Aspern 1809 - Napoleons erste verlorene Schlacht

muheijo

Aktives Mitglied
Die Aussage eines Users, Erzherzog Karl hätte bei Aspern gar nicht gesiegt, lies mich hellhörig werden: Gemeinhin gilt diese Schlacht als Napoleons erste Niederlage.

Angesichts des Ergebnisses - Napoleon kann den Donauübergang seiner Truppen nicht erzwingen, sondern muss vielmehr den Rückzug antreten - ist es m.E. abenteuerlich, zu einem anderen Ergebnis zu kommen.

Oder ist es anders gemeint - sprich: Erzherzog Karl hatte keinen Anteil daran?
Auch das stimmt nach meinem Kenntnisstand nicht.

Gibt es denn neuere Erkenntnisse zu dieser Schlacht?

Gruss, muheijo
 
Aspern war zweifellos ein Misserfolg Napoleons, da er sein Operationsziel nicht erreichte. Man kann es daher als taktischen Sieg der Österreicher verbuchen. Den Österreichern gelang es aber nicht, die französischen Truppen zu zerschlagen, oder aus dem Ausgang der Schlacht entscheidende politische Konsequenzen zu ziehen. ME kann man es daher nicht auf eine Stufe stellen mit Siegen Napoleons (wie Austerlitz, Jena/Auerstedt ua), oder späteren Siegen über Napoleon (wie Leipzig oder Waterloo).

Muss man aber auch gar nicht. Schon die Tatsache, dass es Napoleon nicht gelang, die Österreicher zu besiegen bzw seine taktischen Vorstellungen in die Tat umzusetzen, reichte aus, um den Nimbus der Unbesiegbarkeit einen schweren Schlag zu versetzen.

Naja, und Aussagen wie "Erfindung" würde ich mal unter Polemik verbuchen...
 
Die Schlacht wurde durch die Schläue österreichischer Pioniere entschieden die brennende Flöße und Boote in eine Brücke treiben ließen und dadurch die Franzosen abgeschnitten haben. Chef der Pioniere war ein Major Magdeburg und nach dem ist dann die Pioniertruppenschule benannt worden und dort wurde die Geschichte stolz erzählt.
 
Unbesiegbar war Napoléon schon ehedem nicht gewesen. Nur lagen die Niederlagen sehr weit zurück und wurden mit Bonaparte nicht mehr in Verbindung gebracht.
https://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Caldiero_(1796)
https://en.wikipedia.org/wiki/Second_Battle_of_Bassano

Ich denke, dass der Ausgang der Schlacht bei Aspern dem Charakter Erzherzog Karls entsprach. Eine Vernichtung der Franzosen war wahrscheinlich nicht drin. Mit der Verteidigung einer Flusslinie war Erzherzog Karl m.W. auch vertraut. Dasselbe hatte er am Rhein im 1. Koalitionskrieg auch schon einmal geleitet.

Die Abwehr des Übergangs und der Entfaltung der franz. Armee unter Napoléon bedeutete einen Sieg.
 
Einfach ausgedrückt: Das ging für Napoleon daneben. Da sollte man schon den Österreichern den Sieg gönnen.
 
Auch frühere Siege von Napoleon sind eher der Dummheit der Gegner als seinem Geschick zu verdanken.

Bei Austerlitz hätten die Österreicher und Russen auf Verstärkung und die Preußen warten müssen.
 
Auch frühere Siege von Napoleon sind eher der Dummheit der Gegner als seinem Geschick zu verdanken.

Das ist sicherlich nicht richtig und ich verstehe auch derartige Aussagen absolut nicht. Dass diese Aussage die Schriften zur Entwicklung des strategischen und operativen Denkens auf den Kopf stellt, sei nur am Rande erwähnt.

Wie historisch die wichtige Arbeit von Jomini (The Art of War) und die neuere Systematisierung durch Heuser (The Evolution of Strategy).

