Jakobus und die Jerusalemer Urgemeinde

dekumatland

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Was immer die Zielsetzungen der „Jerusalemer Gemeinde“ unter der Leitung des Jakobus waren, sie sind nicht bekannt und gingen mit der Gemeinde in den Wirren um die Zerstörung Jerusalems um 70 n. Chr. für immer unter.

Übrig geblieben ist die Vision eines Christus Jesus, die nur und exklusiv einem gewissen Paulus zuteil wurde.
Spekultionen können zwei Wirkungen haben:
- wahrscheinlich
- unwahrscheinlich

Die Spekulation, dass ein Jakobus sein eigenes Süppchen kochte (sich also seinen eigenen Jesus/Messias zurechtmixte) und damit Erfolg hatte, ist absurd. Denn sie setzt eine "Analyse" voraus, die den Horizont der damaligen Gesellschaft übersteigt, mitanderen Worten: diese Überlegung ist modern (heutig)

Aus diesem Grund hatte ich, schon etliche Beiträge zuvor, die scheinbar naive Frage gestellt: cui bono?

ja ja, retrospektiv kann man sich allerlei zurechtschustern - aber wie sieht es aus, wenn man sich in die Situation des 1. oder 2. Jhs. versetzt? Entspricht eine Konstruktion a la ich erfinde mir jetzt eine Erlöserreligion und habe voll imperiumsweit damit Erfolg dem Erfahrungshorizont der Zeit?
 
Die Spekulation, dass ein Jakobus sein eigenes Süppchen kochte (sich also seinen eigenen Jesus/Messias zurechtmixte) und damit Erfolg hatte, ist absurd. Denn sie setzt eine "Analyse" voraus, die den Horizont der damaligen Gesellschaft übersteigt, mitanderen Worten: diese Überlegung ist modern (heutig)

Du verwechselst wohl Paulus mit Jakobus. Was Jakobus wollte, war nichts wirklich neues für die Juden. Ein Messias, der das jüdische Volk erlösen würde und als König zu alter Größe führt wurde von den Juden zu allen Zeiten erwartet.

Aus diesem Grund hatte ich, schon etliche Beiträge zuvor, die scheinbar naive Frage gestellt: cui bono?

Das müßte man Paulus fragen, wenn man könnte. Es scheint seinem persönlichen Ego wichtig und genutzt zu haben.

ja ja, retrospektiv kann man sich allerlei zurechtschustern - aber wie sieht es aus, wenn man sich in die Situation des 1. oder 2. Jhs. versetzt? Entspricht eine Konstruktion a la ich erfinde mir jetzt eine Erlöserreligion und habe voll imperiumsweit damit Erfolg dem Erfahrungshorizont der Zeit?

Jedenfalls scheinen einige alte Ordnungen fraglich geworden zu sein. Und ein Suchen nach neuer Orientierung. Auf diesen Zug sind eine Menge "Auserwählte" aufgesprungen um ihre "Lösungen" zu verbreiten. Anhänger, die nicht in der Lage oder nicht willens sind sich eigene Gedanken zu machen, findet man zu allen Zeiten.
 
Was immer die Zielsetzungen der „Jerusalemer Gemeinde“ unter der Leitung des Jakobus waren, sie sind nicht bekannt und gingen mit der Gemeinde in den Wirren um die Zerstörung Jerusalems um 70 n. Chr. für immer unter.
Was Jakobus wollte, war nichts wirklich neues für die Juden. Ein Messias, der das jüdische Volk erlösen würde und als König zu alter Größe führt wurde von den Juden zu allen Zeiten erwartet.
Besteht zwischen diesen beiden Aussagen nicht ein unauflöslicher Widerspruch?
 
QUOTE=El Quijote;747523]Besteht zwischen diesen beiden Aussagen nicht ein unauflöslicher Widerspruch?[/QUOTE]

Was Jakobus wollte, war nichts wirklich neues für die Juden. Ein Messias, der das jüdische Volk erlösen würde und als König zu alter Größe führt wurde von den Juden zu allen Zeiten erwartet.

