Der Einfluss der Russischen Revolution auf die Gründung der KPD

@ alle: ich verdeutliche: der Kern meiner Aussage liegt darin, daß ich die Gewichtigkeit der Kämpfe im Ruhrgebiet als bisher nicht ausreichend gewürdigt betrachte. H i e r lag der Schwerpunkt der Kämpfe mit den bei Sieg der "Roten Armee" zu erwarteten weltgeschichtlichen Folgen, nämlich Sowjetisierung ganz Westeuropas.
 
H i e r lag der Schwerpunkt der Kämpfe mit den bei Sieg der "Roten Armee" zu erwarteten weltgeschichtlichen Folgen, nämlich Sowjetisierung ganz Westeuropas.

Nein. Diese These ist m.E. viel zu einfach und bedenkt nicht die politischen und vor allem auch militärischen Widerstände, die sich einer als bedrohlich wahrgenommenen Sowjetisierung - aus der Sicht des Westens - aus dem Ruhrgebiet heraus entgegen gestellt hätten.

Das Ruhrgebiet wäre, sofern sich ein Sieg der links-revolutionären Seite hätte abzeichnen können, sofort durch alliierte Truppen, allen voran Franzosen und Briten, besetzt worden. U.a. war die Frage der Reparationen ein wichtiger politischer Hebel, der eine instabile Lage in Zentraleuropa verhindert hätte.

Die entscheidende militärische Niederlage, die eine Sowjetisierung verhindert hatte, waren nicht die Ereignisse im Ruhrgebiet, sondern die militärische Niederlage der Roten Armee vor Warschau.

Platt gesagt: Es waren polnische Arbeiter mit französischen Waffen, die die Ausbreitung der Revolution nach Westeuropa verhinderten.
 
Mich interessiert, was Spethmanns Buch an Falschdarstellungen beinhaltet. Nennen Sie mir doch bitte einige wenige Beispiele.
Es scheint halt sehr einseitig auf den Unterlagen des Zechenvereins, für den Spethmann arbeitete, aufgebaut zu sein. Sein Arbeitgeber hatte Interesse daran, die Ereignisse in einem für sich günstigen Licht ("anti-bolschewistisch") darzustellen. Das gilt es bei der Quellenkritik zu berücksichtigen, genauso wie andere ideologische Interpretationen Spethmanns.

Die entscheidende militärische Niederlage, die eine Sowjetisierung verhindert hatte, waren nicht die Ereignisse im Ruhrgebiet, sondern die militärische Niederlage der Roten Armee vor Warschau.
Gibt es überhaupt stichfeste Hinweise auf eine Verbindung der Roten Ruhr Armee zur Sowjetunion?

H i e r lag der Schwerpunkt der Kämpfe mit den bei Sieg der "Roten Armee" zu erwarteten weltgeschichtlichen Folgen, nämlich Sowjetisierung ganz Westeuropas.
Sowjetrepublik heisst auf deutsch "Räterepublik". Dieses Regierungssystem befürworteten viele links der SPD in der Weimarer Republik. Wenn sich statt der parlamentarischen Demokratie die Räterepublik in Deutschland durchgesetzt hätte, heisst das nicht gleichzeitig, dass sich Deutschland der Sowjetunion angeschlossen hätte. Dieses Anschlußszenario und die Ausblendung der Tatsache, dass die "Rote Ruhr Armee" sich gründete, um den rechtsgerichteten Kapp-Putsch in Deutschland zu bekämpfen, scheinen mir ideologisch motiviert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gibt es überhaupt stichfeste Hinweise auf eine Verbindung der Roten Ruhr Armee zur Sowjetunion?

Keine Ahnung. Müßte ich nachsehen. Allerdings: Es stand ein Heer hoch qualifizierter - deutscher - Soldaten zur Verfügung. Was sollen die mit einem russischen Offizier angefangen haben? Die brauchten weder jemanden, der ihnen erklärt wie man Einheiten formuiert, noch wie man kämpft. Das wußten die. Alles andere ist m.E. Das ist doch völlig realitätsfremd.

