Paulus' Misserfolg in Athen

Helmut406

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Guten Tag,

... Paulus war ein Meister der schriftlichen Kommunikation, so jedenfalls versuchen einige Bibelwissenschaftler jedenfalls seinen Erfolg zu erklären. Inwiefern Paulus im Vergleich zu Petrus rhetorisch gesehen deutlich begabter war ist natürlich spekulativ.

Der Erfolg seiner Missionierung scheint jedoch aus meiner Sicht auch der entschiedenen Fortführung seiner Schüler nach seinem gewaltsamen Tod geschuldet zu sein. Es ist dabei schade, dass kein Originalbrief seiner Missionierungszeit originell erhalten ist.

Weshalb er die Bürger Athen jedoch so schlecht überzeugen konnte ist mir noch nicht klar. Ich kann nicht erkennen, dass die Philosophie der christlichen Lehre total entgegen gesetzt war.

Es ist anzunehmen, dass er hier mit dem Bildungsbürgertum konfrontiert war und die waren besonders kritisch in der Reflektion der Worte. Das kann man sich sicherlich auch gut vorstellen.
 
Warum sollten sofort alle Menschen von Athen sich einer komischen jüdische Sekte anschließen. Ich glaube die ersten Christen hatten vor allem bei Heiden erfolg die schon mit dem Judentum kokettierten.
 
Weshalb er die Bürger Athen jedoch so schlecht überzeugen konnte ist mir noch nicht klar. Ich kann nicht erkennen, dass die Philosophie der christlichen Lehre total entgegen gesetzt war.
Ich weiß nicht, ob die Beobachtung stimmt, dass er in Athen wenig Erfolg hatte. Die Apostelgeschichte (AG) berichtet ja durchaus, dass er Jünger in Athen gewann (ob das stimmt, ist wiederum in Frage zu stellen), deshalb wundert mich die als Vorwissen vorausgesetzte explizite Behauptung, er habe keinen Erfolg gehabt. (Kann man ja drüber diskutieren, über die AG und ihre Glaubwürdigkeit.)
Aber nehmen wir mal an, er hätte die Athener tatsächlich nur schlecht überzeugen können. Du fragst gewissermaßen, wie das sein könne, sei doch die Philosophie (welche eigentlich genau?!) der christlichen Lehre nicht total entgegen gesetzt, implizit gehst du also offenbar davon aus, dass zwischen der Philosophie und (Teilen) der christlichen Lehre mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede bestanden. Und auch darin kann (wenn man deine beiden Grundvoraussetzungen akzeptiert) ein Grund für die "Erfolglosigkeit" Paulus' gesehen werden: Er hatte einfach nichts Neues im Angebot; was er den Athenern bieten konnte, war für die moralphilosophisch kalter Kaffee mit jüdischer Mystik verwoben.
 
Es gibt mindestens ein Dutzend Deutungsansätze für die Erzählung, je nach Detailierungsgrad und Feinheiten auch mehrere Dutzend.

Tabernee (Early Christianity) ergänzt ein wenig archäologischen Befund.
Der Rest ist Glauben, Weltanschauung oder Rätselraten.
 
Da Paulus, nach allem was uns überliefert ist (AG, Briefe), gerade derjenige war, der sich für eine Öffnung der christlichen Sekte für Nichtjuden ein- und sich gegenüber Petrus durchsetzte, ist das wohl eher zu vernachlässigen. Viele Heidenchristen kann es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gegeben haben. Das kann man also als Grund für seine "Erfolglosigkeit" (so wir sie denn akzeptieren) ad acta legen, denn es war ja gerade diese Zeit, wo dem Christentum der Sprung von der kleinen jüdischen Sekte zur Weltreligion gelang und das ging eben nur dadurch, dass es die ethnischen Grenzen des Judentums überwand.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß ja nicht, die Demagogie wurde ja nicht zufällig in Athen "erfunden"; aber grundsätzlich scheint mir hier im Thread auch eine anachronistische Vorstellung Athens vorzuherrschen: Das Athen nach der Zeitenwende ist nicht mehr das klassische Athen, das Athen von Themistokles, Perikles oder Kleisthenes, nicht das Athen des Platon oder Aristoteles. Es ist das Athen der Römer, unter dem Prinzipat des Caligula oder des Claudius.
 