Es sei betont, dass Napoleons innovative strategische und operative Agieren in diesen Schriften - und natürlich in vielen anderen - betont wird. Und das diese Einordnung von Napoleon nicht seinen theoretischen Arbeiten zu Verdanken ist, sondern seiner "Feldherrnkunst". Und das stelle ich völlig unpathetisch fest.

Und eine ethische Bewertung von Napoleon ist ein völlig anderes Thema.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich mich recht erinnere schienen aber die Preußen bereit, gegen Napoleon in den Krieg zu ziehen.

Steht auch so in der Wikipedia.

Kann sein, dass sie es wären, kann sein, dass nicht. Aber das ist eine politische Frage. Die Franzosen hatten schon Wien besetzt. Hätten die Alliierten gewartet, bis sich Fritz Willi zum eingreifen durchgeringt, bevor sie sich Napoleon auf dem Schlachtfeld stellen, hätte der vermutlich ohne Gegenwehr bis Moskau oder zum Ural marschieren können...
 
Auch frühere Siege von Napoleon sind eher der Dummheit der Gegner als seinem Geschick zu verdanken.

Bei Austerlitz hätten die Österreicher und Russen auf Verstärkung und die Preußen warten müssen.
Ich denke, da ist schon was dran.

Nehmen wir Marengo. Er wäre beinahe an der Niederlage schuld gewesen. Die Rückkehr von Desaix war mit viel Glück verbunden. Wobei das nicht heißt, dass Frankreich deswegen den Krieg verloren hätte. Der Nimbus des Napoléon, den man damals v.a. durch die Siege in Italien kannte, wäre aber angekratzt gewesen.
Bei Ulm war Mack ein alter Esel, den auch ein anderer halbwegs talentierter Feldherr bezwungen hätte. Ob auch so eingekreist und völlig von der Bildfläche gefegt - das ist die andere Frage.
Austerlitz zeichnet sich ja durch viel Misskalkulation der Alliierten aus, die einen viel zu komplizierten Plan ausgearbeitet hatten, der mit einem Heer von Verbündeten noch schlechter funktionieren musste.

Aspern war nun kein Geniestreich des Erzherzogs Karl, aber der war auch m.E. nie ein Genie, sondern ein solider Feldherr. Mehr nicht. Letztlich war der Krieg 1809 in der Kräftekonstellation auf dem Festland - Russland NOCH Verbündeter Frankreichs, Preußen gelähmt - von vornherein von Österreich nicht zu gewinnen und der Sieg bei Aspern nicht mehr als ein Achtungserfolg.
Erzherzog Karl hat niemals zuvor seine Gegner vernichtend geschlagen wie es Napoléon praktizierte. Ein begrenzter Sieg scheint mir auf österr. Seite auch durchaus akzeptabel gewesen zu sein, während Napoléon vor Wut schäumte, wenn angeblich seine Untergebenen verbockten, dass der Feind nicht komplett gebrochen wurde.
 
@Brissotin:

Ich halte diese pauschale Kritik für nicht angemessen. Sie greift sich einzelne Punkte heraus, ohne die Gesamtleistung [ein scheußliches Wort, weil es die Vernichtung von Menschen als "Leistung" definiert] des "Feldherren zu sehen. Sie ist undifferenziert und teilweise nicht zutreffend, wie beispielsweise die Bewertung von "Austerlitz". Fehlentscheidung der anderen zu nutzen und sie konsequent für seinen eigenen Vorteil zu gebrauchen, ist ein Aspekt der "Feldherrenkunst". Ich suche gerne den entsprechenden Beleg bei Sunzi heraus.

Die Kritik ist deshalb so pauschal, weil sie auf fast jeden Feldherren anzuwenden wäre, da jeder der "Großen" durch Glück und/oder die Dummheit seiner Gegner erfolgreich sein konnte. Auch wenn "Zoki55" das so einfach behauptet. Beleg????

Wenn denn die Kritik sich als "anti-Jomini" versteht, dann muß sie auch die Komplexität dessen berücksichtigen, was Jomini als "genuine" militärische Leistung von Napoleon herausstellt.

