Ich hätte noch eine andere Frage und zwar gibt es Verbindungspunkte zwischen Ra und Horus, außer dass sie sich den Falken als Tier teilen?
Diese Verbindung kam erst am Ende des 2. Jt. BCE unter den Ramessiden, inbesondere unter Ramses II., zustande, als Re sowohl mit Horus zu ´Ra-Harachte´ (= Re, der Horus an den zwei Horizonten) als auch auf staatlicher Ebene mit dem Sonnengott Amun verschmolzen wurde. Ursprünglich war Horus der Hauptgott des Pharao. In der Frühzeit bis zur 4. Dynastie galt der Pharao als irdische Inkarnation des Horus, dann aber, beginnend mit Pharao Djedefre, wird diese sakrale ´Identität´ (Pharao = Horus) durch eine sakrale ´Relation´ ergänzt in Form einer Gottessohnschaft: Der Pharao, der den Kult von Heliopolis um den Sonnengott Re zur Staatsreligion befördert, nennt sich nun auch ´Sohn des Re´.
Beide Vorstellungen, die bis zum Ende des ägyptischen Königstum parallel fortbestehen und in der 5-teiligen Königstitulatur festgelegt sind, scheinen sich zu widersprechen, da Horus in der Mythologie niemals als Sohn des Re erscheint, sondern immer als Sohn des Osiris. Dahinter stecken politpragmatische Gründe, nämlich die Notwendigkeit, den zu Beginn von Ägyptens geschichtlicher Zeit unangefochten dominierenden Königsgott Horus mit dem Lokalgott von Heliopolis zusammenzubringen, das sich zum geistigen Zentrum des vereinigten Reiches entwickelt hatte.
Re war auf regionaler Ebene im AR bereits mit dem Sonnengott Amun zu Amun-Ra vermischt worden, wurde von Hatschepsut dann erstmals auch königlich verehrt und unter den Ramessiden einer der drei Hauptgötter (Horus, Re, Amun) des Pharao, insbesondere von Ramses II.. Die Hinzunahme des Amun hatte wie schon bei der Horus-Kombination bzw. - Verschmelzung politische Gründe, da der Einfluss der Priesterschaft von Theben, wo der Amun-Ra-Kult am mächtigsten war, in den Staatskult eingebunden werden musste.
Eine Gemeinsamkeit von Horus und Re bildet in der frühen Mythologie die Göttin Hathor als ihre Mutter. ´Hat-hor´ bedeutet ja nichts anderes als ´Haus des Horus´, wobei ´Haus´ hier als Mutterleib zu verstehen ist. Entsprechend galt Hathor - alternativ zu Isis, der Mutter des Horus in späterer Mythologie - auch als göttliche Mutter des Pharao. Auch Re wird in einem Schöpfungsmythos als Sohn der Hathor geschildert, in anderen wiederum als Sohn der Nut, die ihn täglich gebiert und wieder verschlingt - was alles nicht verwundert, da ´Hathor´ und ´Nut´ in früher Zeit unterschiedliche Namen für die gleiche Gottesvorstellung waren und auch beide u.a. als Kuh symbolisiert wurden. In späterer Mythologie erscheint Hathor dann nicht mehr als Mutter, sondern als Tochter des Re, was symptomatisch ist für die Degradierung, welche die archaischen Muttergottheiten während des 2. Jt. BCE (nicht nur) in Ägypten erfahren mussten.
Bzgl. Hor gibt es aber auch wiederum ganz unterschiedliche Herkunftserzählungen, die in sich nicht miteinander vereinbar sind. Aber das ist keine Eigentümlichkeit der ägyptischen Mythologie, das findet man auch anderswo.
Die hohe Varianz in der ägyptischen Mythologie ist hauptsächlich wohl in den diversen Machtinteressen der Priesterschaften begründet, die ihre eigenen lokalen Götter mit anderen Göttern in opportune Verwandtschaftverhältnisse setzten, um politische Bündnisse zu schmieden oder zumindest politischen Einfluss auszuweiten.
Aus solchen Gründen wurde der Staatsgott Horus z.B. der Sohn von Osiris. Horus´ Sohnschaft zum Hauptgott von Busiris, dem Stier- und Fruchtbarkeitsgott Osiris (Namensbedeutung ungeklärt), ist eine nachträgliche Konstruktion der Priesterschaft von Busiris. Im Bemühen, an der Macht des Horus teilzuhaben, gliedern ihn die Priester in ihren von Osiris und Isis dominierten Lokalkult ein. Ähnlich wie später in Heliopolis muss Horus in verwandtschaftliche Beziehung zu mindestens einem Lokalgott treten. Die Priester lösen das Problem, indem sie Horus als Sohn von Osiris und Isis interpretieren, der nach dem gewaltsamen Tod des Osiris, mythologisch der erste die geschichtliche Welt regierende Gott, dessen herrschaftliche Nachfolge antritt. Horus gewinnt dadurch neue Aspekte (Kind der Isis, Rächer seines ermordeten Vaters), die seine Beliebtheit im Volk und damit seine ideologische Verwertbarkeit durch das Königtum noch erheblich steigern.