Nürnberger Prozesse- Siegerjustiz oder Sieg der Gerechtigkeit?

Miame

Neues Mitglied
Hey ihr Lieben! :)

Ich muss eine Facharbeit zum Thema Nürnberger Prozesse- Siegerjustiz oder Sieg der Gerechtigkeit schreiben, aber habe noch nicht wirklich eine Ahnung und muss bald abgeben!!!!:weinen:

Deshalb eine große Bitte von mir, wenn ihr euch mit dem Thema auskennt dann bitte schreibt einfach euer Fazit zur Problemfrage dazu!

ich wäre zudem dankbar über mögliche Bücher oder Fachbroschüren die ihr mir empfehlen könntet??

und zu guter letzt: habt ihr eine Idee wie meine Gliederung aussehen könnte? Ich soll nicht nur einfach referieren sondern richtige Analytische Arbeit leisten, hab aber noch gar keine Ahnung wie dies gehen soll und an welchem Beispiel ?!


Ich danke euch schonmal im Voraus, eure Miame!!!! :p


Bitte helft mir !!
 
Wegen der Facharbeit gehe ich vom schulischen Bereich aus?

Andere kennen sich bei dem Thema besser aus, aber ein paar Beobachtungen:

Das ist keine historische Fragestellung. Das kann entweder als philosophische oder als juristische Frage beantwortet werden. Aber, da die Frage hier gestellt wird, ist es für Geschichte?

Da würde ich entweder auf die Geschichte der Beurteilung eingehen oder auf die Entwicklung der Philosophie. Rechtsgeschichte mag noch in Frage kommen, auch Völkerrecht.

Ich selbst würde Philosophie bevorzugen. Es geht einerseits um das Versagen der Kantschen Ethik im Dritten Reich und die Selbstverständlichkeit, dass man diese Ethik nicht inhaltsleer hätte anwenden können. Daraus kommt man zu der Frage, wie sich hier Strafen ohne Gesetz begründen. Zunächst ethisch, dann aber auch juristisch. Denn die Begründung wird dann einfacher.

Eine Frage ist auch die Definition von Siegerjustiz. Dazu müsste man aber das Völkerrecht seit dem Westfälischen Frieden zur Kenntnis nehmen.

Was ich sagen will: Für mich ein unmôgliches Thema, dass ich mit Wechsel des Gesichtspunkten bearbeiten würde.

Am einfachsten vielleicht in der Analyse der Diskussion in der Bundesrepublik bis 89?

Nur: Um es so zu bearbeiten brauchst Du Zeit, dich einzulesen.

Was an Bibliothek zur Verfügung steht, wird unsere Experten auch interessieren.

Und schließlich solltest Du uns mitteilen, was Du Dir schon an Gedanken gemacht, was gelesen hast?

Wir helfen gerne, aber nehmen die eigentliche Arbeit nicht ab.

(Ein menschlicher Aspekt könnte die Sichtweise der Prozessbeteiligten sein. Hier hättest Du aber das Problem, neutral bleiben zu müssen. Das kann schwer sein. Und je nach Lehrer gefährlich. Ein Trick ist, dass zum Schluss aufzulösen, indem man die Handlungen einordnet. Aber auch da musst Du Dir erst mal die Literatur und Quellen besorgen.)
 
Ja, die Facharbeit ist in den Fächern Geschichte und Politik Wissenschaften.

Ich habe mir überlegt anfangs den Beginn der Prozesse, den Verlauf und den Wendepunkt zu erläutern und danach Siegerjustiz und Gerichtigkeit zu definieren. Danach würde ich auf ein Konkretes Beispiel eingehen.

Ich verstehe deinen Aspekt mit dem Völkerrecht, nur weiß ich nicht genau wie ich dies einbinden soll da es in den Nürnberger Prozessen ja ausschließlich nur um Angriffskriege geht und nicht um den Massenmord der Juden in Deutschland, da das Gericht sich nicht in die Staatssouveränität Deutschlands einzumischen vermochte.
 
Die Nürnberger Prozesse sind Bestandteil einer Entwicklung, an deren Ende der internationale Gerichtshof steht. Sie waren auch von den Fehlern des Versailler Vertrags bedingt.