Un einmal mehr der HInweis:
Und Heuser stellt in "Evolution of Strategy" das militärische Denken von Napoleon u.a. in das Zentrum ihrer Ideengeschichte. Ganz so inkompetent kann er nicht gewesen sein.

Und bei Chandler (The Campaign of Napoleon) oder bei Elting (Swords around a throne" wird sich ebenfalls kaum ein Beleg finden lassen, für seine "Mittelmäßigkeit" als Feldherr. Nur um mal zwei herauszugreifen, die auf ihre Art als "Referenz" genannt werden können.

Napoleon hat sicherlich viele politische und militärische Fehler gemacht und hat als Mensch Stärken und Schwächen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei Austerlitz hätten die Österreicher und Russen das Risiko einer Feldschlacht gegen die Grande Armee nicht eingehen müssen, nicht eingehen dürfen.

Sun Tzu sagt, wahre Brillianz sei nicht, in vielen Schlachten zu kämpfen und zu siegen, sondern zu gewinnen, ohne kämpfen zu müssen. Die Zeit arbeitete für die Alliierten, die Grande Armee war durchaus in einer heiklen Situation. Mitten im Winter stand sie tief in Ostmitteleuropa, in Feindesland, weit von ihren Nachschubquellen entfernt. Weyreuthers Plan war an sich gut, in einer Militärakademie würde er vermutlich gute Noten bekommen, aber viel zu kompliziert, um mit nicht aufeinander eingespielten Truppen unterschiedlicher Nationalität gegen einen Kontrahenten wie die Grande Armee, kommandiert von Napoleon Erfolg zu haben.

Dazu kamen Sprachprobleme und Probleme der Koordination, die Österreicher bedachten nicht, dass in Russland noch immer der Julianische Kalender galt. Die gekrönten Häupter Alexander und Franz wären besser zuhause geblieben und hätten sich auf einen gemeinsamen Oberbefehlshaber einigen sollen. Napoleon brauchte die Schlacht, die Alliierten nicht unbedingt. Austerlitz hätte zu einem frühen Borodino führen können, wenn die Alliierten einen in der Defensive erfahrenen, vorsichtigen Oberbefehlshaber wie Graf Daun oder Kutusow gehabt hätten und ein defensives Konzept befolgt hätten.

Auf der Offensive zu beharren, war ambitioniert gegenüber einem Gegner vom Kaliber Napoleons, der zuerst auf dem Kampfplatz war, der das Terrain, den Gegner und die eigene Stärken kannte. Sein Offizierskorps war jung, kampferfahren und motiviert. Napoleon brauchte auf keinen Hofkriegsrat zu hören, musste keine Rücksichten auf Verbündete nehmen und auch nicht auf gekrönte Häupter aufpassen. Wellington sagte einmal, dass sein Hut allein auf dem Schlachtfeld 50.000 Mann aufwog. Das alles gab der Grande Armee einen Vorteil, und die taktische und strategische Analyse der Gegner war falsch. Sie erkannten die Falle nicht, glaubten Napoleon endlich da zu haben, wo man ihn haben wollte. Das Ergebnis ist bekannt.

Auch Genies kochen nur mit Wasser, auch ihr Tag hat nur 24 Stunden, selbst wenn man die Nacht dazu nimmt und ihre Truppen sind den gleichen Naturgesetzen unterworfen wie ihre Gegner.

Weder Erzherzog Karls, noch Kutusows und Wellingtons Anordnungen und Pläne waren genial. Dennoch haben sie Napoleon Paroli geboten und ihn schließlich besiegt, indem sie Standfestigkeit zeigten, sich auf den Gegner einstellten, wenige Fehler machten und erkannten, wann die Zeit für sie arbeitete und wann nicht.
 
Mir ist eigentlich egal, was Jomini und andere sagten. Jede Generation darf die Feldherren hinterfragen.

Was man eingestehen muss, ist dass er mit dem franz. Militär das beste anstellte, was wohl damals möglich war. Die Schwäche der Franzosen bestand durchs ganze 18.Jh. in einer schlechten Disziplin und einem ineffizienten Feuer. Wie auch der Maréchal de Saxe, den Napoléon bewunderte und für einen der größten Feldherren hielt, versuchte Bonaparte die Schwächen der französischen Armee durch Gewaltmärsche und Überraschungsmanöver auszugleichen.

Not macht erfinderisch. D.h. in dem Fall: da man ohnehin in der Revolution bankrott war in Frankreich - und auch die Assignaten das Loch nicht stopfen konnten - war eh kein Geld für die Magazinverpflegung vorhanden. Also hatte die Armee, wo sie sich nicht auf Magazine stützen konnte, auch keine Einengung mehr in der Operation. Zu Lasten natürlich der Soldaten, die als hungernde Bettler auf zeitgen. Darstellungen erscheinen. Bonaparte hatte die schlechte Versorgung in seinen Ansprachen selber charakterisiert und sogesehen seine Chefs - das Direktorium - angeklagt (und evtl. die Soldaten gegen das eigene Regime aufgewiegelt?). Mit der Stabilisierung des Systems im Consulat ging es auch vorübergehend den Soldaten besser. Das Problem, dass Eilmärsche Menschen und Material (v.a. Schuhe, aber auch Ausrüstung) verschleißen, blieb aber bestehen. Kurzfristig ein strategischer Vorteil, langfristig ein strategisches Problem. Eine Bettlerarmee, die schlecht versorgt ist, muss zur Landplage werden, egal wie rigoros im näheren Umfeld des Kaisers dagegen vorgegangen werden sollte. Nicht umsonst war eine der schlimmsten Strafen nicht mit aufs Requirieren gehen zu dürfen. Klar blieb die Armee dadurch schnell, aber sie machte sich auch überall dadurch langfristig Feinde in der Zivilbevölkerung.

Strategisch betrachtet waren die Feldzüge von 1805 und 06 sicher glänzend. Natürlich hatte Napoléon gerade 1806 das Glück, dass Massenbach und Hohenlohe-Ingelfingen nach der Jenaer Niederlage keinen kühlen Kopf bewahrten.

Gegen welches Feldherrengenie aber soll Napoléon denn mal in offener Feldschlacht gesiegt haben? Wurmser? Kutusow?

Wo war denn der strategische Weitblick 1812/13 oder in Spanien? Wer hat Napoléon 1812 gezwungen weiter nach Moskau vorzudringen? Weil der Feldzug 1812 sonst ohne glänzenden Sieg ausgegangen wäre, wenn er auf seiner Seite des Njemen geblieben wäre? Aber wo hat er dann strategisch in Spanien die Entscheidung erzwungen?
Eigentlich schon spannend wie rasch 1813/14 nach Leipzig das System Bonaparte zusammen brach. Sollte er da, als größter Stratege seiner Zeit nicht daran gedacht haben, effizient auch gegen Übermacht die Grenzen Frankreichs zu sichern?:grübel:

M.E. hat Napoléon wie seine Vorgänger bestehendes weiterentwickelt. Außer bei der Artillerie - wo er Fachmann war - hat er auch nicht viel reformiert. Die Armee blieb weitesgehend mit denselben Fehlern behaftet: keine leichte Infanterie mit gezogenen Gewehren, oftmals miserable Pferde (v.a. 1813 signifikant). Bezeichnenderweise galt 1815 noch dasselbe Exerzierreglement wie 1791, das des Königs Louis XVI.

Och, ich finde das Ganze schon recht differenziert. :)
 
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@Brissotin:

Ich halte diese pauschale Kritik für nicht angemessen. Sie greift sich einzelne Punkte heraus, ohne die Gesamtleistung [ein scheußliches Wort, weil es die Vernichtung von Menschen als "Leistung" definiert] des "Feldherren zu sehen. Sie ist undifferenziert und teilweise nicht zutreffend, wie beispielsweise die Bewertung von "Austerlitz". Fehlentscheidung der anderen zu nutzen und sie konsequent für seinen eigenen Vorteil zu gebrauchen, ist ein Aspekt der "Feldherrenkunst". Ich suche gerne den entsprechenden Beleg bei Sunzi heraus.

Die Kritik ist deshalb so pauschal, weil sie auf fast jeden Feldherren anzuwenden wäre, da jeder der "Großen" durch Glück und/oder die Dummheit seiner Gegner erfolgreich sein konnte. Auch wenn "Zoki55" das so einfach behauptet. Beleg????

Wenn denn die Kritik sich als "anti-Jomini" versteht, dann muß sie auch die Komplexität dessen berücksichtigen, was Jomini als "genuine" militärische Leistung von Napoleon herausstellt.

Un einmal mehr der HInweis:
Und Heuser stellt in "Evolution of Strategy" das militärische Denken von Napoleon u.a. in das Zentrum ihrer Ideengeschichte. Ganz so inkompetent kann er nicht gewesen sein.

Und bei Chandler (The Campaign of Napoleon) oder bei Elting (Swords around a throne" wird sich ebenfalls kaum ein Beleg finden lassen, für seine "Mittelmäßigkeit" als Feldherr. Nur um mal zwei herauszugreifen, die auf ihre Art als "Referenz" genannt werden können.

Napoleon hat sicherlich viele politische und militärische Fehler gemacht und hat als Mensch Stärken und Schwächen. Aber er war nicht de

Fortuna ist wankelmütig, und das Glück ist in der Regel auf der Seite des Tüchtigeren. Eine günstige Gelegenheit zu erkennen und auszunutzen, ist kein Zufall, sondern basiert auf genauer Beobachtung, Selbstbewusstsein und Entscheidungsfreudigkeit. Unterschätzung des Gegners, Hybris, Verblendung, Tatenlosigkeit auf Seiten des Gegners, verkrustete Strukturen, überaltertes Offizierskorps lassen einen Sieg zu einem Triumph werden.

Ich habe Zokis und Brissotins Beiträge weniger so verstanden, als würden sie Napoleons Qualitäten als Kommandeur grundsätzlich in Frage stellen, als sich gegen den oft inflationär gebrauchten Terminus des Genies zu wenden, und bei den meisten großen Schlachten Gaugamela, Cannae, Leuthen etc., etc. wäre das Ergebnis nicht so fatal gewesen, wenn der Besiegte nicht dem Sieger durch Fehler geholfen hätte.

...Da traf er (Hannibal) seine Anstalten für eine Schlacht, so heißt es bei Livius in der Beschreibung der Punischen Kriege. Fein gesponnen waren die Pläne an der Trebia, am Trasimenischen See und bei Cannae, und die Römer gingen jedes Mal auf den Leim. Hannibal musste schließlich Italien verlassen, ohne dass er dort eine große Schlacht verloren hatte. Fabius Cunctator war kein Genie, und Scipio siegte, weil er wenige Fehler machte, sich auf den Gegner einstellte und das Glück des Tüchtigen hatte, als Massinissa und die numidische Reiterei die Fronten wechselte. Friedrichs schiefe Schlachtordnung funktionierte so richtig wie am Schnürchen eigentlich nur bei Rossbach und Leuthen. Wenn die Perser Memnons Rat befolgt hätten, die Taktik der verbrannten Erde anzuwenden, wer weiß, ob Alexander bei Issos und Gaugamela triumphiert hätte.

Geschwindigkeit und das Überraschungsmoment sind die wichtigsten Faktoren in der Kriegskunst. Die großen Kommandeure der Geschichte haben es alle verstanden, sich diese zunutze zu machen. Niemand, ich zumindest nicht, spreche Hannibal, Alexander, Caesar, Fridericus Rex oder Napoleon die Qualitäten als überdurchschnittliche Heerführer, von mir aus auch Genies ab. Aber die Siege waren nichts Mysthisches, keine Hexerei, keine Wunder.