Das ist sicher das was man aus der langen Tradition der Erwartung eines Messias annehmen kann.

Was immer die Zielsetzungen der „Jerusalemer Gemeinde“ unter der Leitung des Jakobus waren, sie sind nicht bekannt und gingen mit der Gemeinde in den Wirren um die Zerstörung Jerusalems um 70 n. Chr. für immer unter.

Dazu gehört die Möglichkeit einer Neuorientierung dieser Erwartung. Wenn man die Erkenntnisse aus den Qumran-Rollen mit einbezieht, ist das nicht undenkbar. Die Essener zogen sich zurück in die Wüste um dort das Endgericht Gottes zu erwarten.
 
Besteht zwischen diesen beiden Aussagen nicht ein unauflöslicher Widerspruch?

Was Jakobus wollte, war nichts wirklich neues für die Juden. Ein Messias, der das jüdische Volk erlösen würde und als König zu alter Größe führt wurde von den Juden zu allen Zeiten erwartet.

Das ist sicher das was man aus der langen Tradition der Erwartung eines Messias annehmen kann.

Nun war aber Jakobus' Messias tot [und nach christlichem Verständnis wiederauferstanden und in den Himmmel gefahren] und hatte gesagt, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei.
Du kannst allenfalls sagen, was eine typische jüdische Messiaserwartung war - und Paulus war im Übrigen auch Jude - nicht, dass die Christen diese typische Messiaserwartung noch teilten. Der Punkt ist ja, dass sie es gerade nicht taten.

Dazu gehört die Möglichkeit einer Neuorientierung dieser Erwartung. Wenn man die Erkenntnisse aus den Qumran-Rollen mit einbezieht, ist das nicht undenkbar. Die Essener zogen sich zurück in die Wüste um dort das Endgericht Gottes zu erwarten.
Nur hat Qumran nichts mit dem Christentum zu tun. Zwischen Essenern und Christen gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
 
- aber wie sieht es aus, wenn man sich in die Situation des 1. oder 2. Jhs. versetzt? Entspricht eine Konstruktion a la ich erfinde mir jetzt eine Erlöserreligion und habe voll imperiumsweit damit Erfolg dem Erfahrungshorizont der Zeit?

Natürlich nicht, wenn man die Frage so wie du stellt, also so, dass ein Nein vorprogrammiert ist. Fakt ist, dass wir längst nicht alle historischen Umstände kennen und daher auf mehr oder weniger plausible Theorien angewiesen sind. Die Mitglieder der sog.´Urgemeinde´ uneingeschränkt für historische Personen zu halten, wie das hier außer mir jeder praktiziert, halte ich für wissenschaftlich naiv, da deren Existenz aufgrund der Tatsache, dass lediglich subjektive christliche Propagangaliteratur von ihnen berichtet, alles andere als gewährleistet ist. Jede Argumentation, die uneingeschränkt auf der Historizität von Jakobus, Stephanus etc. (sowie Paulus außerhalb der ´Urgemeinde´) fußt, basiert nur auf dem Glauben an die Seriosität von Texten, die erst eineinhalb Jahrhunderte nach den vorgeblichen Geschehnissen in das Licht der Geschichte traten und ohnehin randvoll sind mit unwahrscheinlichen Begebenheiten.

Diesen Punkt kann man gar nicht oft genug betonen, jedenfalls nicht in diesem Forum.

Fakt ist, dass im 1. Jahrhundert in Judäa (a) ein geradezu hysterisches Verlangen nach einem Messias herrschte, und (b) viele hellenisierte Juden Mysterienkulte praktizierten. Dass beide Strömungen schließlich konvergierten in dem Sinne, dass ein (a) historischer Messias mit einem (b) metaphysischen Mysteriengott identifiziert wurde, musste aufgrund der Gemengelage schließlich eintreten. Beides, (a) und (b), erfüllte für viele Menschen damals ein als fundamental empfundendes Bedürfnis:

(a) die Befreiung des jüdischen Volkes aus der Abhängigkeit durch Unterdrücker

(b) die Erlösung des Individuums durch die Partizipation an der Macht eines Gottes

