Kriegerinnen unter den Wikingern

silesia

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Eine neue Publikation behauptet, nun einen "genetischen" Nachweis dafür gebracht zu haben, dass sich Wikinger-Frauen als Kriegerinnen "betätigten".

Hintergrund ist ein Grab, dessen Ausstattung auf einen "warrior" deutet. Nach der Morphologie der Skelettreste wurde bereits vermutet, es könne sich um eine Frau handeln. Das wurde nun genetisch bestätigt.

Warum von den Grabbeilagen zwingend darauf geschlossen wird, dass es sich um eine Kriegerin handeln muss, und die Ausstattung nicht andere Zwecke verfolgt, ist mir nicht klar geworden. Den Ursprungs-Artikel habe ich allerdings noch nicht gelesen, er ist im freien download verfügbar.

Presse:
First genetic proof that women were Viking warriors


Publikation aus der neusten Ausgabe AJPA:
A female Viking warrior confirmed by genomics
 
In den Sagas gibt es hin und wieder mal Erwähnungen von Kriegerinnen. So etwa Hervör in der Hervara Saga. Allerdings ist auch klar, dass Hervör eine Ausnahmeerscheinung ist. Zudem verändert sich Hervör unmotiviert im Rahmen der Saga. Zu Anfang Kriegerprinzessin, die keine Gelegenheit zu einem Kampf auslässt, verwandelt sie sich ohne erkennbaren Grund zur Hofdame, Ehefrau und liebevollen Mutter.

Warum von den Grabbeilagen zwingend darauf geschlossen wird, dass es sich um eine Kriegerin handeln muss, und die Ausstattung nicht andere Zwecke verfolgt, ist mir nicht klar geworden. Den Ursprungs-Artikel habe ich allerdings noch nicht gelesen, er ist im freien download verfügbar.
Es ist schon naheliegend davon auzugehen, dass die Grabbeigaben etwas mit der bestatteten Person zu tun haben. Wenn man in einem Grab Reste von Schild, Schwert, Beil und Pfeil und Bogen findet, dann geht man natürlich erst einmal von einem Kriegergrab aus.
 
In den Sagas gibt es hin und wieder mal Erwähnungen von Kriegerinnen. So etwa Hervör in der Hervara Saga. Allerdings ist auch klar, dass Hervör eine Ausnahmeerscheinung ist. Zudem verändert sich Hervör unmotiviert im Rahmen der Saga. Zu Anfang Kriegerprinzessin, die keine Gelegenheit zu einem Kampf auslässt, verwandelt sie sich ohne erkennbaren Grund zur Hofdame, Ehefrau und liebevollen Mutter.


Es ist schon naheliegend davon auzugehen, dass die Grabbeigaben etwas mit der bestatteten Person zu tun haben. Wenn man in einem Grab Reste von Schild, Schwert, Beil und Pfeil und Bogen findet, dann geht man natürlich erst einmal von einem Kriegergrab aus.

Die Erwähnung in Quellen ist dort auch angeführt.

Wieso kann die Beigabe nicht lediglich "Schmuck" sein?
 
Wieso kann die Beigabe nicht lediglich "Schmuck" sein?
Es gibt Gräber, in denen zusätzlich zu "klassisch weiblichen" Beigaben auch ein einzelner Speer, ein Schwert oder eine Axt zu finden sind. In diesen Fällen spricht man tatsächlich von einem eher symbolischen Charakter oder "Schmuck". Im konkreten Fall aber haben wir ein komplettes Waffen-Set, zwei Schilde, zwei Pferdebestattungen, während Schmuck o.ä. scheinbar komplett fehlen. Solche "Kriegergräber" mit dem Skelett einer Frau gab es in Skandinavien bisher nicht (wohl aber z.B. im Baltikum und in Großbritannien), was aber gut auch daran liegen könnte, daß aufgrund der Beigaben häufig auf eine Untersuchung des Skeletts schlicht verzichtet und eine männliche Bestattung angenommen wurde.
Eine einzelne unzweifelhaft nachgewiesene "Kriegerin" stellt noch nicht den Forschungsstand auf den Kopf, es könnte immer noch eine extrem seltene Ausnahme sein. Künftig wird aber nun vielleicht regelhaft bei Kriegergräbern das Skelett von einem Osteologen in Augenschein genommen, so daß wir in ein paar Jahren einigermaßen fundiert von Regel oder Ausnahme sprechen können.
Schon ein paar Jahre alt, aber trotzdem noch lesenswert ist ein Blog-Beitrag von Martin Rundkvist auf scienceblogs.com zum Thema.
 