Das ist natürlich richtig. Ein reges Geistesleben und eine innere Autonomie, dieses anzuwenden, besaß Athen allerdings weiterhin (und zumindest den Mythos der "streitlusitgen Athener/Griechen" gab es mWn auch in dieser Zeit noch).

Für das Rom vor der Zeit der Bürgerkriege galt ähnliches, auch wenn dieses nie so demokratisch, die Volksversammlung nie so einflussreich war wie in der Blütezeit Athens. Aber Jahrzehnte nach der Machtübernahme durch das Prinzipat kann ich mir zumindest vorstellen, dass die öffentliche Debatte inkl der "Gewöhnung" an die Tricks der Rhetorik in Athen wieder in höherer Blüte stand als in der "ewigen Stadt", selbst wenn es nur komunale Belange betraf. Und in der Herkunftsregion Paulus sah das ja noch mal anders aus, wenn ich dich hiermit "die moralphilosophisch kalter Kaffee mit jüdischer Mystik verwoben" richtig verstehe. ;)
 
Das 17. Kapitel der Apostelgeschichte beginnt mit einem Besuch in Thesaloniki. Wie immer ging Paulus zuerst in die örtliche Synagoge und sprach zu den Juden. An drei Sabbaten versuchte er zu überzeugen. Einige Juden waren dazu bereit und "eine große Zahl gottesfürchtiger Griechen“. Es gab einen Aufruhr in der Stadt, Paulus kam wohl zeitweise in Bedrängnis und wurde „noch in der Nacht“ ins 70 Kilometer entfernte Beröa gebracht. Dort besuchte Paulus wie üblich die Synagoge, fand die Juden hier „weitherziger“ und hatte großen Erfolg mit seiner Botschaft. Davon hörten die Thesaloniker, kamen und machten wieder Krawall. Wieder wurde Paulus schnell zum Hafen gebracht und ins 500 Kilometer entfernte Athen eingeschifft.

Hier in der Weltstadt traf man sich auf dem Aeropag und und war dankbar für alles Neue. „Alle Athener nämlich auch die Fremden, die bei ihnen wohnten, hatten nichts anderes im Sinn, als etwas Neues zu sagen oder zu hören." Denen kam dieser Paulus gerade recht. Als es mit seiner Botschaft ans Eingemachte ging und er von der Auferstehung der Toten sprach, erntete er nur Spott. Andere waren weiter neugierig und wollten Genaueres von ihm hören.

Wurde Paulus das jetzt zu heiß? Fürchtete er eingehendere Diskussionen? Denn ohne weitere Erklärung steht hier: „So ging Paulus von ihnen (aus ihrer Mitte) weg."
 
Auf mich wirkt die ganze Stelle so, als hätte Paulus erkannt, dass seine athenischen Zuhörer nicht ernsthaft an seiner Lehre interessiert waren. Athen war seit Jahrhunderten der Ort, an dem geistige Strömungen aus dem ganzen griechischen und hellenistischen Raum zusammenkamen und diskutiert wurden und Vertreter der verschiedensten Schulen ihre Anhänger um sich scharten. Auch religiöse Strömungen waren nichts Neues, ebenso auf ein höchstes Wesen ausgerichtete philosophische Lehren. Für die meisten athenischen Zuhörer war Paulus' Lehre wohl bloß wieder einmal eine neue Richtung, die man sich zwar anhören konnte, aber nicht mehr Wahrscheinlichkeit für sich hatte als alle anderen. Eingehendere Diskussionen wären unter diesen Umständen relativ fruchtlos gewesen.

Das ist natürlich richtig. Ein reges Geistesleben und eine innere Autonomie, dieses anzuwenden, besaß Athen allerdings weiterhin (und zumindest den Mythos der "streitlusitgen Athener/Griechen" gab es mWn auch in dieser Zeit noch).
Das sehe ich auch so. Gerade weil Athen seine politische Bedeutung verloren hatte, konzentrierte es sich auf seine Rolle als intellektuelles Zentrum.

