Germanisches Kriegswesen - Variabilität und Entwicklung

Geiserich429

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Hallo Geschichtsinteressierte,

ich wollte hier mal eine kleine Forschungsarbeit zum Kriegswesen der Germanen vorstellen. Thematisch würde diese Untersuchung sicher auch gut in den Thread "Kriegbräuche, Taktiken und Waffen der germanischen Stämme" passen. Praktisch gesehen wäre es unpraktisch in eine Diskussion mittendrin eine in sich geschlossene Abhandlung als Block zu posten, da darauf folgend immer unklar ob sich Diskussionen auf die allgemeine Diskussion oder diese Abhandlung beziehen.

Forschungsfragen waren für mich:

1. Ob die Germanen ihre Krieger in taktischen Körpern eingesetzt haben
2. Welche Schlachtatiken germanische Heere verwendet haben
3. Ob es Entwicklungen im germanischen Militärwesen bezüglich Bewaffnung, Taktik und Strategie gegeben hat

Interesseleitend war, dass die Germanen sowohl in Filmen (was keine wissenschaftliche Diskussion ist, aber das Germanenbild des jeweiligen Regisseurs oder Produzenten wiederspiegelt) als auch in wissenschaftlicher Literatur als stumpf anstürmende Horden gekennzeichnet werden, es aber auch Autoren wie Cäsar und Delbrück gibt (und Andere) die den Germanen zuschreiben in Gefechten in taktischen Körpern, also Formationen agiert zu haben.
 
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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kapitel 1. Entwicklung germanischer Bewaffnung.

1.1 Einleitung

1.2 Die Bewaffnung germanischer Kleinstämme

1.3 Die Bewaffnung der germanischen Großstämme und ihre Veränderung gegenüber der Bewaffnung germanischer Kleinstämme

1.4 Die Bewaffnung der germanischen Königreiche und ihre Veränderung gegenüber der Bewaffnung germanischer Großstämme



Kapitel 2. Entwicklung germanischer Militärstrategie im Laufe der Zeit.

2.1 Einleitung

2.2 Militärstrategieen germanischer Kleinstämme

2.3 Militärstrategieen germanischer Großstämme

2.4 Militärstrategieen germanischer Königreiche

  1. Zusammenfassung


Quellenangaben (Werden mit *1 usw zitiert passend zu Quelle 1. Bennett z.B. )

  1. Bennett, Matthew. Kriege im Mittelalter. Stuttgart. 2009. Konrad Theiss Verlag GmbH.

  2. Delbrück, Hans. Geschichte der Kriegskunst. Die Germanen. Berlin. 2000. Nikol.

  3. Iulius, Gaius. Der gallische Krieg. Düsseldorf/Zürich 2009. Artemis & Winkler.

  4. Krause, Arnulf. Die Geschichte der Germanen. Frankfurt/Main. 2002. Campus-Verlag.

  5. Moosbauer, Günther. Die Varusschlacht. München. 2009. C.H. Beck.

  6. Schneider-Ferber, Karin. Karl der Grosse. Darmstadt. 2013. Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

  7. Tacitus, Cornelius. Germania. Leipzig. 1980. Insel Verlag.

  8. Todd, Malcolm. Die Germanen. Stuttgart. 2000. Theiss.

  9. Wolfram, Herwig. Die Germanen. München. 1995. C.H. Beck.
 
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Einleitung

„Diese Schwerfälligkeit, sich an veränderte militärische Vorraussetzungen anzupassen ist kennzeichnend für die germanische Kriegsführung“ (Todd, Malcolm. S. 41). Mit diesem Satz fasst der Historiker Malcolm Todd seine Meinung über die militärische Leistungsfähigkeit der Germanen zusammen. In dieser Untersuchung soll Todd`s These überprüft werden. Die Fragestellung ist, ob es eine Entwicklung und eine Variabilität in der germanischen Kriegsführung gab.
Bevor diese Fragen beantwortet werden können, gilt es zu definieren, wer oder was denn eigentlich „Germanen“ sind. Die Germanen sind eine Gruppe von Stämmen, die ursprünglich aus Skandinavien kommen und sich nach und nach über ganz Europa ausgebreitet haben. In der Frühphase der germanischen Expansion wurden Deutschland, Polen, Belgien und Teile Osteuropas besiedelt. Nach dem Fall der römischen Grenze im frühen 5. Jahrhundert n. Chr. siedelten Germanen auch in Westeuropa, in Italien, Frankreich Spanien.

Das hervorstechendste gemeinsame Element dieser Stämme sind Gemeinsamkeiten in ihrer Sprache. Alle germanischen Stämme haben eine Lautverschiebung in ihrer Sprache vorgenommen, die sogenannte “germanische Lautverschiebung“ oder auch “Grimm`s Law“ die den Übergang vom urindogermanischen zum urgermanischen Konsonantensystem markiert und im 1. Jahrtausend vor Christi Geburt stattfand. Nur die Kulturgruppe der Germanen – im Gegensatz zu den restlichen Indoeuropäern - hat diese Lautverschiebung vollzogen. So wurde zum Beispiel aus dem indogermanischen Laut “p“ der germanische Laut “f“ wie im englischem Wort “father“, aus dem indogermanischen “d“ wurde germanisch “t“.

Weiter gibt es gewisse archäologisch zu bestimmende germanische Kulturgruppen wie die Jastorf-Kultur, die aber nicht alle Germanen umfasst, oder die Gruppen der Elbgermanen, Nordgermanen und Nordseegermanen. Alle diese Gruppen hatten bei gewissen Unterschieden dennoch große Ähnlichkeiten in Bezug auf ihre Religion, ihre Lebensweise, ihre Moralvorstellungen und ihre Sprache.


Dieser Zeitraum soll nach soziologischen Gesichtspunkten wiederum in 3 Teile untergliedert werden:

Teil I. Das Kriegswesen germanischer Kleinstämme

Teil II. Das Kriegswesen germanischer Großstämme

Teil III. Das Kriegswesen germanischer Königreiche


Man kann über diese Einteilung sicherlich trefflich streiten und andere Auflösungsgrade des Phänomens erwägen. Es scheint aus der Sichtung der Quellen jedenfalls angebracht, nicht “das germanische Kriegswesen“ schlechthin, also über alle Epochen und Regionen summarisch erfassen zu wollen, wie es in bisherigen Werken zum Thema geschah. Vielmehr sollen die Varianten der germanischen Kriegsführung für jedes dieser 3 Zeitalter gezeigt werdenn und darauf aufbauend möglicherweise vorhandene Entwicklungen des germanischen Kriegswesens. Über die Zeitalter sollen sowohl die Bewaffnung (Trutzwaffen und Schutzwaffen) als auch die angewandten Militärtaktiken für jedes Zeitalter beschrieben werden.



Die 3 Zeitalter der germanischen Kriegsführung bedürfen einer genaueren Definition. Als Kriterien welche den germanischen Großstamm vom Kleinstamm unterscheiden dienen 1. Die Ausdehnung des von einem Stamm beherrschten Territoriums 2. Die Zahl waffenfähiger Männer, die ein Stamm aufbietet. Als Kriterien welche das germanische Königreich von den germanischen Großstämmen und von germanischen Kleinstämmen unterscheidet dienen 1. Das Vorhandensein einer Königsherrschaft über mindestens 2 Generationen (1) 2. Ein zentralisierter Staat mit Hauptstadt statt einer lockeren Konföderation zahlreicher kleinerer Verbände 3. Eine ortsgebundene Herrschaft.

germstmmetabelle.jpg



Man kann selbstverständlich diskutieren, ob die Untersuchung germanischen Kriegswesens in der Form einer Aufteilung der germanischen Gemeinwesen nach deren Organisationsform sinnvoll ist. Lässt sich überhaupt eine ganz präzise Unterscheidung von Kleinstämmen gegenüber Großstämmen treffen? Ist ein Stamm, der seine Kriegerzahl von 9.000 auf 11.000 erhöht somit vom Kleinstamm zum Großstamm geworden?

