Architektur der Neueren Geschichte, Formen und Bespiele

thanepower

Aktives Mitglied
Zwei Bauten haben sicherlich die Wahrnehmung von Architektur im zwanzigsten Jahrhundert geprägt.

Zum einen ist es der Bau des Eiffelturms und zum anderen die Errichtung des Empire

Eiffelturm in Paris: Der kühne Plan der Sonnen-Säule - SPIEGEL ONLINE

https://de.wikipedia.org/wiki/Eiffelturm

Bau vom Empire State Building: Bilder von der Arbeit am Abgrund - SPIEGEL ONLINE

https://de.wikipedia.org/wiki/Empire_State_Building

Die Bauten waren Ausruck einer bestimmten Weltsicht. Sie signalisierten den Geltungsanspruch der Länder.

Ihre Architektur setzt neue Maßstäbe und veränderte unsere Sicht auf die Möglichkeiten des Bauens und teilweise auch des Lebens.

Unter industriesoziologischen Gesichtspunkten verweisen sie aber auch darauf, dass diese zivilisatorischen Errungenschaften durch Menschen errichtet worden sind. Es gehörte auch Wagemut und Furchtlosigkeit dazu, diese Bauwerke zu erschaffen. Vielleicht auch ein Erbe der "Protestantischen Ethik"?
 
Die Bauten waren Ausruck einer bestimmten Weltsicht. Sie signalisierten den Geltungsanspruch der Länder.

Genau genommen symbolisieren beide Bauwerke die Städte, in denen sie stehen, und nicht die Länder. Das ergibt sich aus der primären Assoziation, die sich bei ihrem Anblick einstellt: beim Eiffelturm ist das Paris, beim EStB New York. Frankreich und die USA sind da eher sekundäre Assoziationen. Mit einem primären Nationalsymbol identifiziert sich - sofern patriotisch geneigt - jeder Landesbewohner. Ich glaube nicht, dass bei einem durchschnittlichen Bauern aus der Bretagne oder der Provence spontan patriotische Gefühle aufkommen, wenn er an den Eiffelturm denkt. Auch ihm wird eher Paris in den Sinn kommen. Das gleiche gilt wohl für die meisten Bürger der USA, was das EStB und New York betrifft.

Unter industriesoziologischen Gesichtspunkten verweisen sie aber auch darauf, dass diese zivilisatorischen Errungenschaften durch Menschen errichtet worden sind. Es gehörte auch Wagemut und Furchtlosigkeit dazu, diese Bauwerke zu erschaffen. Vielleicht auch ein Erbe der "Protestantischen Ethik"?

Dass monumentale Architektur Menschenwerk ist, war den Menschen sicher auch in früheren Epochen bewusst. Mir ist nicht bekannt, dass in irgendeiner Kultur ein solches Bauwerk als von Göttern geschaffen galt. Laut Homer waren die Mauern Trojas zwar von Göttern errichtet, was aber nur metaphorisch zu verstehen ist; bei Silius Italicus liest man, dass Rom von Göttern erbaut worden sei, was auch hier sicher nur als verklärende Metapher gemeint war.

Auf wen beziehst du ´Wagemut und Furchtlosigkeit´? Auf die Bauarbeiter? Die brauchten das sicherlich. Das gilt aber auch für ihre Kollegen in früheren Epochen; die Errichtung riesiger Bauten waren für Arbeiter schon immer gefährlich. Oder beziehst du das auf die hinter den Projekten stehenden Unternehmer? Die haben aber nur Geld und Reputation riskiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir ist nicht bekannt, dass in irgendeiner Kultur ein solches Bauwerk als von Göttern geschaffen galt. Laut Homer waren die Mauern Trojas zwar von Göttern errichtet, was aber nur metaphorisch zu verstehen ist
Homer und auch andere Autoren nahmen das durchaus wörtlich, z. B. Ilias 21,442 ff. (Poseidon zu Apollon):
... Selber ja des nicht
Denkst du, wie viel wir bereits um Ilios Böses erduldet,
Wir von den Göttern allein, als, hergesandt von Kronion,
Wir ein ganzes Jahr dem stolzen Laomedon dienten,
Für bedungenen Lohn, und jener Befehl' uns erteilte,
Ich nun selbst erbaute der Troer Stadt, und die Mauer,
Breit und schön, der Feste zur undurchdringlichen Schutzwehr;
Doch du weidetest, Phöbos, das schwerhinwandelnde Hornvieh
Durch die waldigen Krümmen des vielgewundenen Ida.
Aber nachdem des Lohnes Ziel die erfreuenden Horen
Endlich gebracht, da entzog mit Gewalt der grausame König
Uns den sämtlichen Lohn, und entließ uns mit schrecklicher Drohung.
...
 