Ansonsten konnte es keine wirklich brauchbare logistische Unterstützung geben. Wie auch? Und finanziell war die SU auch zu nix in der Lage, was einen Krieg in Deutschland / Weimarer Republik hätte entscheiden können
 
Es stand ein Heer hoch qualifizierter - deutscher - Soldaten zur Verfügung. Was sollen die mit einem russischen Offizier angefangen haben? Die brauchten weder jemanden, der ihnen erklärt wie man Einheiten formuiert, noch wie man kämpft. Das wußten die
Es gibt eine ältere Doku* (ich schätze 70er Jahre) in der verschiedene Zeitzeugen (sowohl Mitglieder als auch Gegner) noch zu Wort kommen. Dort wird die Rote Ruhrarmee mit hoher Quantität, starker Motivation und andererseits einem nahezu chaotischen Organisationsgrad beschrieben. Russen kommen nicht vor.
* auf drei Teile verteilt in nicht so toller Quali kann man sie unter dem Suchbegriff "Rote Ruhrarmee (Heiner Herde)" bei einem bekannten Videokanal finden. Ich weiß, kein wissenschaftliches Werk, aber die Interviews sind interessant.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Es scheint halt sehr einseitig auf den Unterlagen des Zechenvereins, für den Spethmann arbeitete, aufgebaut zu sein."

@ Ugh Valencia: dennoch wüßte ich gerne ein paar Beispiele, inwiefern Spethmanns Darstellung falsch ist. Danke für die weitere Aufklärung.
 
Ich kenne Spethmann und seine Schriften nicht und weiß nur, dass er Geograph und Geologe war. Außerdem interessengebundener Zeitzeuge. Als solcher muss er gar nichts "falsch" dargestellt haben, um trotzdem einen falschen Eindruck zu erwecken. Es reicht ja eine einseitige Berichterstattung.
 
Genau das ist die breite Kritik in der Fachliteratur (in der ebenfalls - nicht bei Angress - aber auch auf den Abdruck einiger Quellen der RRA* hingewiesen wird, die bei ihm zu finden sind).

Hans SPETHMANN, Die Rote Armee an Ruhr und Rhein (Berlin, 1930), is a nationalist attack on Severing ; Erwin BRAUER, Der Ruhraufstand von 1920 (Berlin, 1930), presents the view of the German Communist party (KPD); the account given by Ruth FISCHER, Stalin and German communism' (Cambridge, 1948), pp. 126-34, is unreliable.“
Angress, Weimar Coalition and Ruhr Insurrection, March-April 1920: A Study of Government Policy, S. 1.

* „An early historical account is Die Rote Armee an Ruhr und Rhein [The Red Army at the Ruhr and Rhein] by Hans Spethmann (Berlin: Hobbing, 1930), which is very biased against the rebels but contains a number of valuable documents.“ Kuhn, All Power To The Councils! - Documentary History of the German Revolution of 1918-1919.
 
@ Ugh Valencia: dennoch wüßte ich gerne ein paar Beispiele, inwiefern Spethmanns Darstellung falsch ist. Danke für die weitere Aufklärung.
"Nahe dieser Stadt ( Duisburg, Minouche ) waren unter Leitung eines russischen Offiziers Kampfkompagnien aufgestellt. Severing hat es bezweifelt und es als eine Mär hingestellt, daß Russen anwesend waren. "
Dieses Behauptung z.B. lässt sich nur bei Spethmann finden.
 
Dieses Behauptung z.B. lässt sich nur bei Spethmann finden.

...wobei, Ugh Valencia, Spethmann (S.85) seine Behauptung dadurch untermauert, indem er auf die "Geschichte der Stadt Duisburg" von Averdunk- Ring verweist, die auf Quellenmaterial der Stadtverwaltung zurückgehe. Ich versuche einmal eine Recherche.

Im übrigen habe ich einen weiteren Hinweis im Zusammenhang mit der Entwicklung der Roten Armee im Ruhrgebiet gefunden, der Spethmanns Aussage stützt: " Es konnte an eine weitere Vergrößerung der Roten Garde gedacht werden. Israel Konierski, ein russischer Abgesandter, übernimmt die Rekrutierung. 8 - 10000 Gewehre sind verfügbar für neue Soldaten. Man muß sich ausdehnen, um weitere Werbebezirke in die Hand zu bekommen. Hamm, Beckum, Ahlen werden überrumpelt, bis über die Lippe nach Lünen und Lüdinghausen werden Abteilungen vorgeschoben. Hier, in Unna und Kamen errichtet man "Gefechtsstellen". Überall entstehen "Aushebebüros."

