Frage: Wiedererstarken heidnischer Bräuche nach 30jährigem Krieg?

Vielleicht kann mir jemand beim Wiederfinden einer Quelle helfen; es wäre schön.
Vor Jahren bin ich einmal im Internet auf Angaben darüber gestoßen, daß kurz nach dem 30jährigen Krieg von der evangelischen Kirche in Brandenburg einige(?) Geistliche in den Spreewald geschickt wurden, um dort wieder auftauchende heidnische Bräuche zu bekämpfen.
Damals habe ich mir die Quelle nicht gemerkt, weil ich dieser Sache keine besondere Bedeutung zumaß. In einem ausländischen Kreis von Laien- und Berufshistorikern diskutieren wir z.Zt. darüber, wie lange es gedauert hat, in Deutschland das Heidentum voll durch das Christentum zu ersetzen. Deshalb hat meine Frage für mich und andere wieder an Bedeutung gewonnen.
Seit Tagen such ich wieder im Internet nach den oben genannten Angaben, finde aber nichts. Deshalb wäre ich für Hilfe dankbar.
Lipper Schütze
 
Bist du sicher, dass es sich wirklich um ~Heidentum~ handelte und nicht um konfessionelle Konflikte? War möglicherweise von "altgläubig" (= katholisch) die Rede?
 
Vor Jahren bin ich einmal im Internet auf Angaben darüber gestoßen, daß kurz nach dem 30jährigen Krieg von der evangelischen Kirche in Brandenburg einige(?) Geistliche in den Spreewald geschickt wurden, um dort wieder auftauchende heidnische Bräuche zu bekämpfen.
allgemein ist im deutschsprachigen Raum das Heidentum bis spätestens im 10. Jh. wegmissioniert worden - allderings zeigt das Lexikon des Aberglaubens im Mittelalter, dass allerlei Brauchtum womöglich heidnischen Ursprungs überwiegend in der Landbevölkerung weiterhin praktiziert wurde (dies aber insgesamt in christianisierter Weise, also unter Anrufung der Heiligen etc. - man sieht das schön am althochdeutschen Zauberspruch "Bienensegen")

entweder es handelt sich, wie ElQ angemerkt hat, darum, dass altgläubige Religionsausübung unterbunden werden sollte, oder (was ich für weniger wahrscheinlich halte) dass die dort befindlichen sorbischen Bevölkerungsteile noch ein wenig slaw. Brauchtum pflegten und dieses von der ev. Kirche als heidnisch verdächtigt wurde.
 
Wikipedia (Artikel: Sorben) spricht, sich auf Peter Kunze, Sorbische Reminiszenzen aus Forst und Umgebung, in: Lětopis. Band 53, 2006, Heft 1, S. 35 ff., Ludowe nakładnistwo Domowina, Budyšin/Bautzen 2006 berufend, von einer Germanisierungspolitik der evangelischen Kirche nach dem Dreißigjährigen Krieg:

Erst die Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges und die damit verbundenen Verluste der sorbischen Bevölkerung sowie eine von der evangelischen Kirche gestützte gezielte Germanisierungspolitik führten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts dazu, dass das sorbische Gebiet zu einer rings von deutschsprachigen Regionen umgebenen Insel wurde.
 
Kommt drauf an, was man als "deutschsprachigen Raum " bezeichnet ...
Endgültig wurde wohl erst nach dem Ende des Wendenkreuzugs christianisiert, und der war 1147.
In wie weit sich in der Mark Meißen der slawische Naturglaube soo halten konnte, das er in Teilen im 17. Jhdt aufleben konnte , weiß ich allerdings nicht.
Im 12. Jhdt muß es ihn noch gegeben haben
 
Eventuell handelte es sich bei den "heidnischen Bräuchen" im Spreewald um ´magische´ Praktiken im Kontext des von Kirche und Obrigkeit verfolgten ´Hexenglaubens´, der im Grunde nicht anderes war als eine Wiederbelebung uralter schamanischer Rituale. Eine ´hagzissa´ war bei den Germanen eine weise Frau mit ´magischer´ Kompetenz, also eine Art Priesterin. Im katholischen Mittelalter wurde von kirchlicher Seite diese Art von Magie mit dem Satan assoziiert - die Folgen sind bekannt.

