Welche Parteien der Weimarer Republik wollten einen starken Führer?

rrttdd

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es heisst ja immer, die Weimarer Republik sei eine "Demokratie ohne Demokraten", mit vielen Eliten und Militärs, die noch dem wilhelminischen Denken verhaftet waren.

Demnach wäre es ja logisch, dass nicht nur die NSDAP einen Staat mit Führer als dem "einen starken Mann" wollte. Vermutlich wäre Deutschland auch bei einer KPD-Mehrheitsregierung in die Diktatur abgerutscht.

Meine Frage wäre, wen gab es im Parteienspektrum denn noch, der den einen starken Mann propagierte? Ich könnte mir z.B. vorstellen irgendwelche restaurativen wilheminischen Monarchisten-Parteien? DVP, DNVP?

Könnte man hier von zwei Lagern im Reichstag sprechen, also dem "ein starker autoritärer Mann"-Block gegen die Demokraten?
 
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Meine Frage wäre, wen gab es im Parteienspektrum denn noch, der den einen starken Mann propagierte? Ich könnte mir z.B. vorstellen irgendwelche restaurativen wilheminischen Monarchisten-Parteien? DVP, DNVP?

Zu Beginn der Weimarer Republik waren Anhänger restaurativ-monarchistischer Bestrebungen nicht nur in DVP und DNVP zu finden, sondern z. B. auch im Zentrum.
Nach einigen Jahren neigte sich die Waage in Richtung einer gewissen Akzeptanz der Demokratie, sogar die DNVP beteiligte sich an bürgerlichen Koalitionsregierungen.
In den letzten Jahren bröckelte die Akzeptanz wieder, viele sahen das Heil nunmehr in der Errichtung einer Diktatur - weniger in der Restauration der Monarchie. Sogar die DStP (Nachfolgepartei der DDP) stimmte schließlich für das Ermächtigungsgesetz.


Könnte man hier von zwei Lagern im Reichstag sprechen, also dem "ein starker autoritärer Mann"-Block gegen die Demokraten?

Wohl kaum. Die "Fronten" gingen teilweise quer durch die Parteien.
 
Ich glaube, dass es tatsächlich einen starken Ein-Mann-Block gegen alle demokratischen Parteien in der Weimarer Republik gab. Anders ist die weitere Entwicklung gar nicht möglich gewesen.
 
viele sahen das Heil nunmehr in der Errichtung einer Diktatur - weniger in der Restauration der Monarchie. ....

Die "Fronten" gingen teilweise quer durch die Parteien.

Als Ergänzung zu den Ausführungen von Sepiola. Aus oben gesagten ergibt sich, dass wir im Prinzip drei Strömungen vorfinden.

1. Den demokratischen Block, der SPD und der DDP. Im Prinzip auch das Zentrum, wenn gleich zumindest der "letzte" Vorsitzende Brüning als restaurativer Monarchist angesprochen werden sollte.

Starke Führungspersönlichkeiten sind per se eine wichtige Voraussetzung für die Integration von Parteien. Insofern kommt es automatisch zu Elitenbildung, wie Michels bemerkt hat.

2. Die monarchistischen Vertreter in einer Reihe von Parteien hatten ein eher romantisch verquertes Weltbild, das eine Retroorientierung beinhaltete und die hierarchisch organisierte Gesellschaft mit einem definierten und legalisierten Oben und Unten wieder anstrebte.

Anzumerken ist, das frühere Monarchisten wie Ludendorff neue Wege beschritten haben und die Idee einer Militärdiktatur propagierten. Und damit ähnliche Ideen ventilierten wie die "völkischen Extremisten", sprich Hitler.

Die vielfältigen Strömungen innerhalb der konservativen Revolution hatten im außerparlamentarischen Bereich ebenfalls ein weites Experimentierfeld in Bezug auf ihre Vorstellungen zur "Herrschaft"

3. Den revolutionären Block, der sich aus NSDAP und KPD bildete und im Prinzip antimonarchistisch war. Ansonsten allerdings unterschiedlich in der Ideologiebildung und den innerparteilichen Strukturen. Die KP betonte eher die Rolle der Avantgarde (Partei-Oligarchie) innerhalb der Partei, während die NSDAP eher das Führerprinzip betonte.