Die Bauten waren Ausruck einer bestimmten Weltsicht. Sie signalisierten den Geltungsanspruch der Länder.

Genau genommen symbolisieren beide Bauwerke die Städte, in denen sie stehen, und nicht die Länder.

Beim Eiffelturm ging es eigentlich nicht um den »machtpolitischen Geltungsanspruch«, wie dies der Spiegel formuliert und dabei zu erwähnen vergisst, dass der Turm nur als Provisorium geplant war. Erhalten blieb das eiserne Ungetüm schließlich wegen seiner Eignung zum militärischen Sendeturm. Ab wann genau der Turm als Wahrzeichen der Stadt fungierte, lässt sich wahrscheinlich nicht genau festlegen; nach einem kurzen Gegoogle meinte ich, dass er sich erst nach dem 1.WK langsam auf Plakaten als Symbol für Paris etablierte.

Ganz anders war die Ausgangslage beim Empire State Building, wo es klar um die Frage ging, wer baut den Größten. Die Motivation lieferte jedoch weniger der Nationalstolz, sondern der Konkurrenzkampf, bzw. die Missgunst unter Wirtschaftsmagnaten. Chan hat zumindest auf den Empire State Building bezogen sicherlich recht damit, dass das Gebäude sogleich zum Wahrzeichen der Stadt wurde, während das Wahrzeichen der USA die Freiheitsstatue blieb.
 
Bzgl. »Geltungsanspruch« will ich noch hinzufügen, dass sich dies in US-Großstädten bereits gegen Ende des 19. Jhs. architektonisch deutlich wahrnehmen lässt. Der große Schub an Größenwahn erfolgte jedoch erst ab den 1930ern und fand seine Kulmination in den 1950ern, was sich bspw. auch am Industriedesign (z.B. von Fahrzeugen) ablesen lässt.
 
Homer und auch andere Autoren nahmen das durchaus wörtlich, z. B. Ilias 21,442 ff. (Poseidon zu Apollon):
... Selber ja des nicht
Denkst du, wie viel wir bereits um Ilios Böses erduldet,
Wir von den Göttern allein, als, hergesandt von Kronion,
Wir ein ganzes Jahr dem stolzen Laomedon dienten,
Für bedungenen Lohn, und jener Befehl' uns erteilte,
(...)

Es stellt sich aber die Frage, ob Homer seine Schilderungen als wörtlich zu verstehende Wiedergabe von Begebenheiten intendiert hat oder als Allegorien. Die schiere Menge an Details in diesen Schilderungen legt einen allegorischen Charakter nahe, d.h. sie sind imaginierte Zutaten des Dichters. Man nehme nur die von dir zitierte Rede des Poseidon. Selbst Homers leichtgläubigen Zeitgenossen muss doch aufgefallen sein, dass es unmöglich ist, dass ein Mensch dies mitgehört, memoriert und an die Nachwelt überliefert haben kann. Oder die Rede der Aphrodite kurz davor:
Weh mir! des aigiserschütternden Zeus unbezwungene Tochter!
Schau, wie dreist die Fliege den mordenden Ares hinwegführt
Aus dem entscheidenden Kampf durch den Aufruhr! Hurtig verfolge!
Wenn die Dialogwiedergaben aber nicht als wörtlich zu verstehende Berichte gemeint sein können, dann gilt das auch für Poseidons Behauptung seiner architektonischen Urheberschaft von Troja.

Zudem kann eine solche Idee nur in zeitlicher Entfernung zum historischen Troja aufgekommen sein. Die Trojaner selbst werden bestimmt nicht an Poseidon als Baumeister ihrer Stadt geglaubt haben.

Schon früh lehnten viele Griechen eine wörtliche Deutung der Ilias ab und waren von ihrem allegorischen Charakter überzeugt. Dazu zählen Heraklit, Xenophanes, Anaxagoras, Pythagoras, Platon und Theagenes. Sie interpretieren das Epos zwar unterschiedlich, stimmen aber darin überein, dass es nicht als Realitätsbeschreibung intendiert war.

Auf Mashenkas Beiträge gehe ich ein andermal ein.
 
Als der biblische Gott sprach: "Lass uns Menschen machen", war auch noch kein Mensch vorhanden, der das später hätte bezeugen können und dennoch wird niemand behaupten, dieser Sachverhalt sei rein allegorisch gemeint (was nicht heißt, dass die Autoren damals intendiert hätten, dass ihre Rezipienten die Überlieferung wörtlich nähmen - aber selbiges gilt auch für "Homer").
 
