HRR als Imperium ?

Lichtschüler

Neues Mitglied
Hallo allesamt, ich gehe direkt über zu meiner Frage:
War das HRR im Mittelalter ein Imperium, wenn ja, was machte das Reixh zum Imperium? Falls nein, wieso ?
 
Was verstehst Du unter Imperium, wie übersetzt Du es?

Eine Übersetzungsmöglichkeiten ist durchaus Reich, spezieller auch Kaiserreich.
 
Hallo allesamt, ich gehe direkt über zu meiner Frage:
War das HRR im Mittelalter ein Imperium, wenn ja, was machte das Reixh zum Imperium? Falls nein, wieso ?

Wir sprechen hier vom Sacrum Imperium Romanum, also vom Heiligen Römischen Reich. Allerdings gibt es keine einheitliche Definition, was unter einem "Reich" oder einem "Großreich" zu verstehen ist. Im allgemeinen bedeutet das ein staatliches Gebilde, das eine gewisse Größe erreicht, oft mehrere Völker in seinen Grenzen vereint und kontinentale Bedeutung hat.

Insofern war das HRR tatsächlich ein "Imperium", auch wenn seine Machtmittel begrenzt waren und einzelne halbsouveräne Reichsglieder auseinanderstrebten.
 
Mir ist der Bergiff Imperium für das HRR noch im Deutschen nie so recht untergekommen, in anderen Sprachen schon. Passt er? Wenn man den Begriff des Imperiums als den Bereich der Herrschaftsgewalt (imperare, 'befehlen') sieht, dann erleben wir doch eher schwache Kaiser, die sich kaum gegen die Churfürsten oder die Protestanten durchsetzen können und im 30jährigen Krieg sogar nur eine von vielen Kriegsparteien sind. Weder ein protestantischer Landesfürst im 16. Jhdt. noch ein preußischer König im 18. Jhdt. hat sich dem/der Kaiser/in gegenüber zu Gehorsam verpflichtet gefühlt. Von diesem Bedeutungsaspekt her war das HRR kein Imperium, ja den Anspruch zu erheben würde fast lächerlich erscheinen.
 
Vielleicht kann man so formulieren, dass Imperium als Übersetzung von Reich verstanden wurde. Das war das HRR ja auch nicht mehr im ursprünglichen Sinn als Vermögen des Herrschers.

Wir sollten dabei nicht außer acht lassen, dass es heute und auch historisch verschiedene Definitionen und Gebrauchssweisen gibt. Auch juristisch und philosophisch haben die beiden Begriffe Wandlungen durchgemacht.
 
Ich muß da an die Aussage von Voltaire denken, der schrieb, dass das Heilige Römische Reich weder heilig, noch römisch, noch ein Reich sei.

Ce corps qui s'appelait et qui s'appelle encore le saint empire romain n'était en aucune manière ni saint, ni romain, ni empire.
:grübel:

Der Begriff Imperium bzw. Reich leitet sich aus der Translatio Imperii ab, einer ma Theorie, dass das Römerreich auf die Franken übegegangen sei.
 
Die Frage ist auch schon zeitgenössisch hat also selbst Geschichte. Oft zitiert sind folgende Aussagen:
Samuel Pufendorf, De statu Imperium Germanicus: Das Reich sei mit den üblichen Begriffen nicht zu fassen, es sei "irregulare aliquod corpus et monstro simile", etwa ein unregelmäßiger Körper und einem Monster gleich.

Johann Jacob Moser schrieb: "Teutschland wird auf teutsch regiert und zwar so, dass sich kein Schulwort [...] oder die Regierungsart anderer Staaten darzu schicken, unsere Regierungsart dadurch begreiflich zu machen." Das Zitat war schnell gefunden, die Angaben nicht.

Und auch Goethe sah das Problem anläßlich des Besuchs von Auerbachs Keller im Faust: "Das liebe Heike römsche Reich, was hält's nur noch zusammen?" "Ein garstig Lied, pfui, ein politisch Lied, ein leidig Lied. Dankt Gott mit jedem Morgen, dass ihr nicht braucht fürs römsche Reich zu sorgen. Ich halt es wenigstens für reichlichen Gewinn, dass ich nicht Kanzler oder Kaiser bin."
 
Hallo allesamt, ich gehe direkt über zu meiner Frage:
War das HRR im Mittelalter ein Imperium, wenn ja, was machte das Reixh zum Imperium? Falls nein, wieso ?

Hi Lichtschüler,

solche Fragen lassen sich nicht einfach beantworten und wenn man es dennoch unternimmt, sind die Antworten entweder falsch, zu einseitig oder beides zugleich. ;)

Also lieber die Frage(n) bescheidener formulieren, dann wirken auch die Antworten gefälliger: Was könnte mit "Imperium" gemeint sein und inwiefern unterscheiden sich die Begriffe "Reich" und "Imperium" voneinander?

