"Zwerge" und andere Behinderte im Alten Ägypten

Tangbrand

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Hallo allerseits,
hinsichtlich der Paralompyschen Spiele, habe ich mich mal gefragt, warum Kleinwüchsige im Alten Reich in Ägypten so hoch angesehen waren und ihnen Stellungen zugesprochen wurden, für die man normalerweise einen hohen Rangtitel benötigte. So wurden sie zum Beispiel oft als Beamte und Goldschmiede eingesetzt. Liegt es daran, dass sie aufgrund ihrer geringen Gliedmassenlänge keine harte körperliche Arbeit verüben konnten? Oder dass ein wahrer "Zwergenkult" im Alten Reich herschte, der sich unter anderem auch in der geringen Körpergrösse des Gott Bes wiederspiegelte? Auch frage ich mich, warum dieser Kult im Mittleren Reich verschwand und Kleinwüchsige nur noch verhöhnt wurden.
Wikipedia spricht von:Zitat" Ab dem Neuen Reich scheinen Respekt und Wertschätzung gegenüber Minderwüchsigen (aber auch anderen behinderten Menschen) allmählich nachgelassen zu haben."Zitat Ende.
Nun, wie wurden denn andere Behinderte im Alten Reich behandelt ?

LG Tangbrand
 
Hallo allerseits,
hinsichtlich der Paralompyschen Spiele, habe ich mich mal gefragt, warum Kleinwüchsige im Alten Reich in Ägypten so hoch angesehen waren und ihnen Stellungen zugesprochen wurden, für die man normalerweise einen hohen Rangtitel benötigte. So wurden sie zum Beispiel oft als Beamte und Goldschmiede eingesetzt. Liegt es daran, dass sie aufgrund ihrer geringen Gliedmassenlänge keine harte körperliche Arbeit verüben konnten? Oder dass ein wahrer "Zwergenkult" im Alten Reich herschte, der sich unter anderem auch in der geringen Körpergrösse des Gott Bes wiederspiegelte? Auch frage ich mich, warum dieser Kult im Mittleren Reich verschwand und Kleinwüchsige nur noch verhöhnt wurden.
Wikipedia spricht von:Zitat" Ab dem Neuen Reich scheinen Respekt und Wertschätzung gegenüber Minderwüchsigen (aber auch anderen behinderten Menschen) allmählich nachgelassen zu haben."Zitat Ende.
Nun, wie wurden denn andere Behinderte im Alten Reich behandelt ?

LG Tangbrand

Auf diese Frage lässt sich keine seriöse Antwort geben, und auch die Schlussfolgerung, dass das Verschwinden von Hofzwergen ein Indiz für sich verschlechternde Bedingungen von Kleinwüchsigen ist fragwürdig.

In der Neuzeit wissen wir etwas besser Bescheid, viele barocke Herrscher hielten regelrechte "Menschenzoos", und noch vor 100 Jahren waren Völkerschauen und Raritätenkabinette auf dem Oktoberfest verbreitet.

Berühmt wurde nicht nur wegen seiner Trinkfestigkeit Clemens Pankert, unter seinem Spitznamen Perkeo der 1720 Hofzwerg, Hofnarr und Kellermeister von Karl III. Philipp von der Pfalz wurde.
 