Alternativen zu dieser Betrachtungsweise wären entweder der völlige Verzicht der Einführung eines Ordnungssystemes der germanischen Stämme oder aber eine Untersuchung der Entwicklung der germanischen Kriegsführung nach Zeitaltern. Der Verzicht auf die Unterscheidung germanischen Kriegsführung zu verschiedenen Zeiten oder der Organisationgröße von germanischen Gemeinwesen als Ordnungsprinzip würde dazu führen, die gesamte germanische Kriegsführung aller Zeitalter und Organisationsformen untersuchen zu wollen. Man würde also das Kriegswesen “der Germanen“ schlechthin untersuchen und dabei Kleinstämme wie die Cherusker und Angrivarier mit großen Wandervölkern der Westgoten und Vandalen und germanischen Königreichen wie jenen der Franken und Burgunder in einen Topf werfen. Offensichtlich ist aber eine Reiterarmee des großen Wanderstammes der Ostgoten im 4. Jahrhundert n. Chr. etwas anderes als ein Stammesaufgebot des Kleinstammes der Cherusker im 1. Jahrhundert n. Chr. oder ein Heer aus schwergepanzerten Panzerreitern und unterstützender Infanterie der Franken im 9. Jahrhundert n. Chr.. Weiter bringt die konsequente Unterscheidung nach Organisationsformen germanischer Gemeinwesen auch die Chance möglicherweise vorhandene Entwicklungen im Lauf der Zeit besser zu erkennen.
 
Einleitung Teil 2

Alternative zur Untersuchung nach gesellschaftlichen Organisationsformen wäre die Untersuchung germanischer Kriegsführung nach Epochen. Denkbare Epochengrenzen wären zum Beispiel Zeitalter 1: 200 v. Chr.G. - 200 n. Chr.G., Zeitalter 2: 200 n. Chr.G. - 450 n. Chr.G. und Zeitalter 3: 450 n. Chr.G. - 950 n. Chr.G.. Diese 3 Zeitalter entsprechen allerdings ganz überwiegend den Organisationsformen germanische Kleinstämme → Zeitalter 1, germanische Großstämme → Zeialter 2 und germanische Königreiche → Zeitalter 3. Somit kann man gleich die soziale Organisationsform als Kriterium der Entwicklung nehmen, die mehr erklärt als der Zeitpunkt alleine. Vergleicht man den soziologischen Zugang zur Entwicklung der germanischen Militärstrategie mit dem zeitlichen Zugang zur Entwicklung der germanischen Militärstrategie so fällt auf, dass die überwiegende Zahl der Germanen in der für ihr Zeitalter typischen Form politisch organisiert waren, es aber auch in jedem Zeitalter Vorläufer und Nachzügler gab. Die Herrschaft des Marbod im 1. Jahrhundert nach Christi fällt in die Zeit germanischer Kleinstämme und greift so der typischen Entwicklung voraus. Da Marbods Königtum nicht tradiert wurde (sein Reich wurde schon zu seinen Lebzeiten zerstört, Marbod zu einem Nebendarsteller der politischen Bühne des germanischen Mitteleuropa degradiert) werte ich es nicht als richtiges Königreich sondern als Großstamm, Marbod als Warlord. Auch die Kimbern, Teutonen und Ambronen haben schon im 2. Jahrhundert v. Chr. Geburt also im Zeitalter wo der Kleinstamm die vorherrschende Organisationsform der Germanen war einen Großstamm gebildet und waren somit ihrer Zeit voraus. Bezeichnenderwesie war dieser Großstamm militärisch weit erfolgreicher als die Kleinstämme seiner Zeit und brachte die römische Republik nahe an den Rand des Zusammenbruches. Die Sachsen im Frühmittelalter und die Friesen sogar im Mittelalter waren dagegen immer noch in der Form eines föderalistischen Großstammes organisiert, während um sie herum die anderen Germanen Königreiche (Das Frankenreich, das Königreich Dänemark z.B.) gebildet hatten. Ein weiterer Betrachtungspunkt wäre also zu prüfen, ob germanische Gemeinwesen die eine für ihre Zeit untypische Organisationsform hatten auch ein demenstprechende Kriegswesen aufwiesen. Ein Großstamm der im Zeitalter der Kleinstämme exiestiert, wie zum Beispiel der Großstamm der Kimbern, Teutonen und Ambronen oder die Ariovistkoalition sollten über ein anderes Militärwesen verfügen als die Kleinstämme ihrer Zeit. Der militärisch große Erfolg der beiden letztgenannten Großstämme legt nahe, dass diese schon anders agierten als die Kleinstämme ihrer Zeit, ist aber kein regelrechter Beweis dafür. Zu beweisen ob Gemeinwesen die ihrer Zeit voraus waren auch allesamt schon eine andere Militärstrategie verfolgten ist allerdings nicht das zentrale Anliegen dieses Textes. Hier soll vor allem die Militärstrategie germanischer Gemeinwesen der Organisationsformen Kleinstamm, Großstamm und Königreich verglichen werden.

Erstaunlich bei der modernen Literatur über die germanische Kriegsführung ist das obsessive Festhalten am Bild der ungeordneten Barbarenhaufen, welche ohne Taktik blindlings anstürmen. In den klassischen Quellen, so etwa der „Germania“ oder dem „De bello Gallico“ werden die Germanen als in Formationen kämpfend geschildert, unorganisierte Massen von Barbaren scheint keiner der Zeitgenossen beobachtet zu haben. Die modernen Historiker beschreiben dagegen die germanische Kriegsführung gekennzeichnet von ungeordneten Heerhaufen und mangelnder Lernfähigkeit in militärischen Dingen. Selbst wo Quellen einbezogen wurden, die diesem Bild widersprechen, biegt man lieber die Fakten zurecht, als das etablierte Bild germanischer Pöbelhaufen zugunsten germanischer organisierter Heere in Frage zu stellen. So schreibt der Herausgeber des „De bello Gallico“ Otto Schönberger zur Kriegsführung der Gallier und Germanen (4) „Taktische Einheiten und Verbände gab es nicht. Die ungestümen Kämpfer waren dem disziplinierten Römerheer nicht gewachsen“ *3

Caesar selbst als aktiver Teilnehmer und Zeitzeuge des gallischen Krieges vertritt im Buch vom gallischen Krieg genau die gegenteilige Auffassung über das germanische Kriegswesen wie sein moderner Vowortschreiber (über die Schlacht gegen die Germanen der Ariovistkoalition): „Doch bildeten die Germanen nach ihrer Gewohnheit rasch eine feste Linie und begegneten so dem Schwertangriff“ (*3, Seite 73). Witzig zu sehen, wie selbst die explizite Beschreibung organisierter germanischer Kriegsführung von dem modernen Herausgeber auf das Klischee berbarischer Pöbelhaufen reduziert wird.



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Fußnoten Einleitung


(1) Weshalb ich die politischen Gebilde des Marbod oder des Ariovist nicht als Königreiche ansehe. Man würde zunächst neigen deren Verbände als Königreiche anzusehen. Da es aber keine Tradierung der Königsherrschaft gab handelt es sich bei Marbod als auch Ariovist um Warlords, die eben nur zeitweilig eine große Gemeinschaft an sich binden konnten welche einen Raum beherrschte. Auch weitere Kriterien der Königsherrschaft, welche ich verwende, wie Zentralisierung oder ortsgebundene Herrschaft bleiben unklar bei diesen beiden.

(2) Theoretisch kann jedes Gemeinwesen nahezu alle Männer aufbieten, die eben noch laufen können. Diese Zahl ist aber nicht militärisch bedeutsam. Militärisch bedeutsam ist eine kleiner Zahl, die der waffenfähigen und kriegstauglichen Männer. Ich gehe noch unter diese Zahl, indem ich nur das tatsächliche Aufgebot eines Gemeinwesens als dessen Armee veranschlage.

(3) Im Gegensatz zu wandernden Stämmen.

(4) Ein Teil der Stämme gegen die Caesar in Gallien kämpfte waren in Gallien ansässige Germanen wie zum Beispiel die Sueben und Vangionen oder keltisierte Germanen wie die Belger.
 