Ich weiß ja nicht, die Demagogie wurde ja nicht zufällig in Athen "erfunden"; aber grundsätzlich scheint mir hier im Thread auch eine anachronistische Vorstellung Athens vorzuherrschen: Das Athen nach der Zeitenwende ist nicht mehr das klassische Athen, das Athen von Themistokles, Perikles oder Kleisthenes, nicht das Athen des Platon oder Aristoteles. Es ist das Athen der Römer, unter dem Prinzipat des Caligula oder des Claudius.
Es scheint in Griechenland in der Kaiserzeit eine stark konservierende Tendenz gegeben zu haben, ein Festhalten an der ruhmreichen Vergangenheit und (so weit möglich) ihren Einrichtungen und Traditionen.
 
Auf mich wirkt die ganze Stelle so, als hätte Paulus erkannt, dass seine athenischen Zuhörer nicht ernsthaft an seiner Lehre interessiert waren. Athen war seit Jahrhunderten der Ort, an dem geistige Strömungen aus dem ganzen griechischen und hellenistischen Raum zusammenkamen und diskutiert wurden und Vertreter der verschiedensten Schulen ihre Anhänger um sich scharten. Auch religiöse Strömungen waren nichts Neues, ebenso auf ein höchstes Wesen ausgerichtete philosophische Lehren. Für die meisten athenischen Zuhörer war Paulus' Lehre wohl bloß wieder einmal eine neue Richtung, die man sich zwar anhören konnte, aber nicht mehr Wahrscheinlichkeit für sich hatte als alle anderen. Eingehendere Diskussionen wären unter diesen Umständen relativ fruchtlos gewesen.


Das sehe ich auch so. Gerade weil Athen seine politische Bedeutung verloren hatte, konzentrierte es sich auf seine Rolle als intellektuelles Zentrum.


Es scheint in Griechenland in der Kaiserzeit eine stark konservierende Tendenz gegeben zu haben, ein Festhalten an der ruhmreichen Vergangenheit und (so weit möglich) ihren Einrichtungen und Traditionen.


Sulla hat damals, als er Athen im Mithridates Krieg belagerte und plünderte, die Platanen der Platonischen Akademie abgeholzt, und Athen hat danach bis in die Neuzeit politisch keine Rolle mehr gespielt und war von der Gnade anderer abhängig. Seine geistigen Traditionen aber behielt es, umso mehr, weil gebildete Römer nach Griechenland gingen, um dort Rhetorik oder Philosophie zu studieren. Caesar tat das und selbst Tiberius. Spätestens um die Zeitenwende sprach jeder gebildete Römer griechisch oder erwarb sich zumindest Sprachkenntnisse, ähnlich wie Französisch im 18. Jahrhundert zur Diplomaten- und Literatursprache avancierte. Viele philohellinisch eingestellten Kaiser bereisten Athen, nahmen Ehrungen der Stadt gerne entgegen oder richteten dort Stiftungen ein. Alexandria hatte seine berühmte Bibliothek, aber ein Zentrum hellenistischer Gelehrsamkeit blieb Athen. Es gab dort nach wie vor die Akademie Platons, und auch Epikur hatte dort eine Philosophenschule gegründet, Epikureer und Stoiker, die mit Paulus diskutierten werden namentlich in der ApG genannt (ApG 17, 16- 19).

Eine Metropolis war Athen nicht mehr, wirtschaftlich und politisch hatte Alexandria sicher mehr Gewicht, aber so etwas wie ein antikes Oxford, Cambridge oder Harvard war Athen schon, und selbst aufstrebende hellenistische Metropolen wie Alexandria und Antiochia ad Orontem konnten mit der geistigen Tradition Athens nicht mithalten. Dass sich die Stadt, nachdem ihr Sulla politisch das Rückgrat gebrochen hatte, umso mehr auf ihre geistigen Traditionen besann, ist nicht verwunderlich. Umso mehr, weil die Römer diese Tradition annahmen. Viele römische Intellektuellen, die dort einige Jahre verbracht hatten, waren durchaus stolz darauf, bei einigen von ihnen könnte man fast an alte Herren denken, die von alter Burschen Herrlichkeit in Heidelberg oder Göttingen schwärmen.
 
Paulus Grundausrichtung provozierte Streit (?!)

Paulus zentraler Kern seiner Lehre musste zwangsläufig auch die Götterwelt der Griechen und RÖmer in Frage stellen. Das widerspricht aber dem Geist der Toleranz griechischer Lebensart. Inwieweit das der entscheidende Knackpunkt war weiß ich nicht.