Bei der Frage, ob die Vertreter der Restauration der Monarchie primär an die Errichtung eines Staates mit einem starken "Führer" dachten, wage ich zu bezweifeln. Diesen Vertretern ging es um die Restauration des Honoratiorenstaates mit seinen Privilegien für den Adel und das Bürgertum, eher im Sinne des Weltbilds eines Bismarcks.

In diesem Sinne waren primär Hitler und Ludendorff die exponiertesten ideologischen Vertreter einer Diktatur.
 
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Ich glaube, dass es tatsächlich einen starken Ein-Mann-Block gegen alle demokratischen Parteien in der Weimarer Republik gab. Anders ist die weitere Entwicklung gar nicht möglich gewesen.

Die Deutschen wollten einen "Ersatzkaiser", den sie mit dem Reichspräsidenten und seinen gewaltigen Vollmachten fast hatten. Darüber hinaus gab es angesichts der instabilen Verhältnisse im Parlament vielfach den Wunsch nach einem "starken Mann", der "aufräumen" sollte.

Diese Stimmung konzentrierte sich vor allem in der DNVP und DVP, weniger bei den Kommunisten und Sozialdemokraten. Natürlich wäre der KPD ein "starker Mann" aus ihren Reihen als Staatslenker ebenso recht gewesen.
 
Die Deutschen wollten einen "Ersatzkaiser", den sie mit dem Reichspräsidenten und seinen gewaltigen Vollmachten fast hatten.

Nein, ist so nicht richtig und wiederholt ein Argument, dass bereits von anderen Usern aus dem Forum vehement formuliert worden ist. Diese Behauptung macht beispielsweise die Sozialdemokratie - immerhin ca ein Drittel der wahlberechtigten Deutschen - zu Parteigängern der Monarchie, was nicht richtig ist. Richtig ist lediglich, so Aussagen in der Literatur, dass die Sozialdemokratie in der Zeit der Verfolgung während der Bismarck`schen "Sozialistengesetze", der englischen parlamentarischen !!!!! Monarchie positiv gegenüber standen. Und am Ende des WW1 mit einer derartigen Staatsform unter gewissen Voraussetzungen auch hätten leben können.

Gleichzeitig sich aber auch nicht durch "irgendwelche" Präsidenten - so Ebert - die Vorteile der Demokratie hätten erklären lassen müssen, um von dieser Staatsform überzeugt zu werden. Und damit sagte Ebert deutlich, dass die Demokratie nicht von außen implantiert worden ist, sondern als Zielvorstellung dem politischen Weltbild der SPD entsprach. Die Sozialdemokraten waren immer in der Lage, ihre positive Stellung zur Demokratie eigenständig zu formulieren.

Zur Begründung:
Die "Deutschen" haben es sicherlich nicht so gesehen wie "Dieter" es behauptet. Auch, weil es die "Deutschen" ohnehin nicht gibt, es sei denn als "Abstraktion".

Und die wenigen empirischen Belege aus der Zeit sagen etwas anderes:
- Es gab eine "signifikante" Präferenz der Sozialdemokraten für die Demokratie, so die Ergebnisse einer - der wenigen - Studie zur politischen Einstellung in der Weimarer Republik (vgl. Fromm: Arbeiter und Angestellte, Frage 427/28, S. 98ff).

Zur Begründung für die Präferenz nach der Demokratie als Staatsform wurde von den Probanden häufig, so Fromm, der Wunsch nach Freiheit und individueller und gesellschaftlicher Selbstbestimmung von den Wählern der Sozialdemokratie angeführt.

- Wähler aus einem bürgerlichen Umfeld gehörten zu den deutlichsten Befürwortern einer monarchistischen Regierungsform. Und führten als Begründung an, dass es früher im Kaiserreich - angeblich - weniger Streit im politischen System gegeben haben soll.