´Hexen´-Prozesse und wohl auch magische Praktiken durch Frauen gab es noch im 17. Jh., allerdings hatten die meisten verurteilten angeblichen ´Hexen´ mit ´magischer´ Praxis gar nichts zu tun, sondern wurden willkürlich beschuldigt, z.B. zu Sündenböcken für eine Viehseuche gemacht.

Eine andere Möglichkeit, die Aktion der "Geistlichen" zu erklären, sehe ich im Moment nicht.
 
Im katholischen Mittelalter wurde von kirchlicher Seite diese Art von Magie mit dem Satan assoziiert - die Folgen sind bekannt.
Das "katholische Mittelalter" hat lange Zeit nicht die Hexen, sondern die Hexenverfolgungen bekämpft.
Hexenverfolgung ? Wikipedia


Es kam zu kirchlich nicht gebilligten Hexenverfolgungen und in vielen Teilen Europas zu Lynchjustiz. Päpste und Bischöfe wandten sich gegen derartige Volksaktionen. So schrieb Papst Gregor VII. (gest. 1085) in einem Brief an den Dänen-König Harald Blauzahn: „Glaubt nicht, Ihr dürftet Euch gegen Frauen versündigen, die aus dem gleichen Grund (wegen angeblicher Verursachung von Unwetter, Stürmen und Krankheiten) mit Unmenschlichkeit nach einem barbarischen Brauch abgeurteilt werden. Sondern lernt vielmehr, durch Buße das göttliche Strafurteil, das Ihr verdient habt, abzuwenden, anstatt den Zorn Gottes noch mehr herbeizurufen, indem Ihr über jene unschuldigen Frauen Verderben bringt.“
Zauberei war ein völlig untergeordnetes Delikt. „Der Gedanke einer kriminalrechtlichen Verfolgung abergläubischer Übungen war der Kirche ganz fremd“, stellten sogar kirchenkritische Autoren fest. Es war das weltliche Recht, das im Mittelalter den Schadenszauber durch den Tod durch Verbrennen ahndete, wie es im Sachsenspiegel steht. Ein radikaler Hexerei-Begriff entstand erst gegen Ende des Mittelalters. Der sogenannte Teufelspakt war tatsächlich ein Fall für die Inquisition, die im 15. Jahrhundert auch Prozesse gegen Hexen/Hexer führte. Aber sowohl Theologen als auch Kirchengerichte verhielten sich reserviert bis ablehnend. Es gab Kirchengerichte, die Hexenprozesse verweigerten. Sie wurden gegen Ende des Mittelalters eingestellt. Aber auch bei den frühen Hexenprozessen standen die Ortsgeistlichen nicht an vorderster Front, und es gab einzelne, die „energisch die Rechtgläubigkeit einer angeblichen Hexe verteidigten“. In Spanien war es sogar die Inquisition, die die Hexenverfolgung unter ihre Kontrolle brachte und dann 1526 praktisch beendete.
Hexenverfolgung ? durch weltliches, nicht kirchliches Recht | Suite101
 
Das mit den Hagazussen und Schamanismus ist SO Unfug...

man muss dringend unterscheiden zwischen bewusstem Heidentum und dem unbewussten Übernehmen gewissen Volksbräuche und magischer Praktiken die evtl. heidnische Wurzeln hatten oder zumindest in den Augen der Kirche heidnisch aussahen...

solche volksmagischen Praktiken können teilweise wirklich "richtigem Schamanismus" oberflächlich etwas ähneln, aber zur Zeit der Hexenverfolgung war von richtiger, also bewusster heidnischer Religiosität, nichts mehr übrig, Die hatte 200-300 Jahre vorher ihr Lebenslicht ausgehaucht und wenn man bedenkt wie kurz zu dieser Zeit die Generationen waren halte ich es für extrem unwahrscheinlich ,daß ausser ein paar altertümlichen Reimen und heruntergekommenem Zeug da noch etwas übrig geblieben sein soll... (interessantes Buch zu deutschen Volksbräuchen: Ulrich Jahns "Deutsche Opferbräuche zu Ackerbau und Viehzucht... der Autor listet jede Menge archaisch anmutender Bräuche auf, aber sein Versuch in jedem angerufenem Heiligen oder jeder Strohpuppe oder Märchengestalt Wodan, Donar oder Freia wiederzuerkennen war schon damals d.h. 19. Jhd. kaum überzeugend).