Mir ist nicht bekannt, dass in irgendeiner Kultur ein solches Bauwerk als von Göttern geschaffen galt.

Auf leicht abwegige Antworten kann man eigentlich nur abwegig antworten. Sollte ich Gott demnächst wieder treffen, werde ich Zwiesprache halten, wie es kommen konnte, dass ich annehmen konnte, er würde hinter den irdischen architektonischen Leistungen stecken.

Ansonsten würde ich vielleicht empfehlen, einmal die Ausführungen von Münkler in "Imperien" (S. 150 ff) zu betrachten, bevor weiterhin auf der schmalen Basis von Wikipedia argumentiert wird. Wikipedia kann ich selber lesen.

Eine ausführlichere Diskussion des Zusammenhangs zwischen "Imperialismus", "Zivilisation" und Architektur wird noch kommen. Es ging nicht um "Größenwahn", sondern um Formen der Machtprojektion im Verhältnis von "Zentrum" und "Peripherie". Um mal kurz den Rahmen zu skizzieren.
 
Die schiere Menge an Details in diesen Schilderungen legt einen allegorischen Charakter nahe, d.h. sie sind imaginierte Zutaten des Dichters.
Der von Dir schon erwähnte Silius Italicus imaginierte auch eine Menge Zutaten in seinem Epos "Punica", ohne dass man daraus ableiten kann, dass er den von ihm besungenen Zweiten Punischen Krieg nur als Allegorie sah.

Man nehme nur die von dir zitierte Rede des Poseidon. Selbst Homers leichtgläubigen Zeitgenossen muss doch aufgefallen sein, dass es unmöglich ist, dass ein Mensch dies mitgehört, memoriert und an die Nachwelt überliefert haben kann. [...] Wenn die Dialogwiedergaben aber nicht als wörtlich zu verstehende Berichte gemeint sein können, dann gilt das auch für Poseidons Behauptung seiner architektonischen Urheberschaft von Troja.
Da vermengst Du aber, was nicht zusammengehört. Auch antike Geschichtswerke sind voll von Reden, die in diesem Wortlaut nie gehalten wurden, trotzdem sind weder die sonstigen Ereignisse im Geschichtswerk noch das, was in den fiktiven Reden selbst angesprochen und erwähnt wurde, alles fiktiv und wurden auch von den Lesern nicht dafür gehalten.

Zudem kann eine solche Idee nur in zeitlicher Entfernung zum historischen Troja aufgekommen sein. Die Trojaner selbst werden bestimmt nicht an Poseidon als Baumeister ihrer Stadt geglaubt haben.
Vermutlich nicht (außerdem hatte aller Wahrscheinlichkeit nach weder Homer noch ein anderer griechischer Autor Zugang zu Primärquellen des Jahrhunderte früher zerstörten Troja), aber genau können wir nicht wissen, was die historischen Trojaner über den Ursprung ihrer Stadtmauern dachten.
In Megara ging die Sage, Apollon habe dem König Alkathoos bei der Errichtung der Stadtmauern geholfen. Diese Sage hielt sich bis in die Kaiserzeit (Pausanias 1,42). Ob sie von den Megarern wirklich ernst genommen wurde, weiß ich nicht, aber ausschließen würde ich es nicht.

Schon früh lehnten viele Griechen eine wörtliche Deutung der Ilias ab und waren von ihrem allegorischen Charakter überzeugt. Dazu zählen Heraklit, Xenophanes, Anaxagoras, Pythagoras, Platon und Theagenes. Sie interpretieren das Epos zwar unterschiedlich, stimmen aber darin überein, dass es nicht als Realitätsbeschreibung intendiert war.
Solche Gelehrte gab es zwar, aber auch andere. Noch Pausanias (2. Jhdt. n. Chr.) zitierte wiederholt Homer und andere frühgriechische Dichter als Belegstellen für von ihm als historisch erachtete Ereignisse, Genealogien etc.
 
Der von Dir schon erwähnte Silius Italicus imaginierte auch eine Menge Zutaten in seinem Epos "Punica", ohne dass man daraus ableiten kann, dass er den von ihm besungenen Zweiten Punischen Krieg nur als Allegorie sah.

Der Punische Krieg steht wohl kaum auf einer Realitätsstufe mit der Erbauung Trojas durch Poseidon. Hier unterläuft dir genau das, was du mir vorhältst:

Da vermengst Du aber, was nicht zusammengehört.

