Rechtssysteme um 1500 v. u. Z.

Anthropos

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Die Hethiter hatten um 1500 v. u. Z. ein ziemlich fortgeschrittenes Rechtssystem (fast keine Todesstrafen, kein Talionsprinzip, eine hohe Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, Differenzierung zwischen arm und Reich bei Entschädigungen, nur Entschädigungen zwischen Täter und Opfer und nicht an den Staat).

Gab es zu dieser Zeit auch in anderen Gesellschaften ähnlich moderne Systeme oder sind die Hethiter ein Einzelfall? Ich habe bis jetzt von keinem vergleichbaren System gelesen oder gehört.
 
Bekannt ist eine der ältesten erhaltenen Gesetzessammlungen der Welt, nämlich der Codex Hammurabi des gleichnamigen babylonischen Königs aus dem 18. Jh. v. Chr. Die Rechtssätze sind auf einer etwa 2,30 m hohen Dioritstele eingemeißelt und umfassen nach einem Prolog 282 Gesetzesparagrafen und einen Epilog. Die Gesetze betreffen u.a. das Erbrecht, Liegenschaftsrecht, Strafrecht, Schuldrecht, Eherecht, Staatsrecht oder Sklavenrecht.

Interessant ist, dass die Gesetze viel über die gesellschaftliche Ordnung der Bevölkerung aussagen und einen Einblick in die moralischen und ethischen Grundsätze erlauben. Vielfach herrscht allerdings die Anschauung "Auge um Auge, Zahn um Zahhn" vor, d.h. es handelt sich vorwiegend um das Vergeltungsprinzip. Die Strafen für Diebstahl, Hehlerei, Zauberei oder Falschaussage waren drakonisch.
 
Den Codex Hammurabi hab ich ganz vergessen. :autsch: Den hätte ich sonst natürlich auch erstmal lesen können.
Nachdem ich mir aber noch einmal einzelne Bestimmungen des Codex Hammurabi überflogen habe scheint er zwar in wenigen Teilen ähnlich fortschrittlich zu sein, wie die Gesetze der Hethiter (vorallem in dem Bereich, wann eine Frau sich von ihrem Mann scheiden lassen kann), jedoch fallen viele Strafen, wie du schon sagtest, drakonisch aus und auch die Todesstrafe und das Talionsprinzip ("Auge um Auge, Zahn um Zahhn") werden sehr oft angewandt.
Und so ist er doch im gesamten bei weitem nicht so fortschrittlich wie die Rechtssprechung der Hethiter.
 
Der Codex Hammurapi passt irgendwie aber nicht mit dem angegebenen Zeitraum 1500 v.Chr. zusammen,
das Talionsprinzip scheint eher ein Fortschritt gewesen zu sein, weil dadurch das Strafmaß beschränkt wurde (keine Todesstrafe für Diebstahl - also: ein Auge für ein Auge - nicht ein Leben),
und ob der Codex tatsächlich Anwendung fand ist fraglich. War der Codex ausschließlich Königspropaganda?, wurde er überhaupt veröffentlicht?
 
Das schöne bei den Hethitern ist, das sie uns mehrere 1000 Texte hinterlassen haben.

Die Proklamation des Telipinu (CTH19) --> Das Panku hat die Aufsicht über die, von Telipinu, auferlegten Regel wer den Trohn besteigen darf.
Brief Ḫattušilis III. an Kadašman-Enlil II (CTH 172) --> in dem Brief wird nebenbei erwähnt, dass die Todesstrafe abgeschafft ist (jedoch stammt der Brief aus 13. Jhd v. u. Z.)
Und dann gibts noch eine ganze Reihe Gesetze (CTH 291-297).
 
Der Codex Hammurapi passt irgendwie aber nicht mit dem angegebenen Zeitraum 1500 v.Chr. zusammen,
das Talionsprinzip scheint eher ein Fortschritt gewesen zu sein, weil dadurch das Strafmaß beschränkt wurde (keine Todesstrafe für Diebstahl - also: ein Auge für ein Auge - nicht ein Leben),
und ob der Codex tatsächlich Anwendung fand ist fraglich. War der Codex ausschließlich Königspropaganda?, wurde er überhaupt veröffentlicht?