Durch ein wenig Recherche bin ich auf folgendes gestossen:
Zitat:"In Ägypten war der Respekt vor Behinderten zentral verankert. Das 25. Kapitel der Weisheitslehre des Amenemope verbietet ausdrücklich, den vom Schicksal Gezeichneten das Leben zu erschweren, sie zu verprügeln oder zu verspotten. Von konkreter Hilfeleistung ist jedoch nicht die Rede. Überliefert ist, daß man Menschen mit leichten Behinderungen zumindestens gestattete, sich in gängigen Berufen ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, wohingegen Schwer- und Schwerstbehinderte, sofern sie nicht in den Familien bleiben konnten, als Bettler leben mußten . Ganz anders war die Rolle der Kleinwüchsigen. Sie waren in der vornehmen Gesellschaft derart beliebt, daß sie in hohe Positionen aufsteigen konnten, so etwa Seneb, dessen Grab sich nahe der Cheops-Pyramide befindet. Er war Leiter der königlichen Leinen- und Kleiderzwerge, Vorsteher der Weberei, hatte eine eigene Sänfte und war sogar mit einer Dame aus dem königlichen Geschlecht verehelicht. Zwischen der Kunst der Leinenweberei und der Kleinwüchsigkeit bestand in der ägyptischen Mythologie von alters her ein tiefer Zusammenhang. Ebenso gab es Kleinwüchsige, deren Aufgabe in der tagtäglichen Erheiterung ihrer Dienstgeber bestand, die also die Funktion des Hofnarren erfüllten. Aus der Art und Weise ihrer Bestattung läßt sich deutlich ablesen, daß sie einen relativ hohen Rang innehatten. Nicht selten auch arbeiteten Kleinwüchsige in der Schmuckproduktion oder als Tierwärter. Die Nachfrage nach ihnen war derart groß, daß nach Senebs Tod der Gouverneur von Oberägypten eigens eine Expedition ins Land der Pygmäen ausrüsten ließ. Mit dem altägyptischen Sittengesetz ließ sich eine derartige Praxis jedoch nicht mehr vereinen."Zitat Ende. (Aus:Max Liedtke (Hrsg.), Behinderung als pädagogische und politische Herausforderung, Bad Heilbrunn 1996)

LG Tangbrand
 
Die entsprechende Passage aus Amenemopes Weisheistlehre:
"Erschwere nicht das Befinden eines Gelähmten.
Verspotte nicht einen Mann, der in der Hand Gottes ist,
und sei nicht aufgebracht gegen ihn als ob du ihn angreifen wolltest [...]"

"In der Hand Gottes" zu sein ist eine euphemistische Umschreibung für Besessenheit und Beschränkung geistiger Autonomie, was nichts anderes heisst als unter einer gesitigen Behinderung zu leiden.

"[...] Der Mensch ist Lehm und Stroh,
der Gott ist sein Baumeister.
Er zerstört und erbaut täglich,
er macht tausend Geringe nach seinem Belieben,
er macht tausend Leute zu Aufsichtspersonal,
wenn er in der Stunde des Lebens ist.
Wie freut sich, wer den Westen erreicht,
wenn er dann bewahrt ist vor der Hand Gottes."

Im Altägyptischen Glauben erwartete den Menschen, die im irdischen Leben litten, ein besseres Leben im Jenseits. Eine Behinderung zu Lebzeiten, wird im Jenseits von einem genommen- Der Verstorbene erreicht den "Westen" (Jenseits) in einem unversehrten Zustand und ist körperlich und geistig wieder intakt.
HANS-WERNER FISCHER-ELFERT schrieb dazu in seinem Artikel: "Über den Umgang mit Behinderten im Alten Ägypten" folgendes:
"Der Mangelzustand wird dereinst aufgehoben, ist also nur ephemer Natur. Diese Vorstellung wird erst vor dem Hintergrund der doch ewig währenden jenseitigen Existenz voll verständlich, im Vergleich zu der das irdische Leben nunmehr eine "Stunde dauert, wie es eine ältere Lehre formulierte. Eine ewige Existenz als Versehrter ist aber nach ägyptischer Anthropologie schlicht undenkbar."

Obwohl Amenemope Verhaltensregeln aufstellte, durfte der Alltag für körperliche Behinderte wohl weniger freundlich ausgesehen haben. Im Alten Ägypten ging man von der Annahme aus, in der "Hand Gottes" hiesse, sich unter der strafenden Manifestation des Gottes zu befinden. Nach spätzeitlichen Tempeltexten, erhielten Behinderte (womöglich Zwerge ausgenommen?) keinen Zutritt zum Tempelinneren. Man wies sie an, sich in der Nähe des Tempels aufzuhalten, Zutritt bekamen sie aber keinen. Diese Form der Ausgrenzung, der Verbot den heiligen Tempelbezirk zu betreten, war wohl nicht die einzige. In der heutige Forschung geht man davon aus, dass Behinderte generell am kultischen Leben nicht teilhaben konnten. Wohl eine sehr schwere Demütigung, die die Behinderten daran hinderte einen Anschluss zum gesellschaftlichen Leben zu bekommen.

Quelle: Friederike Frach:''Geistige Behinderung'': Über den Umgang mit dem Begriff und den betroffenen Menschen


LG Tangbrand
 
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