Kapitel 1. Entwicklung germanischer Bewaffnung.

1.1 Einleitung

Bewaffnung und Militärstrategie stehen in einer Wechselwirkung. Neue Waffen erfordern neue Strategien, um sie optimal einzusetzen. Umgekehrt bedarf eine bestimmte Militärstrategie der stetigen Optimierung ihrer Werkzeuge, also ihrer Waffen. Als Beispiel für den ersten Fall lässt sich aufführen, wie die Engländer im Mittelalter ihre Strategie nach der Einführung des Langbogens in eine konsequente Defensivstrategie verwandelten. Für das Letztere lässt sich die Entwicklung der Ritter im europäischen Mittelalter anführen. Reiterkrieger deren Vorgehen das brachiale Durchbrechen feindlicher Linien ist, bedürfen starker Panzerung um nicht bei diesem harten, konfrontativen Vorgehen selbst durch Speere oder Piken getötet zu werden. Dementsprechend haben sich die Schutzwaffen der Ritter im Mittelalter immer weiter entwickelt bis aus dem Kettenhemd mit einzelnen Plattenteilen ein vollständiger Harnisch entwickelt wurde.

Weiter ist zu bedenken, dass eine bestimmte Bewaffnung nicht geradezu eine bestimmte Militärstrategie determiniert. Speerkämpfer mit Schild und leichter Panzerung können als kleine Stoßtrupps in einer Guerillastrategie agieren, oder als massierter aber ungeordneter Heerhaufen, oder als kompakte und wohlorganisierte Phalanx. Die Waffe macht die Funktion des einzelnen Kämpfers, aber nicht die Gesamtstrategie.

Die Strategie definiert schon eher die Bewaffnung als umgekehrt. Ritterheere kann es nicht geben ohne Pferde und auf Pferden plänkelnde Bogenschützen ebenso wenig. Die Gegenprobe versagt wieder, denn ein vollgerüsteter Ritter könnte das Pferd nur als Transportmittel zur Schlacht nutzen und zu Fuß Kämpfen.

Man kann also feststellen, dass weder die Strategie die Bewaffnung zwingend determiniert, noch die Bewaffnung die Strategie. Ich meine aber aus zahlreichen Beispielen der Entwicklung der Militärstrategie schlussfolgern zu können, dass die Strategie die Bewaffnung mehr prägt als umgekehrt. Die griechische Phalanx wie sie von den Spartanern bis zu den Diadochen genutzt wurde ist eine Strategie und keine zwingende Verwendung von Speerkämpfern (die oft auch als loser Verband kämpfen). Die Strategie der in Formation vorgehenden Speerkämpfer wird schließlich zu einem feststehenden Militärparadigma, aus der die sie anwendenden Staaten auch nicht mehr ausbrechen, wenn neuere Militärstrategien diese Strategie ausstechen. Die Griechen haben trotz Niederlagen gegen die Kelten und Römer die Phalanxstrategie bis zum Ende ihrer politischen Bedeutsamkeit fortgesetzt, bis die Römer sie mit der flexibleren Kohortentaktik besiegt hatten.
 
Kapitel 1. Entwicklung germanischer Bewaffnung.

1.2 Die Bewaffnung germanischer Kleinstämme

1.2.1 Aufzählung der von germanischen Kleinstämmen verwendeten Waffen



INFANTERIEWAFFEN

Speere


  • Frame

  • Speer

  • Langspieß

  • Wurfspieß

  • Celt *1
Nahkampfwaffen

  • Kampfmesser

  • Kurzschwert

  • Gladius

  • Schwert

  • Knüppel


Fernkampfwaffen

  • Kleine Wurfspieße


Schutzwaffen

  • Schilde

  • Große Schilde

  • Fellhelme

  • Lederhelme

  • Sonstige Helme


REITERWAFFEN


  • Frame
  • Langschwert, zweischneidig

  • Schild


FESTUNGEN, ARTILLERIE UND BELAGERUNGSWAFFEN


  • Wall in der Varusschlacht


1.2.2 Die Bewaffnung der germanischen Kleinstämme

Betrachtet man die Bewaffnung germanischer Kleinstämme, so fällt es schwer diese Waffen als „spezifisch germanisch“ zu klassifizieren. Speere, Lanzen und Kurzschwerter sind nur insofern germanisch, als das sie eben von Germanen benutzt wurden, aber eben auch von anderen Völkern. Alles in Allem unterscheiden sich die Waffen der Germanen nicht stark von denen die Griechen, Römer oder Kelten zur selben Zeit genutzt haben. Stark abweichend im Vergleich zu anderen europäischen Völkern jener Zeit ist bei den Germanen der weitgehende Verzicht auf Schutzwaffen. Würde man die Bewaffnung der Germanen mit der von Prärieindianern vor dem Kontakt mit den Europäern, Aborigines oder Atzteken vergleichen wären die Unterschiede markanter als im Vergleich zu den zur selben Zeit existierenden europäischen Kulturen der Kelten und Römer. Die Bewaffnung germanischer Kleinstämme ist die Bewaffnung der Eisenzeit. Germanische Kleinstämme verfügen über eiserne Pfeilspitzen, eiserne Speerspitzen, eiserne Schwerter.



1.2.2.1 Bewaffnung der Infanterie germanischer Kleinstämme
Die Infanterie germanischer Kleinstämme hat sich mit Speeren, Schwertern und Keulen als Trutzwaffen ins Gefecht gestürzt. Die verschiedenen Speerformen dürften die häufigste Infan - teriewaffe gewesen sein, vermutlich oft mit einer kürzeren Waffe (Dolch, Schwert oder Keule) kombiniert, die im Nahkampf als Zweitwaffe eingesetzt wurde.


Bei den Speeren findet man ein Spektrum an Waffen, von ganz leichten Wurfspeeren, die kaum schwerer sind als ein Pfeil bis hin zu langen Stoßlanzen. Typisch ist die Frame, ein mittellanger Speer, der sowohl geworfen wurde, als auch als Stoßlanze im Nahkampf diente. Weiter wurden von der Infanterie Kampfmesser, Kurzschwerter, Kurzschwerter des Gladiustypus (wie bei einem römischen Legionär), Langschwerter und Knüppel verwendet. Vermutlich kamen reine Schwertkämpfer oder Keulenkämpfer nicht vor, sondern Schwert und Keule dienten nur als Sekundärwaffe nach dem Speerwurf oder bei Verlust des Speeres.

Als fernkämpfende Infanterie haben wir Speerwerfer belegt. Das Vorkommen von Steinschleuderern in der Zeit der Kleinstämme ist fraglich *2.

Als Schutzwaffe der Germanen im Zeitalter der Kleinstämme dient der Schild. Gelegentlich kommen Fell – oder Lederhelme vor, seltener Eisenhelme.



1.2.2.2 Bewaffnung der Reiterei germanischer Kleinstämme

Die Reiterbewaffnung besteht aus Frame, zweischneidigem Langschwert und Schild. Die Reiter kann man sich also als Plänkler mit passablen Nahkampfeigenschaften vorstellen.

1.2.2.3 Artillerie und Befestigungen germanischer Kleinstämme

An Befestigungen finden wir den Wall des Arminius in der Varusschlacht als auch Tacitus Bericht über befestigte Lager bei den Chatten.