Dementsprechend würde ich auch nach dem 30 Jährigen Krieg davon ausgehen ,daß kein wiederaufleben des Heidentums im religiösen Sinne stattgefunden hat, denn dazu gehört die Wiederaufnahme eines originär heidnischen Weltbildes, einer Religion mit ihren Gottheiten uvm. und einen solchen "Neopaganismus" gab es damals noch nicht und schon garnicht unter der Landbevölkerung... woher hätte diese ihr Wissen auch nehmen sollen?

Ganz vereinzelte frühe Blüten von so etwas begannen damals unter Dichtern, Künstlern und Gebildeten aufzugehen, die sich mit antiker Mythologie und Philosophie beschäftigten, meist aber dennoch ohne deshalb aufzuhören sich als Christen zu sehen.

Ich denke also es wird sich um altgläubigkeit im Sinne nicht mehr anerkannter Formen des Christentums, christliche Sekten, Formen des Hexenwahns, der ja in diese Zeit auch fällt, oder volksmagische oder folkloristische Praktiken gehandelt haben die die Kirche als "heidnisch" ansah.

Ein gutes Buch das ich kenne ist "Hexen unter uns" von Johann Kruse... das beschäftigt sich mit Hexenwahn und volksmagischen Vorstellungen nach den zweiten Weltkrieg, also noch VOR Wicca und der Eso-Welle der 60er Jahre...

kaum zu fassen was damals auf deutschen Dörfern los war... mir standen die Haare zu berge! Aber es handelt sich hierbei um abergläubische Auswüchse innerhalb des Christentums nicht um heidnische Religiosität.
 
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Das "katholische Mittelalter" hat lange Zeit nicht die Hexen, sondern die Hexenverfolgungen bekämpft.

Ich schrieb:

Im katholischen Mittelalter wurde von kirchlicher Seite diese Art von Magie mit dem Satan assoziiert...

nicht aber, dass die Kirche bei der ´juristischen´ Verfolgung den Löwenteil hatte. Die Kirche lieferte auf jeden Fall die religiöse Legitimation für die Verurteilungen. Z.B. waren Kleriker bei den Prozessen anwesend, um als Gutachter zu fungieren. Gerade diese ´Gutachten´ machten eine Verurteilung in der Regel unvermeidlich.

(Aus einer Stellungnahme der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zur Hexenverfolgung)

Hexenverfolgung - Hexengedenkstätten in Westfalen

Immer wieder wurden Theologen auch zu Gutachten in Hexenprozessen herangezogen. Oft waren sie es, die - in katholischen und lutherischen Gebieten - durch ihre Argumentation und Beweisführung Hexenverfolgungen überhaupt erst in Gang brachten oder vorantrieben.

++++

Anselm von Canterbury schrieb im 11. Jh:

Nichts Schändlicheres gibt es als das Weib, durch nichts richtet der Teufel mehr Menschen zugrunde als durch das Weib.

Thomas von Aquin brachte im 13. Jh. magisch praktizierende Frauen mit dem Satan in Verbindung. Er äußerte sich detailliert über angebliche satanische Praktiken und schuf damit die theoretische Grundlage für den späteren Hexenwahn.

Im 15. Jh. dämonisierte Papst Pius II. die Frau ´an sich´wie folgt:

Wenn du eine Frau siehst, denke, es sei der Teufel! Sie ist eine Art Hölle!

Luther sah das nicht anders (Hexenpredigt vom 6. Mai 1526):

Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an, was bisweilen ignoriert wird, sie können nämlich Milch, Butter und alles aus einem Haus stehlen… Sie können ein Kind verzaubern… Auch können sie geheimnisvolle Krankheiten im menschlichen Knie erzeugen, dass der Körper verzehrt wird… Schaden fügen sie nämlich an Körpern und Seelen zu, sie verabreichen Tränke und Beschwörungen, um Hass hervorzurufen, Liebe, Unwetter, alle Verwüstungen im Haus, auf dem Acker, über eine Entfernung von einer Meile und mehr machen sie mit ihren Zauberpfeilen Hinkende, dass niemand heilen kann... Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder… Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.

