Biturigos
Aktives Mitglied
Lieber Augusto,
gerne hätte ich zum Jahresende versöhnlich die Diskussion ausklingen lassen, jedoch macht mir einiges doch Bauchschmerzen, daher möchte ich dazu kritisch eingehen.
Entstanden ist die Querdebatte, um sie zu reflektieren, an einer Äußerung von Reinecke vom 3.12.2014: [FONT="]Meine Interpretation: Weil sich der Aufwand für das bissel Sumpf einfach nicht lohnte. Ich kanns gerade nicht belegen, aber war Britanniens wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung nicht ein gutes Stück weiter bzw den gallischen Kelten (und damit auch den Römern) ähnlicher als Germanien? So prägte man in Britannien mWn schon vor der römischen Invasion Müünzen, in Germanien nicht. Das deutet darauf hin, dass die Wirtschaft des Landes viel einfacher (aus-) genutzt werden konnte, bspw durch eine Besteuerung. In Germanien gabs nur ein paar Rinder zu holen.[/FONT]
Nun wurden diesem Topos der „undurchdringlichen Urwälder und Sümpfe“ der römischen Geschichtsschreibung „blühende Landschaften“ entgegengestellt, und die Debatte nahm gewohnt polarisiert und emotional an Fahrt auf. Ich wies dann doch leicht genervt darauf hin, dass, auch wenn man eine solche Schwarzweißmalerei nicht teilt, doch zur Kenntnis nehmen soll, dass unser Bild einer norddeutschen Kulturlandschaft geprägt ist von menschlichen Eingriffen insbesondere im 19. Und 20. Jahrhundert. Unter der Hand steuerst du mit deinem schönen Bild grasender Schwarzbunter Kühe und blühenden Apfelbaumwiesen genau schönfärbend um das ernsthafte Unterscheiden eines antiken naturräumlichen Zustandes vom heutigen herum. Zum Zitieren des Alten Landes als größtes europäisches Obstbaugebiet hier die dir sicher bekannte landwirtschaftliche Entstehungsgeschichte: „Das Alte Land ist in drei Meilen gegliedert, die Erste, Zweite und Dritte Meile. Diese Meilen stellen Zonen entlang des Elbufers dar. Die Erste Meile, zwischen den Flüssen Schwinge und Lühe, wurde zuerst eingedeicht und (um 1140) besiedelt. Die Zweite Meile umfasst das östlich davon gelegene Gebiet zwischen Lühe und Este, dessen Eindeichung Ende des 12. Jahrhunderts abgeschlossen war. Die Eindeichung der Dritten Meile zwischen Este und Süderelbe wurde erst Ende des 15.Jahrhunderts abgeschlossen, da das Gebiet besonders stark durch Sturmfluten gefährdet und betroffen war.“(wiki)
Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass die fruchtbaren Marschböden nicht einfach so landwirtschaftlich nutzbar und verfügbar waren. Die Marschen waren immer wieder vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen, die zuerst zu einer Erhöhung des Grundwasserspiegels führten, dadurch dehnten sich Niedermoore aus, die bald jedoch mit Sedimenten überspült wurden. Im Marschboden ist dies im Wechsel von Torfschichten und Sedimentschichten sichtbar. Ich möchte hier nicht alle geologischen Prozesse darstellen, Literaturhinweis dazu Landschaftsgeschichte Norddeutschlands von Karl Ernst Behre, 2008. Die landwirtschaftliche Nutzung führte auf armen Sandböden zu Verheidung, Beispiele sind die Humusentnahmen für die celtic fields, ebenso waren landwirtschaftliche Flächen von Versandung (Verwehungen) betroffen. Die Hochmoore dehnten sich bis ins Neolithikum aus (z.B. wurden zahlreiche Großsteingräber beim Torfabbau entdeckt), d.h. der Siedlungsraum wurde bis in diese Zeit auch durch die Moorausdehnung eingeengt. Diese Darstellung will nur skizzenhaft zeigen, auf welchen „schwierigen“ Naturraum die römische Expansion in der norddeutschen Tiefebene stieß, der besonderen klimatischen und geologischen Bedingungen unterlag.
Zur Eisenproduktion könnte man sicher einen eigenen Thread aufmachen, ich habe jedoch festgestellt, dass sich die Diskussionen relativ oft inzwischen wiederholen. Ich bin da erkenntnisoffen, was zukünftige wissenschaftliche Funde und praktisch-experimentelle Erfahrungen betrifft.
Ich würde für die weitere Debatte jedoch dafür plädieren, sich auf gesicherten wissenschaftlichen Boden zu bewegen, und sich nicht dazu hinreißen zu lassen, mit einem Quadratkilometer Raseneisenerz mit dem antiken Verhüttungszentrum Elba/Populinia am gesamten Mittelmeer gleichziehen zu wollen – ich bin kein Fachmann für Metallurgie oder Bergbau, notfalls setzt du dich in Fachkreisen herzlichem Gelächter aus. Immerhin schaffst du die wissenschaftlich angenommene Jahresproduktion des gesamten römischen Reiches mit deinem Rechenexempel annähernd spielend (Paul T. Craddock: Mining and Metallurgy. In: John Peter Oleson, (Hrsg.): The Oxford Handbook of Engineering and Technology in the Classical World, Oxford University Press, 2008, Jahresproduktion von 82.500 t / Jahr für das gesamte Römische Reich). Halten wir doch einfach fest, dass es Eisenvorkommen gegeben hat, die erschließbar waren, dass diese für den Eigenbedarf und stärker werdend für einen Markt genutzt wurden, dass sich dementsprechend ein technisches Wissen ansammelte und tradierte. Das macht Norddeutschland nicht zum Ruhrgebiet, noch unterschlägt es eine mögliche autochthone Entwicklung der Verhüttung und Metallurgie. Und ich bitte für die zukünftige Debatte 2015 unlogische Zeitsprünge zu unterlassen oder zumindest sie zu begründen (Schwarzbunte, fränkische Schmiedekunst des 9.Jahrhunderts, Silberbergbau Rammelsberg/Harz ab 10.Jahrhundert, Obstbaugebiet Altes Land der frühen Neuzeit), sonst vergleichen wir demnächst die VW-Automobilindustrie in Wolfsburg mit dem keltischen Wagnerhandwerk vom treverischen Martberg.
Auf weiterhin anregende Diskussionen - und allen ein friedliches Jahr 2015!
gerne hätte ich zum Jahresende versöhnlich die Diskussion ausklingen lassen, jedoch macht mir einiges doch Bauchschmerzen, daher möchte ich dazu kritisch eingehen.
Entstanden ist die Querdebatte, um sie zu reflektieren, an einer Äußerung von Reinecke vom 3.12.2014: [FONT="]Meine Interpretation: Weil sich der Aufwand für das bissel Sumpf einfach nicht lohnte. Ich kanns gerade nicht belegen, aber war Britanniens wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung nicht ein gutes Stück weiter bzw den gallischen Kelten (und damit auch den Römern) ähnlicher als Germanien? So prägte man in Britannien mWn schon vor der römischen Invasion Müünzen, in Germanien nicht. Das deutet darauf hin, dass die Wirtschaft des Landes viel einfacher (aus-) genutzt werden konnte, bspw durch eine Besteuerung. In Germanien gabs nur ein paar Rinder zu holen.[/FONT]
Nun wurden diesem Topos der „undurchdringlichen Urwälder und Sümpfe“ der römischen Geschichtsschreibung „blühende Landschaften“ entgegengestellt, und die Debatte nahm gewohnt polarisiert und emotional an Fahrt auf. Ich wies dann doch leicht genervt darauf hin, dass, auch wenn man eine solche Schwarzweißmalerei nicht teilt, doch zur Kenntnis nehmen soll, dass unser Bild einer norddeutschen Kulturlandschaft geprägt ist von menschlichen Eingriffen insbesondere im 19. Und 20. Jahrhundert. Unter der Hand steuerst du mit deinem schönen Bild grasender Schwarzbunter Kühe und blühenden Apfelbaumwiesen genau schönfärbend um das ernsthafte Unterscheiden eines antiken naturräumlichen Zustandes vom heutigen herum. Zum Zitieren des Alten Landes als größtes europäisches Obstbaugebiet hier die dir sicher bekannte landwirtschaftliche Entstehungsgeschichte: „Das Alte Land ist in drei Meilen gegliedert, die Erste, Zweite und Dritte Meile. Diese Meilen stellen Zonen entlang des Elbufers dar. Die Erste Meile, zwischen den Flüssen Schwinge und Lühe, wurde zuerst eingedeicht und (um 1140) besiedelt. Die Zweite Meile umfasst das östlich davon gelegene Gebiet zwischen Lühe und Este, dessen Eindeichung Ende des 12. Jahrhunderts abgeschlossen war. Die Eindeichung der Dritten Meile zwischen Este und Süderelbe wurde erst Ende des 15.Jahrhunderts abgeschlossen, da das Gebiet besonders stark durch Sturmfluten gefährdet und betroffen war.“(wiki)
Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass die fruchtbaren Marschböden nicht einfach so landwirtschaftlich nutzbar und verfügbar waren. Die Marschen waren immer wieder vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen, die zuerst zu einer Erhöhung des Grundwasserspiegels führten, dadurch dehnten sich Niedermoore aus, die bald jedoch mit Sedimenten überspült wurden. Im Marschboden ist dies im Wechsel von Torfschichten und Sedimentschichten sichtbar. Ich möchte hier nicht alle geologischen Prozesse darstellen, Literaturhinweis dazu Landschaftsgeschichte Norddeutschlands von Karl Ernst Behre, 2008. Die landwirtschaftliche Nutzung führte auf armen Sandböden zu Verheidung, Beispiele sind die Humusentnahmen für die celtic fields, ebenso waren landwirtschaftliche Flächen von Versandung (Verwehungen) betroffen. Die Hochmoore dehnten sich bis ins Neolithikum aus (z.B. wurden zahlreiche Großsteingräber beim Torfabbau entdeckt), d.h. der Siedlungsraum wurde bis in diese Zeit auch durch die Moorausdehnung eingeengt. Diese Darstellung will nur skizzenhaft zeigen, auf welchen „schwierigen“ Naturraum die römische Expansion in der norddeutschen Tiefebene stieß, der besonderen klimatischen und geologischen Bedingungen unterlag.
Zur Eisenproduktion könnte man sicher einen eigenen Thread aufmachen, ich habe jedoch festgestellt, dass sich die Diskussionen relativ oft inzwischen wiederholen. Ich bin da erkenntnisoffen, was zukünftige wissenschaftliche Funde und praktisch-experimentelle Erfahrungen betrifft.
Ich würde für die weitere Debatte jedoch dafür plädieren, sich auf gesicherten wissenschaftlichen Boden zu bewegen, und sich nicht dazu hinreißen zu lassen, mit einem Quadratkilometer Raseneisenerz mit dem antiken Verhüttungszentrum Elba/Populinia am gesamten Mittelmeer gleichziehen zu wollen – ich bin kein Fachmann für Metallurgie oder Bergbau, notfalls setzt du dich in Fachkreisen herzlichem Gelächter aus. Immerhin schaffst du die wissenschaftlich angenommene Jahresproduktion des gesamten römischen Reiches mit deinem Rechenexempel annähernd spielend (Paul T. Craddock: Mining and Metallurgy. In: John Peter Oleson, (Hrsg.): The Oxford Handbook of Engineering and Technology in the Classical World, Oxford University Press, 2008, Jahresproduktion von 82.500 t / Jahr für das gesamte Römische Reich). Halten wir doch einfach fest, dass es Eisenvorkommen gegeben hat, die erschließbar waren, dass diese für den Eigenbedarf und stärker werdend für einen Markt genutzt wurden, dass sich dementsprechend ein technisches Wissen ansammelte und tradierte. Das macht Norddeutschland nicht zum Ruhrgebiet, noch unterschlägt es eine mögliche autochthone Entwicklung der Verhüttung und Metallurgie. Und ich bitte für die zukünftige Debatte 2015 unlogische Zeitsprünge zu unterlassen oder zumindest sie zu begründen (Schwarzbunte, fränkische Schmiedekunst des 9.Jahrhunderts, Silberbergbau Rammelsberg/Harz ab 10.Jahrhundert, Obstbaugebiet Altes Land der frühen Neuzeit), sonst vergleichen wir demnächst die VW-Automobilindustrie in Wolfsburg mit dem keltischen Wagnerhandwerk vom treverischen Martberg.
Auf weiterhin anregende Diskussionen - und allen ein friedliches Jahr 2015!