- Die Nationalsozialisten und andere Rechtsextreme lehnten jede Form von demokratischen Pluralismus ab. Teilweise grenzte man sich zudem explizit auch gegen Monarchisten ab, die man als rückwärtsgerichtet, sprich "reaktionär" (vgl. z.B. Moeller van den Bruck) beurteilt hat.

Ein anderer Aspekt wären die konkreten politischen Absichten, die die "Väter" der Verfassung mit dieser Präsidial-Verfassung verfolgt haben. Sie wollten eine Art "Ersatzkaiser" und schufen ja auch ein Instrument, das Hindenburg zielgerichtet nutzte, die Demokratie von Weimar zu beseitigen.

Das Argument des "Ersatzkaisers" ist insofern hilfreich, da es bei der Konstruktion der Weimarer Verfassung im wesentlichen um die Stärkung der Funktionsfähigkeit der staatlichen Aufgaben ging. Und dem Präsidenten wurden Möglichkeiten gegeben, die in ihrer Machtfülle eher autokratischen Monarchen entsprachen.

Das wäre auch im Prinzip wohl kein Problem gewesen, wenn es ein "Verfassungsgericht" gegeben hätte, dass faktisch die exekutive Macht des Präsidenten begrenzt hätte und die Balance zwischen den staatlichen Organen gewahrt hätte. Aber die politische Kultur der Weimarer Republik hatte leider keine unabhängige Rechtsprechung.

Im Prinzip spiegelte sie den Anspruch bzw. die Intentionen wider, die später C. Schmitt als Kritik an der Verfassung formulierte und so aus dem Umfeld der Verfassungsrechtler zu einer weiteren Erodierung der Akzeptanz der Verfassung beitrug.
 
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Nein, ist so nicht richtig und wiederholt ein Argument, dass bereits von anderen Usern aus dem Forum vehement formuliert worden ist. Diese Behauptung macht beispielsweise die Sozialdemokratie - immerhin ca ein Drittel der wahlberechtigten Deutschen - zu Parteigängern der Monarchie, was nicht richtig ist.

Auch die Haltung der DDP war in dieser Hinsicht eindeutig. Aus dem Parteiprogramm von 1919:

"Das ganze Volk! – ohne Unterschied von Klasse, Beruf und Religion; innere Einheit tut uns vor allem not, und der einzige Weg zu ihr ist die Demokratie. Sie bedeutet Interessenausgleich und Aufhebung der Begriffe Herrschaft und Untertanenschaft auf allen Gebieten, bedeutet gleiches Recht für alle in den Einrichtungen des Staates und der Gesellschaft. Der demokratischen Staatsauffassung gelten Personen und Gemeinschaften nur als lebendige Zellen und Glieder; den einheitlichen Körper aber bildet die Gesamtheit. Ihren Daseinsbedingungen ist alles unterzuordnen und nicht obrigkeitliche Bevormundung ist ihr oberstes Gesetz, sondern der Wille des souveränen Volkes."
http://www.1000dokumente.de/pdf/dok_0002_ddp_de.pdf

(Die DDP erhielt 1919 18,5% der Wählerstimmen, die SPD 37,9%, die USPD 7,6%.)






 
Wie sah es denn mit der KPD aus? Thälmann wurde zum Führerfigur für die deutschen Kommunisten aufgebaut und Stalin war ja sowieso ....
 
Nein, ist so nicht richtig und wiederholt ein Argument, dass bereits von anderen Usern aus dem Forum vehement formuliert worden ist.

Dass der Reichspräsident als eine Art "Ersatzkaiser" begriffen wurde, lässt sich vielfach nachlesen:

"Der Feldmarschall, der mit 77 Jahren Reichspräsident wurde, könnte durchaus als „Ersatzkaiser“ gelten." https://www.amazon.com/Paul-von-Hindenburg-Vereidigung-Reichspr%C3%A4sident-ebook/dp/B00BIMF856

"Der Sieger von Tannenberg war in den Augen vieler Wähler wie geschaffen, Deutschlands Stärke und Einheit zu gewährleisten; ein „Ersatzkaiser“, in dem sich alle preußisch-deutschen Tugenden vereinigten." Schlechte Erfahrungen mit Hindenburg |*ZEIT ONLINE

"Herkömmlich werden die Aufgaben und Befugnisse des Bundespräsidenten im Vergleich zu denen des Reichspräsidenten nach der Weimarer Reichsverfassung beschrieben. Der Reichspräsident wurde unmittelbar vom Volk gewählt; er war mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet und stellte eine Art "Ersatzkaiser" dar. In parlamentarischen Krisensituationen sollte der Reichspräsident in der Lage sein, selbst die Staatsgeschäfte maßgeblich zu beeinflussen." www.bundespraesident.de: Der Bundespräsident / Verfassungsrechtliche Grundlagen

"Paul von Hindenburg hatte den Geist der Verfassung Weimars nie verstanden, wie Winkler und Zaun darlegen. Der Feldmarschall, der mit 77 Jahren Reichspräsident wurde, könnte durchaus als „Ersatzkaiser“ gelten. " https://www.amazon.de/Paul-von-Hindenburg-Vereidigung-Reichspräsident-ebook/dp/B00BIMF856

"Vielfach wurde der Reichspräsiden von den Zeitgenosen und wird selbst noch heute als eine Art republikanischer "Ersatzkaiser" begriffen." https://books.google.de/books?id=dq...nepage&q=reichspräsident ersatzkaiser&f=false

"Der Präsident wurde in der Weimarer Republik direkt vom Volk alle sieben Jahre gewählt. Er war Oberbefehlshaber der Reichswehr und mit umfangreichen Rechten zur Notstandsgesetzgebung ausgestattet, auch konnte er das Parlament auflösen. Schon Zeitgenossen sahen im Präsidenten einen „Ersatzkaiser“. http://www.focus.de/wissen/mensch/g...r-praesident-ein-ersatzkaiser_aid_425046.html

"Der Reichspräsident war das Staatsoberhaupt der Weimarer Republik. Er fungierte als Oberbefehlshaber der Reichswehr, ernannte und entließ den Reichskanzler und konnte den Reichstag auflösen. Auch in die Gesetzgebung konnte er eingreifen, etwa durch Notverordnungen nach Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung. Die starke Stellung des Reichspräsidenten machte ihn zu einer Art "Ersatzkaiser" und wirkte sich am Ende der Republik negativ aus, da das Parlament immer weiter ausgeschaltet wurde und Deutschland durch ein Präsidialregime regiert wurde." Reichspräsident | Weimarer Republik
 
Das war die These:

Die Deutschen wollten einen "Ersatzkaiser",

Der wurde von mir widersprochen. Und anhand von Umfragedaten aus der Zeit belegt.

Ergo. These widerlegt!

Ob und wie die Stellung der Reichspräsidenten analytisch eingestuft wird, war überhaupt nicht Gegenstand der ursprünglichen These.

Und die populärwissenschaftliche Begriffsbildung "Demokratie ohne Demokraten" oder "Ersatzkaiser" verweist bestenfalls am Rand auf Befunde aus der Historiographie.

Und wir oben anhand von Umfragedaten illustriert, mehr schlecht als Recht.

Dass der Reichspräsident als eine Art "Ersatzkaiser" begriffen wurde, lässt sich vielfach nachlesen:

Ansonsten hatte ich darauf verwiesen, dass die Verfassungsrechtler einen starken Päsidenten wollten und diese Ausstattung mit Machtbefugnissen ihn zu einem "autokratischen Monarchen" machen konnte.

Da haben diejenigen, die die Verfassung geschrieben haben, die "autokratische" Auslegung der Verfassung durch Hindenburg vermutlich nicht angemessen antizipiert.
 
Ansonsten hatte ich darauf verwiesen, dass die Verfassungsrechtler einen starken Päsidenten wollten und diese Ausstattung mit Machtbefugnissen ihn zu einem "autokratischen Monarchen" machen konnte.

Es ging mir nicht um "Verfassungsrechtler" sondern um eine Aussage, wie sie u.a. der Artikel in der ZEIT beschreibt:

"Der Sieger von Tannenberg war in den Augen vieler Wähler wie geschaffen, Deutschlands Stärke und Einheit zu gewährleisten; ein „Ersatzkaiser“, in dem sich alle preußisch-deutschen Tugenden vereinigten."
 
Die Frage nach dem „starken Führer“ in der Weimarer Republik ist grundsätzlich interessant. Sie wirft eine Reihe von Fragen auf unterschiedlichen analytischen Ebenen auf, die ansatzweise bereits auch in den Antworten beantwortet wurden

1. Was haben die Deutschen als Erwartung 1918 an das politische System gehabt. Und wie hat sich das unter dem Eindruck der politischen Ereignisse bis 1933 verändert oder ist es konstant geblieben?

2. Wie hat sich die Positionierung der politischen Parteien in der Weimarer Republik in Bezug auf die aktive Unterstützung oder Akzeptanz des politischen Systems von Weimar entwickelt?

3. Wie war die ursprüngliche Intention der Personen, die die Verfassung geschrieben haben, also von welcher Art von Verfassungsnormalität ist man ausgegangen Und wie hat sich die Verfassungsrealität vor dem Hintergrund der Verfassungsanspruchs entwickelt.

Pauschal kann man sicherlich sagen, dass die Situation von 1918 von der von 1933 abweicht. Dass es Phasen stärkerer Zustimmung zum politischen System gab und dass es nach der Weltwirtschaftskrise eine schrittweise Wählerwanderung vor allem in das Lager der NSDAP gab.

Es ist aber sicherlich vor dem Hintergrund der Ereignisse in der Weimarer Republik unsinnig zu behaupten, dass „autoritäre Führungspersönlichkeiten“ in der gesamten deutschen Gesellschaft eine besondere Akzeptanz bis zur Weltwirtschaftskrise gefunden hätten.

Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass der Weltkrieg eine Militarisierung der Sichten vieler Bürger gebracht hatte. Dieses umso mehr, da das deutsche Reich von einer "doppelten Militarismus" (vgl. S. Förster) betroffen war. Zudem das deutsche Parteienwesen im Kaiserreich nicht daran gewöhnt war, eine effektive politische Verantwortung zu übernehmen.

Punkte, die eigentlich ausgeführt werden müßten, aber darauf hinweisen, dass das politische Erbe bzw. die Hypothek für die Demokratie von Weimar durch die politische Uneinsichtigkeit des vorangegangenen Kaisertums besonders gravierend ausfiel. Und auch deutlich macht, mit welcher doppelten Moral diejenigen agierten, die die Weimarer Republik massiv von Rechts kritisierten, obwohl sie die Entscheidungen während des WW1 - teilweise im Rahmen einer quasi diktatorischen Machtvollkommenheit - zu verantworten hatten, die in den militärischen und dann auch politischen Zusammenbruch des Kaiserreichs geführt haben.

Vor diesem historischen Hintergrund mußte die Akzeptanz für einen starken „Führer“, im Sinne einer „Markenführung“ für Hitler, erst langsam und konsequent aufgebaut werden. Den Mechanismus der Inszenierung von Hitler als Führer, als „Lichtgestalt“ und als "Messias", der alle Probleme Deutschlands lösen kann, hat Herbst dabei beschrieben.

Für die Entwicklung des Image von Hitler waren die vorhandenen Probleme von Weimar nicht ausreichend, sondern wurden durch zusätzliche, "weitaus existenziellere" Probleme durch Hitler und die NS-Bewegung ergänzt und ideologisch im Rahmen seiner gebetsmühlenartigen Wiederholung von zentralen Punkten, inhaltlich überhöht. Der finale Überlebenskampf des deutschen Volkes, unterdrückt durch ein „jüdisch, bolschewistisches, plutokratisches Komplott“, war der eigentliche Kampfplatz, auf dem der "Führer" gedachte aufzutreten. Auf diesem Schlachtfeld gedachte man die zentralen ideologischen Konflikte durch den Einsatz der Staatsmacht zu gewinnen, um alle "nachgelagerten" Probleme dann auch zu lösen, wie den Wohnungsbau etc.