(Soldan, George, Archivrat a.D., Zeitgeschichte in Wort und Bild, 1931, S. 464 - Seine Kriegsberichte im II. WK mißfielen Hitler, Soldan wiki ) Da er als Archivrat a.D. sicher irgendwie auch interessengebunden, später Kriegsberichter in Ungnaden war, bin ich einigermaßen ratlos, ob er hier zitabel ist.
 
Soldan, George, Archivrat a.D., Zeitgeschichte in Wort und Bild, 1931, S. 464
Mit Soldan wäre ich ebenfalls sehr vorsichtig. Er sagt ja selbst, dass er keine neutrale sondern eine "deutschnationale" Geschichtsschreibung bevorzugt. Aufgaben der Geschichtsschreibung des 1.WK seien
"ein zusammengebrochenes Volk aufrichten, ihm den Glaube an sich wiedergeben, aus gemeinsam ertragenem Glück und Unglück deutschnationales Empfinden erwachsen lassen, das, die dunkelste Gegenwart durchstrahlend, den Weg zum neuen Aufstieg weist; den großen erzieherischen Wert der Geschichte ausnützen, um ein politisch denkendes und empfindendes Volk zur Reife zu führen.
Das sind nationale Aufgaben, deren Lösung im Interesse der Zukunft des Staates liegt. Es sind Gesichtspunkte, die bewußt in die Geschichtsschreibung hineinzulegen sind, die aber unbewußt sich dem Leser eingraben müssen.
George Soldan: Die deutsche Geschichtsschreibung des Weltkrieges. Eine nationale Aufgabe (Mai 1919)" zitiert ebenfalls aus Soldan wiki.
 
Das sind nationale Aufgaben, deren Lösung im Interesse der Zukunft des Staates liegt. Es sind Gesichtspunkte, die bewußt in die Geschichtsschreibung hineinzulegen sind, die aber unbewußt sich dem Leser eingraben müssen.

Das ist das Programm, die Geschichtsschreibung für beliebige nationalistische Ausdeutung zu benutzen. Es wurde nach dem WW1 sehr nachhaltig eine bestimmte Deutung der Ereignisse um den WW1 vorgenommen. Da wurden Ereignisse so gedeutet, dass sie dem "nationalen Interesse" entsprachen. Und dieses nationale Interesse war während der Weimarer Republik u.a. definiert durch die ungeliebte Rolle des Aggressors und des Verlierers.

Und es wurde eine hoher Aufwand getrieben, dieses nationale Interesse als verbindliches Bild der Interpretation von Geschichte vorzunehmen (vgl. beispielsweise die Beiträge in Wilson). Deswegen ist die "nationalistische Geschichtsschreibung" nach dem WW1 auch in der Weimarer Republik mit besonders kritischer Skepsis zu lesen und entsprechend kritisch zu kommentieren.

Den vorläufigen Endpunkt bildete dann die Interpretation von Geschichte durch Hitler in "Mein Kampf":

Wilson, Keith (1996): Forging the Collective Memory. Government and International Historians through Two World Wars. New York, NY: Berghahn Books.
 
@thanepower Eigentlich sollte man sich bei historischen Quellen immer fragen Wer schreibt was, wann, wie, wo und warum? Klar, lassen sich da nicht immer alle Fragen beantworten. Ich gebe dir recht, dass Quellenkritik bei Schriften aus "nationalistischer Zeit" - egal woher - besonders wichtig ist, eben weil Geschichte gern für "nationale" oder "ideologische" Motive missbraucht wurde, was sich dem Leser unbewußt eingraben sollte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Platt gesagt: Es waren polnische Arbeiter mit französischen Waffen, die die Ausbreitung der Revolution nach Westeuropa verhinderten.

Fast ebensobenso platt, aber etwas vorsichtiger: "Die Sowjetarmeen, die zur Unterwerfung Polens ausgezogen waren, wurden allerdings in der Schlacht von Warschau zurückgeworfen, aber Deutschkland und Italien erlagen beinahe der Ptopaganda und den Plänen der Kommunisten:"

(Churchill, Winston S., Der Zweite Weltkrieg, Scherz, 3. Auflage der Sonderausgabe, 1995, S. 23 )
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Da siehste mal, dass auch der "unfehlbare" Winston sich irren konnte. Ersthaft: Diese Einschätzung ist einfach Unsinn und es fragt sich eher, was er mit der Aussage an Reaktionen hervorrufen wollte.