"Imperium" steht nicht für ein konkretes Land/Gebiet, sondern bezeichnet einen ideellen Herrschaftsanspruch. Bezogen auf das HRR sind die Begriffe "Reich" und "Imperium" synonym verwendbar; d.h. also, dass das antike Kaisertum (und damit der Kaiser als zentrale Herrschaftsinstanz) ideell an oberster Stelle positioniert ist. Dies ist auf die vermeintlichen Traditionen des antiken Kaisertums rückbezogen und durch selbige legitimiert.

Das damit gemeinte Herrschaftskonstrukt wird als viertes und letztes Weltreich begriffen, es handelt sich also um eine vorgegebene göttliche Ordnungsstruktur (sogen. "Eschatologie"), an deren Ende das jüngste Gericht steht. Daher auch "Heiliges Römisches Reich..."

Um deine Frage abschließend etwas plakativ zu beantworten: Das "Reich" macht sich somit sozusagen in gewisser Weise selbst zum "Imperium".

Ob der/die Kaiser des "Alten Reichs" mächtig waren oder nicht, das spielt für deine Frage gar keine Rolle.

Viele Grüße
Luitpold
 
Zuletzt bearbeitet:
solche Fragen lassen sich nicht einfach beantworten und wenn man es dennoch unternimmt, sind die Antworten entweder falsch, zu einseitig oder beides zugleich. ;)

Das trifft es sehr gut!

Ob der/die Kaiser des "Alten Reichs" mächtig waren oder nicht, das spielt für deine Frage gar keine Rolle.
Das sehe ich anders. Aber das liegt wohl auch daran, dass wir einen unterschiedlichen Imperiumsbegriff zugrundlegen.
 
Das sehe ich anders. Aber das liegt wohl auch daran, dass wir einen unterschiedlichen Imperiumsbegriff zugrundlegen.

Hallo El Quijote,

da liegst du sicherlich richtig.
Für mich zählen nicht die konkreten Herrschaftverhältnisse, die sich im Einzelnen sehr verschieden darstellen, sondern die ideelle Ebene, folglich also primär die "regulative Idee", die von der Kaiserwürde im "Alten Reich" ausgeht.

Ich finde dies weit tragfähiger als die Annahme, dass "Imperium" für möglichst uneingeschränkte Herrschaft stehe; hierbei behauptet man den ideellen Anspruch als konkrete Absicht, zumal das Vorhandensein einer solchen (überzeitlichen und verbindlichen) Absicht selbst fraglich sein dürfte.

Viele Grüße
Luitpold
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich finde dies weit tragfähiger als die Annahme, dass "Imperium" für möglichst uneingeschränkte Herrschaft stehe; hierbei behauptet man den ideellen Anspruch als konkrete Absicht, zumal das Vorhandensein einer solchen (überzeitlichen und verbindlichen) Absicht selbst fraglich sein dürfte.

Uneingeschränkte Herrschaft hat es wohl nie und nirgendwo gegeben, selbst in den totalitären Systemen nicht und das MA oder die FNZ waren noch um einiges weiter von einer uneingeschränkten Herrschaft entfernt. Die war auch nicht gemeint. Ich habe zwar, um offen zu sein, bei meinem ersten Posting im Hinterkopf mehr die FNZ gehabt, als das MA (und der Threadersteller fragte explizit nach dem MA), aber auch dort - also im MA - empfinde ich den Begriff des Imperiums als schwierig. Ja, der Kaiser strebte einen universellen Herrschaftsanspruch über die katholische Christenheit an. Aber spätestens mit dem Investiturstreit war die kaiserliche Macht im eigenen "Staat" ja schon nicht mehr zu halten. Und letztlich bedeutete für die Könige und - wenn sie denn den Kaisertitel erhielten - Kaiser Herrschaft zu einem ganz großen Teil, die verschiedenen Interessen der Großen des Reiches so zu organisieren, dass sie möglichst stark mit den eigenen Interessen korrelierten und möglichst wenige Große konfrontierten. Wenn das nicht gelang, stand man plötzlich womöglich auf dem Schlachtfeld - etwa an der Weißen Elster - dem eigenen Adel gegenüber.
 
Hallo El Quijote,

Aber spätestens mit dem Investiturstreit war die kaiserliche Macht im eigenen "Staat" ja schon nicht mehr zu halten. Und letztlich bedeutete für die Könige und - wenn sie denn den Kaisertitel erhielten - Kaiser Herrschaft zu einem ganz großen Teil, die verschiedenen Interessen der Großen des Reiches so zu organisieren, dass sie möglichst stark mit den eigenen Interessen korrelierten und möglichst wenige Große konfrontierten. Wenn das nicht gelang, stand man plötzlich womöglich auf dem Schlachtfeld - etwa an der Weißen Elster - dem eigenen Adel gegenüber.