Es ist hier auch die Frage, ob Siegerjustiz hier überhaupt eine denkbare Kategorie ist. Es gab ja keine andere Instanz, die handeln konnte. Der Völkerbund war futsch. Das Thema musste angegangen werden, selbst die USA sahen das ein. Die Handlungsoptionen waren nicht gerade weit gestreut.

Aber, wie gesagt, bei so jungen Zeiten sind eher andere die Experten. Ich habe gepostet, weil letztens augenscheinlich Fragesteller nicht genügend Geduld hatten, auf Antwort zu warten.

Was hast Du denn bisher an Quellen und Literatur? Es ist immer einfacher, wenn man beim Einlesen auf ein Problem oder einen Aspekt stößt, der einen selbst interessiert.
 
Ich habe mir ein Buch von Joe Heydecker über die Nürnberger Prozesse bestellt und fange jetzt an ein Buch von Telford Taylor über das selbe Thema zu lesen :)

Wie meinst du das mit dem Versailler Vertrag ? Könntest du das vielleicht nochmal genauer erklären ?

Deine Antworten haben mir schon geholfen ! Dankeschön !!
 
Was war denn mit dem Versailler Vertrag und Schuldzuschreibung? (Vollkommen unabhängig davon, ob das alles richtig so war und was alles in den letzten Jahren diskutiert wurde.)

Was wollte man da an Maßnahmen?
War das erfolgreich?

Solltet ihr eigentlich durchgenommen haben.
 
"die Frage, ob Siegerjustiz hier überhaupt eine denkbare Kategorie ist. Es gab ja keine andere Instanz, die handeln konnte."

Gerade deswegen ist sie die einzig denkbare Kategorie. Es war das "Internationale Militärtribunal" ./. Göring und andere und somit ein Spruchorgan der Alliierten, das nach Sonderrecht, nicht nach dem damals geltenden deutschen Recht entschied, was möglicherweise alle späteren Diskussionen um die Unrechtmäßigkeit der Urteile entbehrlich gemacht hätte. So wurde eine Vielzahl elementarer Rechtsgrundsätze verletzt, so z.B. die Grundsätze "Nulla poena sine lege" und "Tu quoqe" und "ne bis in idem".

Das beste Werk zum IMT und seinen "Nürnberger Prozessen" ist bei amazon antiquarisch für 14.- E zu bekommen: Frh. von der Lippe, Dr. Viktor, Nürnberger Tagebuchnotizen November 1945 bis Oktober 1946, Verlag Fritz knapp, Frankfurt am Main, 1951. Ideal zum Einlesen in die Materie. Der Autor war Hilfsverteidiger Erich Raeders, schildert die Zeitumstände und den Verfahrensablauf chronologisch und verfahrensnah, beschäftigt sich verständlich mit der Rechtsproblematik, moralischen, politischen und philosophischen Erwägungen. Parteilichkeit ist nicht zu erkennen.

Ohne dieses Buch gelesen zu haben, würde ich persönlich an eine Gliederung nicht herangehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Versailler Vertrag und Schuldzuschreibung?" Art. 231 des "Vertrages" enthielt keine Schuldzuweisung, sondern eine Verantwortlichkeitszuweisung. Das ist rechtlich nicht identisch.
 
Hey ihr Lieben! :)

Ich muss eine Facharbeit zum Thema Nürnberger Prozesse- Siegerjustiz oder Sieg der Gerechtigkeit schreiben, aber habe noch nicht wirklich eine Ahnung und muss bald abgeben!!!!:weinen:

Deshalb eine große Bitte von mir, wenn ihr euch mit dem Thema auskennt dann bitte schreibt einfach euer Fazit zur Problemfrage dazu!

ich wäre zudem dankbar über mögliche Bücher oder Fachbroschüren die ihr mir empfehlen könntet??

und zu guter letzt: habt ihr eine Idee wie meine Gliederung aussehen könnte? Ich soll nicht nur einfach referieren sondern richtige Analytische Arbeit leisten, hab aber noch gar keine Ahnung wie dies gehen soll und an welchem Beispiel ?!


Ich danke euch schonmal im Voraus, eure Miame!!!! :p


Bitte helft mir !!