Auch Calvin hatte die ´Hexen´ und `Hexer´ im Visier und forcierte die gewaltsame Verfolgung magischer Praktiken.
 
Die von dir gebrachten Zitate sind misogyn, haben aber mit der Hexenverfolgung (die im Übrigen geschlechtsunabhängig war, regional auch mehr männliche als weibliche Opfer forderte) nichts zu tun.
 
Das mit den Hagazussen und Schamanismus ist SO Unfug...

Immer schön langsam. Vielleicht hast du von den magischen Praktiken der mittelalterlichen Frauen ja eine viel zu harmlose Vorstellung... Jedenfalls verwendeten sie teilweise Drogen wie Bilsenkraut, Tollkirsche und Stechapfel, die eine ungeheuer starke Wirkung haben. Auch die antiken und prähistorischen Schamanen verwendeten starke Drogen. In beiden Fällen bestand die Wirkung in einem (echten oder vermeintlichen) Austreten aus dem Körper und dem fliegenden Aufstieg in eine übernatürliche, von Geistern erfüllte Welt.

man muss dringend unterscheiden zwischen bewusstem Heidentum und dem unbewussten Übernehmen gewissen Volksbräuche und magischer Praktiken die evtl. heidnische Wurzeln hatten oder zumindest in den Augen der Kirche heidnisch aussahen...

"magische Praktiken die evtl. heidnische Wurzeln hatten" - wissenschaftlich fundiert klingt das für mich nicht, eher fachlich unsicher. Schließlich ist Magie per se etwas nicht Katholisches, also ´Heidnisches´; die Kirche hatte immer heftig gegen magische Praktiken gekämpft, gerade weil diese in der Antike einen polytheistischen (also´heidnischen´) Hintergrund hatten - freilich auf den prähistorischen Schamanismus zurückgehend, der eher ein Geister- als ein Götterglaube war. Die altgermanische Priesterin wurde auch ´tunritha´ genannt, die ´Zaunreiterin´, die psychoaktive Pflanzen benutzte, um den ´Zaun´ in die andere Welt zu überschreiten.

Deine Abgrenzung zwischen Schamanismus und der Praxis der magischen Frauen ist also - wie sagtest du so schön - "Unfu...". Aber ich bin ja ein höflicher Mensch, ich sage einfach: Sie ist falsch.
 
Was im Mittelalter verwendet wurde, wissen wir ja teilweise dank der entsprechenden Überlieferungen. Das galt allerdings durchaus als Medizin und war nicht so verpönt, wie hier dargestellt. Was in der Vorgeschichte verwendet wurde, darüber wissen wir kaum etwas, wir können es größtenteils allenfalls aus ethnologischen Quellen herleiten, ganz selten auch mal aus der Archäologie.

Ob die Zaunreiterin so zu interpretieren ist, wie von dir behauptet, kann wohl allenfalls hypothetisch sein. Einen Zaun zu übersteigen ist jedenfalls nicht einen Zaun reiten. Das wirkt auf mich zumindest wie aus unterschiedlichen Zutaten zusammengerührter Brei. Aber vielleicht kriegen wir ja wieder die Kurve zur eigentlichen Frage hin: Was wollte die evangelische Kirche nach 1648 im Spreewald wirklich?!
 
Die von dir gebrachten Zitate sind misogyn, haben aber mit der Hexenverfolgung (die im Übrigen geschlechtsunabhängig war, regional auch mehr männliche als weibliche Opfer forderte) nichts zu tun.

Die Anselm- und Pius II.-Zitate sollen nur belegen, dass diese kirchlichen Autoritäten durch ihre Aussagen und ihre Haltung gegenüber den Frauen ein Klima mitprägten, das in der Verteufelung der angeblichen Hexen gipfelte.