Ich habe ja geschrieben um 1500. Nur weil der Codex Hammurapi aus dem 18 Jhd. kommt kann ich die beiden Gesetze schon vergleichen.
 
Der Codex Hammurapi passt irgendwie aber nicht mit dem angegebenen Zeitraum 1500 v.Chr. zusammen,

Ich sagte ja oben, dass der Codex Hammurabi aus dem 18. Jh. v. Chr. stammt. Präziser wird er er auf etwa 1750 v. Chr. datiert.

das Talionsprinzip scheint eher ein Fortschritt gewesen zu sein, weil dadurch das Strafmaß beschränkt wurde (keine Todesstrafe für Diebstahl - also: ein Auge für ein Auge - nicht ein Leben),
und ob der Codex tatsächlich Anwendung fand ist fraglich. War der Codex ausschließlich Königspropaganda?, wurde er überhaupt veröffentlicht?

Auf jeden Fall waren die Strafen auch für kleine Vergehen drakonisch. Inwieweit die Gesetze in der täglichen Rechtsspraxis angewendet wurden, ist umstritten.
 
Auf jeden Fall waren die Strafen auch für kleine Vergehen drakonisch. Inwieweit die Gesetze in der täglichen Rechtsspraxis angewendet wurden, ist umstritten.

Diese drakonischen Strafen wurden halt bei den Hethitern größtenteils abgeschafft. Für Mord gab es die Möglichkeit der Geldentschädigung oder die Familie des Opfers musste bei dem Gericht des Königs die Todesstrafe beantragen, wo der Fall dann nochmal geprüft wurde. Nur bei zwei weiteren Verbrechen konnte eine Todesstrafe beantragt werden;
Bei Diebstahl von Eigentum der Götter und der Ehemann konnte die Todesstrafe beantragen, wenn seine Frau fremdgegangen war (eine der wenigen Situationen wo zwischen Frau und Mann unterschieden wurde, da man für fremdgehende Männer keine Regelung bis jetzt gefunden hat). Falls der Todesstrafe stattgegeben wurde, wurde aber auch der Liebhaber der Frau mithingerichtet.
Bei Geldstrafen wurde auch zwischen Unfreien (nicht Sklaven, versklavt konnte man nur als Strafe für ein Verbrechen werden, wo dann Arbeitsersatz für die Familie des Opfers geleistet wurde) und Freien unterschieden. Die Unfreien, die weniger reich waren, mussten auch weniger Strafe zahlen.
 
Nochmal meine Frage: Auf welche Quellen stützt du dich da?
Wo kann man das nachlesen? :grübel:
 
Wenn man Hethitisch kann in den angegebenen CTHs (Nummern der veröffentlichten hethitischen Texte im Catalogue des Textes Hittites von E. Laroche), da das aber wahrscheinlich niemand hier kann:Birgit Brandau und Hartmut schickert: Hethiter, eine unbekannte Weltmacht., dort sind zwei Kapitel über das hethitische Recht.

Ich guck mal ob ich auch öffentlichte Übersetzungen der hethitischen Texte finde.
 
Okay.
Falls es doch jemanden interessiert. Einen Auszug des Telipinu-Erlass findet man auch bei Wikipedia. Er ist einer der ersten Verfassungen der Welt und erklärt haargenau wann ein Thronfolger legitim ist. Wer darüber wacht (der Panku (sozusagen der Kronrat)). Der Panku war damit zum Verfassungsgericht geworden und durfte sogar einen illegitimen König absetzen und auch zum Tode verurteilen, falls er gemordet hatte.
 
Was mich beim Kodex Hammurabi sehr erstaunt:
Der Kodex stellt auch strenge Hierarchien innerhalb der Familie auf. Zum Beispiel sind Kinder keine eigenständigen Personen, sondern Eigentum der Eltern. Wenn also ein Freigeborener die Tochter eines anderen Freigeborenen tötet, wird zur Strafe seine Tochter hingeichtet. Es mag uns befremden, dass der Mörder ungestraft davonkommt, während seine seine unschuldige Tochter getötet wird, doch in den Augen Hammurabis und der Babylonier scheint dies ein Fall von mustergültiger Gerechtigkeit gewesen zu sein.
Eine kurze Geschichte der Menschheit - Yuval Noah Harari - Google Books
 
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