Das Thema Kriegsverbrechen und Kriegsverbrecherprozesse ist ein sehr komplexes. Vermutlich viel zu komplex, als dass man dem Thema mit Entweder-oder" Schwarz_oder_ weiß"-Fragestellungen angemessen gerecht werden kann. Die Welt ist nicht so einfach, zwischen schwarz und weiß gibt es viele Schattierungen von Grau oder auch Braun, und welches Urteil welchen Gerichtes könnte einen "Sieg der Gerechtigkeit" einläuten? Ein fairer Prozess vor neutralen Richtern und oder Geschworenen verhandelt nach anerkannten Rechtsnormen macht Unrecht nicht ungeschehen, kann es nicht ungeschehen machen. "Siegerjustiz" ist auch ein politischer Schlagwortbegriff, der wie "Gutmensch" ideologisch vorbelastet ist.

Der Begriff "Siegerjustiz" suggeriert, dass es sich um politische Prozesse, Schauprozesse gehandelt habe, bei denen die Urteile von vornherein feststanden.

Die Anklagepunkte lauteten "Crimes against Peace" und "Crimes against Humanity "Verbrechen gegen den Frieden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Diese Straftatbestände wurden aber erst nachträglich, nach 1945 formuliert, was dem Rechtsprinzip "Nulla poena sine lege" Keine Strafe ohne (vorheriges) Gesetz widersprach.

Die Führung eines Angriffskrieges und der Überfall ohne Kriegserklärung wurden als Kriegsverbrechen ausgelegt. Eine der Siegermächte, die Sowjetunion aber, hatte mit Hitler 1939 gemeinsame Sache gemacht und das östliche Polen annektiert. 1939/40 hatte die Sowjetunion Finnland angegriffen. 1943 war das Massaker von Katyn bekannt geworden. Nach der Annexion hatte Stalin Tausende polnischer Offiziere liquidieren lassen.

Polens Grenze wurde nach 1945 um ca. 250 km nach Westen verschoben, ohne Rücksicht auf ethnische Zusammensetzung. Nach den Erfahrungen aus dem Vertrag von Versailles wollten die Alliierten keine Präzedenzfälle schaffen. Nach dem 1. Weltkrieg gab es in den neu entstandenen Staaten Polen und Tschechoslowakei starke deutsche Minderheiten. Die dann später von Hitler instrumentalisiert und "heim ins Reich" geholt wurden. Diese deutschen Minderheiten wurden nach Ende des 2. Weltkriegs vertrieben.

Im Laufe des Krieges hatten aber auch die Allierten Terrorangriffe praktiziert und Wohngebiete mit Zivilisten bombadiert. In Hamburg, Kassel, Frankfurt, Würzburg und anderen Städten waren Tausende von Zivilisten umgekommen. Die Bombadierung Dresdens 1945 und der 2.Atombombenabwurf über Nagasaki waren aus militärischer Sicht sinnlos, nennenswerte kriegswichtige Anlagen wurden nicht getroffen, sondern Zivilisten getötet und unersetzliche Kunst- und Kulturschätze vernichtet.

Vor diesem Hintergrund wurde daher leicht der Vorwurf "Tu quoque" (Du doch auch laut. Von Geschichtsrevisionisten wird gerne versucht, mit Schlagworten wie "Bombenholocaust" Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie die Vernichtung der Juden, Roma u. a. gegen Grausamkeiten aufzurechnen.

Bei allen aufgezählten Fragwürdigkeiten und umstrittenen Entscheidungen die auch unter den Alliierten kontrovers gesehen wurden, handelte es sich bei den Urteile von Nürnberg meiner Meinung nach um rechtsstaatliche Verfahren und im Großen und Ganzen einigermaßen faire Prozesse. Die Verteidiger waren teilweise wenig vertraut mit Feinheiten des angelsächsischen Rechtswesens wie Kreuzverhör. Es wurden aber durchaus entlastende Beweise anerkannt, und es gab Freisprüche.

So wurde Karl Dönitz vorgeworfen, die Rettung Schiffbrüchiger im Geleitzugkrieg unterbunden zu haben, Dönitz Verteidiger konnte darauf verweisen, dass ein amerikanischer General, Nimitz, ähnliche Befehle im Pazifikkrieg gab.

Wenn ich ein Schulprojekt ausarbeiten müsste und didaktischen Spielraum hätte, würde ich das am Beispiel eines ausgezeichneten Gerichtsfilms, Stanley Kramers Judgement of Nuremberg (Urteil von Nürnberg) tun.