Das ist ein politisches Statement, aber keine historische Analyse.

Und führt diesen - politischen - Unsinn ein paar Sätze fort, indem er behauptet: "Fascism was the shadow or ugly child of Communism." (W. Churchill: The Second World War, Vol. 1, S. 13).

Ansonsten gibt es im GF ein relativ ausführlichen Thread zu Warschau und den militärischen Implikationen, habe es nur auf die Schnelle nicht gefunden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die gesamte bisherige Darstellung der Entwicklung im Ruhrkampfs in diesem Thread ist ausgesprochen einseitig, indem krampfhaft durch Minouche versucht wird, die Bedeutung der KP zu betonen. Und in Anlehnung an die damaligen ideologischen Reflexe der rechtsnationalen Presse, das Gespenst der "Sowjetisierung" von Deutschland an die Wand zu malen. Zudem belegt durch eher dubiose historische Forschung.

Der Ruhrkampf war national eine Reaktion auf den Kapp-Putsch und sollte verhindern, dass es in der Weimarer Republik zu einem Putsch von Rechtsextremen bzw. von militanten Monarchisten kommt. Regional war es die Verbitterung gegen das teilweise indifferente Verhalten des Reichswehrkommandanten in Münster, General Watter während des Putsches von Kapp etc.

Erst das Eingreifen der Freien Gewerkschaften am 13. März durch das Ausrufen des Generalstreiks rettete die Republik, trotz und gerade wegen des Hochverrats der Reichswehrführung, die sich nicht gegen die Putschisten gestellt haben!

Erfolgreich war der Putsch von Rechts allerdings in Bayern und der sozialdemokratische Ministerpräsident wurde durch Zwang der Reichswehr und von Orgesch durch den Monarchisten v. Kahr ersetzt. Und erhöhte somit den Druck auf die Teile des politischen Spektrums, die sich als Unterstützer einer antimonarchistischen sozialstaatlichen Politik sahen. Also primär: Die Arbeiterschaft.

Vor diesem Hintergrund des Putsches von Rechts organisierten sich die Arbeiter im Ruhrgebiet. Zur Organisation der Arbeiter, die den vorrückenden Reichwehreinheiten und den Freikorps Widerstand leisteten, gehörten zwischen ca. 50.000 bis 80.000 Arbeiter.

Die zentrale Rolle bei der Organisation spielte, (so Wehler, DGG, Bd. 4, S. 402ff), die USPD und syndikalistische Gruppen. Die KPD spielte erst relativ spät eine begrenzte Rolle

Es mutet in diesem Kontext wie eine üble Realsatire an, dass v. Seeckt sich auf Freikorps stützte, die gerade kurz zuvor - hochverräterisch - gegen die Republik marschiert sind. Ebenfalls beabsichtigte er die putschistische Brigade Erhardt gegen die streikenden Arbeiter des Ruhrgebiets zu schicken und erst in letzter Minute ließ v. Seeckt von diesem absurden Plan ab. (Wehler, ebd. S. 403)

Das Ergebnis war, dass Teile der Arbeiterschaft massiv der neuen Republik entfremdet wurden, da der Sozialdemokrat Bauer, um das Gewaltmonopol des Staates zu schützen, mit putschistischen hochverräterischen Truppen der Reichswehr bzw. der Freikorps kooperiert hatte.

Eine angemessene Darstellung des Ruhrkampfs findet sich beispielsweise bei Bock in Anlehnung an einen zeitgenössischen geschulten Beobachter von 1919 (ein Schüler von M. Weber), die Studie von Colm

Hans Manfred Bock: Die Rote Armee der Ruhr-Arbeiterschaft ....
http://www.trend.infopartisan.net/trd0200/t200200.html

zitiert aus :
Bock, H. M. (1969): Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918-192 3. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (Syndikalisten), der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands: Anton Hain.
Colm, Gerhard (1921): Beitrag zur Geschichte und Soziologie des Ruhraufstandes vom März-April 1920. Essen, Freiburg i. Br.: G.B. Baedeker Verlagsbuchhandlung.
 
Zurück
Oben