Solche "Kriegergräber" mit dem Skelett einer Frau gab es in Skandinavien bisher nicht
Korrektur: Im norwegischen Åsnes wurde vor etwas über hundert Jahren eine wikingerzeitliches Bestattung entdeckt, die wegen der reichen Waffenausstattung als "Kriegergrab" angesprochen wird. Erst in den 80er Jahren stellte sich heraus, daß hier kein Mann, sondern eine junge Frau bestattet wurde. Von einem "Kriegerinnengrab" wollten die Bearbeiter dennoch nicht sprechen, da die Tote ihrer Ansicht nach zu zierlich gebaut war, um das gefundene Schwert (Petersen Typ M) wirklich benutzen zu können.
 
Danke für's Dranbleiben am Thema. Beide Links referenzieren in der Hauptsache auf eine Replik von Judith Jesch, Prof. für "Viking Studies" an der Universität Nottingham. Der Originaltext ist hier zu finden (ich verlinke gleich auf den Blog-Beitrag samt Kommentaren, da eine(r) der Autor(inn)en des fraglichen Publikation dort zu Jeschs Kritik direkt Stellung nimmt).

Der Umstand, daß die untersuchten Knochen nicht zweifelsfrei dem Grab 581 in Birka zugeordnet werden können, ist natürlich der Knackpunkt. An sich ist die Diskussion zum konkreten Fall damit beendet mangels Grundlage.

Allgemeiner betrachtet stellt sich tatsächlich die Frage, die silesia im Eingangsbeitrag schon aufgeworfen hat: Interpretieren wir in die Waffenausstattung eines Grabes nicht zuviel hinein, wenn wir von einer "Kriegerbestattung" reden? Mindestens die Autor(inn)en dieses neuen Paper haben sich offenbar verleiten lassen, vom Begriff "Kriegergrab" auf Lebensweise und Status des oder der Toten zu schließen. Und sie verteidigen sich damit, dabei nicht die einzigen zu sein, eigentlich ja nur frühere Publikationen zu zitieren in der Frage zur Interpretation der Grabbeigaben und diese nun lediglich zu ergänzen um die Feststellung, es habe sich um eine Frau gehandelt - ergo müsse man von einem "Kriegerinnengrab" sprechen.
 
Der Originaltext ist hier zu finden

Hier noch mal was auf Svenska auf der Website der Stockholms Universitet:
Birkakrigaren var en kvinna - Stockholms universitet

Die Frage, die ihr aufwerft, ist natürlich die, ob die Grabbeigaben das Leben der bestatteten Person widerspiegeln.
Ich habe in anderen Kontexten schon mal gefragt, ob das Taj Mahal einen Aufschluss darüber geben könne, wie es um die Rolle der Frau im Islam bestellt sei oder die Marienverehrung in katholischen Kirche, wie um die Rolle der Frau im (kathol.) Christentum. Die Wirklichkeit gibt ein differenzierteres und komplexeres Bild als das, was christentums- oder islamfeindliche Ideologen bzw. auf der anderen Seite christentums- oder islamfreundliche Apologeten gerne zeichnen. Dasselbe können wir auf für prä- und protohistorische Zeugnisse (und in unserem Fall handelt es sich um ein Zeugnis zwischen Protohistorie und Geschichte) unterstellen: Das Bild ist komplexer und differenzierter, als unsere Vorurteile (etwa "früher herrschte ein Patriarchat") und Ideologien (in welche Richtung auch immer sie ausschlagen) manchmal zulassen. Nichtsdestotrotz halte ich nichts daran für verwerflich aufgrund der Ausstattung eines Grabes, gerade dann, wenn es sich um Gebrauchsgegenstände handelt, ersteinmal auch zu unterstellen, dass sie etwas mit der Rolle zu tun haben, welche der oder die Bestattete auch im Leben seiner Gemeinschaft spielte.
 