Auch antike Geschichtswerke sind voll von Reden, die in diesem Wortlaut nie gehalten wurden, trotzdem sind weder die sonstigen Ereignisse im Geschichtswerk noch das, was in den fiktiven Reden selbst angesprochen und erwähnt wurde, alles fiktiv und wurden auch von den Lesern nicht dafür gehalten.

Auch hier vergleichst du sehr Ungleiches: die Götterphantasien des Homer mit Livius´ Ausschmückungen realer Ereignisse o.ä.

(...) aber genau können wir nicht wissen, was die historischen Trojaner über den Ursprung ihrer Stadtmauern dachten.

Das einzige, was du mit Sicherheit behaupten kannst, ist, dass bei Homer ein Gott als Schöpfer Trojas gilt. Leider hat das null historische Aussagekraft über die tatsächliche Anschauung der Trojaner - und das ist hier entscheidend.

In Megara ging die Sage, Apollon habe dem König Alkathoos bei der Errichtung der Stadtmauern geholfen. Diese Sage hielt sich bis in die Kaiserzeit (Pausanias 1,42). Ob sie von den Megarern wirklich ernst genommen wurde, weiß ich nicht, aber ausschließen würde ich es nicht.

Ok, aber das trifft nicht ganz das, um was es uns gerade geht.

Solche Gelehrte gab es zwar, aber auch andere. Noch Pausanias (2. Jhdt. n. Chr.) zitierte wiederholt Homer und andere frühgriechische Dichter als Belegstellen für von ihm als historisch erachtete Ereignisse, Genealogien etc.

Pausanias wird sicher genau abgewägt haben, was er bei Homer als historisch akzeptiert und was nicht. Der Bau Trojas durch Poseidon bzw. ein trojanischer Glaube daran gehört meines Wissens nicht dazu.
 
Ich habe hier im Forum mal die Meinung geäußert - der heftigt widersprochen wurde, aber da kann ich ja stur sein - dass Architektur sehr häufig politisch ist. Nehme ich die Bauhaus-Architektur, so ist dem so: Es war eine Funktionarchitektur, die schnörkellos daherkommen wollte. Sie hat in gewissem Sinne den sozialistischen Realismus vorweggenommen und auch wenn es wohl verkürzt wäre zu behaupten, dass Bauhaus eine sozialistische/kommunistische Architekturform gewesen sei, so ist sie doch - ähnlich wie Eiffelturm und Empire State Building - eine Bauform des industriellen Zeitalters: Der Eiffelturm legte seinen Fokus auf die Technik und Ingenieurleistung, das Empire State - in amerikanische-clavinistischer Tradtion auf den Mammon (Fleiß ist gottgefällig, Erfolg ist gottgegeben) und Bauhaus, naja, war eben funktional. In der SU hat man ja neben dem sozialistischen Realismus durchaus auch Märchenwelten erschaffen, etwa die Moskauer U-Bahnstationen. Auch dies war eine natürlich eine politische Architektur: Die Pracht sollte nicht mehr dem Adel vorbehalten sein sondern für alle (zumindest alle Moskowiter) zugänglich. Und schauen wir uns die Repräsentativbauten des Barock mit ihren ausladenden Treppen an: Natürlich dienten diese Bauwerke der Inszenierung von Macht. Seit der späteren Renaissance gaben die Residenzen ihren Festungscharakter weitgehend auf und wurden umgebaut zu Repräsentationsbauten, was sich in Barock und Klassizismus fortführte. Und dass man in Paris, Washington und in den unabhängigen lateinamerikanischen Kolonien sich an den Bauten Athens und Roms orientierte, ist eben auch die architektonische Umsetzung auch der aus der Antike enlehnten politischen Sprache (Demokratie, Senat, Republik...) Was nun die moderne Glasfassadenarchitektur anbelangt, so kann man damit ja Unterschiedliches erreichen: Banken und Versicherungen lassen sich nicht in die Karten schauen und verspiegeln ihre Fassaden eher, die moderne Repräsentationsarchitektur will den Souverän, den Bürger zumindest gefühlt in den politischen Prozess einbinden (inwiet das vom Bürger erkannt und angenommen wird oder angenommen werden kann, ist dabei eine andere Frage) und setzt auf Transparenz (begehbare Kuppel im Reichstag mit Blick auf den Plenarsaal, Abgeordnetenhaus architektonisch als Begegnungsort der Abgeordneten mit dem Souverän gestaltet). Ganz im Gegensatz dazu ist Helmuts Waschmaschine ein hässlicher Klotz in der Landschaft, der in erster Linie Abweisung ausstrahlt und völlig überdimensioniert wirkt - wie es sich für eine Kohllosseum eben gehört.
 
Der Punische Krieg steht wohl kaum auf einer Realitätsstufe mit der Erbauung Trojas durch Poseidon.
Nicht für uns. Für die Griechen war aber grundsätzlich auch das, was wir heute als griechische "Sagen" bezeichnen, Geschichte. Teilweise wurde zwar versucht, die Überlieferungen zu "rationalisieren", aber grundsätzlich wurden sie meist als historische Tatsachen akzeptiert. (Nur ein Beispiel: Pausanias hielt den Kampf von Herakles gegen die Hydra für ein historisches Ereignis; lediglich dass sie mehrere Köpfe gehabt habe, verwarf er.) Auch dass Götter mit Sterblichen Kinder zeugten, wurde grundsätzlich akzeptiert (es wurde sogar darüber räsoniert, warum das in grauer Vorzeit so häufig vorkam und "jetzt" kaum noch), also warum nicht auch Mauern bauen?
Auch ein gelehrter Mann wie Cassius Dio scheute sich nicht, in seinem Geschichtswerk allerhand Wunderzeichen wiederzugeben.
Aber warum in die Ferne schweifen? Für viele Christen war (und ist?) es eine historische Tatsache, dass Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke ein Kreuz am Himmel erschien. Und die mittelalterliche Literatur ist voll von Wunderberichten, die für vollkommen real gehalten wurden.
Allerdings tust Du als überzeugter Religionsgegner Dir vermutlich besonders schwer damit, Dir vorzustellen, dass es Menschen gibt, die göttlich veranlasste Geschehnisse für real halten.

Auch hier vergleichst du sehr Ungleiches: die Götterphantasien des Homer mit Livius´ Ausschmückungen realer Ereignisse o.ä.
Deine Argumentation war, wenn eine Rede fingiert ist, muss das erst recht für in ihr behauptete Tatsachen gelten: Da Poseidon die ihm in der Ilias angedichtete Rede nicht wirklich gehalten habe, könne auch seine Aussage, er habe Trojas Mauern erbaut, nicht ernstgenommen werden.

Pausanias wird sicher genau abgewägt haben, was er bei Homer als historisch akzeptiert und was nicht. Der Bau Trojas durch Poseidon bzw. ein trojanischer Glaube daran gehört meines Wissens nicht dazu.
Kunststück, da Troas nicht zu den von ihm beschriebenen Regionen gehörte.
Trotzdem noch ein Beispiel dafür, welchen Quellenwert Pausanias Homer beimaß: In der Stadt Amathus auf Zypern wurde in einem Heiligtum das angebliche Halsband der Harmonia gezeigt. Pausanias bestritt aber seine Echtheit, weil es anders aussehe als von Homer beschrieben!
 
Da das Thema sehr komplex ist, der Versuch, die zentralen Bezugspunkte für die Einordnung repräsentativer und Alltags-Architektur in seinem historischen Kontext zu benennen. Wiki ist dazu unbrauchbar, da schmalspurig lediglich Architekturgeschichte geboten wird.

Ausgangsthese
Die Bauten waren Ausdruck einer bestimmten Weltsicht. Sie signalisierten den Geltungsanspruch der Länder. Ihre Architektur setzt neue Maßstäbe und veränderte unsere Sicht auf die Möglichkeiten des Bauens und teilweise auch des Lebens.

Es kam Widerspruch
Genau genommen symbolisieren beide Bauwerke die Städte, in denen sie stehen, und nicht die Länder.

Beim Eiffelturm ging es eigentlich nicht um den »machtpolitischen Geltungsanspruch«, ….
….beim Empire State Building, wo es klar um die Frage ging, wer baut den Größten. Die Motivation lieferte jedoch weniger der Nationalstolz,

Die Ausgangsthese ist absolut richtig und der Widerspruch ist weder von Chan noch von Mashenka vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse korrekt beurteilt.

Der historische Kontext, in den die These einzuordnen ist, ist der Kolonialismus und der Imperialismus. In der Alten und der Neuen Welt lagen allerdings unterschiedliche Vorstellungen vor hinsichtlich der Sichtweisen auf den Imperialismus und der Bewertung der eigene Rolle. Und somit unterschieden sich Europa und die USA auch in der grundsätzlichen Strategie, die kolonialen Beschaffungs- und Absatzmärkte zu bearbeiten. Für die USA – unten - noch etwas ausführlicher beschrieben.