Die Geschichte kennt genug Beispiele, dass ein durchschnittlicher General einen hochbegabten schlug, indem er sich im Sinne Sun Tzus gegen eine Niederlage wappnete, erkannte, wann man kämpfen muss und wann man nicht kämpfen darf.

Bert Brechts Mutter Courage bring das schön auf den Punkt: "Wenn ein Feldhauptmann seine Leute so recht in die Scheißgasse führt, dann müssen sie lauter Herkulesse und klug wie die Schlangen sein. Wenn er einen guten Feldzugsplan machen könnte, brauchten sie nur durchschnittlich zu sein und mittelgescheit. Überhaupt, wenn irgendwo große Tugenden gebraucht werden, ist etwas faul."


In seiner Beschreibung der Schlacht von Borodino nimmt Tolstoi die Genialität der Heerführer sarkastisch aufs Korn. Alles hängt dort von der Motivation der kleinen Leute, dem "Geist der Truppe" ab. Napoleon glaubt, dass er das ganze Geschehen leitet. Er hat sie alle geschlagen, und hätte er nicht den Schnupfen gehabt, vermutlich die Russen besiegt. Das Schicksal Russlands lag sozusagen in den Händen seines Kammerdieners, der vergaß, ihm wasserdichte Stiefel bereit zu stellen.

Seine Anordnungen werden nicht befolgt, bis die Adjutanten zu Murat oder Ney vorstoßen, hat sich längst die Lage geändert. Kutusow, der bei Lageberichten immer einschläft, gutes Essen liebt und Trivialromane hat in seinem "greisen Verstand" begriffen, dass alles nur vom "Geist der Truppen" abhängt und versucht, das Geschehen durch seine Intervention so wenig wie möglich zu stören. Am Ende ergreift Napoleon das Entsetzen, dass alle Kunstgriffe versagen, dass Generale statt eroberte Fahnen und Kanonen einzubringen, nur dauernd um Verstärkungen bitten, so dass er glaubt, das Glück habe ihn verlassen, als nach Stunden die Russen immer noch stehen.

Fürst Andrej Bolkonski hört ein Gespräch von Clausewitz mit an, in dem dieser rät, den Krieg in die Tiefe des Raumes zu tragen. "Was wissen denn diese Deutschen, ganz Europa haben sie ihm ausgeliefert, jetzt wollen sie uns Russen belehren!"

Am Ende ist es nur noch ein Gemetzel, ohne geniale Kunstgriffe und Pläne geht die Schlacht dem Ende entgegen, die Franzosen haben das Feld behauptet, Moskau liegt nun schutzlos vor ihnen, die Russen aber haben trotz fürchterlicher Verluste einen moralischen Sieg errungen.
 
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Mir ist eigentlich egal, was Jomini und andere sagten. Jede Generation darf die Feldherren hinterfragen.

Was man eingestehen muss, ist dass er mit dem franz. Militär das beste anstellte, was wohl damals möglich war. Die Schwäche der Franzosen bestand durchs ganze 18.Jh. in einer schlechten Disziplin und einem ineffizienten Feuer. Wie auch der Maréchal de Saxe, den Napoléon bewunderte und für einen der größten Feldherren hielt, versuchte Bonaparte die Schwächen der französischen Armee durch Gewaltmärsche und Überraschungsmanöver auszugleichen.

Not macht erfinderisch. D.h. in dem Fall: da man ohnehin in der Revolution bankrott war in Frankreich - und auch die Assignaten das Loch nicht stopfen konnten - war eh kein Geld für die Magazinverpflegung vorhanden. Also hatte die Armee, wo sie sich nicht auf Magazine stützen konnte, auch keine Einengung mehr in der Operation. Zu Lasten natürlich der Soldaten, die als hungernde Bettler auf zeitgen. Darstellungen erscheinen. Bonaparte hatte die schlechte Versorgung in seinen Ansprachen selber charakterisiert und sogesehen seine Chefs - das Direktorium - angeklagt (und evtl. die Soldaten gegen das eigene Regime aufgewiegelt?). Mit der Stabilisierung des Systems im Consulat ging es auch vorübergehend den Soldaten besser. Das Problem, dass Eilmärsche Menschen und Material (v.a. Schuhe, aber auch Ausrüstung) verschleißen, blieb aber bestehen. Kurzfristig ein strategischer Vorteil, langfristig ein strategisches Problem. Eine Bettlerarmee, die schlecht versorgt ist, muss zur Landplage werden, egal wie rigoros im näheren Umfeld des Kaisers dagegen vorgegangen werden sollte. Nicht umsonst war eine der schlimmsten Strafen nicht mit aufs Requirieren gehen zu dürfen. Klar blieb die Armee dadurch schnell, aber sie machte sich auch überall dadurch langfristig Feinde in der Zivilbevölkerung.

Strategisch betrachtet waren die Feldzüge von 1805 und 06 sicher glänzend. Natürlich hatte Napoléon gerade 1806 das Glück, dass Massenbach und Hohenlohe-Ingelfingen nach der Jenaer Niederlage keinen kühlen Kopf bewahrten.

Gegen welches Feldherrengenie aber soll Napoléon denn mal in offener Feldschlacht gesiegt haben? Wurmser? Kutusow?

Wo war denn der strategische Weitblick 1812/13 oder in Spanien? Wer hat Napoléon 1812 gezwungen weiter nach Moskau vorzudringen? Weil der Feldzug 1812 sonst ohne glänzenden Sieg ausgegangen wäre, wenn er auf seiner Seite des Njemen geblieben wäre? Aber wo hat er dann strategisch in Spanien die Entscheidung erzwungen?
Eigentlich schon spannend wie rasch 1813/14 nach Leipzig das System Bonaparte zusammen brach. Sollte er da, als größter Stratege seiner Zeit nicht daran gedacht haben, effizient auch gegen Übermacht die Grenzen Frankreichs zu sichern?:grübel:

M.E. hat Napoléon wie seine Vorgänger bestehendes weiterentwickelt. Außer bei der Artillerie - wo er Fachmann war - hat er auch nicht viel reformiert. Die Armee blieb weitesgehend mit denselben Fehlern behaftet: keine leichte Infanterie mit gezogenen Gewehren, oftmals miserable Pferde (v.a. 1813 signifikant). Bezeichnenderweise galt 1815 noch dasselbe Exerzierreglement wie 1791, das des Königs Louis XVI.

Och, ich finde das Ganze schon recht differenziert. :)

Er hat mit den Ressourcen, die ihm zur Verfügung standen, doch recht beachtliche Erfolge erzielt. Innovativ war die Gliederung der Armee, die Organisation von Korps, die selbstständig wie eine kleine Armee agieren konnten. Die Grundvoraussetzungen militärischen Erfolges, Geschwindigkeit und das Überraschungsmoment hat er sehr wirkungsvoll eingesetzt. Er ging zuweilen große Risiken ein und hatte dabei meistens das Glück des Tüchtigen. Die Grande Armee ging natürlich auf Erneuerungen zurück, die Vertreter des Ancien Regimes wie de Broglie einführten, war aber doch im Großen und Ganzen seine Schöpfung. Er hat das Soldatenhandwerk von der Pike auf gelernt und besaß das Charisma, seine Soldaten und Offiziere motivieren und begeistern zu können. Der Spruch von dem Soldaten, der den Marschallstab im Tornister führte war sicher am Ende so nicht zutreffend, wenn er denn überhaupt auf die napoleonische Zeit zutrifft. Immerhin aber ermöglichte er den Zugang zum Offizierskorps auch Bürgerlichen, und Beförderung nach dem Leistungsprinzip war in Europa etwas unerhörtes. Die Levee en Masse ermöglichte es erstmals das volle demographische Gewicht eines Staates auszuschöpfen. In seinen letzten Feldzügen wären viele seiner Marschälle, die er zu Fürsten und Königen erhob, lieber daheim geblieben, aber mit einem recht jungen Offizierskorps, in dem Leistung mehr zählte, als Geburtsrecht Offizieren und Soldaten, die nur darauf brannten, zu zeigen, was sie gelernt hatten, war er lange Zeit seinen Gegnern voraus. Gemessen an der Ausstattung, dem Ausbildungsniveau, der Feuerkraft der Infanterie, der Leistungsfähigkeit der Kavallerie hätten die oft zerlumpten französischen Truppen denen ihrer Gegner unterliegen müssen, doch sie mischten die Armeen des Alten Europas immer wieder auf, bis diese, vom Ansporn der Niederlage begannen, von den Franzosen zu lernen.

Dass er ausgerechnet in einer der heruntergekommensten Monarchien Europas scheitern würde, damit hat er wohl nicht gerechnet. Der von den Ideen der Revolution inspirierte Nationalismus wurde zum Bumerang. In den französischen Satellitenstaaten wie im Königreich Westphalen gab es vieles, das innovativ, modern und nachahmenswert war. Der große Bruder griff rücksichtslos auf die Ressourcen des Landes zurück, und trotz unbestreitbarer Verdienste war seine Herrschaft und die seiner Trabanten eine Fremdherrschaft, die je länger sie dauerte, den Völkern Europas als unzumutbar erschien. Ein Herrschaftskonzept, das auf unendlicher Expansion basierte, das den Besiegten die Kosten aufbürdete, musste am Ende scheitern. Der Russlandfeldzug war eine Fehlkalkulation, die zum Debakel wurde. Als sie losmarschierte, war die Grande Armee ca. 600.000 Mann stark. Eigentlich wollte er in Smolensk Winterquartiere aufschlagen. Eigentlich hatte er so weit gar nicht vorstoßen wollen. Eine große Schlacht gegen die in vielerlei Hinsicht unterlegene russische Armee und dann ein Friedensschluss, den er diktierte- so hat Napoleon sich das wohl vorgestellt.

Schließlich stellten sich die Russen bei Borodino, die verlustreichste Schlacht der Koalitionskriege. Napoleon behauptete das Feld- Moskau wurde erobert, aber niemand kam, um mit ihm zu verhandeln. Die Russen steckten ihre Hauptstadt in Brand, und die dezimierte Grande Armee musste auf dem gleichen Weg zurück. Vorräte, Magazine aus denen man sich bedienen konnte, das gab es nicht in Russland. Wie vor ihm Karl XII. und nach ihm Hitler hat er die Weite des Raumes und die Regenerationsfähigkeit der Russen unterschätzt.
 
Kurze Zwischenfrage

[...], die Österreicher bedachten nicht, dass in Russland noch immer der Julianische Kalender galt[...]

Entschuldigung, wenn ich die militärische Fachdiskussion mit einer dummen Frage unterbreche, aber: Stimmt das denn? Also, natürlich nicht, dass in Russland der Julianische Kalender galt, das ist mir klar :). Sondern, dass die Österreicher das nicht berücksichtigten und dass aus daraus Abstimmungsschwierigkeiten entstanden.
Ich hatte das für eine Anekdote gehalten, die erst nach Kriegsende entstand. Es erscheint mir doch sehr seltsam, dass zwei Länder, die in permanentem diplomatischem Kontakt miteinander stehen, nicht mit ihren unterschiedlichen Kalendersystemen umgehen können sollen.

Zum Krieg 1809 habe ich nur die Bände von John Gill überflogen; er legt großen Wert darauf, festzuhalten, wie schlecht organisiert und ausgerüstet die österreichische Armee war und wie lange man sich in Wien darüber täuschte, Bündnisse mit Russland und Preußen eingehen zu können.
 
Es sind mWn schon Weltraum-Missionen gescheitert, weil hochbezahlte Wissenschaftler verpeilt haben, dass es einen Unterschied zwischen metrischem und imperialem System gibt. Ist mE also nicht völlig abwegig...
 
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