Was du beschreibst, betrifft wiederum konkrete Herrschaftsverhältnisse und nicht das transpersonale, universale Gesamtbild des "Alten Reichs" bzw. "Imperiums".

Viele Grüße
Luitpold
 
Dies ist auf die vermeintlichen Traditionen des antiken Kaisertums rückbezogen und durch selbige legitimiert.

M. E. nach trifft es das genau. Der Begriff "Imperium" und noch viel mehr der Begriff "Kaiser" ist korrekterweise nur im Zusammenhang mit einer reklamierten Nachfolge des "Römischen Imperiums" resp. des "Römischen Kasiserreichs" anwendbar. Dies geht schon aus der Bezeichnung in den romanischen Sprachen - imperatore, empereur, emperador etc. - für den Kaiser des HRR hervor. Bereits der deutsche König (der in West- und Mitteleuropa als einziger Anspruch auf den Kaisertitel hatte) wurde deshalb gelegentlich als "römischer König" bezeichnet. Der Anspruch des HRR, Nachfolger des Karolingerreichs und damit zum Mindesten auch Nachfolger des weströmischen Kaiserreichs zu sein, wurde in West- und Mitteleuropa allgemein akzeptiert, was auch in der Translationstheorie, der mittelalterlichen Lehre von der Übertragung des Kaisertums von den Römern auf die fränkischen Könige und später auf die "deutschen" Könige zum Ausdruck kommt. Auch Napoleon, der sich selbst zum "Kaiser der Franzosen" krönte, berief sich noch auf die karolingische und die römische Kaisertradition.

Auch die russischen Zaren - der slawische Begriff von "Kaiser" (das Wort Zar kommt von Cäsar) - erklärten sich nicht einfach so zum Kaiser, sondern reklamierten für sich die Nachfolge des Kaiserreichs Byzanz (also Ostrom). Der erste russische Grossfürst, der sich "Zar" nannte (Iwan III) tat dies erst nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels. Zudem war er mit Sofia Palaiologa, einer Nichte des letzten byzantinischen und damit "oströmischen" Kaisers (dessen Titel allerdings "basileus" war) verheiratet. Also auch hier taucht der Begriff "Kaiser" und damit, im weiteren Sinn, "Imperator", im Zusammenhang mit dem Anspruch einer "Rechtsfolge" des römischen Imperiums auf. Dies gilt im Übrigen auch für die kurzlebigen Zarenreiche von Serbien und Bulgarien (Byzanz war Bulgarien kurzzeitig tributpflichtig), deren Herrscher ihre Titel immer in einen Zusammenhang zu Byzanz (und damit zu Ostrom) setzten. Sogar Mehmed II der Eroberer sah sich nach dem Fall von Byzanz noch als "Kayser-i Rum", als "Kaiser der Römer" und reihte sich so ganz gewollt in die Kontinuität des Reiches der Rum-Seldschuken (der Begriff meint "Rom"-Seldschuken) und des Oströmischen Reiches.

Wenn man von anderen Gross-Herrschern und Machthabern über verschiedene Ethnien als "Kaiser" spricht, die keinen Bezug zum Römischen Imperium haben resp. in Anspruch nehmen, so handelt es sich eben um eine Verlegenheits-Übersetzung, die eigentlich nicht korrekt ist. Der chinesische "Kaisertitel" "huangdi" meint übersetzt soviel wie "Sohn des Himmels", die Übersetzung des persischen "Schah" ist nichts weiter als "Herrscher" (Padischah ist eine Ableitung von Schah) und auch die arabische Übersetzung von "Sultan" ergibt eigentlich auch nur "Herrscher". Der indische Grossmogul hat mit "Kaiser" auch nichts zu tun, der Titel leitet sich vom persischen "mughul" ab und bedeutet "Mongole". Der Titel des "Kaisers" von Äthiopien war Negus Negesti und bedeutet "König der Könige" - wobei ich annehme, dass auch "König" nicht unbedingt eine genaue Übersetzung darstellt. Was der "Kaiser" von Japan, der "Tenno", tatsächlich für ein Titel ist, weiss ich nicht und müsste dies nachschauen. Ich bin aber überzeugt, dass auch hier "Kaiser" nur eine Verlegenheitsübersetzung ist.

Die neuzeitlichen Titel wie "Kaiser von Brasilien", "Kaiser von Mexico" oder Bokassa, der Kaiser von Zentralafrika, sind moderne Konstrukte, die man zum Verständnis der Titel "Kaiser", "Imperator" und "Zar" nicht berücksichtigen muss.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben