Verwendung von Fenstergefäßen

El Quijote

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Das Phänomen der Fenstergefäße taucht in der Archäologie unabhängig voneinander sowohl im Nahen Osten (ca. 5. Jhdt. v. Chr.) als auch im kaiserzeitlichen Germanien auf (zw. Rhein und Oder etwa 200 bisher bekannte bzw. erkannte Exemplare). Im Nahen Osten finden wir in den Fenstergefäßen meist Kristalle, wohingegen in den germanischen Fenstergefäßen meist Bruchstücke aus römischen Glas eingesetzt sind. Die meisten Fenstergefäße haben ein "Fenster" im Boden, vereinzelte auch in der Seite. es gibt sowohl solche, in denen die "Fenster" erst nachträglich angebracht wurden, als auch solche, wo sie bereits vor dem ersten Brand eingesetzt wurden.
Meine Frage ist nun, wozu diese Fenstergefäße dienten und warum die "Fenster" in den überwiegenden Fällen im Boden eingelassen waren.
 
Meine Frage ist nun, wozu diese Fenstergefäße dienten und warum die "Fenster" in den überwiegenden Fällen im Boden eingelassen waren.
Ich habe zwar noch nie von diesen Gefäßen gehört und weiß daher auch nicht wie sie aussehen, aber könnte mir vorstellen, dass Sie, vorausgesetzt dass sie groß genug waren , der Beobachtung von Fischschwärmen dienen konnten. Ähnliches wurde von Fischern im Mittelmeerraum, über Jahrhunderte mit bodenlosen Fässern oder Kästen praktiziert um die Spiegelung des Wassers herabzusetzen.
 
Zur Nutzung der Fenstergefässe, werden in den Wissenschften drei Theorien vertreten.
Die einen schreiben den Gefässen eine kultische Bedeutung zu, um den weiterlebenden Toten Glanz und Licht zu bieten. Andere sehen in den Löcher ein Verzierungselement und schlussendlich sind einige der Ansicht, dass die Fenstergefässe der Schätzung vom wertvollen Glas dient.
Zur Widerlegung dieser Theorien können jedoch viele Gegenargumente geführt werden. Gegen die dritte Theorie spricht, warum gerade das primitivste Material dieser Zeit, mit dem Glasstück als Verzierungselement versehen wurde.
M. Jahn und Höllrigl geben eine annehmbare Theorie, warum gerade die Gefässgrundfläche verziert wurde. Laut ihnen wurde nach Gebrauch das Gefäss nicht aufgehängt, sonders Mund abwärts untergebracht. Somit war der Boden für Verzierungen besonders geeignet.
 
Ich habe zwar noch nie von diesen Gefäßen gehört und weiß daher auch nicht wie sie aussehen,
Da lässt sich Abhilfe schaffen.

Fenstergefäß aus Coswig.jpg

Wobei an diesem Exemplar auch "Seitenfenster" angebracht sind. Die meisten haben sie im Fuß.

aber könnte mir vorstellen, dass Sie, vorausgesetzt dass sie groß genug waren, der Beobachtung von Fischschwärmen dienen konnten.
Ich denke, die These wirst du mit dem Bild zurückziehen, oder?

Trinkgefäße kommen nicht in Betracht?
Das erklärt aber nicht das "Fenster" im Gefäßfuß.

Die einen schreiben den Gefässen eine kultische Bedeutung zu, um den weiterlebenden Toten Glanz und Licht zu bieten.
Zu dem Coswiger Gefäß gibt es einen Artikel von Torsten Schunke, Vom Glasbecher zum Fenstergefäß: Recycling von Scherben. Ein germanisches Fenstergefäß aus Coswig. In: Meller, Harald (Hrsg.): Schönheit, Macht und Tod: 120 Funde aus 120 Jahren. Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Halle 2001), 264-265 (online: https://www.academia.edu/6981578/Vo...um_für_Vorgeschichte_Halle_Halle_2001_264-265).
Schunke endet den Artikel mit folgender Beoabachtung und darauf basierender Schlussfolgerung:
"Die eingesetzten Glasscherben sind nur an den Stellen abgerieben, an denen sie über die Keramikwandung hinausragen. Damit ist eine längere Nutzungszeit des Fenstergefäßes belegt, es hamdelt sich also im keine Spezielle Herstellung für diese Bestattung."
Zur Widerlegung dieser Theorien können jedoch viele Gegenargumente geführt werden. Gegen die dritte Theorie spricht, warum gerade das primitivste Material dieser Zeit, mit dem Glasstück als Verzierungselement versehen wurde.
Rein praktisch: Wahrscheinlich ist Keramik der einzige Stoff, wo man die Glasscherben so einsetzen konnte, dass man einigermaßen sicherstellen konnte, dass das Gefäß am Ende auch dicht schloss.

M. Jahn und Höllrigl geben eine annehmbare Theorie, warum gerade die Gefässgrundfläche verziert wurde. Laut ihnen wurde nach Gebrauch das Gefäss nicht aufgehängt, sonders Mund abwärts untergebracht. Somit war der Boden für Verzierungen besonders geeignet.
Das klingt zumindest plausibel.
 
Könnten das als Erinnerungsstücke an alte Begräbnisformen gefertigte Vasen sein?

"Die benutzten Gefäße waren meistens Pithoi, grobes, mit der Hand gearbeitetes Küchengeschirr mit spitzem Fuß. … Zu Särgen sind sie vorzüglich geeignet wegen der dicken Hälse, deren Diameter von 37 bis 50 cm wechselt …"
"Das kleinste von diesen Gefäßen ist nur 33 cm hoch mit einer Halsöffnung von 12 cm.“
"Bei solchen Gefäßen mußte man natürlich die Leiche stark zusammenpressen, bisweilen auch den Hals zertrümmern, um sie hindurch zu zwängen, und das so entstandene Loch wurde genau mit einer anderen Scherbe verdeckt. In der späteren Zeit, z.B. im 5. Jahrhundert, wo die Gefäße alle dünnhalsig waren, mußte die Vase seitlich geöffnet werden, um die Leiche darin unterzubringen, und die Öffnung wurde ebenso mit einer Scherbe eines anderen Gefäßes verschlossen."


Zitate aus: Die Dipylongräber und die Dipylonvasen von Frederik Poulsen

https://ia902705.us.archive.org/2/items/diedipylongrber00poulgoog/diedipylongrber00poulgoog.pdf
 
Meine Frage ist nun, wozu diese Fenstergefäße dienten und warum die "Fenster" in den überwiegenden Fällen im Boden eingelassen waren.

Zum “wozu“ habe ich keine Idee, die Einlassung der “Fenster“ im Boden bzw. in den unteren Seiten wie bei dem von Dir eingestellten Beispiel ist optisch recht effektvoll wenn das Gefäß vor einer Lichtquelle gehalten wird. Habe gerade spontan ein stinknormales Wasserglas mit schwarzem Packpapier umwickelt, kleine Ausparungen an entsprechenden Stellen hineingeschnitten und in dämmrigem Raum vor eine Kerze gehalten. Sowohl bei Apfel- wie Schwarzem-Johannisbeer-Saft (für Weiß- bzw. Rotwein ist es mir noch zu früh am Tag) lässt sich ein erfreuliches Leuchten erzielen, selbst mit Wasser ist die Wirkung noch ansehnlich, in letzteres ersteres hineingeträufelt lässt tolle Schlierenbilder entstehen.
Sicherlich haben die einst eingelassenen Scherben oder Kristalle nicht die Klarheit heutigen Glases, doch ob nun vielleicht nur zur schlichten optischen Erbauung beim “Saufen“ oder mit tieferem, womöglich kultischem Hintergrund, es fällt mir nicht schwer vorzustellen dass sich auch früher daran “erfreut“ werden konnte.
Heute Abend probier ich das noch mal, dann definitiv mit Wein! :D
 
@ El Quijote: Doch, es erklärt Glas im Fuß. Das kommt nämlich auch in anderen Zeiten (Mittelalter, um 1900, muitunter auch heute) vor, nur ist das Glas dann hübscher gestaltet.

Wenn das Aussehen typisch ist, würde ich aber eher zu Lukullus Hypothese tendieren,
 
Trinkgefäße kommen nicht in Betracht?

Das erklärt aber nicht das "Fenster" im Gefäßfuß.

Doch, es erklärt Glas im Fuß.
Inwiefern?

Das kommt nämlich auch in anderen Zeiten (Mittelalter, um 1900, muitunter auch heute) vor, nur ist das Glas dann hübscher gestaltet.
Beispiele?

Wenn das Aussehen typisch ist, würde ich aber eher zu Lukullus Hypothese tendieren.
Ja, Lukullus' Hypothese ist ganz interessant.
 
Kennst Du das wirklich nicht? Das ist doch altbekannt: Wenn man austrinkt, kann man durchschauen. Sehr beliebt war es z.B. bei Reservistenkrügen.

Strukturalismus? Was in einer Kultur vorhanden ist, kann auch in einer anderen Kultur vorhanden sein.
 
Das Reallexikon der Germanischen Altertumskunde stellt un dem Lemma Fenstergefäß einige vermutete Verwendungszwecke vor. Das durchscheindendes Licht wurde in der Forschung bereits erörtert.

Die Glasscherbe im Boden kann auch auf ein plumpes Trinkspiel hindeuten. Wenn man das Glasstück im Boden sieht, braucht man Nachschub.
Das tolle an der Verzierung im Boden ist, dass sie nur der sieht, der den Becher auch geleert hat.
Die gleiche Idee (Verzierung nur beim leeren Becher erkennbar) gibt es auch bei der antik-griechischen Trinkschale Kylix.
Insbesondere bei dunklen, fast schwarzen Tongefäßen ist es mitunter auch ein ernstzunehmendes praktisches Problem mit den Augen zu erkennen, ob der Becher wirklich leer ist.
 
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