Die Signifikanz indianischer Sozialstrukturen für ihr historisches Alter

Chan

Aktives Mitglied
Zu den von mir im Höhlenmalerei-Thread erwähnten Mapuche ist zu sagen, dass sie die größte Ethnie in Chile bilden, sie sind also kein kleiner Stamm irgendwo im Nirgendwo.

Das erwähnte Beispiel der Mapuche-Indianer (weibliche Machi und homosexuell-feminine Machi weye) stützt die These der Ursprünglichkeit von Schamaninnen (im Kontext der Dean-Snow-Hypothese) aus Gründen, die ich genannt habe: Es ist nicht plausibel denkbar, dass die Mapuche ursprünglich auch oder ausschließlich männliche Schamanen hatten und, aus irgendeinem Grund, die Regel der exklusiven Weiblichkeit der Schamanen erst später einführten, zumal auch in anderen Hinsichten die Mapuche-Frauen eine mindestens so große soziale Bedeutung hatten wie ihre Männer: Sie waren vor der Kolonisierung sozial relativ dominant und ließen sich auch unter dem Druck der katholischen, also wenig frauenfreundlichen Conquistadoren nicht in eine unterlegene Stellung zwingen. In Nordamerika sind die Haudenosaunee (Irokesen) ein Paradebeispiel für eine matrifokal-matrilinear strukturierte Ethnie.

These:

Diese und andere Beispiele können als ´Überreste´ prähistorischer Sozialorganisation - bzw. Rollenzuteilung (Machi) gedeutet werden, während die in historischer Zeit in der Überzahl befindlichen männerorientierten Ethnien eine spätere Schicht bilden, welche die frühere mehr oder weniger überdeckt.

Zum Thema hier ein Überblick:

https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_matrilineal_or_matrilocal_societies
 
Zuletzt bearbeitet:
Einen Mapuche-Artikel zu den machi gibt es leider nicht. aber interessanterweise spricht die spanische Wikipedia konsequent von el machi. Es gibt hin und wieder im Spanischen weibliche Substantive, die einen maskulinen Artikel bekommen, das ist aber ausschließlich phonetischen Gründen geschuldet: el agua :rechts: las aguas. Es sind ausschließlich Substantive die auf a- oder ha- beginnen (das h- hört man nicht), eben um la-a... zu vermeiden.
Insofern hat das Amt an sich schon mal einen männlichen Namen, zumindest wenn man davon ausgeht, dass die spanische Wikipedia zu Mapuche-Themen der Kontrolle von Mapuche unterliegt. Dass Männer, die machi würden, homosexuell seien, davon finde ich in der spanischen Wikipedia keine Bestätigung. Diese unterstreicht, dass machis bereits in ihrer Kindheit ausgewählt werden.
Para llegar a ser machi se requiere que la mujer u hombre mapuche tenga voluntad, carácter y coraje, puesto que la iniciación es larga y penosa. Normalmente la persona es seleccionada en su infancia,...
Die Sozialstruktur der Mapuche betreffend, so hatte ein Mann in historischer Zeit zum Teil zeitgleich mehrere Frauen, wohingegen die Kinder bei der Mutter leben. Halbgeschwister über die väterlich Linie gelten nicht als Geschwister - hier also Matriliniarität - bei gleichzeitigem Machismo und Patrilokalität.

Hinzu kommt, dass el machi nicht das einzige spirituelle Amt bei den Mapuche ist. Hinzu kommen el lonco und el ngenpin. Der lonco hat zwar nur bedingt spirituelle Aufgaben, aber er hat sie.

Insofern stellt sich das Ganze doch als ein wenig komplizierter dar als "Frauen sind die traditionellen Schamanen bei den Mapuche"; eine Ableitung von den Mapuche auf alle prähistorischen Gesellschaften - oder seien es nur präkoloniale südamerikanische Gesellschaften - ist eh methodisch nicht haltbar.

Was nun speziell den machi weye anbelangt, so weiß die Zeitschrift für indigene Geschichte (Bd. 6, JG 2002) an der Universidad de Chile, dass es eigentlich spanische Schmähungen sind die männliche Machis als weibisch verspotteten:
por lo menos hasta el siglo XVIII los machi weye fueron hombres de autoridad e influencia. Sin embargo, las descripciones coloniales los describieron como sodomitas, afeminados o pervertidos, entre otros calificativos, y los estereotipos que se construyeron a partir de esos relatos han llegado hasta nuestros días, condicionando una parte importante de nuestra percepción actual de la sexualidad y de las descripciones sobre los mapuche contemporáneos.
Und so stellt die Autorin, Ana Mariella Bacigulapo fest, dass man den Machi weye neben der Hexerei auch Homosexualität vorwarf, weil sie die kolonialspanische Gesellschaftsordnung bedrohten. Die Kennzeichnung der machi weye als homosexuell war also demnach keine Sachbeschreibung sondern eine soziale Waffe der Kolonisatoren, um die machi zu bekämpfen.
 
Was nun speziell den machi weye anbelangt, so weiß die Zeitschrift für indigene Geschichte (Bd. 6, JG 2002) an der Universidad de Chile, dass es ei.
[/INDENT]Und so stellt die Autorin, Ana Mariella Bacigulapo fest, dass man den Machi weye neben der Hexerei auch Homosexualität vorwarf, weil sie die kolonialspanische Gesellschaftsordnung bedrohten. Die Kennzeichnung der machi weye als homosexuell war also demnach keine Sachbeschreibung sondern eine soziale Waffe der Kolonisatoren, um die machi zu bekämpfen.

Besten Dank für die interessante Darstellung. Hier liegen ja offenbar wieder einige Tretminen für Gender-Ideologen.

Die Verunglimpfung als soziale Waffe und Bekämpfung wird auch in diesem Beitrag herausgestellt:
The Struggle for Mapuche Shamans' Masculinity: Colonial Politics of Gender, Sexuality, and Power in Southern Chile

"One long winter evening in August 1629, in the hamlet headed by Cacique Maulican south of the Bio-Bio River in Chile, a machi weye, or male shaman, healed a bewitched native boy with the help of ancestral spirits and a foye tree (Drimys winteri). Cacique Maulican’s slave, Francisco Nuñez de Pineda y Bascuñan, a twenty-two-year-old man of Spanish descent born in Chile, watched wide-eyed and terrified in a dark corner. To him, the machi weye’s appearance and spiritual practices were those of a puto, or male gender invert, a perverse sodomite engaged in devil worship:

'An Indian with such a horrible figure entered. His outfit, his perverse face and shape expressed what he was. . . . His features, dress and body made him look like Lucifer because he was not wearing pants but was a weye. Instead of pants he was wearing a puno—a cloth that is wrapped around the waist and is used by women with a long shirt on top. His hair was long and loose while others wear their hair braided, and his nails were so deformed that they looked like spoons. His face was very ugly and he had a cloud in his eye that understood every- thing. His body was very small, his back was broad, and he limped. Just looking at him caused horror and gave me to understand his vile exercises. . . . Those that take on the role of women are called weye, which in our language means nefarious ones and more precisely male inverts [putos]. . . . They become machi because they have a pact with the devil. (Nuñez de Pineda y Bascuñan 1863 [1673]: 107, 157–9)'
...
Francisco Nuñez de Pineda y Bascuñan wrote the only eyewitness account of an encounter between a colonial agent and a machi weye and the only known seventeenth-century narrative by a Chilean criollo, a local- born man of Spanish descent."
 
Zurück
Oben