durchschnittslebenserwartung bei paläolithischen Frauen bei 29 Jahren und bei Männer bei 37 Jahren lag). Es gab keine erwirtschafteten Überschüsse und natürlich auch keinen Kriegerstand.
2) Stamm (tribe):
Prähistorische Stämme (bis etwa 10.000 Mitglieder) setzen sich aus einer Vielzahl von "bands" zusammen und führen ihre Herkunft auf ein "Totem" zurück (mythologisierte Pflanze, Tier, Naturphänomen oder Mensch), wobei das Totem auch als omnipräsenter Schutzgeist des Stammes fungiert. Über diese religiöse Symbol - von den Stammesmitgliedern natürlich als real aufgefasst - definiert sich die Gruppenzugehörigkeit.
Es gibt zwei Grundtypen - die auf Ackerbau/Pflanzenzucht basierende Typ (Agri- und Hortikultur) und der zusätzlich Viehzucht aufweisende Typ. Ersterer geht historisch voraus, ist also eine Übergangsform vom Band-System zum System des ´Chiefdoms´, das erst im mittleren Neolithikum aufkam. Der agri-hortikulturale Typ ist noch matrilinear organisiert, der Chiefdom-Typ dagegen patrilinear. Die Herausbildung des Chiefdoms-Typs bedeutet auch den Übergang von der nicht-patriarchalen (prinzipiell egalitären) Struktur der paläolithischen und frühneolithischen Gemeinschaft zum patriarchalischen Strukturtyp (mit Einführung der "Ehe"), wie er fortan für die meisten Gesellschaften, vor allem jene der Hochkulturen, verbindlich bleibt. Politisch funktioniert das Chiefdom auf der Basis der sozialen Dominanz der Verwandtschaftsgruppe (band) des Chiefs, was als Proto-Typ des späteren Adels anzusehen ist. Wichtige politische Entscheidungen setzen aber den Konsens eines Ältestenrates voraus (Proto-Demokratie). Der Chief fungiert auch als Schlichter und Richter bei Streitigkeiten zwischen stammeszugehörigen Bands. Er ist oberster Kultherr (Priester), kontrolliert den ökonomischen und militärischen Bereich und veranstaltet Feste.
3) Staat (Königtum)
Der Staat schließt eine Vielzahl von Stämmen zu einer Einheit zusammen, an deren Spitze der König steht. Es gibt verschiedene Theorien, um Staatenbildung zu erklären. Vorherrschend ist die Theorie 1, welche die Zentralisierung innerhalb einer Vielzahl von Stämmen auf die Vorteile zurückführt, die sich dadurch für die Optimierung von Bewässerungssystemen ergab, was nur zu leisten war, wenn alle Stämme sich einer zentralen Führung unterwarfen. Theorie 2 sieht das genau anders herum: Hier geht die militärische Unterwerfung mehrerer Stämme durch einen besonders mächtigen Stamm den Verbesserungen der Infrastruktur voraus. Ich persönlich halte es mit 2.
Der frühe Staat (in Mesopotamien bis ca. 2600 vuZ) war wahrscheinlich proto-demokratisch organisiert, der König also weitgehend von Ratsversammlungen abhängig. Nach Ansicht des Sumerologen Thorkild Jacobson gab es eine Art Zweikammern-System: den Rat der Ältesten und den Rat der Jungen (= alle bewaffneten Männer). Das geht u.a. aus Passagen des Gilgamesch-Epos hervor.
(Literatur über den Konflikt zwischen Rätesystem und autokratischen Ambitionen des Königtums sichte ich z.Zt., beende den Artikel also an dieser Stelle)