Es geht dabei um Richter, die Rechtsbeugung begangen haben. Man könnte gemeinsam den Film ansehen und darauf über "Siegerjustiz", NS-Justiz und deren (fehlende) Aufarbeitung in der BRD diskutieren.

In diesem Zusammenhang empfehle ich, mal unter

"Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse"
"Radbruchsche Formel"
"Roland Freisler"
"Hans Filbinger"
"Hans Globke"
"Fritz Bauer"
"Auschwitzprozesse" zu googlen.

Da findest du bestimmt Anregungen und kannst uns dann deine Gedankengänge mitteilen. Wir helfen gerne.
 
"handelte es sich bei den Urteile von Nürnberg meiner Meinung nach um rechtsstaatliche Verfahren"

Da rechtsstaatliche Verfahren nur dann vorliegen, wenn rechtsstaatliche Grundsätze - welche und in welchem Umfang sowie aus welchem Rechtskreis - erfüllt sind, interessiert mich, wie Sie, Scorpio zu Ihrer Meinung gelangt sind.

Ich jedenfalls als Juristin habe da ganz erhebliche Bedenken, die ich schon angedeutet hatte. Gerne können wir hier die Einzelheiten diskutieren. Das Buch von der Lippes habe ich gerade auch deswegen empfohlen, weil es aus fachmännisch - juristischer Sicht die rechtliche Anfechtbarkeit der Verfahren unter die Lupe nimmt.
 
Zumindest an "vae victis" haben sie sich ja gehalten.

Wie schon 1918/19, wo das Deutsche Reich letztlich noch nicht einmal militärisch besiegt war. Die Front war im Oktober 1918 noch immer nicht zerbrochen. Mein Großvater geriet Anfang 10/1918 vor der Hermannstellung südöstlich Cambrai in Gefangenschaft. Er schildert in seinen Kriegsbriefen von Defaitismus und Aufgabewillen rein garnichts, obwohl sonst kritisch in seinen Beurteilungen der Lage.
 
Wie schon 1918/19, wo das Deutsche Reich letztlich noch nicht einmal militärisch besiegt war. Die Front war im Oktober 1918 noch immer nicht zerbrochen. Mein Großvater geriet Anfang 10/1918 vor der Hermannstellung südöstlich Cambrai in Gefangenschaft. Er schildert in seinen Kriegsbriefen von Defaitismus und Aufgabewillen rein garnichts, obwohl sonst kritisch in seinen Beurteilungen der Lage.

Das ist sicherlich eine sehr einseitige Sichtweise, die kaum der aktuellen Forschung entspricht. Richtig ist, wie Strachan [3] betont, dass die Kampftruppen in 1918 noch eine gewisse Qualität besaßen und noch begrenzt intakt waren.

Das Argument geht aber an der politischen und wirtschaftlichen Realität im Reich und an der geostrategischen Verschiebung im Jahr zu Gunsten der Entente vorbei. Das zentrale Argument für Ludendorff zur Beendigung der Kämpfe war, dass sich die militärische Niederlage von Ö-U deutlich abzeichnete und dass Bulgarien kapitulierte.

Solche "Kleinigkeiten" übersieht "Adolina" in der Beurteilung der militärischen Situation 1918.

Aus dem militärischen Zusammenbruch der Front auf dem Balkan resultierte die Gefahr für 1919, dass sich eine deutsche "Südfront" abzeichnete, die zu einer endgültigen Überanstrengung der militärischen Mittel geführt hätte.

Das Deutsche Reich war Ende 1918 militärisch besiegt, allerdings wäre es ähnlich wie im WW2 noch in der Lage gewesen, hinhaltend einen weiteren Krieg defensiv zu führen.

Dass sich in Deutschland zudem die Frage massiv in den Vordergrund drängte, für welche Interessen dieser Krieg geführt wurde und sich daraus ein zunehmender gesellschaftlicher Widerstand entwickelte, sei am Rande erwähnt. Wer will schon sinnlos für sinnfreie Kriegsziele sterben?