Das "Urchristentum" wird sich - so meine Theorie - in Gestalt einer hellenisierten mysterienkultisch engagierten Gruppe von Juden, evt. in Jerusalem, an diesen beiden Idealen ausgerichtet haben. Dass sich viele Juden in Ägypten in hellenistischen Mysterienkulten engagierten, wird von Philon berichtet (De specialis legibus I). Das regte den Neffen von Philon, den hellenisierten Juden Tiberius Alexander, in den späten 40ern Prokurator in Palästina, dazu an, die von ihm gewünschte Hellenisierung einheimischer Juden durch die Förderung lokaler Mysterienkulte voranzutreiben. Aber auch unabhängig davon kann man annehmen, dass schon vorher - wie oben beschrieben - manche Juden versuchten, messianische und mysterienkultische Ideale unter einen Hut zu bekommen.

Möglicherweise waren für die historisierende Ausgestaltung der ersten "christlichen" szenischen Mysteriendramen (die man als Ausgangsmaterial der Evangelien vermuten kann) die Biografien historischer jüdischer, aber nicht gekreuzigter, sondern gesteinigter Märtyrer modellhafte Vorlage, freilich nicht in dem Sinne wie von dir formuliert: "Jetzt erfinden wir mal einen so und so". Der Prozess verlief sicher indirekter und subtiler, wobei ich auf die hypothetischen Details dieses Prozesses aus Zeitgründen ein andermal eingehe. Fakt ist jedenfalls, dass einige Jahrhundert zuvor israelitische Autoren kein Problem damit hatten, pseudohistorische Gestalten wie Abraham, Moses und Esther als historisch auszugeben. Dieser Punkt wird in diesem Forum, außer von mir, ebenfalls immer wieder unterschätzt.
 
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Natürlich nicht, wenn man die Frage so wie du stellt, also so, dass ein Nein vorprogrammiert ist. Fakt ist, dass wir längst nicht alle historischen Umstände kennen und daher auf mehr oder weniger plausible Theorien angewiesen sind. Die Mitglieder der sog.´Urgemeinde´ uneingeschränkt für historische Personen zu halten, wie das hier außer mir jeder praktiziert, halte ich für wissenschaftlich naiv, da deren Existenz aufgrund der Tatsache, dass lediglich subjektive christliche Propagangaliteratur von ihnen berichtet, alles andere als gewährleistet ist. Jede Argumentation, die uneingeschränkt auf der Historizität von Jakobus, Stephanus etc. (sowie Paulus außerhalb der ´Urgemeinde´) fußt, basiert nur auf dem Glauben an die Seriosität von Texten, die erst eineinhalb Jahrhunderte nach den vorgeblichen Geschehnissen in das Licht der Geschichte traten und ohnehin randvoll sind mit unwahrscheinlichen Begebenheiten.

Diesen Punkt kann man gar nicht oft genug betonen, jedenfalls nicht in diesem Forum.
Nein, man kann gar nicht oft genug betonen, dass diese Texte Adressaten hatten und diese Adressaten waren nicht Menschen mehrere Jahrhunderte später, sondern die eigenen Zeitgenossen, vielleicht mit einer Aussicht auf ein bis zwei Generationen später. Je mehr Figuren du als erfunden unterstellst, umso weniger Glaubwürdigkeit und Bedeutung hätten diese Texte für die Primäradressaten gehabt. Das war schon immer die Krux deiner Argumentation.

Die Evangelien und die als echt eingestuften paulinischen Texte jedenfalls unterstellen, dass viele der den frühen Christen bekannten Protagonisten der Texte noch lebten bzw. formulieren eine nahe Endzeiterwartung. Da letztere sich nicht erfüllt hat, ist es unsinnig, eine spätere Fälschung dieser Texte zu unterstellen.
 
Sachfremde Beiträge zum Kontext der Kreuzigung nach historischem jüdischen Rechtsverständnis abgetrennt.
 
Weitere Beiträge zu Marcioniten, Paulus, etc. abgetrennt.

Hier geht es zum Jerusalemer Frühchristentum weiter.
 
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