1.2.2.4 Fazit

Aus der Bewaffnung der Germanen im Zeitalter der Kleinstämme kann man schlussfolgern, dass die eingesetzten Einheitentypen 1. Plänkler zu Fuß 2. Plänkler zu Pferd 3. Speerkämpfer zu Fuß waren. Da reine Plänklerarmeen keinen Halt haben und gegen den Angriff massierter Infanterie oder Reiterei wehrlos sind, kann man das Vorhandensein von nahkampflastigen Truppen (vermutlich Speerkämpfern mit Hoplitenspieß und Schild sowie Zweitwaffe wie Kurzschwert oder Langschwert) als sicher ansehen. Die nahkampflastigen Truppen bedürfen wiederum der Fernkämpfer zum Schutz gegen andere Plänkler. Man kann sich vorstellen, dass germanische Armeen der Kleinstämme aus einem Kern nahkampflastiger schwerer Speerkämpfer mit Langspeeren mit einem Plänklerschirm leichter Speerwerfer und berittener Speerwerfer bestanden. Die funktionelle Differenzierung ist nicht so groß, der plänkelnde Speerwerfer ist dem schweren Speerkämpfer von der Ausrüstung her sehr ähnlich. Schwere Kavallerie im Zeitalter der germanischen Kleinstämme ist nicht belegt, auch wenn die Schilderungen der germanischen Reiter bei Caesar, die in einigen Gefechten feindliche Truppen schnell aufreiben konnten, diese vermuten lassen. Regelrechte Schützeneinheiten ob nun Steinschleuderer oder Bogenschützen sind kaum zu belegen.
 
Kapitel 1. Entwicklung germanischer Bewaffnung.

1.3 Die Bewaffnung der germanischen Großstämme und ihre Veränderung gegenüber der Bewaffnung germanischer Kleinstämme



1.3.1 Aufzählung der von germanischen Großstämmen verwendeten Waffen


INFANTERIEWAFFEN

Speere

  • Speer

  • Langspieß

  • Wurfspieß

Nahkampfwaffen

  • Messer

  • Schwert vom Gladiustyp

  • Schwerter

  • Spatha

  • Rapier

  • Axt



Fernkampfwaffen

  • Steine *3

  • Wurfäxte

  • Pfeil und Bogen


Schutzwaffen
  • Lederhosen

  • Leinhosen

  • Rüstungen

  • Lederhelme

  • Fellhelme

  • Spangenhelme (Eisen)

  • Rüstungen

  • Große Schilde


REITERWAFFEN
  • Contos (lange Stoßlanze)

FESTUNGEN, ARTILLERIE UND BELAGERUNGSWAFFEN
  • Festungen

  • Stollenbau *4

  • Belagerungstürme *4

  • Hauen *4

  • Ballisten *4

  • Katapulte *4

  • Speerkatapulte *4

1.3.2 Die Bewaffnung der germanischen Großstämme


Die Bewaffnung germanischer Großstämme ist im Vergleich zur vorherigen Organisationsform der Kleinstämme durch Innovationen in allen Bereichen gekennzeichnet. Bereits vorhandene Waffentypen wurden weiterentwickelt und völlig neue Waffentypen ergänzt.



1.3.2.1 Bewaffnung der Infanterie germanischer Großstämme

Speere

Die Speere sind der einzige Waffentypus, bei dem die germanischen Großstämme gegenüber den Kleinstämmen keine Innovationen hervorgebracht haben. Dies kann man so erklären, dass auch schon die germanischen Kleinstämme ihre Lieblingswaffe komplett ausdifferenziert haben und hier kaum noch eine Innovation möglich war.

Die Speerkämpfer germanischer Großstämme nutzten Wurfspeere, Speere und Langspieße. Dies ist die gleiche Bewaffnung von Speerkämpfern die schon bei den Kleinstämmen vorhanden war.



Nahkampfwaffen

An Nahkampfwaffen verwendeten die Krieger germanischer Großstämme Messer, Schwerter, Schwerter vom Gladiustyp, Langschwerter (Spatha), Rapiere und Äxte.

Bei den Schwertern wurden also die schon bekannten Waffen beibehalten und um neue ergänzt. Das Spatha als schweres Langschwert ist neu, ebenso der leichte Rapier. Der Knüppel der noch in den Beschreibungen von Kriegern der Kleinstämme zu finden war ist nicht mehr belegt, dafür taucht die Axt als neue Waffe auf. Knüppel und Axt als schwere Schlagwaffen haben etwa den gleichen Zweck, nämlich feindliche Rüstungen und die darunter liegenden Körperteile zu zertrümmern. Nur ist die Axt eine weitaus gefährlichere Waffe. Die Axt hat gegenüber dem Knüppel den großen Vorteil panzerbrechend zu wirken, also Helme, Schilde und Rüstungen durchdringen zu können. Der Knüppel dagegen ist einem gepanzerten Gegner gegenüber weitgehend ungefährlich. Der Knüppel hat höchstens den Vorteil schnellere Bewegungen als die vergleichsweise schwerere Axt zu ermöglich, was einem aber wenig nützt, wenn man den Gegner nicht stark verletzen kann. Aus diesem Grund ist der Knüppel mit zunehmender Konfrontation mit den gepanzerten Soldaten der Römer und zunehmender eigener Ausstattung mit Schutzwaffen bei den Germanen immer mehr aus der Mode gekommen. Die zunehmende Verwendung der Axt erhöhte den Offensivwert germanischer Infanterie, was ihre rasche Verbreitung in der Völkerwanderungszeit erklärt.



Fernkampfwaffen

Bei den Fernkampfwaffen finden wir neben den Wurfspeeren, die schon von den germanischen Kleinstämmen genutzt wurden nun auch Pfeil und Bogen (1, 2, 9) Wurfäxte (1) und Steine (5). Die entscheidende Innovation ist hierbei die Einführung oder Wiedereinführung von Pfeil und Bogen. Pfeil und Bogen haben gegenüber dem Wurfspeer den großen Vorteil höherer Reichweite. Wurfspeere sind meist nur im Vorgeplänkel von Nutzen, der Bogenschütze ist eine ganz eigene Waffengattung, der die Situation auf dem Schlachtfeld maßgeblich beeinflussen kann. Wenn auch nicht davon zu hören ist, dass der Bogen alleine ganze Schlachten für die Germanen entschied, so bezeugen römische Historiker doch seine starke Wirkung. In der Schlacht von Abrittus *5 setzten die Goten unter Kniva den Römern auch mit Pfeil und Bogen hart zu und töteten so den Kaisersohn Herennius.

Der Einsatz der Wurfaxt, der sogenannten Franziska ist für die Franken bezeugt. Diese Waffe halte ich nicht für schlachtentscheidend. Wurfäxte sind sowohl was ihre Reichweite als auch ihre – bei zielgenauen Treffern – panzerbrechende Wirkung angeht mit Wurfspeeren vergleichbar. Der Vorteil der Bogenschützen den Feind aus hoher Distanz zu bestreichen und leichte Truppen und sogar Reiterei zerstören oder zumindest schlachtentscheidend schwächen zu können entfällt auch bei der Wurfaxt mangels Reichweite. Nicht zu unterschätzen ist allerdings die einschüchternde Wirkung von Axtwerfern insbesondere gegenüber Truppen die zum ersten Mal mit dieser Waffe angegriffen werden. Selbst wenn nur der kleinere Teil der geworfenen Äxte zu entscheidenden (tödlichen oder kampfunfähig machenden) Treffern führte ist es für eine Einheit äußerst unangenehm mit diesen schweren Waffen beschossen zu werden. Dies mag bei Einheiten die den Beschuss durch Äxte kannten zu Stress, bei Einheiten die den Axtbeschuss zum ersten Mal erlebten gar bis zur Panik und Auflösung durch Demoralisierung geführt haben.

Weiter werden geworfene Steine als Fernkampfwaffen berichtet. Caesar (5) berichtet in De bello Gallico von germanischen Reitern, die seine Reiter mit Steinen bewarfen. Sollte es sich hierbei um regelrechte berittene Steinschleuderschützen gehandelt haben oder aber um ein mehr oder weniger improvisiertes Steinewerfen von Reitern? Berittene germanische Steinschleuderer als germanische Einheiten anzunehmen steht auf schwachen Füßen, da diese (wohl nur fiktive) Einheit nirgends sonst in Caesars an Kontakt mit Germanen nicht armem Feldzugsbericht steht. Auch sonst erwähnt sie keine der von mir genutzten Literaturquellen. Gegen das improvisierte Auflesen und Schmeißen von Steinen spricht wiederum die Unproffessionalität dieses Vorgehens. Allerdings wirkt das Steineschmeißen der germanischen Reiter bei Caesar auch mehr als Belästigung denn als ernstgemeinter Angriff, da es weder zu Verletzten noch zu Toten auf Seite der beschossenen römischen Reiter kam. Das improvisierte Steineschmeißen wird wiederum – für die Zeit germanischer Königreiche – für das angelsächsische Heer bei Hastings erwähnt. Alles in allem dürfte es sich bei den geschleuderten Steinen also um eine improvisierte Waffe handeln, da trotz reichlichem Quellenmaterial zur germanischen Bewaffnung Steinschleudern keine Erwähnung finden.