Durch den Terror der SA auf der Straße und die mediale Verstärkung dieser Sichtweise durch die Hugenbergpresse wurde eine Hysterisierung der deutschen Bevölkerung betrieben. Im Zuge der Inszenierung wurde die deutsche Öffentlichkeit mit obigen - gigantischen - Problemen konfrontiert, vor dessen Hintergrund die „normale“ palamentarische Arbeit zwangsläufig als defizitär erscheinen mußte. Was sie teilweise auch war, aber die Ursachen wieder "hausgemacht" waren und auch in der mangelnden Erfahrung des Parlaments zu finden waren.

Diese Entwicklung zur "Problemlösung" durch einen "Messias" ist eher erstaunlich als logisch. Blickt man von 1933 zurück auf den WW1, dann erkennt man eigentlich eher die „Götterdämmerung“ der „Heldengestalten“. Als erster „Held“ trat KW II von der Bühne und wurde Deutschlands bestbezahlter politischer Statist. Gegen Ende folgten dann Hindenburg und Ludendorff, die aus einer Reihe von Gründen zwar vom Sockel des unsterblichen militärischen Ruhms steigen mußten, aber dennoch politisch überleben konnten. Hindenburg kam zugute, dass Groener ihn aus der „Schusslinie“ nehmen konnte.

Die Zeit der militärischen Götter und Helden war 1918 in Deutschland vorbei und die republikanischen Teile des Volks eher desillusioniert, allerdings auch durch die Polemik aus der OHL über den VV politisch fehlinformiert und durch den „Schuld-Paragraphen“ nationalistisch emotionalisiert.

Vor diesem Hintergrund taten sich autokratisch auftretende „Führer“ zunächst eher schwer. Und es bedurfte der wirtschaftlichen Krisen, in denen die wirtschaftlichen Folgen des WW1 drastisch zu Tage traten und der gezielten politischen Intensivierung vor allem durch die NS-Bewegung.

Die Relevanz des starken „Führers“ lag im Jahr 1928 so niedrig, trotz der Dramatisierung“ von Hitler als „Messias“ und „Retter“ Deutschlands, dass er lediglich 2,8 Prozent der Stimmen bei den Reichstagswahlen erhielt. Auch an diesem Punkt kann man deutlich erkennen, dass von einer uneingeschränkten Akzeptanz des Image des „Führers“ absolut nicht gesprochen werden kann.

Dieses Image von Hitler gewinnt erst vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise wirklich an Bedeutung. Und erst ab diesem Zeitpunkt wird der „Führer“ zur Projektionsfläche für die Wünsche der Bevölkerung nach stabilen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Diese Sicht ist sozialpsychologisch durchaus verständlich, dennoch wirkt die Vorstellung schon fast kindlich, ein omnipotenter Führer könne diese Probleme lösen.

Im Hintergrund steht dabei sicherlich auch die Frage, in welchem Umfang ein "autoritärer Charakter" die Disposition eines Wählers beeinflußt und er dazu prädestinierter ist, zu autoritären Politikstilen als Ausflucht zu greifen.

Der Rest an vielfältigen ineinandergreifenden Faktoren ist bereits – auch in diesem Forum – als „Machtergreifung“ schon ausreichend kritisch gewürdigt worden.

Und die Moral der Geschichte: „Führer“ können sich dann am besten in Szene setzen, wenn sie Krisen mit verursachen, von denen sie hinterher am besten behaupten können, der richtige Mann für die Problemlösung zu sein.

Und an diesem Punkt ist es an einer kritischen und unabhängigen Presse, die Strategie dieser politischen Scharlatane zu hinterfragen, wie Ludolf Herbst es leider zu spät für 1933 getan hat.

Und es zeigt auch, das nur die komplexen Prozesse des Aushandelns von Kompromissen zu Lösungen führen können, die zwar nicht optimal sind, aber nachhaltiger wie erzwungene Lösungen durch diktatorische Weisungen.

Herbst, Ludolf (2011): Hitlers Charisma. Die Erfindung eines deutschen Messias. Frankfurt, M.: Fischer Taschenbuch Verlag
 
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