Und inwiefern Luthers Aussagen, wie hier nochmals abgekürzt zitiert, mit Hexenverfolgung "nichts zu tun haben", entzieht sich meinem Verständnis. Es geht nicht nur um ´Hexen´, der Text heißt sogar offiziell ´Hexenpredigt´:

Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an, was bisweilen ignoriert wird, sie können nämlich Milch, Butter und alles aus einem Haus stehlen… Sie können ein Kind verzaubern… Auch können sie geheimnisvolle Krankheiten im menschlichen Knie erzeugen, dass der Körper verzehrt wird… Schaden fügen sie nämlich an Körpern und Seelen zu, sie verabreichen Tränke und Beschwörungen, um Hass hervorzurufen...
 
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Das Luthers Hexenpredigt sich gegen Hexen richtete, habe ich als gegeben angenommen. Ich meinte die anderen Zitate. Aber du hast Recht, mein Fehler, nächstes Mal präziser.
 
Was im Mittelalter verwendet wurde, wissen wir ja teilweise dank der entsprechenden Überlieferungen. Das galt allerdings durchaus als Medizin und war nicht so verpönt, wie hier dargestellt.

Willst du damit sagen, Bilsenkraut, Tollkirsche und Stechapfel seien damals - in den Augen der Kirche und der Obrigkeit - nicht verpönt gewesen? Außerdem geht es gar nicht direkt um diese Drogen, sondern um ihre magische Anwendung. Und die war in vorgenannten Kreisen äußerst "verpönt", nämlich eine vermeintlich satanische Praxis. Könnte es sein, dass dir die Wirkung dieser Drogen gar nicht bekannt ist (theoretisch, meine ich)? Du stellst das ja so dar, als ginge es um Heilkräuterchen aus Nannies Teeladen.

Ob die Zaunreiterin so zu interpretieren ist, wie von dir behauptet, kann wohl allenfalls hypothetisch sein. Einen Zaun zu übersteigen ist jedenfalls nicht einen Zaun reiten.

Wieso sie Zaunreiterin hießen, weiß ich nicht. Es ging diesen Priesterinnen jedenfalls um den Eintritt in die magische Welt, also um das Überschreiten des Zaunes. "Hagazussa" (woraus Hexe wurde) heißt auch ´Zaunreiterin´, und der grenzüberschreitende Kontext ist der gleiche.

Das wirkt auf mich zumindest wie aus unterschiedlichen Zutaten zusammengerührter Brei.

Wissenschaft besteht in der Erkenntnis von Zusammenhängen. Diese sind im besprochenen Fall auch offensichtlich. Die Zutaten passen also bestens zusammen. Mein Vergleich von Schamanismus und magischer Praxis hat Hand und Fuß, keine Sorge. Zur Not kann ich das im Detail auch belegen.

Aber vielleicht kriegen wir ja wieder die Kurve zur eigentlichen Frage hin: Was wollte die evangelische Kirche nach 1648 im Spreewald wirklich?!

Solange keiner eine plausiblere Theorie anbietet, bleibe ich bei meiner Hypothese.

(Logge mich erst morgen wieder ein)
 
Hexen - Ausdruck pagan/heidnischer Kultur? & Hexenverfolgung

Ich schrieb:

Im katholischen Mittelalter wurde von kirchlicher Seite diese Art von Magie mit dem Satan assoziiert...
...woraufhin im weiteren Verlauf deiner Darlegung zahlreiche, vor allem auch nichtkatholische Theologen zu Wort kommen. Mir ist nicht klar, warum auch in weiteren Beiträgen wieder die Schlagworte vom "katholischen Mittelalter" oder der "katholischen Kirche" gepflegt werden, wenn vom Phänomen der Hexenverfolgung die Rede ist. Das Folgende scheint dir wohl bewusst zu sein:
- Die großen Hexenverfolgungen sind vor allem kein Phänomen des Mittelalters, sondern der frühen Neuzeit.
- Die großen Hexenverfolgungen sind mitnichten nur von der katholischen Inquisition durchgeführt worden, sondern auch sehr intensiv durch protestantische Fürsten mit Unterstützung eines entsprechend reformierten Klerus.
- Warum wiederholst du also unnötigerweise in nicht passendem Zusammenhang immer das Wörtchen "Katholisch"? :smiley:

Wäre die Rede von einer „christlich grundierten Hexenverfolgung“ nicht passender?

- Christliche Theologen verwiesen im Kontext mit Hexen gerne auf das Alte Testament in der Bibel. Dies ist eine vorchristliche, in diesem Fall eine jüdisch/mosaische Tradition. Es kommt aber noch besser:
- Die Hexenverfolgung ist an sich recht alt: Auch das pagan/heidnische, römische Reich kannte im weiteren Sinne "Hexenprozesse"! Jedenfalls war Schadenszauber ein Straftatbestand!
Ergo ist der Hexenwahn älter als das Christentum und seine monotheistischen Vorgänger (und Nachfolger! Gibt es nicht auch im Islam Aussagen über Hexen? Im Netz finden sich ebenfalls Hinweise dafür, dass hier ebenfalls einer Hexe die Todesstrafe drohen konnte… Jedenfalls ist dies so laut folgendem Artikel einer großen deutschen Zeitung).
http://www.welt.de/welt_print/artic...nimmt-16-Jaehrige-in-Mekka-als-Hexe-fest.html [...der Link ist doch OK?]
Hexenverfolgung und Ablehnung der Zauberei gab es bereits in pagan/heidnischer Zeit.

Somit drängt sich die Frage auf, inwiefern in weitestem Sinne „Hexen“ eine Äußerung heidnischen Nachlebens sein kann, wenn offiziell heidnisch/römische Magistrate Prozesse gegen die Ausübung von Schadenszauber führen konnten?

Als letztes möchte ich mich EQ anschließen was das Geschlecht der als Hexen verfolgten Menschen angeht. Gerade unter den Opfern der großen Hexenprozesse der frühen Neuzeit findet sich immer wieder eine große Zahl männlicher Delinquenten. Der Hexenwahn ist also auch kein geschlechtsspezifisches Phänomen!
 
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...
man muss dringend unterscheiden zwischen bewusstem Heidentum und dem unbewussten Übernehmen gewissen Volksbräuche und magischer Praktiken die evtl. heidnische Wurzeln hatten oder zumindest in den Augen der Kirche heidnisch aussahen...

Aber es handelt sich hierbei um abergläubische Auswüchse innerhalb des Christentums nicht um heidnische Religiosität.

Das ist doch eine absolut ausreichende Erklärung. Aberglaube breitet sich immer wieder periodisch aus, die Kirchen gehen immer dagegen vor. Auch heute noch.

Dafür gibt es jenseits der Theologie und des Glaubens ganz handfeste Gründe. Beispielsweise

1. Sorge um die eigenen Schäfchen: auch harmlos anmutende Praktiken wie Kaffesatzlesen oder Horoskopgläubigkeit können den Abergläubischen in eine Abhängigkeit bringen, die bis zur Lebensunfähigkeit führt.

2. Sorge um die Pfründe: Geld, das in die Hände von Scharlatanen fließt, landet nicht mehr im Klingelbeutel

3. Sorge um Einfluss und Autorität der Priester und damit um die Macht der Kirche: die schwindet, wenn in allen Lebenslagen eine zweite Meinung eingeholt werden kann

Mit Heidentum hat das, wie Haerangil schon darlegt, nichts zu tun. Es werden eben keine heidnischen Götter angebetet. Selbst eine Frau, die sich selbst als Hexe sieht und den Satan anbetet, bewegt sich zumindest noch innerhalb des biblisch-alttestamentarischen Rahmens.

Zusatzfrage: Wurden eigentlich jemals Hexen beschuldigt wurden, Teutates oder Odin oder andere heidnischen Götter angebetet zu haben?
 
Religion & Sorben in der Neuzeit

Wenn also das Phänomen der "Hexerei" nicht ein spezifischer Bestandteil, heidnisch/paganer Religion war und ist: Welche Form angeblich "heidnischer Religion" mag die Quelle des Threadstarters im Sinn gehabt haben? Das nach dem Ende des 30jährigen Krieges in den Spreewald reformierte Geistliche dagegen ausgesandt worden sind?

Zu den Sorben sollte man wissen, dass deren Sprachraum sich bereits vor dem 30jährigen Krieg, ab ca. 1500 weitgehend nur noch auf den Bereich der Nieder- und Oberlausitz zurückgebildet hatte. Lässt man die "Entchristianisierung" im Kontext mit der Zeit der DDR außen vor, dann blieb die Masse der Sorben auch nach Luthers Reformation weiterhin katholischer Konfession.