Ansonsten zur Frage der psychologischen Befindlichkeit:

Die wohl wichtigste Quelle stellen die Briefe dar, die von der Front nach Hause und von zu Hause an die Soldaten geschickt worden sind. Sowohl auf deutscher [1] wie auch auf französischer Seite [2] wurde diese Briefe gelesen, zensiert und und eventuell nicht zugestellt. Teilweise wohl auch als Grundlage für weitere militärrechtliche Verfolgungen herangezogen, sofern relevante Ereignisse geschildert worden sind.

Insgesamt ist für die deutsche und die französische Seite interessant zu sehen, dass das Feindbild in Bezug auf den Gegner im Schützengraber nicht so ausgeprägt war. Relevanter war für die deutschen und die französichen Soldaten die distanzierte Wahrnehmung der Ereignisse in der Heimat.

Von Hobohm (Schüler von Delbrück) wurde für die Armee in 1929 im Rahmen des parlamentarischen Untersuchungsausschuss über "Die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs" die zentralen Erkenntnisse formuliert.

Insgesamt zeichnete sich eine generelle Erschöpfung ab, die über die Jahre zugenommen hatte. Gleichzeitig betont Ziemann einen zweiten Aspekt, dass die Moral der deutschen Soldaten, neben diesem generellen Trend, situativen Einflüssen unterworfen war [1, S. 167/168]

Vor diesem Hintergrund hatte die Kriegsmüdigkeit der Soldaten im Verlauf des Jahres 1917 eine bisher nicht gekannte Intensität erhalten. Ein Aspekt, der auch auf der französischen Seite zu intensiven Befürchtungen führte, dass die Fronteinheiten in 1917 zur "Fraternisierung" neigen würde [2, S. 205]. Ein Verhalten, das wohl an der Tagesordnung war, allerdings unter strenge Bestrafung gestellt wurde.

Mit dem Ausscheiden von Russland Ende 1917 veränderte sich diese Bewertung und man ging davon aus, dass es in 1918 einen finalen Kraftakt geben würde, der den "Sieg-Frieden" bringen würde [1, S. 169].

Vor diesem Hintergrund lehnten die deutschen Soldaten an der Front die "Januarstreiks" im Jahr 1918 überwiegend ab, da sie in diesen Aktionen lediglich eine Verlängerung ihres Krieges sahen.

In dieser Ablehnung der Aktionen an der Heimatfront kommt zum einen die nach wie vor hohe Disziplin der Soldaten zum Ausdruck, die auch von den SPD-Mitgliedern aktiv formuliert wurde, und zum anderen erkennt man rudimentär die Ansätze für die Formulierung der "Dolchstoßlegende" [1, 170]

In Erwartung der Frühjahrsoffensive, "Michael", ging eine starke Mobilisierung der psychischen Reserven einher. Am 4. April 1918 wurde jedoch die Offensive abgebrochen, nachdem sie sehr deutliche Landgewinne erbracht hatte, allerdings auch die letzten kampfkräftigen Einheiten für offensive Operationen "ausgeblutet" hatte.

Der militärische Mißerfolg von Ludendorff strategischer Planung führte dann in der Folge zu einer noch schnelleren Motivationskrise innerhalb der Armee.

Insgesamt, so der Tenor von Ziemann, gab es abgesehen von kleinen Gruppen von USPD-Anhängern in der Armee keine aktive Agitation, die auf die aktive Zersetzung hinauslief.

"Insgesamt führten also nicht ein gebündelter Protest oder eine revolutionäre Politisierung, sondern in erster Linie eine enttäuschte Erwartung und die kollektive Erschöpfung im Herbst 1918 zum Zusammenbruch des Herrschaftssystems in der deutschen Armee an der Westfront". [1, 181]

1. B. Ziemann: Enttäuschte Erwartungen und kollektive Erschöpfung. in: Duppler & Groß (Hrsg) Kriegsende 1918, S. 165 ff
2. A. Bach: Die Stimmungslage der an der französischen Front 1917 bis 1918 eingesetzten Soldaten nach den Unterlagen der Briefzensur. in: Duppler & Groß (Hrsg) Kriegsende 1918, S. 201 ff
3. H. Strachan: Einführende Bemerkungen, in: Duppler & Groß (Hrsg) Kriegsende 1918, S. 109 ff
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für diese ausführlichen Bemerkungen,thanepower, die ich nicht erwartet hatte angesichts der Tatsache, daß dieser Strang hier von den IMT - Prozessen handelt und mein Hinweis nur ganz kurz auf die "vae victis" - Äußerung erfolgte. Ihre Angaben sind grundsätzlich richtig, widersprechen aber nicht meiner Aussage, daß die deutschen Armeen eben noch nicht militärisch besiegt waren. Sie sprechen ja selber von der Möglichkeit des Zurückweichens, was ja ohnehin erfolgte. Es war ein hinhaltender Rückzug. Niemand weiß, was bei einem schnelleren Rückzug hinter den Rhein geschehen wäre.
Darf ich Ihnen das Werk von Generalleutnant a.D. Ernst Kabisch, Der schwarze Tag, Die Nebelschlacht vor Amiens (8./9.August 1918), Vorhut - Verlag Berlin, 12. Auflage, empfehlen, insbesondere Seiten 207 ff., wo eingehend geschildert wird, daß nicht das deutsche Heer, sondern das Vertrauen der Führung in das Heer am 8. August zerbrochen war, obwohl die richtige Erkenntnis hätte sein sollen, daß gegenüber großen Tankmassen neue Abwehrmittel erforderlich waren bzw. auszuweichen war. Trotz Überraschungsangriffs mit insgesamt 415 Tanks brach der britische Angriff allerdings schon am 9. August zusammen, weil die deutschen Truppen eben immer noch verteidigungsfähig waren.

Weiter will ich nicht ausführen, sonst wird die Moderation wegen Abweichens vom Thema Sanktionen verhängen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich jedenfalls als Juristin habe da ganz erhebliche Bedenken, die ich schon angedeutet hatte. Gerne können wir hier die Einzelheiten diskutieren.

Auch in diesem Fall liegt wohl eine starke Simplifizierung vor. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts (vgl. beispielsweise die Darstellung in Neff) hatte sich vor allem in den anglo-amerikanischen Staaten und später in den zwanziger Jahren auch in der Weimarer Republik ein neues Verständnis von Völkerrecht ausgeformt, dass die Anwendung von Gewalt im zwischenstaatlichen Bereich sanktionieren wollte.

Entsprechende komplizierte Mechanismen waren für den Völkerbund vorgesehen worden und sollten ein "kollektives Sicherheitssystem" bilden, dass den Einsatz von Gewalt als Instrument der Außenpolitik verhindert.

Dieses auch vor dem Hintergrund, dass bereits für die Verhandlungen im Rahmen des VV nach der direkten persönlichen Schuld gefragt worden ist.

Und die Kommission zu folgender Bewertung kam:

" The second major conlusion concerned the question of personal responsibility of the the German leadership causind the war. The Commision recommended against placing high-level figures pn tria, on the ground that palnning of aggressive war was not a war crimw. A war crime in the legal sense, the Commission concluded, is a violation of the rules on the conduct of hostilities after a war was under way. It went on to state, however, that legal sanctions against political leaders who resorted to aggressive war were desirable". (S. 349)

Und es war Lansing, der sich - zu diesem Zeitpunkt - noch gegen eine internationale Gerichtsbarkeit aussprach.

In diesem Sinne war bereits das Rechtsverständnis in 1920 soweit ausgeformt, dass die Vorbereitung von Angriffskriegen und damit zusammenhängende Kriegsverbrechen zu bestrafen sind.

https://books.google.de/books?id=u5DzAgAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=justice+among+nations&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=justice%20among%20nations&f=false

Es ist zudem anzumerken, und das hätte unser "Jurist" selber anmerken können, dass das Selbstverständnis der Nürnberger Militär Tribunale sich auf zwischenstaatliche Akte im Rahmen der Kriegsführung beschränkte.

Es wurden somit eine Vielzahl von Gewaltverbrechen, beispielsweise gegen die deutsche Opposition, nicht beachtet, weil es eine "Einmischung" in die inneren Angelegenheiten des Staates gewesen wäre.

Und somit ein zentrales Element des Völkerrechts zur Anwendung kam.

Abschließend kann ich persönlich nur sagen, dass es für mich völlig unverständlich ist, angesichts von ca. 40 Mio Toten, undifferenziert "Nulla poena sine lege" zu zitieren, wenn man sich nicht ansatzweise die Mühe gemacht hat, wenigstens sich rudimentär mit der Entwicklung des Völkerrechts zu beschäftigen.
 
