Hat Canossa etwas mit dem Investiturstreit zu tun?

deggit

Mitglied
Hallo,

ich würde mit euch gerne etwas über das Thema „Investiturstreit zwischen Heinrich IV und Gregor VII“ diskutieren.

Eines der Hauptprobleme lag in der Simonie (dem Verkauf von kirchlichen Ämtern) dies gipfelte ja dann in den Investiturstreit (Wer darf in die geistlichen Ämter erheben). Dann kommt es ja zum Machtkampf zwischen Heinrich und Gregor, den Gregor erst einmal für sich entscheidet und dem berühmten Gang nach Canossa.

Jetzt hat ein Prof. letztes bei uns in der Uni die These aufgeworfen, dass der Gang nach Canossa noch gar nichts mit dem eigentlichen Investiturstreit zu tun hat. Erst danach hat Gregor sich eingemischt, außer in Mailand, wenn es darum geht geistliche Ämter einzusetzen.

Ich weiß aber nicht so recht ob ich diese Meinung teilen soll!
Gut, dass Gregor sich vorher, außer Mailand, sich nicht ins Investitieren von Heinrich eingemischt hat, das kann schon stimmen, habe ich jetzt keine Quellen für. Aber der Gang der Ereignisse ist für mich klar mit dem Mailänder Problem verbunden und da geht es nun einmal um die Investitur. Also hat auch Canossa etwas mit dem Investiturstreit zu tun.

Was meint ihr dazu?

Viele Grüße,
Thomas
 
Jetzt hat ein Prof. letztes bei uns in der Uni die These aufgeworfen, dass der Gang nach Canossa noch gar nichts mit dem eigentlichen Investiturstreit zu tun hat. Erst danach hat Gregor sich eingemischt, außer in Mailand, wenn es darum geht geistliche Ämter einzusetzen.

Diese Meinung kann ich nicht ganz nachvollziehen. Es gilt, was auch die alte Tante Wiki dazu sagt:

Der Gang nach Canossa war ein wichtiger Meilenstein des Investiturstreits. Im 11. und 12. Jahrhundert stritten Kaiser und Papst um das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Macht und um die Rolle der Reichskirche. Vordergründig ging es dabei um das Recht der Investitur, der Einsetzung von Bischöfen und Äbten in ihre Kirchenämter. Die Inhaber dieser Ämter übten zugleich höchste Funktionen im Staatsapparat des Kaiserreiches aus.
Auslöser des Konflikts war der Streit um die Investitur des Bischofs von Mailand. Dieser Streit eskalierte so weit, dass sich Papst und König schließlich gegenseitig absetzten bzw. solche Forderungen erhoben. Da der König durch den Kirchenbann des Papstes enorm an Rückhalt bei den deutschen Fürsten verlor, unterwarf er sich dem Papst durch senen Gang nach Canossa. Da der Papst sich dem Büßer nicht verweigern konnte, musste er den König vom Bann lösen.

Insofern bedeutet also der Canossagang ein zentrales Ereignis im Investiturstreit.
 
Zuletzt bearbeitet:
@letztergisone
Jap hab alle Beiträge schon gelesen. Leider könnten diese meine Frage oder eher gesagt die Frage des Profs. auch nicht ganz beantworten.

@Dieter:
Ja so sehe ich das auch. Ich finde schon das Canossa was mit dem Investiturstreit zu tun hat. Leider kann ich nicht mehr genau wiedergeben was er gesagt hat.

Er meinte aber das es beim Gang nach Canossa mehr um Macht als um die Investitur ging. Ich meine um Macht geht es ja immer ;-)
 
@Dieter:
Ja so sehe ich das auch. Ich finde schon das Canossa was mit dem Investiturstreit zu tun hat. Leider kann ich nicht mehr genau wiedergeben was er gesagt hat.

Es ist ganz unbestreitbar, dass der Gang nach Canossa ein zentraler Bestandteil des Investiturstreits ist.

Er meinte aber das es beim Gang nach Canossa mehr um Macht als um die Investitur ging. Ich meine um Macht geht es ja immer ;-)

Damit hat er sicher recht. Es ging sowohl um Macht und Einfluss als auch um religiös begründete Forderungen, bei denen sich Papst und König im recht sahen. Beide Aspekte vermischen sich in einer Weise, die kaum voneinander zu trennen sind.
 
Es ist ganz unbestreitbar, dass der Gang nach Canossa ein zentraler Bestandteil des Investiturstreits ist.
Damit hat er sicher recht. Es ging sowohl um Macht und Einfluss als auch um religiös begründete Forderungen, bei denen sich Papst und König im recht sahen. Beide Aspekte vermischen sich in einer Weise, die kaum voneinander zu trennen sind.

Klar, hier geht es um Macht. Aber in erster Linie, auf gut deutsch gesagt: Wie kommt Heinrich aus dem Schlamassel am besten raus!
Ich sehe den Gang als einen genialen Schachzug von Heinrich und seiner Unterstützer um überhaupt die Möglichkeit zu besitzen seinen Machtanspruch zuhalten und sich vom Bann zu lösen.
Ein Bestandteil ja, aber ein Zentraler finde ich nicht. Was hat sich nach der Bannlösung geändert, langfristig gesehen, was für Auswirkungen hatte die zweite Bannbelegung. All dies sind auch Fragen die hier zu gehören.
Ohne diesen Gang wäre die Macht der Sailer am Ende gewesen, dies ist der zentrale Punkt des Geschehens.

en hesse und Anhänger der Sailer (bis ca. 1116/18) :winke:
 
Hallo Thomas,

Dann kommt es ja zum Machtkampf zwischen Heinrich und Gregor, den Gregor erst einmal für sich entscheidet...

Das ist in dieser Vereinfachung nicht korrekt. Zunächst konnte sich Heinrich bzw. Die henricianische Geistlichkeit gegen die Hildebrand-Anhänger durchsetzen. Doch dann kam es zu einer Kette von Ereignissen, die quasi als göttliche Zeichen interpretiert wurden (Blitzschlag in Utrecht, kurz darauf der Tod des Bischofs von Utrecht, einem wichtigen Henricianer). Dadurch erst gerieten die Henricianer ins Hintertreffen.

Ich denke mal, dass du deinen Prof missverstanden hast. Was man sagen kann ist, dass in Canossa nicht die wesentlichen Inhalte der Investitur besprochen wurden, sondern in dramatischer (und durch die Historiographen dramatisierter) Symbolik verdeutlicht wurde, wer -Kaiser oder Papst - das höhere Amt innehatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Mailänder "Investiturstreit" war der Auslöser des ganzen Streits. Gregor wollte die Kirche in bestimmten Bereichen reformieren (wohl auch vom dt. König / Kaiser unabhängiger machen) und in der Zeit, als Heinrich noch nicht selbst regieren konnte, hatte das Königtum auch viel an Einfluss verloren.
Als Heinrich nun in Mailand einen neuen Bischof einsetzte - und danach noch in weiteren italienischen Städten (die auch noch im Kirchenstaat lagen), bekam er von Gregor ein durchaus scharfes Schreiben, das Heinrich u.a. den Bann androhte (bis dahin hatte man noch "friedlich" um die Lösung der Investiturfrage verhandelt).
Darauf folgte die Absetzung des Papstes durch Heinrich, darauf wiederum der Bann, darauf die Drohung der Fürsten, einen neuen König zu wählen, wenn Heinrich sich nicht vom Bann lösen könnte ... und darauf der Gang nach Canossa.

=> Es ging schon vor Canossa um die Investitur, Gregor und Heinrich standen schon vor der Eskalation in Verhandlungen über genau dieses Problem.

Canossa selbst - und das hat letztergisone schon ganz treffend beschrieben - war ein Schachzug Heinrichs, sich die Macht nicht nehmen zu lassen (er verhinderte ja dadurch, dass die Fürsten einen neuen König wählten). In Canossa hat man wohl auch weniger über die Investitur an sich geredet.

(klar ist auch, dass die Frage, wer denn nun Bischöfe / Geistliche einsetzen darf nur ein Aspekt der Frage war, wer denn nun höher steht: König oder Papst).
 
Ein Bestandteil ja, aber ein Zentraler finde ich nicht. Was hat sich nach der Bannlösung geändert,

Der Bann des Papstes hatte zur Folge, dass der König in seinen herrscherlichen und militärischen Funktionen blockiert war und seine Absetzung durch die Reichsfürsten befürchten musste. Immerhin hatte der Papst alle Verpflichtungen der königlichen Lehnsträger aufgehoben und damit den König vom Thron gestoßen. Durch die Bußhandlung auf der Burg Canossa war der Papst moralisch und auch theologisch gezwungen, dem "bußfertigen Büßer" zu vergeben und den Kirchenbann aufzuheben.

Das verschaffte dem König Handlungsfreiheit und er konnte gegen die Fürstenopposition und den von ihr gekürten Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden vorgehen. Insofern ist der Canossagang ein zentrales Element im Investiturstreit.
 
Danke für eure Beiträge.

Was ich mich die ganze Zeit noch frage, wie konnte es Heinrich überhaupt erst soweit, also zum Bann, kommen lassen? Erst scheint das Verhältnis zwischen Papst und Heinrich ja noch in Ordnung zu sein.

Er äußert ja sogar den Wunsch nach Frieden und schreibt dem Papst (Gregor VII) ich meine Okt/Nov. 1073 Das seine Verfehlungen seiner Jugend und den schlechten Beratern anzulasten sind. Oder ist das nur eine Finte da Alexander II zuvor seine Ratgeber exkommuniziert hat und er sich einfach nur etwas Zeit erkaufen will oder Gregor VII erst einmal beschwichtigen will?

Und Gregor VII ist ja zunächst auch um Frieden bemüht. Er schreibt dies in einen Brief an Marktgräfin Mathilde. „Was den König betrifft, so wollen wir ihn fromme Männer schicken“ usw.

Also warum macht Heinrich IV da einfach weiter und investiert noch zwei weitere Bischöfe in Spoleto und Fermo.

Liegt das vielleicht an seiner Kindheit? Er wurde ja schon früh zum Spielball der Mächtigen erst durch seine Mutter Agnes und dann besonders durch Anno von Köln. Bei seiner Schwertweihe will er ja sogar auf ihn losgehen. Hat er vielleicht ein generelles Problem mit der Kirche? Oder einfach mit Leuten die ihn etwas vorschreiben wollen? Ich meine das könnte man ja durchaus verstehen. Oder hat er Gregor VII einfach unterschätz und dachte, Mal sehen wie weit ich gehen kann?
 
Danke für eure Beiträge.

Was ich mich die ganze Zeit noch frage, wie konnte es Heinrich überhaupt erst soweit, also zum Bann, kommen lassen?

Das hängt mit einem Bewusstseinswandel im Verhältnis zwischen Staat und Kirche bzw. dem Adel und der Geistlichkeit zusammen. Im 10. Jh. entwickelte sich, ausgehend vom Benediktinerkloster Cluny, eine bedeutende kirchliche Reformbewegung.

Sie richtete sich zunächst gegen die Rechtsauffassung, dass ein Grundherr, Fürst oder König alle auf seinem Gebiet errichteten Klöster und Kirchen als Eigentum betrachtete, über das er frei verfügen konnte (Eigenkirchenrecht). So setzte er Pfarrer, Äbte oder Bischöfe nach Gutdünken in ihr Amt ein (Investititur) oder entließ sie, wann es ihm passte.

Das Kloster Cluny erhielt hingegen bereits in der Stiftungsurkunde vom 11.9.910 eine von weltlicher Gewalt unabhängige Freiheit. Kein adliger Laie hatte künftig ein Mitspracherecht in kirchlichen Dingen. Das Kloster durfte seinen Abt frei wählen und unterstand auch keinem Bischof, sondern allein päpstlichem Schutz. Mit dieser neuen Freiheit einher ging eine Reform des klösterlichen Lebens, das vielfach in Verfall geraten war.

Der von Cluny ausgehende Erneuerungswille breitete sich bald in der ganzen Kirche aus und erfasste nicht nur Päpste und Bischöfe, sondern auch Könige und den Adel. Damit war der Boden bereitet für eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen Päpsten und weltlichen Herrschern. Während bisher die Kaiser das Recht auf Einsetzung der Bischöfe in ihr Amt besaßen, wollten Papst und Geistlichkeit im Lichte der cluniazensischen Reform diese Mitwirkung eines Laien nicht länger dulden. Das war der tiefere Grund für den Ausbruch des Investiturstreits im Jahr 1075.

Zugunsten der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs ist anzuführen, dass der mittelalterliche Reichsgedanke sowohl politisch als auch religiös bestimmt war. Die religiöse Grundlegung ergab sich wesentlich aus dem Auftrag Jesu Christi, den Völkern der Erde das Evangelium zu predigen. Das Reich sollte nach mittelalterlicher Auffassung den Rahmen bilden, in dem sich die Erlösung der Menschheit durch Jesus Christus vollzog. Dem Kaiser fielen mithin als wichtigste Aufgaben zu, den Frieden der Christenheit zu sichern und die Feinde der Christenheit zu bekämpfen. Der Kaiser war mithin Schutzherr der Kirche.

Eine Trennung weltlicher und geistlicher Funktionen beim Kaisertum lag der mittelalterlichen Vorstellungswelt bis zum Investiturstreit fern. Insofern musste Papst Gregor alte Vorstellungen durchbrechen, was zwangsläufig fünfzig Jahre später zum Wormser Konkordat führte: Der Kaiser akzeptierte den Anspruch der Kirche auf Investitur der Bischöfe in ihr geistliches Amt, behielt jedoch das Recht, die Bischöfe in ihre weltlichen Herrschaftsrechte durch das Symbol des Zepters einzusetzen.
 
@Dieter
Danken für deinen Beitrag. Wirklich sehr gut geschrieben und verständlich!