Ich würde daher ebenfalls eher darauf tippen, dass die evangelischen Kleriker im Spreewald die "Altgläubigen" (Katholiken) als Ziel ihrer Bemühungen im Sinn hatten. Für protestantische Geistliche jener "Kirchenkampfzeit" galt die Heiligenverehrung der Katholiken meist als kaum verhüllter Aberglaube: Heidnisch und unvereinbar mit dem wahren, christlichen Glauben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eventuell handelte es sich bei den "heidnischen Bräuchen" im Spreewald um ´magische´ Praktiken im Kontext des von Kirche und Obrigkeit verfolgten ´Hexenglaubens´, der im Grunde nicht anderes war als eine Wiederbelebung uralter schamanischer Rituale. Eine ´hagzissa´ war bei den Germanen eine weise Frau mit ´magischer´ Kompetenz, also eine Art Priesterin. Im katholischen Mittelalter wurde von kirchlicher Seite diese Art von Magie mit dem Satan assoziiert - die Folgen sind bekannt.

Immer schön langsam. Vielleicht hast du von den magischen Praktiken der mittelalterlichen Frauen ja eine viel zu harmlose Vorstellung... Jedenfalls verwendeten sie teilweise Drogen wie Bilsenkraut, Tollkirsche und Stechapfel, die eine ungeheuer starke Wirkung haben. Auch die antiken und prähistorischen Schamanen verwendeten starke Drogen. In beiden Fällen bestand die Wirkung in einem (echten oder vermeintlichen) Austreten aus dem Körper und dem fliegenden Aufstieg in eine übernatürliche, von Geistern erfüllte Welt.

"magische Praktiken die evtl. heidnische Wurzeln hatten" - wissenschaftlich fundiert klingt das für mich nicht, eher fachlich unsicher. Schließlich ist Magie per se etwas nicht Katholisches, also ´Heidnisches´; die Kirche hatte immer heftig gegen magische Praktiken gekämpft, gerade weil diese in der Antike einen polytheistischen (also´heidnischen´) Hintergrund hatten - freilich auf den prähistorischen Schamanismus zurückgehend, der eher ein Geister- als ein Götterglaube war. Die altgermanische Priesterin wurde auch ´tunritha´ genannt, die ´Zaunreiterin´, die psychoaktive Pflanzen benutzte, um den ´Zaun´ in die andere Welt zu überschreiten.

Deine Abgrenzung zwischen Schamanismus und der Praxis der magischen Frauen ist also - wie sagtest du so schön - "Unfu...". Aber ich bin ja ein höflicher Mensch, ich sage einfach: Sie ist falsch.

Zunächst einmal: es ist offenbar unmöglich, mit deiner Beteiligung ein Thema zu diskutieren, ohne daß du mit Parolen um dich wirfst. Und wahrscheinlich können wir auch einen Thread zur Geschichte der Flatulenzen eröffnen - du wirst schon einen Dreh finden, um deine Leib- und Magenparolen einzuflechten. Leider hat das mit Geschichte (den Begriff Geschichtswissenschaft mag man da gar nicht mehr niederschreiben) nichts zu tun.

Im übrigen scheinst du deinen Schamanismusbegriff eher bei Michael Harner und Konsorten zu entlehnen, der meint, in allen "heidnischen" Religionen und Praktiken einen Core-Schamanismus zu entdecken. Nun ja, es wird schon seine Gründe haben, warum er seine Anstellung als Anthropologe an der Universität hingeschmissen hat und seit Jahren ein eigenes kommerzielles Institut führt, in dem Europäer und Amerikaner für nette Sümmchen (im Szenejargon: Energieausgleich...) in Kurzseminaren zu wahrhaftigen Schamanen ausgebildet werden. Das Muster kann man, wie wir sehen, aber wohl auch noch locker auf antike und prähistorische Zeiträume ausdehnen.

Aber vermutlich kannst du auch den Bogen zwischen Homo habilis und katholischer Kirche im Mittelalter mit derselben Uneleganz schlagen. Und bevor du bei Mitdiskutanten Unfug diagnostizierst, solltest du zunächst einen ordentlichen Balken aus dem eigenen Auge entfernen lassen...
 
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