1.3.2.2 Bewaffnung der Reiterei germanischer Großstämme

Die Reiterbewaffnung besteht aus Frame, zweischneidigem Langschwert und Schild. Die Reiter kann man sich also als Plänkler mit passablen Nahkampfeigenschaften vorstellen.

Die Einführung der langen Stoßlanze bei den germanischen Großstämmen für die Reiterei kündigt einen neuen Einheitentypus und zugleich ein neues Militärparadigma an. Die Germanen haben in der Zeit der großen Wanderstämme, welche zugleich die Zeit der Konfrontation mit den Römern ist zunehmend auf panzerbrechende, offensive Waffen statt auf Plänkler gesetzt. So löst der schwere Reiter mit der langen Stoßlanze den leichten Reiter der mit Wurfspeeren plänkelt ab.



1.3.2.3 Artillerie und Befestigungen bei germanischen Großstämmen

Die Technologie der defensiven Befestigungen scheint sich bei germanischen Großstämmen gegenüber den Kleinstämmen nicht deutlich weiterentwickelt zu haben. Die offensive Belagerungstechnologie hat dagegen einen deutlichen Sprung gemacht. Im Frühmittelalter setzen germanische Großstämme Belagerungstürme, Stollenbau, Ballisten und Katapulte ein, um Befestigungen einzunehmen.



1.3.2.4 Fazit

Die Einführung schwerer panzerbrechender Waffen wie Rapier, Axt und die Stoßlanze bei der Kavallerie erhöht den Offensivwert der Germanen. Die Fähigkeit zur Defensive, wie sie in Schildwallformationen und der Guerillataktik gegeben war ist dabei nicht verlorengegangen. Alles in allem wird bei den Germanen in dieser Zeit der leichte jägerartig ausgerüstete und vorgehende Krieger mit leichten Wurfspeeren ohne Rüstung und Schild durch schwere Infanterie und schwere Kavallerie ersetzt.
 
Kapitel 1. Entwicklung germanischer Bewaffnung.


1.4 Die Bewaffnung der germanischen Königreiche und ihre Veränderung gegenüber der Bewaffnung germanischer Großstämme


1.4.1 Aufzählung der von germanischen Königreichen verwendeten Waffen


INFANTERIEWAFFEN


Speere






    • Lanze
    • Langspieß
    • Wurfspieß

Nahkampfwaffen






    • Schwert
    • Axt

Fernkampfwaffen




    • Pfeil und Bogen

Schutzwaffen






    • Schuppenpanzer
    • Kettenpanzer
    • Armschienen
    • Beinschutz
    • Panzerhandschuhe
    • Lederhelme
    • Fellhelme
    • Schild
    • Großer Schild

REITERWAFFEN

Speere






    • 2 Meter lange Lanze
    • lange Reiterlanze

Nahkampfwaffen






    • Kurzschwert
    • Langschwert
    • Hirschfänger

Fernkampfwaffen






    • Pfeil und Bogen *6

Schutzwaffen






    • Körperpanzer *6
ESTUNGEN, ARTILLERIE UND BELAGERUNGSWAFFEN






    • Festungstyp Steinmauer mit Erdwällen (7)
    • Festungstyp Erdwälle mit Wassergraben (8)
    • Rammbock
    • Rammbockwagen
    • Wurfmaschinen
    • Mauerbrecher
    • Heißes Wachs und Pech
    • Bewegliche Türme (9)
    • Sturmleitern (9)
    • Brennbare Materialien die man über Mauern wirft (9)

1.4.2 Die Bewaffnung germanischer Königreiche



1.4.2.1 Bewaffnung der Infanterie germanischer Königreiche

Bei der Infanterie germanischer Königreiche gibt es gegenüber der vorherigen Entwicklugsstufe der Großstämme keine Innovationen bei den Trutzwaffen, aber einige bei den Schutzwaffen. Die Trutzwaffen bleiben beim Fußkämpfer Schwert und Axt beziehungsweise Wurfspieße und Stoßlanzen sowie Pfeil und Bogen.

Bei den Schutzwaffen tauchen bei den germanischen Königreichen nun Kettenpanzer, Schuppenpanzer, Armschienen, Beinschienen und Panzerhandschuhe auf.

Die mangelnde Weiterentwicklung der Trutzwaffen bei der Infanterie kann man so interpretieren, dass eben schon die Großstämme alle Varianten von Angriffswaffen entwickelt hatten. Weitere Innovationen waren somit nicht von Nutzen. Die Nutzung der Trutzwaffen germanischer Großstämme wie Schwert und Stoßlanzen finden wir im Grunde noch im 17. Jahrhundert nach Christi Geburt, bis die Perfektionierung der Schießpulverwaffen die Spielregeln des Krieges endgültig neu mischte.

Die Entwicklung der Schutzwaffen zeigt einen Qualitätssprung. Der frühmittelalterliche Krieger etwa des Frankenreiches war durch seine Panzerung mit Helm, Kettenhemd und Waffenrock ein ganz anderes Kaliber im Nahkampf als ein germanischer Krieger eines Kleinstammes, der bis auf seinen Schild ungepanzert in den Kampf zog. Diese Entwicklung ist allerdings auch nicht in erster Linie als „technische Innovation“ zu fassen, sondern unter sozioökonomischen Gesichtspunkten. Die Entwicklung germanischer Königreiche, die die wirtschaftlichen Potentiale zahlreicher Regionen in sich vereinten und als politischer Akteur ernst genommen wurden und somit günstige Verträge mit anderen Akteuren aushandeln konnten bot eine ganz andere ökonomische Grundlage als die karge Wirtschaft eines germanischen Kleinstammes oder die prekäre, von Situation zu Situation improvisierende Existenz eines germanischen Wanderstammes der Völkerwanderungszeit. Der gewachsene Reichtum ermöglichte germanischen Königreichen mehr Geld für die Bewaffnung ihrer Krieger auszugeben, was sich in teureren und wirksameren Schutzwaffen wie kettenhemden und Schuppenpanzern zeigte.

1.4.2.2 Bewaffnung der Reiterei germanischer Königreiche

Bei der Reiterei germanischer Königreiche dient die Lanze als Hauptangriffswaffe, wie auch schon bei der Reiterei germanischer Großstämme. Es wurden für die Reiterei germanischer Königreiche zahlreiche Zweitwaffen bezeugt, die ich bei der Reiterei der Großstämme nicht feststellen konnte. Die Reiterei nutzt nun Langschwerter, Kurzschwerter und sogenannte Hirschfänger (eine Stichwaffe ähnlich einem Rapier) als Zweitwaffen zur Lanze.

Als große Innovation kann der Einsatz von Pfeil und Bogen bei der Reiterei gelten. Der Einsatz dieser Waffen wird eindeutig für die Reiterei Karls des Großen bezeugt. Gleichgültig, ob der Bogen nun die Hauptwaffe oder bloß eine Hilfswaffe war, Reiter mit Pfeil und Bogen bieten völlig andere taktische Möglichkeiten als ein Heer das hauptsächlich aus Nahkampfinfanterie und Nahkampfkavallerie besteht. Möglicherweise haben wir uns die Kampfweise der Franken im Frühmittelalter ganz anders vorzustellen als bisher gedacht, wenn die Franken plänkelnde Bogenschützen eingesetzt haben. Dies würde insbesondere gegen Gegner die viel auf leichtgepanzerte Kavallerie gesetzt haben, wie die Araber und Awaren Sinn gemacht haben. Ob fränkische Reiter mit Pfeil und Bogen geplänkelt haben bedarf noch der quellenmäßigen Absicherung. Gesichert ist nur die Nutzung von Pfeil und Bogen bei der fränkischen Reiterei aber nicht wie diese Waffe eingesetzt wurde.

Als weitere Innovation bei der Reiterei germanischer Königreiche kann die verstärkte Nutzung von Körperpanzerung gelten. Die Schuppenpanzer fränkischer Reiter sind hierfür ein gutes Beispiel.

1.4.2.3 Artillerie und Befestigungen bei germanischen Königreichen

Befestigungen und Burgen waren entgegen dem Barbarenklischee auch schon bei germanischen Kleinstämmen und germanischen Großstämmen im Gebrauch. Bei den germanischen Königreichen finden wir eine Steigerung dieser Technik. Waren Burgen bei den Germanen vor dem Zeitalter der germanischen Königreiche typischerweise aus den Elementen Erdwall und Motte zusammengesetzt, so finden wir nun auch Steinwälle und Erdwälle mit Wassergräben. Wahrscheinlich werden die Westgoten, Ostgoten, Burgunder und Franken bei den Römern, die sie unterwarfen einiges an Bautechnik adaptiert haben.

Entsprechend der Steigerung der defensiven Ingenieurskunst die sich in der Verwendung von Steinmauern und Wassergräben ausdrückt, kann nun auch eine Steigerung der technologischen Techniken bei der offensiven Belagerungstechnik für die Germanen feststellen. Wir finden nun Rammböcke, Rammbockwagen und Mauerbrecher um die Tore und Mauern stärkere Burgen zu durchbrechen. Ebenso kommen nun Wurfmaschinen zusätzlich zu den schon von Großstämmen genutzten Katapulten und Ballisten zum Einsatz. Als neue Technik kann auch der Einsatz von brennbaren Materialien gelten, die über Mauern geworfen werden, wie es für die Franken um 585 n. Chr. Bezeugt ist. Bei Belagerungen wird nun auch heißes Pech und heißes Wachs über die Belagerer ausgeschüttet.

Die Entwicklung der Germanen in der Belagerungstechnik in Spätantike und Frühmittelalter ist spürbar. Das Leistungsspektrum reicht dabei von den Ostgoten, die Rom lange, dilettantisch und erfolglos belagerten bis zu den Franken und Normannen im Mittelalter, welche Jerusalem mit Belagerungstürmen einnahmen.

1.4.2.4 Fazit

Eine Entwicklung der Waffentechnik der germanischen Königreiche gegenüber der Waffentechnik der Großstämme ist bei den Schutzwaffen und der Festungstechnik und Belagerungstechnik zu sehen.

Sowohl Infanterie als auch Kavallerie germanischer Königreiche verfügt potentiell (aus Geldgründen und als Hilfstruppen wird es auch sehr oft leichtgerüstete Einheiten gegeben haben) über schwere Panzerung wie Kettenhemden und Schuppenpanzer, als auch Helme und Schilde. Der Krieger germanischer Königreiche markiert den Übergang ins Mittelalter und der Unterschied zwischen einem fränkischen Panzerreiter des 9. Oder 10. Jahrhunderts nach Christi ist graduell.

Bei den Festungen finden wir nun erstmals bei den Germanen Steinmauern und besser befestigte Anlagen mit Wällen und Wassergräben. Es werden bei der Belagerung heißes Pech und Wachs benutzt um Feind zu verbrühen. Offensiv werden in der Belagerungstechnik Rammbockwagen (statt eines Rammbocks ohne Schutz für die Bedienmannschaft), Mauerbrecher und Wurfmaschinen erwähnt. Auch hier ist der Übergang ins technologisch weiter entwickelte Mittelalter mit seinen massiven Burgen und der raffinierter werdenden Belagerungstechnik zu spüren.



Fußnoten Kapitel 2. Entwicklung germanischer Bewaffnung.

  1. Eine Art Axtschneide befestigt an einer Lanze (Delbrück. 2000)

  2. Caesar erwähnt, dass die Reiter Ariovists seine Reiter mit Steinen bewarfen. Die klingt eher wie eine improvisierte Waffe als wie ein Beschuss gut ausgebildeter reitender Steinschleuderer. Bei den Galliern gab es Steinschleuderer. Dies bedeutet nichts für die Germanen, trotz geographischer Nähe müssen sie diese Waffe noch nicht übernommen haben.

  3. Geworfen oder geschleudert

  4. Wikinger vor Paris 885 n. Chr.

  5. 251 n. Chr.

  6. Franken unter Karl dem Großen

  7. Franken, Goten, Westgoten & Sachsen. Gemeint sein dürften Burgen des Typus „Motte und Erdwall“

  8. Wikinger

  9. Franken unter König Gutrum 585 n. Vhr.
 
Hier mache ich erstmal eine Pause, da man diesen ersten teil bereits diskutieren kann. Danch kommt der zweite Teil zur Militärtaktik germanischer Kleinstämme, Großstämme und Königreiche.
 
Interesseleitend war, dass die Germanen sowohl in Filmen [...] als auch in wissenschaftlicher Literatur als stumpf anstürmende Horden gekennzeichnet werden, es aber auch Autoren wie Cäsar und Delbrück gibt (und Andere) die den Germanen zuschreiben in Gefechten in taktischen Körpern, also Formationen agiert zu haben.

Nur weil Malcom Todd anscheinend biologistischen Unsinn schreibt, kann man das kaum auf die ganze wissenschaftliche Literatur ausweiten.

"Autoren wie Caesar und Delbrück" - du solltest Quellen und Literatur voneinander trennen.
 
Nur weil Malcom Todd anscheinend biologistischen Unsinn schreibt, kann man das kaum auf die ganze wissenschaftliche Literatur ausweiten.

Man kann natürlich nicht alle Historiker über einen Kamm scheren. Allerdings habe ich bei meinen Recherchen zum Thema dutzende Bücher über die Germanen gelesen, die die Primitivitätstheorie (also das die Germanen eine rückständige, um nicht zu sagen minderwertige Kultur hatten) vertreten. Todd`s Buch "Die Germanen" habe ich nur als eine sozusagen besispielhafte Quelle herangezogen, die aber wahrscheinlich tatsächlich die extremste sein dürfte, da sie den Germanen genetische Minderwertigkeit, Unfähigkeit Pferde zu nutzen und prinzipiell mangelnde Intelligenz bescheinigt.
Diese Schule scheint mir mindestens die dominante unter den aktuellen Historikern, auf Ausnahmen bin ich nicht gestoßen, habe freilich auch nicht alles Literatur über das germanische Kriegswesen einbezogen die es an sich gibt, sonderen eine Auswahl getroffen. Bei einem neueren Buch über die Germanen wird genüsslich herausgehoben die Germanen wären das Armenhaus Europas gewesen, was ich alles in allem für eine dubiose, da allzu pauschale Aussage halte. Der Tenor ist tatsächlich praktisch immer derselbe. Bei der antiken Literatur, Cäsar, Tacitus oder Prokop findet man wiederum ein völlig anderes Bild.

Ich freue mich aber über Empfehlungen moderner Literatur, die die Germanen anders beschreibt.
 
Dieser Zeitraum soll nach soziologischen Gesichtspunkten wiederum in 3 Teile untergliedert werden:

Teil I. Das Kriegswesen germanischer Kleinstämme

Teil II. Das Kriegswesen germanischer Großstämme

Teil III. Das Kriegswesen germanischer Königreiche


Man kann über diese Einteilung sicherlich trefflich streiten und andere Auflösungsgrade des Phänomens erwägen. Es scheint aus der Sichtung der Quellen jedenfalls angebracht, nicht “das germanische Kriegswesen“ schlechthin, also über alle Epochen und Regionen summarisch erfassen zu wollen, wie es in bisherigen Werken zum Thema geschah. Vielmehr sollen die Varianten der germanischen Kriegsführung für jedes dieser 3 Zeitalter gezeigt werden und darauf aufbauend möglicherweise vorhandene Entwicklungen des germanischen Kriegswesens.
Du klammerst mit einer solchen Vorgehensweise nicht nur Anstöße von außen aus sondern setzt en passant ein evolutionistisches Kulturstufenmodell voraus, so als ginge Geschichte immer nur in eine Richtung. Deine methodische Vorgehensweise ist somit fragwürdig. Zumal auch die Gleichzeitigkeit dessen was du hier darzustellen suchst, arg in Frage zu stellen ist. Nehmen wir an, im Jahr 274 kommt eine techische Neuerung auf. Wir die dann nur von dem "Großstamm" aufgegriffen aber von dem "Kleinstamm" nicht? Wie schwammig deine Definition von Groß- und Kleinstamm ist, hast du ja selbst bemerkt ("Lässt sich überhaupt eine ganz präzise Unterscheidung von Kleinstämmen gegenüber Großstämmen treffen? Ist ein Stamm, der seine Kriegerzahl von 9.000 auf 11.000 erhöht somit vom Kleinstamm zum Großstamm geworden?")

Es gibt bereits diverse archäologische und historische Periodisierungen, die ohne evolutionistische Kulturstufenmodelle auskommen, warum verwendest du nicht diese? Zumal sie etabliert sind?

Alternativen zu dieser Betrachtungsweise wären entweder der völlige Verzicht der Einführung eines Ordnungssystemes der germanischen Stämme oder aber eine Untersuchung der Entwicklung der germanischen Kriegsführung nach Zeitaltern. Der Verzicht auf die Unterscheidung germanischen Kriegsführung zu verschiedenen Zeiten oder der Organisationgröße von germanischen Gemeinwesen als Ordnungsprinzip würde dazu führen, die gesamte germanische Kriegsführung aller Zeitalter und Organisationsformen untersuchen zu wollen. Man würde also das Kriegswesen “der Germanen“ schlechthin untersuchen und dabei Kleinstämme wie die Cherusker und Angrivarier mit großen Wandervölkern der Westgoten und Vandalen und germanischen Königreichen wie jenen der Franken und Burgunder in einen Topf werfen.
Nein. Zunächst einmal wäre ja zu fragen, ob es dir überhaupt gelingt, aus dem historiographischen und archäologischen Quellenmaterial zu ordnen, etwa welchem Stamm eine Hinterlassenschaft X zuzuordnen ist. Wenn du dein Artefakt X nun Stamm Y zuordnen könntest, dann wär es viel sinnvoller, sich ganz abseits von fragwürdigen Vorsortierungen wie Klein- oder Großstamm darauf zu konzentrieren, was denn etwa den Stamm der Heruler im 3. Jhdt. in Bezug auf seine Kriegsführung ausmachte.

Offensichtlich ist aber eine Reiterarmee des großen Wanderstammes der Ostgoten im 4. Jahrhundert n. Chr. etwas anderes als ein Stammesaufgebot des Kleinstammes der Cherusker im 1. Jahrhundert n. Chr. oder ein Heer aus schwergepanzerten Panzerreitern und unterstützender Infanterie der Franken im 9. Jahrhundert n. Chr.
Auch hier machst du einen Fehler: Du klammerst nicht nur aus, welche Anstöße es von außen gegeben haben mag, sondern vor allem auch die Umwelt. Wer in den Landschaften der Ukraine oder Südrusslands ("euroasiatische Steppenautobahn") zuhause ist, entwickelt natürlich eine andere Lebensweise (Stichwort "Reiterarmee"), als jemand, der im Mittelgebirge herumturnt. Mit der Größe des Verbandes, dem man zufälligerweise angehört, hat das zunächst einmal nichts zu tun.
 
Bei einem neueren Buch über die Germanen wird genüsslich herausgehoben die Germanen wären das Armenhaus Europas gewesen, was ich alles in allem für eine dubiose, da allzu pauschale Aussage halte.

Das ist durchaus das Bild, welches der archäologische Befund wiedergibt. Vor allem Metallgegenstände stammen recht häufig aus dem römischen Reich (RR) oder sind Kopien von römischen Gegenständen;wir wissen von archäozoologischen Untersuchungen, dass germanische Haustiere kleiner waren als die im RR, Metall ist überhaupt sehr selten im germanischen Raum (klar, das war so wertvoll, dass es immer wieder eingeschmolzen und wiederverarbeitet wurde). Anhand anthropologischer Untersuchungen wissen wir (wenn wir denn Körperbestattungen haben), dass die Ernährungssituation häufig mehr als desolat war. Ob das "genüsslich" hervorgehoben wird, kann ich mangels Kenntnis des ungenannten Buches nicht sagen, die Aussage an sich jedoch entspricht durchaus auch dem, was der archäologische Befund hergibt.
 
Caesar selbst als aktiver Teilnehmer und Zeitzeuge des gallischen Krieges vertritt im Buch vom gallischen Krieg genau die gegenteilige Auffassung über das germanische Kriegswesen wie sein moderner Vorwortschreiber (über die Schlacht gegen die Germanen der Ariovistkoalition): „Doch bildeten die Germanen nach ihrer Gewohnheit rasch eine feste Linie und begegneten so dem Schwertangriff“ (*3, Seite 73).
Ich hatte dich bereits in dem anderen Thread darauf hingewiesen, dass man antike Quellen sinnvollerweise nicht nach der Seitenzahl der Ausgabe zitiert, weil die Seitenzahl der Ausgabe nur dann hilfreich ist, wenn man dieselbe Ausgabe vorliegen hat. Antike Quellen zitiert man nach Quellenstelle: Buch, Kapitel(, Satz/Vers). Das wäre hier z.B. Caes. De bello Gallico, I 52, 4. Da könnte jeder die Stelle schnell nachschlagen, auch ohne die Ausgabe von Schönberger vorliegen zu haben.

Was nun die Frage nach der Q-Kritik angeht: Du solltest Caesar auch nicht alles glauben was er schreibt. Er hatte natürlich nur einen engen Spielraum für seine Darstellungen innerhalb dessen er sich bewegen konnte, um nicht unglaubwürdig zu werden. Jedoch war es natürlich auch ein Ziel Caesars, nicht nur sein eigenmächtiges Handeln in Gallien zu rechtfertigen sondern auch seine Leistungen ins rechte Licht zu rücken. Ganz unabhängig von der tatsächlichen Kampfesweise von Ariovists Sueben ist der Sieg über einen fähigen und taktisch versierten Gegner natürlich sehr viel strahlender als der über einen unfähigen Gegner. Insofern wird Caesar uns sicherlich nichts in die Tasche lügen, aber du musst davon ausgehen, dass er bei seiner Darstellung sehr genau darauf geachtet hat, was er wie erzählt.

Nicht, dass wir uns missverstehen: Ich will damit nicht in Abrede stellen, dass die Germanen eine "feste Linie" (Caesar schreibt "Phalanx") bildeten, das ist nur logisch, du bist eben von weniger Seiten angreifbar.
 
Ich will damit nicht in Abrede stellen, dass die Germanen eine "feste Linie" (Caesar schreibt "Phalanx") bildeten, das ist nur logisch, du bist eben von weniger Seiten angreifbar.
Sowieso, alleine dass 10.000 Kämpfer oder mehr zu einer bestimmten Zeit am Schlachtfeld anwesend sind erfordert viel an Struktur und Organisation und damit sie sich nicht selber auf die Zehen steigen und sinnvoll agieren können muss eine gewisse Ordnung durchgesetzt sein.
 
Nein. Zunächst einmal wäre ja zu fragen, ob es dir überhaupt gelingt, aus dem historiographischen und archäologischen Quellenmaterial zu ordnen, etwa welchem Stamm eine Hinterlassenschaft X zuzuordnen ist. Wenn du dein Artefakt X nun Stamm Y zuordnen könntest, dann wär es viel sinnvoller, sich ganz abseits von fragwürdigen Vorsortierungen wie Klein- oder Großstamm darauf zu konzentrieren, was denn etwa den Stamm der Heruler im 3. Jhdt. in Bezug auf seine Kriegsführung ausmachte.

Wenn man ganz sicher gehen will sollte man seine Fragestellung tatsächlich so weit einschränken. Wenn man über "die Waffentechnik der Germanen" schreibt, oder auch nur über die Waffentechnik einer Gruppe germanischer Gemeinwesen läuft man Gefahr verallgemeinerende Aussagen zu treffen, die dann nicht haltbar sin. Mich reizt dennoch der Gesamtentwurf der germanischen Waffentechnologie und Kriegsführung als Ganzes.


Du klammerst mit einer solchen Vorgehensweise nicht nur Anstöße von außen aus sondern setzt en passant ein evolutionistisches Kulturstufenmodell voraus, so als ginge Geschichte immer nur in eine Richtung. Deine methodische Vorgehensweise ist somit fragwürdig. Zumal auch die Gleichzeitigkeit dessen was du hier darzustellen suchst, arg in Frage zu stellen ist. Nehmen wir an, im Jahr 274 kommt eine techische Neuerung auf. Wir die dann nur von dem "Großstamm" aufgegriffen aber von dem "Kleinstamm" nicht? Wie schwammig deine Definition von Groß- und Kleinstamm ist, hast du ja selbst bemerkt ("Lässt sich überhaupt eine ganz präzise Unterscheidung von Kleinstämmen gegenüber Großstämmen treffen? Ist ein Stamm, der seine Kriegerzahl von 9.000 auf 11.000 erhöht somit vom Kleinstamm zum Großstamm geworden?")

Es gibt bereits diverse archäologische und historische Periodisierungen, die ohne evolutionistische Kulturstufenmodelle auskommen, warum verwendest du nicht diese? Zumal sie etabliert sind?

Es war nicht meine Grundidee ein evolutionistisches Modell der germanischen Kriegsführung oder der germanischen Kultur insgesamt anzusetzen. Nur wenn man sich die germanische Geschichte von der Zeit des Augustus bis ins Mittelalter ansieht drängt sich diese Ordnungsidee einfach auf. Zu Augustus Zeiten waren die Germanen in zahlreichen Kleinstämmen organisiert. Diese transformierten sich in Deutschland (als geografischer Raum), Österreich, Ungarn, Rumänien usw. zu germanischen Großstämmen. Aus einigen dieser Großstämme gingen Königreiche hervor. Freilich gab es auch immer wieder Vorläufer und Nachzügler der typischen Entwicklung. Während Franken und Burgunder im frühen Mittelalter eine Königsherrschaft ausgebildet hatten lebten Friesen und Sachsen noch als Großstämme.


Auch hier machst du einen Fehler: Du klammerst nicht nur aus, welche Anstöße es von außen gegeben haben mag, sondern vor allem auch die Umwelt. Wer in den Landschaften der Ukraine oder Südrusslands ("euroasiatische Steppenautobahn") zuhause ist, entwickelt natürlich eine andere Lebensweise (Stichwort "Reiterarmee"), als jemand, der im Mittelgebirge herumturnt. Mit der Größe des Verbandes, dem man zufälligerweise angehört, hat das zunächst einmal nichts zu tun.

Ich beschreibe durchaus den Einfluss der Römer und Hunnen auf die germanische Bewaffnung.

Zum Beispiel hier:

"Bei den Schwertern wurden also die schon bekannten Waffen beibehalten und um neue ergänzt. Das Spatha als schweres Langschwert ist neu, ebenso der leichte Rapier. Der Knüppel der noch in den Beschreibungen von Kriegern der Kleinstämme zu finden war ist nicht mehr belegt, dafür taucht die Axt als neue Waffe auf. Knüppel und Axt als schwere Schlagwaffen haben etwa den gleichen Zweck, nämlich feindliche Rüstungen und die darunter liegenden Körperteile zu zertrümmern. Nur ist die Axt eine weitaus gefährlichere Waffe. Die Axt hat gegenüber dem Knüppel den großen Vorteil panzerbrechend zu wirken, also Helme, Schilde und Rüstungen durchdringen zu können. Der Knüppel dagegen ist einem gepanzerten Gegner gegenüber weitgehend ungefährlich. Der Knüppel hat höchstens den Vorteil schnellere Bewegungen als die vergleichsweise schwerere Axt zu ermöglich, was einem aber wenig nützt, wenn man den Gegner nicht stark verletzen kann. Aus diesem Grund ist der Knüppel mit zunehmender Konfrontation mit den gepanzerten Soldaten der Römer und zunehmender eigener Ausstattung mit Schutzwaffen bei den Germanen immer mehr aus der Mode gekommen."

Wahrscheinlich ist letztlich jede germanische Waffen IRGENDWANN aus einer anderen Kultur übernommen oder adaptiert worden. Dies auch nur bei jeder einzelnen Waffe herzuleiten würde den Rahmen sprengen.

Es gibt bereits diverse archäologische und historische Periodisierungen, die ohne evolutionistische Kulturstufenmodelle auskommen, warum verwendest du nicht diese? Zumal sie etabliert sind?

Welches Periodisierungsmodell würde die angemessener erscheinen für die Germanen?
 
Bis zur Zeit der augusteischen Germanienfeldzüge fochten die 'Germanen' aus Sicht der Archäologie mit langen Stoßlanzen, was bekanntlich ein feste Schlachtreihe und auch eine geordnete Aufstellung bedingt. Dafür sind im Gegensatz zu jüngst im Forum wieder vorgetragenen naiven Vorurteilen keine große Übung und keine große Menge erfahrener Soldaten vonnöten.

Erst im Zusammenhang mit solchen Überlegungen wird Caesar dort wirklich glaubhaft. Seine Schilderung der Germanen gibt sonst einfach den Topos der antiken Evolutionstheorie wieder, den er selbst doch gerade durch Schilderung der Keltischen Einrichtungen in wichtigen Punkten widerlegt.

Lehrreich ist immer noch die Interpretation Caesars in Delbrücks Geschichte der Kriegskunst. Man muss sich ihm nicht anschließen, aber berücksichtigen muss man diese Sichtweise schon. Mein alter Lateinlehrer verstieg sich in dem Bemühen uns klar zu machen, wie man Propagandatexte verstehen muss, zu der Behauptung, dass niemand ein verantwortlicher Staatsbürger sein könne, der diese Interpretation Delbrücks nicht kenne - unabhängig davon, ob man sie bejahe oder ablehne.

Was die Vorstellungen von Armut und Mangel angeht, muss man sich hüten, heutige Begriffe auf vergangene Zeiten zu übertragen. Das heißt nicht, unsere Sichtweise zu verwerfen. Nur können wir unsere Sichtweise nicht auf die Menschen der betrachteten Zeit übertragen. Es ist z.B. gar nicht so lange her, dass die Berücksichtigung von Bedürfnissen als unmoralisch galt und in unserer eigenen Gesellschaft wird die Definition von Bedürfnissen als politische, soziale und private Waffe genutzt. Wir haben es also nicht nur mit unterschiedlichen Begriffen, sondern mit Spannbreiten zu tun und nicht mit einem einfachen Label.

Zudem fehlt mir oft der Vergleich mit dem Römischen Reich. Auch dort waren Hunger und Entbehrung nicht unbekannt und viele Errungenschaften standen nur einigen zur Verfügung. Andere, wie z.B. die Pax Romana, hatten wenig mit der Realität zu tun.

Solche Urteile sind in ihrer Allgemeinheit damit so nichtssagend, dass sie eigentlich gleichzeitig wahr und falsch sind.
 
Sowieso, alleine dass 10.000 Kämpfer oder mehr zu einer bestimmten Zeit am Schlachtfeld anwesend sind erfordert viel an Struktur und Organisation und damit sie sich nicht selber auf die Zehen steigen und sinnvoll agieren können muss eine gewisse Ordnung durchgesetzt sein.

Das ist ein großes Thema bei Delbrück. Delbrück behauptet ja sogar, dass Germanen und Gallier im gallischen Krieg kleinere Heere hatten als die Römer. Begründung: um ein großes Heer zu mustern, zu verpflegen, zu bewegen und einzusetzen braucht es Fähigkeiten wie Buchführung, die eher bei zivilisierteren Völkern mit Schriftsprache zu finden sind.
 
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