Demnach wäre die Bombe quasi eh geplatzt, außer Heinrich hätte die cluniazensischen Reformen anerkannt und das hätte er bestimmt nicht so einfach gemacht.

Wie kam es den zu dieser Sonderstellung des Klosters Cluny?

Ich habe auch noch eine weitere Frage die sich im Laufe des Tages bei mir so angesammelt hat ;-)

Nachdem Tode Heinrich III, blieb der Schutz der Kaisers für den Papst (Nikolaus II) aus. Demnach musste sich der Papst etwas einfallen lassen, letztendlich schloss er ein Bündnis mit den bisher energisch bekämpften Normannen in Unteritalien. Die Normannenfürsten Richard von Capua und Robert Guiskard erhielten die von ihnen eroberten Gebiete als päpstliches Lehen.

Ich weiß, das Heinrich III und der Papst (Viktor II) sehr eng zusammengearbeitet haben und gegenseitig voneinander profitiert haben. Warum blieb der Schutz aus? Und wie genau sah dieser Schutz aus? Hatte der Papst akut Probleme zu diese Zeit?

Vielleicht kann ich mir dir Frage auch schon selber beantworten, aber ich bin mir nicht so sicher.

Ich denke es hat auch etwas mit der Kirchenreform zu tun. Als Viktor II starb war dies ein herber Schlag für Agnes und ihre Politik. Schließlich hat er viel für sie und den kleinen Heinrich IV getan. Die großen im Lande (Rudolf von Rheinfelden, Bertold von Zäringen, Otto von Northeim, Anno von Köln, usw.) waren eher Gegner der Kirchenreform. Berichtigt mich bitte wenn ich da falsch liege, gerade was die Personen angeht. Jedenfalls konnte man Agnes dazu überzeugen sich gegen den neuen Papst Alexander II zu stellen und einen Gegenpapst Honorius II zu unterstützen. Dieser konnte sich ja nicht durchsetzen und Agnes zerbrach ja auch ein wenig daran, sprich sie nahm den Schleier usw. war sie ja eigentlich nicht gegen die Kirchenreform. Demnach denke ich, dass die Großen im Lande Nikolaus II die Unterstützung verwehrt haben. Vielleicht passte ihnen ja auch nicht das Papstwahldekret welches ja etabliert hatte.

Noch eine Frage in wie fern hatte der Kaiser ein Mitspracherecht bei der Papstwahl?

Echt ganz schon vielseitig das Thema ;-)

Danke für eure Beiträge!
 
Noch eine Frage in wie fern hatte der Kaiser ein Mitspracherecht bei der Papstwahl?

Der Kaiser war Schutzherr des Papstes und führte den Titel "Patricius Romanorum". Als solcher beteiligte er sich an der durch Klerus und Volk zu vollziehenden Papstwahl - sofern in Rom anwesend - und gab als erster seine Stimme ab.

Mehrfach kam es in ottonisch-salischer Zeit auch zur Absesetzung eines dem Kaiser nicht genehmen Papstes und zur Ernennung eines neuen Papstes durch den Kaiser, der erst im nachhinein durch römische Wahl bestätigt wurde. Seit dem Investiturstreit wurde durch neue Papstwahldekrete (ein zentrales von 1059) die Mitwirkung des Kaisers aufgehoben und es kam zur Wahl allein durch die Kardinäle.
 
@Dieter

Nachdem Tode Heinrich III, blieb der Schutz der Kaisers für den Papst (Nikolaus II) aus. Demnach musste sich der Papst etwas einfallen lassen, letztendlich schloss er ein Bündnis mit den bisher energisch bekämpften Normannen in Unteritalien. Die Normannenfürsten Richard von Capua und Robert Guiskard erhielten die von ihnen eroberten Gebiete als päpstliches Lehen.

Ich weiß, das Heinrich III und der Papst (Viktor II) sehr eng zusammengearbeitet haben und gegenseitig voneinander profitiert haben. Warum blieb der Schutz aus? Und wie genau sah dieser Schutz aus? Hatte der Papst akut Probleme zu diese Zeit?


Danke für eure Beiträge!

Heinrich IV war noch minderjährig, als sein Vater starb. Seine Mutter Agnes übernahm die Regentschaft und viele Fürsten akzeptierten die Frau nicht wirklich (=> "entfremdeten" Reichsgüter). Während dieser Regentschaft war gar nicht daran zu denken, dass das Reich den Schutz für den Papst aufrecht hielt.
Als Heinrich volljährig war, musste er erst einmal einige dt. Fürsten zur Räson bringen (bis hin zu bewaffneten Auseinandersetzungen) => auch kein Schutz des Papstes möglich (und wohl ein Grund, warum die Fürsten nach dem Bann so schnell androhten, einen neuen KÖnig zu wählen).
 
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