Da Paulus diesen Misserfolg offenkundig später dann gut weg gesteckt hatte ist über diesen Disput offenkundig recht wenig bekannt. In der Regel mussten offensichtlich auch die Apostel bei Ihrer Missionierung sich selten mit anderen Weltanschauungen auseinandersetzen sondern vielmehr mit Todesdrohungen die ja auch nicht eine leere Phrase blieben.

Leider weiß ich jedoch nicht was ausgerechnet die doch sehr liberalen Philosophen Paulus entgegnet gehalten haben. Das wäre für mich interessant zu wissen. Der Absolutheitsanspruch als monotheistische Weltreligion war bestimmt nicht der ausschlaggebende Zankapfel hier gewesen.
 
Paulus zentraler Kern seiner Lehre musste zwangsläufig auch die Götterwelt der Griechen und RÖmer in Frage stellen. Das widerspricht aber dem Geist der Toleranz griechischer Lebensart. Inwieweit das der entscheidende Knackpunkt war weiß ich nicht.

Da Paulus diesen Misserfolg offenkundig später dann gut weg gesteckt hatte ist über diesen Disput offenkundig recht wenig bekannt. Meines Wissens mussten offensichtlich auch die Apostel bei Ihrer Missionierung sich so gut wie nie mit anderen religiösen Anschauungen auseinander setzen sondern vielmehr mit Todesdrohungen. Viele Andersgläubige waren über die sog. frohe Botschaft der 12 Jünger sicherlich alles andere als angetan.

Leider weiß ich jedoch nicht was ausgerechnet die doch sehr liberalen Philosophen Paulus entgegnet gehalten haben. Das wäre für mich interessant zu wissen. Der Absolutheitsanspruch als monotheistische Weltreligion war bestimmt nicht der ausschlaggebende Zankapfel hier gewesen.

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Die sehr aufschlußreichen Schilderungen von SCORPIO lassen den Rückschluss zu, dass Paulus gerne auch die christliche Lehre ins "Bildungsbürgertum" der griechischen Welt erfolgreich etabliert hätte.

Inwieweit das zur Verbreiterung des Christentums mittelfristig effektiver gewesen ist an dieser Stelle leider schwer zu sagen.

Was mich aber etwas irritiert, Paulus war doch sicherlich nicht naiv :
a) hätte er mit dem besagten Schwierigkeiten nicht im Grunde genommen rechnen können ; Ihm müsste doch bekannt gewesen sein, dass er sich dort auch gebildeten Kreise
stellen musste ?!

b) Petrus war einmal auch in Athen gewesen : hat er ähnliche Probleme gehabt ?
> darüber habe ich bisher nämlich nichts gelesen.
 
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Paulus zentraler Kern seiner Lehre musste zwangsläufig auch die Götterwelt der Griechen und RÖmer in Frage stellen. Das widerspricht aber dem Geist der Toleranz griechischer Lebensart. Inwieweit das der entscheidende Knackpunkt war weiß ich nicht.

Da Paulus diesen Misserfolg offenkundig später dann gut weg gesteckt hatte ist über diesen Disput offenkundig recht wenig bekannt. In der Regel mussten offensichtlich auch die Apostel bei Ihrer Missionierung sich selten mit anderen Weltanschauungen auseinandersetzen sondern vielmehr mit Todesdrohungen die ja auch nicht eine leere Phrase blieben.

Leider weiß ich jedoch nicht was ausgerechnet die doch sehr liberalen Philosophen Paulus entgegnet gehalten haben. Das wäre für mich interessant zu wissen. Der Absolutheitsanspruch als monotheistische Weltreligion war bestimmt nicht der ausschlaggebende Zankapfel hier gewesen.

Der Punkt ist, dass keiner weiß, was Stoiker und Epikureer Paulus geantwortet haben, der Athenbesuch von Paulus ist in der Apostelgeschichte beschrieben, andere, nichtchristliche Quellen existieren nicht. Ob die Missionsreise ein Misserfolg war, wieviel "Erfolg" ein Anhänger einer recht dubiosen jüdischen Sekte überhaupt erwarten konnte, deren Stifter von den Römern gekreuzigt wurde, dazu hat sich El Quichote schon geäußert. Immerhin hat Paulus laut ApG einige Anhänger gefunden und genug Interesse, dass er auf dem Areopag sprechen durfte und genug Zuhörer fand, dass sich eine Vorlesung überhaupt lohnte.