Danke für die beiden Ergänzungen.

Worum es mir ging, ist eben, den hypothetischen Charakter nicht zu verwischen, wenn für die Plausibilität der Hypothese selbst viel spricht. Gegen den Schluss auf die (Lebens-)Rolle würde ich mich umgekehrt auch nicht aussprechen.
 
Nichtsdestotrotz halte ich nichts daran für verwerflich aufgrund der Ausstattung eines Grabes, gerade dann, wenn es sich um Gebrauchsgegenstände handelt, ersteinmal auch zu unterstellen, dass sie etwas mit der Rolle zu tun haben, welche der oder die Bestattete auch im Leben seiner Gemeinschaft spielte.
Das wäre die eine Möglichkeit. Die andere denkbare Interpretation: Grabbeigaben sagen etwas aus über Reichtum, Status, Lebensweise, Profession des oder der Hinterbliebenen. Letztlich bestattet sich der/die Tote ja nicht selbst, wählt also auch nicht aus, was er/sie mitnehmen möchte ins Grab.

Sicherlich nicht 1:1 übertragbar, aber Heinrich Härke hat sich vor ein paar Jahren systematisch mit Waffen als Grabbeigaben in angelsächsischen Bestattungen des 5.-8. Jhds. beschäftigt (H. Härke, The Anglo-Saxon weapon burial rite: an interdisciplinary analysis, Opus (Moscow) 3, 2004) und dabei ein paar interessante Ergebnisse präsentiert:
  • Je reicher ein Grab insgesamt ausgestattet ist, desto wahrscheinlicher finden sich auch Waffen unter den Grabbeigaben.
  • Aber: Waffenbeigaben finden sich so häufig, daß daraus nicht auf auf eine "Kriegerelite" geschlossen werden kann.
  • Fast alle Erwachsenen, die mit Waffen bestattet wurden, waren Männer.
  • Aber: In fast jedem zehnten Grab mit Waffenausstattung war ein Kind jünger als 14 Jahre bestattet.
  • Je friedlicher die Zeit, desto häufiger finden sich Waffen in Gräbern.
  • Skelette mit Waffen-Traumata, immer wieder mal als Indikator für einen mutmaßlichen "Kriegerstatus" des Verstorbenen herangezogen, finden sich statistisch gleich verteilt in Gräbern mit und ohne Waffenbeigaben.
Härke: "These observations suggest that neither the ability to fight, nor the actual experience of fighting were relevant for the decision as to who was buried with, or without, weapons. [...] Weapons (and other artefacts) were put into graves as part of a ritual carried out by the mourners. The burial ritual was shaped directly by the ideas, perceptions and intentions of the mourners, and only indirectly by the social status and wealth of the deceased."
 
Das wäre die eine Möglichkeit. Die andere denkbare Interpretation: Grabbeigaben sagen etwas aus über Reichtum, Status, Lebensweise, Profession des oder der Hinterbliebenen. Letztlich bestattet sich der/die Tote ja nicht selbst, wählt also auch nicht aus, was er/sie mitnehmen möchte ins Grab.
Und genau da sehe ich einen wesentlichen Unterschied: zum einen eben Waffen und Werkzeuge als Grabbeigaben, zum anderen Öle, Nahrungsmittel, Schmuck, Wertgegenstände...
 
Also wenn es eine Kriegerin war dann frage ich mich warum er keine Augenzeugenberichte gibt die erwähnen das Frauen bei den Raubzügen oder Kämpfen dabei waren? Also mir ist davon nichts bekannt.Na gut ich bin kein Experte für Wikinger aber die frage stelle ich mal in den Raum.
Könnte es nicht sein das das Grab für eine Frau eines bekannten Kämpfers war und man sie damit ehrte im Tod?
 
Ich frage mich immwer wieder, warum die Sagas immer wieder als Beweis für Aussagen über die Wikinger herhalten müssen.
1.
Der überwiegende Teil der Sagas entstand frühestens 100 bis 200 Jahren nach der Wikingerzeit.
So die Hervara Saga die irgend wann im 13.Jahrhunder niedergeschrieben wurde und
2.
welche über die Gotenkriege berichtet, ca. 300-499n. Chr. also nicht über Wikinger ;-)
 
Ich frage mich immwer wieder, warum die Sagas immer wieder als Beweis für Aussagen über die Wikinger herhalten müssen.
Ich antwort mal, da du dich ja offensichtlich auf einen Beitrag von mir beziehst.

Ich schrieb ja:

In den Sagas gibt es hin und wieder mal Erwähnungen von Kriegerinnen. So etwa Hervör in der Hervara Saga. Allerdings ist auch klar, dass Hervör eine Ausnahmeerscheinung ist.​

Zumindest hielten die Verfasser der Sagas Kriegerinnen zwar nicht für alltäglich, aber doch für möglich.

Deine Kritik, dass die Hervara Saga sich nicht auf die Wikingerzeit sondern bereits auf die VWZ bezieht ist natürlich richtig. Dennoch stammt die Saga aus einem skandinavischen Kulturkreis auch wenn wir Historiker die Wikingerzeit mit 1066 als beendet sehen, so besteht doch eine kulturelle Kontinuität. Die Leute selbst, ihre Familien, ihre Überlieferungen sind, ihre Kultur ist ja nicht plötzlich weg.
 
Durch die Geschicht gibt es immer wieder vereinzelte Berichte über kämpfende Frauen. Bei den Baiuwaren gibt es sogar in der LEX Baiuvariorum die Aussage über werhafte Frauen, im Gegensatz zu denen die sich nicht wehren können, denen das gleiche Wehrgeld zusteht wie Männern, jedoch wurde in bisher keinem Grab der vielen Reihengräberfelder bisher eine Frau mit Waffenausstattung gefunden, alle vermutlichen "Kriegerinnen" wurden mittlerweile als gentische Männer identifiziert.

Daher von Einzelberichten auf die gerne postulierte vielzahl der kämpfenden Wikingerkriegerinnen zu schließen, ist aus meiner Sicht ein Wunschenken der modernen Gesellschaft.
Ausnahmen bestätigen nun mal die Regel ;-)
 
Könnten nicht auch die Zeitgenossen der bekannten Wikingerkriegerin immer in "ihr" einen männlichen Krieger gesehen haben. Auch "sie/er" selber mag sich dafür gehalten haben. Wir heute mit unserem Genetikwissen ziehen da vielleicht die falschen Schlüsse. Siehe auch hier das Beispiel des Generals:

General Casimir Pulaski diente unter George Washington und starb in einer Schlacht 1779.

Was This Famous Revolutionary War Hero Intersex?

Pulaski war mit ziemlicher Sicherheit keine Frau, die heimlich als Mann lebte; das ganze Leben des Generals wurde als männliche Identität geführt, und er wurde Kasimir - ein Männername - als Kind getauft, sagte Estabrook. Die Forscher schlugen jedoch etwas vor, das bei der Untersuchung des Skeletts vor 15 Jahren nicht ernsthaft in Betracht gezogen wurde: die Möglichkeit, dass Pulaski Intersex war und sowohl männliche als auch weibliche Eigenschaften besaß.

Intersex ist ein Sammelbegriff für eine Reihe von Bedingungen, unter denen Entwicklungsmuster nicht alle perfekt in ausschließlich männliche oder weibliche Kategorien passen. Zum Beispiel können Babys, die genetisch weiblich sind (zwei X-Chromosomen), eine vergrößerte Klitoris haben, die einem Penis ähnelt, während Babys, die genetisch männlich sind (ein X- und ein Y-Chromosom), einen ungewöhnlich kleinen Penis und keine Hoden haben können, so die Mayo-Klinik.


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