Grundsätzlich kann man zwei grundsätzliche Machtinstrumente im Rahmen der Entwicklung des Kolonialismus bzw. des Imperialismus benennen, wie ausführlich beispielsweise bei Smith und Reinhard beschrieben. Relevant ist, dass zwischen „harten Instrumenten“, die vor allem ausführlich im Rahmen der Theorie des „Realismus“ beschrieben worden sind, wie beispielsweise bei Waltz: Theory of International Politics. Dieses Verständnis von IR geht primär von Militär und Wirtschaft als Machtfaktoren aus, die andere Länder beherrschen können.

Im Gegensatz dazu bilden die sogenannten „weichen“ Instrumente, wie bei Nye ausgeführt, eine eigene Gruppe von Machtinstrumenten im Rahmen der IR. Die Wirkung und die Effektivität der weichen Instrumente basieren auf „Anerkennung“, auf „Bewunderung“ und auf dem Wunsch, langfristig an dieser Entwicklung zu partizieren. Der „Mächtige“ beeindruckt den „Schwachen“ und dieser gibt der Erwartungshaltung des Mächtigen nach in der Hoffnung, beim "zivilisatorischen Aufstieg" unterstützt zu werden.

„Sometimes I can affect your behavior without commanding it. If you believe that my objectives are legitimate, I may be able to persuade you without using threats or inducements.“ (vgl. Nye-Link)

Kurze Darstellung durch Nye:
The Benefits of Soft Power - HBS Working Knowledge - Harvard Business School

Das grundsätzliche Problem und auch die Kombination im Mitteleinsatz kann man bereits bei den frühen kolonialen Mächten erkennen. Die einzelnen Faktoren, die historisch eine Rolle gespielt haben und den Aufstieg des Westens erklären, werden bei Ferguson aufgelistet. Er unterscheidet nicht explizit zwischen soft und hard in seiner Auflistung.

Grundsätzlich gilt dabei, dass Staaten, die im Rahmen des Imperialismus andere Länder beherrschten und ausgebeutet haben, dieses nicht durch permanente Androhung und Durchführung von militärischer Gewalt leisten konnten. Die Finanzierung der militärischen Mittel hätte den Gewinn aus den Kolonien nicht selten überstiegen. Und aus diesem Grund wäre der Imperialismus dann unprofitabel geworden wäre. Es mußten somit Formen der kolonialen Herrschaft entwickelte werden, die auf eine Akzeptanz der Überlegenheit der Kolonialherren durch die Kolonialvölker abzielte.

Diese Ideologie kann als „zivilisatorischer Anspruch“ als „Burden of the White Man“ formuliert werden und ist an die Mission gekoppelt, die westliche Zivilisation den „unterentwickelten Völkern“ in den Kolonien zu bringen.

Dieses Verhältnis zwischen dem „zivilisiertem“ Westen / Zentrum und den „unzivilisierten Kolonialvölkern“ / Peripherie beschreibt Münkler als „Barbarendiskurs“ in dessem Kontext der „imperiale Raum“ durch die imperialistischen Mächte konstruiert wird (vgl. Münkler, S. 150ff). Der Barbarendiskurs erzeugt das Verhältnis von „Subjekt“ und „Objekt“ als eine asymmetrische Beziehung, die auch und vor alle auf der kulturellen Ebene den Anspruch der Überlegenheit beinhaltet. Eine Form der Überlegenheit, die teilweise durch sozialdarwinistische und auch rassistische Diskurse verstärkt wurde und bis in das Völkerrecht hineinreichte. Mit der Konsequenz, dass den "Kolonialvölkern" die Rechte und Pflichten, die das Völkerrecht den westlichen Ländern – in der Theorie – zugestand, weder in der Theorie noch in der Praxis zugestanden wurde.

Die Definition des imperialen Raums und somit der Kennzeichnung des Innen- bzw. Außenbereichs sind dabei nicht trennungsscharf, da den "Kolonialvölkern" jederzeit der „zivilisatorische Aufstieg“ in die industrielle Moderne - durch Kooptation der Eliten etc. - offen stand. Ein Modell, das bei Rostov nach dem WW2 als „Phasenmodell“ in den Rang offizieller Entwicklungspolitik gehoben worden ist (vgl. G.M. Meier: Leading Issues in Economic Development, 3. Auflage (!!!!), 1975, S. 79ff). Das Zentrum des Imperiums wird jedoch als solches symbolisch definiert und ein Aspekt der kulturellen Selbstdarstellung ist der Bereich der repräsentativen und auch der „Alltags-Architektur“, die u.a. die Manifestation des Zentrums bildet.

Sowohl in seinen repräsentativen Räumen, wie den politischen Bauten (vgl. dazu beispielsweise das Stichwort bei Boyer für die USA) wie in der Alltags-Architektur dokumentiert das Zentrum des Imperium seinen Führungsanspruch durch besonders beeindruckende Bauten. Der Geltungsanspruch des Zentrum setzt sich städteplanerisch und architektonisch bis in die Kolonien fort und prägte teilweise die „Skyline“ der jeweiligen kolonialen Hauptstädte. Es sind zum Teil die Sakralbauten, aber vor allem die Befestigungsanlagen und ebenfalls Stadtplanungsprojekte, die ihre Spuren in den Kolonien als zur Schaustellung imperialer Macht hinterlassen haben.

Ein prominentes Beispiel ist dabei Kiautschou, dass im Sinne der Marine zu einer „Musterkolonie“ gemacht werden sollte. Und demonstrativ die Leistungsfähigkeit im Vergleich zu anderen Kolonialmächten zu demonstrieren. Kernstück war die Stadtentwicklung, die sich in einer typischen „deutschen“ Architektur niederschlug, die teilweise bis heute erhalten geblieben ist (Graichen & Gründer, S. 224ff).

Das Beispiel USA als imperiale Macht ist ein wenig anders gelagert wie bei den europäischen Mächten. Es war vor allem die „Manifest Destiny“, die als ideologisches Konzept Expansion der USA begründen sollte. Dieses Konzept war zunächst im Kontext der US-Expansion nach Texas, Oregon und Mexiko im Jahr 1840 durch den Journalist John O´Sullivan benutzt worden [Boyer, S. 470].

Der nationale Mythos der „National Destiny“ ist eng verbunden mit dem „Frontier Mythos“ und dient in der Tat der nationalen Integration der USA und kann als ihr zentraler „Gründungsmythos“ begriffen werden. In diesem Sinne schreibt Slotkin: „The original task of the myth was to explain and justify the establishment of the American colonies; but as the colonies expanded and developed, the Myth was called into account for our rapid economic growth, our emergence as a powerful nationstate, and our distinctively American approach to the socially and culturally disruptive process of modernization“ [Slotkin, S. 10].

Vor diesem Hintergrund entwickelte sich seit TR in der Phase des „Gilded Age“ eine spezifische wirtschaftlich begründete Form vom „informellem Imperialismus“, die noch zusätzlich durch Wilson`s geopolitsche Vorstellungen verstärkt wurden, und prägend waren für die folgenden Jahrzehnte im Bereich der IR (vgl. z.B. die Beiträge in Calhoun).

Der Anspruch der USA als die führende Wirtschaftsmacht nach dem WW1 schlug sich in dem Credo nieder, es sei das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Den direkten Ausdruck der Dynamik und dem damit zusammenhängenden Wunsch der Verschiebung der Grenzen des Möglichen fand die USA in seiner Stadtplanung und das typische Symbol war der „Skyscraper“ (vgl. Mann, 92ff) Wie sich die USA ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung auch durch ihre bemerkenswerte Bauwerke vergewisserte und auch nach außen demonstrierte.

https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Historic_Civil_Engineering_Landmarks

In diesem Sinne waren es auch softe Faktoren, die die "Open Door"-Philosophie unterstützen und auch die internationale Bedeutung der "Monroe Doktrin" zur Geltung gebracht haben.

Ein weiterer Aspekt, der auch relevant ist für die Bewertung von Architektur als Ausdruck nationalstaatlicher Leistungsfähigkeit waren die „Weltausstellungen“ oder ganz allgemein der „Fairs“, die überall entstanden. Sie waren die „Visitenkarte“, durch die Innovation und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit demonstriert wurde.

Und in diesem Kontext ist auch die Bedeutung bzw. der Stellenwert des „Eiffelturms“ angesiedelt und unterstreicht deutlich den Machtanspruch der "Grande Nation".