Du ziehst aus sehr dünn überlieferten Informationen die Schlussfolgerung, dass die Missionsreise ein Misserfolg war und stellst das als Tatsache hin.

Was die Zuhörer Paulus antworteten, wäre für jeden interessant zu wissen- wir wissen es aber nicht, da die Quellenlage so dünn ist, dass man darüber nur (mehr oder weniger plausible) Vermutungen anstellen kann. Daraus ziehst du wieder eine Schlussfolgerung und behauptest, der Absolutheitsanspruch einer monotheistischen Weltreligion könne es nicht gewesen sein.

Eine Weltreligion war das Christentum damals aber nicht, sondern eine von vielen jüdischen Gruppierungen, dass daraus einmal eine Weltreligion werden würde, konnte nicht einmal Paulus vorhersagen.

Wie und wo die Apostel predigten darüber gibt es außer der ApG keine Quellen, auch hier ziehst du Schlussfolgerungen, die die Quellen nicht hergeben und sagst, die Apostel hätten sich nicht mit anderen "Weltanschauungen" auseinandergesetzt. Der Stoizismus, der (Neo)Platonismus oder die Lehren Epikurs waren keine "Weltanschauungen", sondern philosophische Schulen.

Das Neue Testament ist in Griechisch verfasst. Juden lebten nicht nur in Palästina, und viele von ihnen sprachen kein Aramäisch oder Hebräisch, sondern mussten auf griechische Übersetzungen der Septuaginta zurückgreifen. Als Diasporareligion hätte das Judentum niemals überlebt, wenn es sich nicht an die Umwelt angepasst hätte. Paulus sprach sich für die Heidenmission aus und setzte sich anscheinend gegen Petrus durch. Er predigte zunächst in Synagogen und sprach dabei auch die "Gottesfürchtigen" an. Das waren Menschen, die sich für das Judentum interessierten, die Synagogen besuchten, aber nicht alle komplizierten Speisegebote einhielten und wohl auch wenig Neigung verspürten, sich als
Erwachsene beschneiden zu lassen.

Paulus und andere Apostel hätten es niemals geschafft, das Interesse von Leuten wie L. Sergius Paullus zu wecken, wenn sie nicht wenigstens mit deren Gedankengut auch in philosophischer Hinsicht vertraut gewesen wären.
Das Christentum hat sich im hellenistischen Osten des Reiches innerhalb von 1-2 Generationen recht stark verbreitet, in Palästina selbst blieb es eine kleine Splittergruppe. Diese Missionserfolge wären niemals möglich gewesen, wenn sich Paulus und seine Mitarbeiter nicht auf die Mentalität und das Bewusstsein der hellenistisch geprägten Bevölkerung hätten einstellen können, wenn sie nicht deren Sprache gesprochen hätten.

Was und wie Paulus gepredigt hat, ist wegen des Mangels an Quellen recht spekulativ. Dieses Loch lässt sich weltanschaulich füllen, ändert aber nichts daran, dass die Folgerungen auf Mutmaßungen basieren.

Auch Paulus war wohl als Prediger Formschwankungen ausgesetzt, in Troas einer Hafenstadt nahe Alexandria hielt er mal eine Predigt, die wohl so langweilig war, dass einer der Zuhörer einschlief und später aus dem Fenster fiel. (ApG 20, 7-10)
 
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Wie und wo die Apostel predigten darüber gibt es außer der ApG keine Quellen
... und Lukas hat sicher keine Mitschnitte der Predigten verwertet, sondern die Predigten selber formuliert.


Auch Paulus war wohl als Prediger Formschwankungen ausgesetzt, in Troas einer Hafenstadt nahe Alexandria hielt er mal eine Predigt, die wohl so langweilig war, dass einer der Zuhörer einschlief und später aus dem Fenster fiel. (ApG 20, 7-10)

Im 2. Brief an die Korinther setzt Paulus sich mit dem Vorwurf auseinander, er sei ein lausiger Redner:

"Ja, die Briefe, wird gesagt, die sind wuchtig und voll Kraft, aber sein persönliches Auftreten ist matt und seine Worte sind armselig."
 
Wenn die stark semitisch geprägte Können des Neuen Testaments Anhaltspunkt ist, wird es auf Griechen und Römer seltsam und sehr ausländisch gewirkt haben.

Allerdings gab es in Tarsos ja auch eine bekannte Griechische Schule und es wird mitunter vermutet, dass Paulus sie besucht hat, bevor er die Ausbildung zum Rabbiner in Angriff nahm. Dass er ein Handwerk lernte, braucht kein Hinweis auf die soziale Herkunft sein, da es Voraussetzung für einen Rabbiner war.

Und die Vergleiche seiner Lehre mit der Stoa insbesondere des Seneca, also der damals aktuellen Philosophie werden ja immer wieder mal gezogen. Er agierte also nicht im Luftleeren Raum. Bei vielem werden die Athener mit der Schulter gezuckt haben, anderes als neue Gedanken betrachtet und wieder anderes als Aberglaube betrachtet haben. In einer Stadt wie Athen, die den Bildungstouristen immer noch mehrere philosophische Richtungen anbot war keine große Bekehrung zu erwarten. Die Lehre bekannt zu machen, als Diskussionspartner akzeptiert zu werden und vielleicht ein paar vereinzelte Bekehrungen müssen da schon als Erfolg gelten.

Anders ausgedrückt: Für die CDU ist eine hauchdünne schwarz-gelbe Mehrheit in NRW ein beachtlicher Erfolg. Für die CSU in Bayern wäre es entäuschend.
 
Wenn die stark semitisch geprägte Können des Neuen Testaments Anhaltspunkt ist, wird es auf Griechen und Römer seltsam und sehr ausländisch gewirkt haben.

Ich nehme an, statt "Können" meinst Du "Koine".

Auf der sprachlichen Ebene finden wir in den Paulusbriefen allerdings kaum Semitismen.
 
Wenn die stark semitisch geprägte Koiné des Neuen Testaments Anhaltspunkt ist, wird es auf Griechen und Römer seltsam und sehr ausländisch gewirkt haben.

Bist du sicher? Die Semitismen sind doch - auch in den Evangelien, Sepiola sprach die Briefe an - recht beschränkt auf Eigen- und Ortsnamen sowie Titel und werden dann auch von den Autoren (oder etwa späteren Interpolatoren?) erklärt.
Markus 15,22:
καὶ φέρουσιν αὐτὸν ἐπὶ τὸν γολγοθᾶν τόπον, ὅ ἐστιν μεθερμηνευόμενον κρανίου τόπος.
Matthäus 27,33:
Καὶ ἐλθόντες εἰς τόπον λεγόμενον Γολγοθᾶ, ὅ ἐστιν Κρανίου Τόπος λεγόμενος
Johannes 19,17:
καὶ βαστάζων ἑαυτῷ τὸν σταυρὸν ἐξῆλθεν εἰς τὸν λεγόμενον Κρανίου Τόπον, ὃ λέγεται Ἑβραϊστὶ Γολγοθα,


Johannes, 1,38:
στραφεὶς δὲ ὁ Ἰησοῦς καὶ θεασάμενος αὐτοὺς ἀκολουθοῦντας λέγει αὐτοῖς· τί ζητεῖτε; οἱ δὲ εἶπαν αὐτῷ· ῥαββί, ὃ λέγεται μεθερμηνευόμενον διδάσκαλε, ποῦ μένεις;
Matthäus, 23, 7-8:
καὶ τοὺς ἀσπασμοὺς ἐν ταῖς ἀγοραῖς καὶ καλεῖσθαι ὑπὸ τῶν ἀνθρώπων ῥαββί.

Ὑμεῖς δὲ μὴ κληθῆτε ῥαββί· εἷς γάρ ἐστιν ὑμῶν ὁ διδάσκαλος, πάντες δὲ ὑμεῖς ἀδελφοί ἐστε.
(Der Begriff Rabbi wird in drei von vier Evangelium benutzt, Lukas benutzt ihn gar nicht, Matthäus und Johannes erklären ihn bei der ersten Benutzung, lediglich Markus erklärt ihn nicht.)
 
Da ich nur recht einfache Griechischkenntnisse habe, habe ich wiedergegeben was Zuntz -allerdings wohl in sehr kurzen Übersicht für eine größere Öffentlichkeit- dazu sagte. Daher werde ich nicht widersprechen.
 
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