Ihre Angaben sind grundsätzlich richtig, widersprechen aber nicht meiner Aussage, daß die deutschen Armeen eben noch nicht militärisch besiegt waren.

Natürlich waren sie besiegt, weil es keine Chance gab, die Vorstellungen zum "Siegfrieden" noch durchsetzen zu können (vgl. Clausewitz zu dem Thema)

Ludendorff hat die endgültige Niederlage für 1919 lediglich antizipiert und ging davon aus, dass er aufgrund des Angebots von Wilson, einen Friedensschluß erzielen kann, der nicht nach "Niederlage" aussah, sondern ging zunächst von der Hoffnung nach einem "glimpflichen Frieden" aus.

Da benötige ich keine Literatur von irgendwelchen Generälen zu irgendwelchen Schlachten, um das generelle Bild zu verstehen.
 
Und woher wissen Sie, thanepower, daß bei einem weiteren geordneten Rückzug hinter den Rhein unter Modifizierung der Kriegsziele und weiter fortschreitender Erschöpfung auf französischer Seite eine militärische Niederlage Deutschlands weiterhin völlig unvermeidbar war? Ein generelles Bild Ihrer Erkenntnis genügt mir, da ich Sie nicht verärgern möchte. Literatur ist für die Geschichtsforschung ja unnötig. Die kann nur verunsichern.
 
Ich sage nur einfach mal "Der Sieger von Tannenberg" und "Blutpumpe" als Schlagworte. Dann ist klar wie flexibel Hindenburg, Ludendorff, Falkenhayn und Co. waren. Später die Dolchstosslegebde, vom im Felde unbesiegt...
Die Herren des Heeres war so flexibel wie ein Krückstock, da kamen garantiert keine anderen Kriegsziele in Frage. Erst recht kein zurückweichen auf den Rhein.
 
Und woher wissen Sie, thanepower, daß bei einem weiteren geordneten Rückzug hinter den Rhein unter Modifizierung der Kriegsziele und weiter fortschreitender Erschöpfung auf französischer Seite eine militärische Niederlage Deutschlands weiterhin völlig unvermeidbar war?

Es ist schon verblüffend, mit welch geringer Kenntnis der politischen Polarisierungen im DR im Jahr 1917 und 1918, der WW1 noch gewonnen werden sollte.

Die Kriegsziele der "Alldeutschen", Apvar wies darauf hin, waren kaum kompatibel mit Vorstellungen eines Rückzugs hinter den Rhein.

Die Entbehrungen der deutschen Bevölkerung hatten einen Grad erreicht, dass es eine deutliche Zunahme von Streiks gab, die ebenfalls als Indikator für eine deutlich Abnahme der Bereitschaft zu sehen ist, einen sinnfreien Krieg fortzusetzen.

Wieso Erschöpfung auf französischer Seite? Natürlich waren die erschöpft und die Britten und ihr Empire auch. Allerdings: Die Amerikaner hatten noch gar nicht voll mobilisiert und waren nur teilweise in die Kämpfe involviert gewesen. Das volle Gewicht wäre erst ab 1919 zu spüren gewesen.

Und erstaunlicherweise wird von Adolina nicht verstanden, dass im Süden die Front komplett zusammen brach, da Ö-U innenpolitisch und militärisch am Ende war. Da hätte eine Front von mehreren hundert Kilometern stabilisiert werden müssen.

Ein generelles Bild Ihrer Erkenntnis genügt mir, da ich Sie nicht verärgern möchte. Literatur ist für die Geschichtsforschung ja unnötig. Die kann nur verunsichern.

Ja, das ist natürlich richtig, ich bin so leicht durch zuviel Literatur zu verunsichern. Deswegen konzentriere ich mich auch nur auf die relevante Literatur. Und deswegen: Ich habe aus einem der Standardwerke zum Kriegsende in 1918 vom MGFA zitiert. Und Strachan kann man wohl zu den relevantesten 5 bis 10 Militärhistorikern rechnen und deswegen kommt seinem Urteil eine gewisse Autorität zu.

Und das ist er zu Recht, weil er zentrale Grundlagenwerke zum WW1 geschrieben hat (vgl. u.a. Link)

https://books.google.de/books?id=xFgTDAAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=inauthor:%22Hew+Strachan%22&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q&f=false
 
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