Boyer, Paul S.; Dubofsky, Melvyn (Hg.) (2001): The Oxford companion to United States history. Oxford, New York: Oxford University Press.
Calhoun, Charles William (Hg.) (2007): The gilded age. Perspectives on the origins of modern America. 2. ed. Lanham, Md.: Rowman & Littlefield Publ.
Ferguson, Niall (2011): Civilization. The West and the rest. 1st American ed. New York: Penguin Press.
Gründer, Horst; Graichen, Gisela (2005): Deutsche Kolonien. Traum und Trauma. Unter Mitarbeit von Holger Dietrich. 2. Auflage. Berlin: Ullstein (Ullstein).
Mann, Michael (2012): The sources of social power. Volume 3: Global empires and revolution, 1890-1945. Cambridge: Cambridge University Press.
Münkler, Herfried (2008): Imperien. Die Logik der Weltherrschaft - vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verl.
Nye, Joseph S. (2004): Soft power. The means to success in world politics. 1. ed. New York, NY: Public Affairs.
Reinhard, Wolfgang (2016): Die Unterwerfung der Welt. Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415-2015. 1. Auflage. München: Beck
Slotkin, Richard (1998): Gunfighter nation. The myth of the frontier in twentieth-century America. Oklahoma paperbacks ed. Norman: University of Oklahoma Press.
Smith, Woodruff D. (1991): European imperialism in the nineteenth and twentieth centuries. Chicago: Nelson-Hall.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und dass man in Paris, Washington und in den unabhängigen lateinamerikanischen Kolonien sich an den Bauten Athens und Roms orientierte, ist eben auch die architektonische Umsetzung auch der aus der Antike enlehnten politischen Sprache (Demokratie, Senat, Republik...)
Ja, es ging »auch« um die politische Sprache in der Antike (Standhaftigkeit, Ordnung, etc.), aber nicht nur. Die antikisierenden Baustile waren sowohl ein Ausdrucksmittel europäischer Zusammengehörigkeit, wie auch des Anspruchs auf die ›alte, wahre Kultur‹ (quasi: wir haben die älteren Wurzeln). Der Rückgriff auf die Antike war der Stil überhaupt, der den Kolonialismus ausdrückt, insbesondere wenn er exportiert, oder von außereuropäischen Staaten adaptiert worden ist, um auf das hohe Kulturniveau hinzuweisen.
 
Kolonialarchitektur ist sehr ambivalent. Für Hispanoamerika ist der Barock die Kolonialarchitekfur schlechthin. Den Klassizismus würde ich nicht als Kolonialarchitektur bezeichnen, er ist im Grunde genommen die Architektur der von den kolonialen Mutterländern unabhängigen Staaten (also etwa das Kapitol und die dem Kapitol nachempfundenen Kongressbauten in anderen Ländern Lateinamerikas). Die britische Kolonialarchitektur des zweiten britischen Weltreiches ist ein bunter Stilmix, dessen Zweck es z.T. durch Exotismus Interesse zu wecken, z.T. aber auch die Größe des britischen Empires zu spiegeln und damit zu beeindrucken.
 
Kolonialarchitektur ist sehr ambivalent.
Ja, »ambivalent« trifft das Verständnis von »Kolonialarchitektur« sehr gut. Die Frage bzgl. Kolonialstil ist v.a., ob die fremde Ästhetik einen traditionellen Baustil verdrängt hatte, bzw. ob sie in sie hineinschmolz; hatten die Ansäßigen bereits einen eigenen Repräsentationsstil, oder musste dieser erst dorthingebracht werden? (da kenne ich mich bzgl. Südamerika viel zu wenig aus) Obwohl ein 100%-ig importierter Stil als aggressiver eingestuft werden müsste, gelten zumeist nur Stile als Kolonialstil, die durch die örtliche Beeinflußung eine neue Formensprache entwickelten, d.h. nur solche der assmilierten Sorte.

In Asien jedenfalls gab es durchaus eigene Repräsentationsstile, die durch die Kolonialherren schlicht ignoriert wurden. Bereits der Stil der Renaissance wurde hier den Ansäßigen vor die Nase gestellt, zunächst kaum von der örtlichen Ästhetik berührt.(d.h. weit weniger, als dies in Südamerika geschah, wobei vmtl. auch eine Rolle spielte, dass der Barock auch auf der Iberischen Halbinsel recht eigenwillig adaptiert wurde.) (Beispiele für Renaissance in Asien: Basílica do Bom Jesus und Sé Catedral, beide in Goa, zweite Hälfte, bzw. Ende 16. Jh.)

Was den Klassizismus anbetrifft, diesen höchst kontrollbesessenen Stil, dessen wesentlicher Bestandteil die Reduktion, d.h. die proklamierte Selbstbeherrschung und Strenge war: auch er wurde in den Kolonien angewandt. (Beispiele: Scotch Church, Bombay, beendet 1819; Hl. Johannes Kirche, Kalkutta, Ende 18. Jh.; Regierungsgebäude in Madras, Aquatinta aus 1807.) Dennoch blieb der Klassizismus, schon wegen der relativ kurzen Epoche (als er die vorrangige Formensprache war), ein exportierter Stil unter vielen anderen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben