Gibt es einen Zusammenhang zw. Christentum und Demokratie?

El Quijote

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Im Interview der Woche auf dem DLF kam jetzt Bischof Oster (Bistum Passau) zu Wort. Der stellte im Rahmen des Interviews folgende These auf:

...ich glaube ehrlich gesagt, es gibt einen inneren Zusammenhang zwischen dem christlichen Fundament und einer funktionierenden Demokratie. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass in den allermeisten Ländern, wo Demokratien funktionieren, eine christliche Kultur vorausgegangen ist, eine Kultur, die die Personenwürde achtet, die die Menschenwürde, die Freiheit der Menschen achtet, die auf Diskurs aus ist und aufbaut.
Ich lasse ganz bewusst den tagespolitischen Kontext, in den diese historische These des Bischofs eingebettet ist, weg, da nicht Gegenstand unseres Forums. Die These an sich jedoch ist sicherlich geeignet, sowohl Wider- als auch Zuspruch zu generieren.
 
Es kann schon sein, dass eine Idee des Christentums – genauer: Die Bergpredigt – zu den heutigen Demokratien etwas beigetragen hat. Allerdings gab es Demokratien schon vorher, also ohne das Christentum, das sich die meiste Zeit seines Bestehens vor allem dadurch auszeichnete, diejenigen zu stützen, die gegen Demokratien waren. Und zweitens gab es ein Umdenken erst in Gebieten, wo Protestantismus stark war – die katholische Kirche verharrte dagegen noch lange Zeit an der Seite der Könige und anderen Diktatoren.

Es hat schon etwas Beigeschmack, dass die katholische Kirche jetzt Erfolge für sich in Anspruch nimmt, was andere gegen ihren erbitterten Widerstand erreicht haben – um von der Tatsache, dass sie selbst nach wie vor diktatorisch regiert wird, ganz zu schweigen.
 
M.E. eine geschichtsvergessene These. Vor 75 Jahren hätte er sie nicht so aufgestellt.
Übrigens hat die bevölkerungsreichste Demokratie dieser Erde wenige Christen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Dion: Tja, also, die Protestanten waren nun auch nicht so unbedingt antiautoritär. Schau mal ins Dritte Reich. Trennung von monarchischem Staat und Religion kam bei ihnen in Deutschland auch erst 1918 mit der Abdankung Wilhelms II..

Aber man kann sich ja auch einmal die Tatsachen anschauen. (Mal abgesehen davon, dass ich solche Hasspredigten per se ablehne und religiöse Schwanzvergleiche jenseits des Scherzes für unpassend halte.)

Als christliche Ordnung galt lange die Monarchie, die keinesfalls mit Diktatur oder gar Tyrannis gleichzusetzen ist. Zudem sind die Staatsformen des Aristoteles nicht mit späteren Begriffen zu verwechseln. Seine Demokratie ist nicht unsere Demokratie. Mit den realen politischen Organisationsformen der Antike ist nicht anders. Die attische Demokratie ist ein Drittes und noch dazu kann man diskutieren, ob Athen damals ein Staat war.

Staaten entwickelten sich -zunächst theoretisch- seit dem Hochmittelalter. Zuvor war einfach der Römerbrief 13, 1 Richtschnur: "Es gibt keine Obrigkeit ohne von Gott, und wo immer eine besteht, ist sie von Gott verordnet." Nunmehr stellte sich aber die Frage, wie Christen ihre Staaten ordnen sollten und was man gegen ungerechte Ordnungen unternehmen dürfe. Das Konzil von Konstantin z verurteilte den Tyrannenmord, doch gehört das unter die zumindest Interpretationsbedürftigen Beschlüsse unter der Hegemonie Sigismund, auf den des Öfteren Attentäter angesetzt waren. Teile der Kirche - schon Thomas von Aquin, später die Jesuiten - haben immer den Tyrannenmord unter bestimmten Umständen verteidigt.

Auch welche Staatsform dem Christentum besonders angepasst wurde, wurde seit jener Zeit nie ganz einfach mit Monarchie beantwortet. Formen der Demokratie waren immer in der Diskussion. Kirchenobere standen oft im Zwiespalt von Ideal und Praktikabilität. Gerade Luther ist da ein wichtiges Beispiel für die Frage nach der Bedeutung der Obrigkeit in dieser Hinsicht. Hinzu kam, dass man die Staatsformen nicht aus der Religion, sondern vorwiegend, aber nicht nur aus dem Naturrecht begründen wollte. In der Auseinandersetzung des 19. Jahrhunderts wurde dargelegt, dass verschiedene Staatsformen mit dem Christentum vereinbar seien. Konsequenterweise erklärte die Enzyklika 'Immortale Dei' 1885 die Neutralität der römisch-katholischen Kirche gegenüber den Staatsformen. Das galt -wohl gemerkt- nur für eine Staatsform, die "den gemeinsamen Nutzen und das Gemeinwohl bewirkt." Das zweite vatikanische Konzil erklärte dann den Rechtsstaat mit Menschenrechten, Gewaltenteilung und Demokratie als zentralen Punkten der Ausgestaltung zur Leitlinie.

Der Protestantismus lehnte bis in die 20er/30er Jahre die Demokratie weitgehend ab. Angesichts der offeneren Struktur lassen sich andere Beispiele nennen und angesichts der Diktatur unterstelle ich nicht, dass das in Deutschland bis 1945 die Mehrheit so sah.

Offiziell allerdings bekannte sich die Evangelische Kirche in Deutschland erst 1985 zu Demokratie und Rechtsstaat. Natürlich war das so spät eher das Nachholen von bisher Versäumtem, dennoch war, wenn hier schon Schwanzvergleiche gewünscht werden ( ;) ), die Katholische Kirche da ca. 20 Jahre schneller.

Die 'diktatorische' Kirchenregierung ist natürlich auch ein Mythos. Für die Inanspruchnahme der Unfehlbarkeit durch den Papst gibt es klare Vorgaben. Unter anderem muss der Papst auf die Unfehlbarkeit verweisen. Das kam bisher dreimal vor. Da es zu den heutigen Vorurteilen gehört, dass die Äußerungen eines Papstes unfehlbar sind, hat z.B. Papst Benedikt außerhalb von Lehrschreiben regelmäßig betont, dass die jeweilige Äußerung die Unfehlbarkeit nicht in Anspruch nehmen.

Die Unfehlbarkeit wurde zur Abwehr des Anspruchs der meisten Staaten Europas, zu bestimmen, was Katholiken glauben durften eingeführt. Da diese Kirche so zu beschimpfen ist schon ziemlich daneben.

Und wer genau gelesen hat, dürfte auch merken, dass das Christentum seit dem späten Mittelalter durchaus Ansätze zur Demokratie bot. Allerdings gehe ich davon aus, dass der Bischof seine Äußerungen anders meinte. Er sieht gemeinsame Werte der Demokratie und des Christentums, aufgrund der die Bejahung der Demokratie christlichen Ländern einfacher fällt, als z.B. den Ländern des Islam, der in der immer noch vorwiegenden Interpretation eine Form der Monarchie als Ideal erblickt. Öfter begegnet man umgekehrt dem Argument, dass die Auseinandersetzung mit dem Christentum die europäische Demokratie christlich gemacht habe, so dass sie von islamischen Ländern nicht einfach übernommen werden sollte. Meines Wissens spielte das während des arabischen Frühlings eine Rolle, als man versuchte nach dem Vorbild christlich-konservativer und demokratischer Parteien in Europa, z.B. des Zentrums, entsprechende islamische Parteien zu gründen und sich fragte, wie ein islamischer und demokratischer Rechtsstaat aussehen kann. Aber da gerät mir das Thema schon zu nahe an die Tagespolitik.
 
na ja, wenn ich den Art. 20 (2) des Grundgesetzes lese:

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Art 20 GG - Einzelnorm

und dann Römer 13, 1-7 gegenüberstelle:

1 Jeder ordne sich den Trägern der staatlichen Gewalt unter. Denn es gibt keine staatliche Gewalt außer von Gott; die jetzt bestehen, sind von Gott eingesetzt.
2 Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen.
3 Vor den Trägern der Macht hat sich nicht die gute, sondern die böse Tat zu fürchten; willst du also ohne Furcht vor der staatlichen Gewalt leben, dann tue das Gute, sodass du ihre Anerkennung findest!
4 Denn sie steht im Dienst Gottes für dich zum Guten. Wenn du aber das Böse tust, fürchte dich! Denn nicht ohne Grund trägt sie das Schwert. Sie steht nämlich im Dienst Gottes und vollstreckt das Urteil an dem, der das Böse tut.
5 Deshalb ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen.
6 Das ist auch der Grund, weshalb ihr Steuern zahlt; denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben.
7 Gebt allen, was ihr ihnen schuldig seid, Steuer, wem ihr Steuer schuldet, Zoll, wem ihr Zoll schuldet, Furcht, wem ihr Furcht schuldet, Ehre, wem ihr Ehre schuldet!​

Römer 13,1-7 - Einheitsübersetzung 2016 :: BibleServer

sehe ich erst einmal einen Widerspruch (es sei denn man geht davon aus, dass göttliches Wirken auch in den Wahlen und Abstimmungen zum Tragen kommt).

Letztendlich war das Christentum im Laufe seiner Geschichte aber auch kompatibel mit Monarchien, Republiken, aber auch Diktaturen.

Noch heute findet sich auf britischen Münzen das Bildnis des Monarchen/der Monarchin (derzeit Elizabeth II): Dei Gratia Regina und F. D. (Königin von Gottes Gnaden und Verteidigerin des Glaubens). (Wie das bei den anderen Monarchien in Europa in der Titulatur aussieht, habe ich nicht geprüft.) Das Gottesgnadentum des frühen Mittelalter geht wiederum auf spätantike Vorbilder zurück, nachdem mit der Christianisierung des Reiches im 4. Jahrhundert der Kaiser nicht mehr göttlich war, sondern "nur" noch von Gottes Gnaden war.

Die Aussage von Bischof Oster kann ich eigentlich nicht nachvollziehen, aber ich sehe auch keinen Widerspruch zwischen Demokratie und Christentum, allerdings auch nicht zwischen Diktatur und Christentum.
 
Der stellte im Rahmen des Interviews folgende These auf:

...ich glaube ehrlich gesagt, es gibt einen inneren Zusammenhang zwischen dem christlichen Fundament und einer funktionierenden Demokratie. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass in den allermeisten Ländern, wo Demokratien funktionieren, eine christliche Kultur vorausgegangen ist, eine Kultur, die die Personenwürde achtet, die die Menschenwürde, die Freiheit der Menschen achtet, die auf Diskurs aus ist und aufbaut.​

Joas diskutiert u.a. den Anspruch der Kirche, im Rahmen ihrer Lehre bereits zentrale Aspekte des modernen Verständnisses der Menschenrechte zu inkorporieren.

Er verneint den Anspruch der Kirche, da es zwar Ähnlichkeiten gibt, aber auch zentrale Unterschiede.

In diesem Sinne - ohne es ad hoc begründen zu wollen - wäre vermutlich der Anspruch der Kirche auch in Bezug auf den Anspruch, das Fundament für eine Demokratie zu legen, zurück zu weisen.

Zu lange hat sich eine stark hierarchische Kirche in Europa als Garant für das tradierte monarchistische Gesellschaftsmodell legitimiert, um sich als Wegbereiter für demokratische Traditionen aufzuführen.

Joas, Hans (2015): Die Sakralität der Person. Eine neue Genealogie der Menschenrechte; mit einem neuen Vorwort. 1. Aufl., . Berlin: Suhrkamp​
 
Noch heute findet sich auf britischen Münzen das Bildnis des Monarchen/der Monarchin (derzeit Elizabeth II): Dei Gratia Regina und F. D. (Königin von Gottes Gnaden und Verteidigerin des Glaubens). (Wie das bei den anderen Monarchien in Europa in der Titulatur aussieht, habe ich nicht geprüft.)

Noch ein Nachtrag dazu:

Die Monarchen von Dänemark, Liechtenstein, Monaco und des Vereinigten Königreichs führen in ihrem großen Titel bis heute den Zusatz „von Gottes Gnaden“. Eine mehr als zeremonielle Rolle spielt dieser Titel allerdings nicht mehr, da die Politik aller dieser Länder vorwiegend von gewählten Parlamenten und Regierungen bestimmt wird.

Nach Artikel 56 der spanischen Verfassung von 1978 wird der spanische König zwar einfach als Rey de España bezeichnet, doch ebenso wird ihm das Recht zugestanden, alle traditionellen Titel der Krone weiter zu führen (podrá utilizar los demás que correspondan a la Corona). So ist auch der König von Spanien ein König „von Gottes Gnaden“. Der Titel des spanischen Diktators Francisco Franco war bis zu seinem Tod „Führer Spaniens von Gottes Gnaden“.

Auch gegenwärtig prangt auf den britischen Münzen der Zusatz D.G. (für: Dei Gratia) hinter dem Namen von Königin Elisabeth II.

Gottesgnadentum – Wikipedia
 
Tja, also, die Protestanten waren nun auch nicht so unbedingt antiautoritär. Schau mal ins Dritte Reich. Trennung von monarchischem Staat und Religion kam bei ihnen in Deutschland auch erst 1918 mit der Abdankung Wilhelms II.
Das ist mir zu eng gedacht, denn wir haben ziemlich spät zur Demokratie gefunden. Was ich meinte, waren vor allem England (nach dem englischen Bürgerkrieg im 17. Jahrhundert) und USA (nach der Unabhängigkeit), die beide im weitesten Sinn protestantisch geprägt waren und sind. Hier sind die Anfänge der modernen Demokratie zu sehen, denen andere Länder folgten, wobei diejenigen, wo die katholische Kirche großen Einfluss hatte und hat (z.B. Spanien), ziemlich die letzten waren.

Das Konzil von Konstantin z verurteilte den Tyrannenmord, doch gehört das unter die zumindest Interpretationsbedürftigen Beschlüsse unter der Hegemonie Sigismund, auf den des Öfteren Attentäter angesetzt waren. Teile der Kirche - schon Thomas von Aquin, später die Jesuiten - haben immer den Tyrannenmord unter bestimmten Umständen verteidigt.
[…]
In der Auseinandersetzung des 19. Jahrhunderts wurde dargelegt, dass verschiedene Staatsformen mit dem Christentum vereinbar seien. Konsequenterweise erklärte die Enzyklika 'Immortale Dei' 1885 die Neutralität der römisch-katholischen Kirche gegenüber den Staatsformen.
Es ist unwichtig, was wer wann gesagt hatte, wichtig ist allein, was diese Kirche tat. Und sie tat bis in den 20. Jhdt. alles, damit die alte Ordnung (Monarchie/Diktatur) bleiben bzw. sich die neue Ordnung nicht durchsetzen konnte – zuletzt war das in Spanien zu beobachten.
 
@ Carolus: Wie ich schon darstellte, bezieht sich der Römerbrief auf andere Verhältnisse, wie es den christlichen Kirchen immer bewusst war.

Doch nahmen sie eben, was nicht zu bestreiten ist, Einfluss auf alle europäischen Staatsformen bis hin zum Kommunismus.

Die Bejahung der Demokratie ergibt sich schon aus den zitierten Bedingungen der Enzyklika von 1885. Nach den Vorstellungen des 20. Jahrhunderts erfüllten diese Bedingungen nur rechtsstaatliche Demokratien.

Zudem ist da die Frage, ob es eigene Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Für Paulus war das illusorisch, die politische Ordnung hinzunehmen. Im Mittelalter erkannte man 'plötzlich', dass es Gestaltungsmöglichkeiten gab und dies auch eine Pflicht dazu begründete. Und gleichzeitig kommt dann die Frage nach dem Hinnehmen einer ungerechten Ordnung in einer christlichen Gesellschaft aus, die Sigismund ganz tagespolitisch in seinem Sinn durchdrückte, aber dennoch umstritten blieb. Bis zur Durchsetzung des demokratischen Rechtsstaats im 20. Jahrhundert blieb das Problem allen christlichen Konfessionen erhalten. Das Staatsrechtler, Philosophen, Monarchen und auch Geistliche Fürsten das Christentum für sich in Anspruch nahmen, heißt nicht, dass ihre Ansichten christliche Lehre waren. (Die protestantischen Fürsten, die sich das Bischofssitz anmaßten und so Gott das seine nahmen (wieder ;) ), widersprechen dem nicht wirklich, da die Lehre nicht so von ihnen abhing wie die katholische von den katholischen Bischöfen.)
 
Joas diskutiert u.a. den Anspruch der Kirche, im Rahmen ihrer Lehre bereits zentrale Aspekte des modernen Verständnisses der Menschenrechte zu inkorporieren.

Er verneint den Anspruch der Kirche, da es zwar Ähnlichkeiten gibt, aber auch zentrale Unterschiede.

In diesem Sinne - ohne es ad hoc begründen zu wollen - wäre vermutlich der Anspruch der Kirche auch in Bezug auf den Anspruch, das Fundament für eine Demokratie zu legen, zurück zu weisen.

Zu lange hat sich eine stark hierarchische Kirche in Europa als Garant für das tradierte monarchistische Gesellschaftsmodell legitimiert, um sich als Wegbereiter für demokratische Traditionen aufzuführen.

Joas, Hans (2015): Die Sakralität der Person. Eine neue Genealogie der Menschenrechte; mit einem neuen Vorwort. 1. Aufl., . Berlin: Suhrkamp​
Das ist eine auf ausgewählte Zeiten bezogene Interpretation und nicht haltbar. Die weitgehende Neutralität zur Frage der Staatsformen, sowie die Auseinandersetzung in der die neuzeitlichen Staatsformen entstanden sind genauso wenig zu bestreiten, wie die heutige Positive Haltung der christlichen Kirchen zur Demokratie.
 
Das ist mir zu eng gedacht, denn wir haben ziemlich spät zur Demokratie gefunden. Was ich meinte, waren vor allem England (nach dem englischen Bürgerkrieg im 17. Jahrhundert) und USA (nach der Unabhängigkeit), die beide im weitesten Sinn protestantisch geprägt waren und sind. Hier sind die Anfänge der modernen Demokratie zu sehen, denen andere Länder folgten, wobei diejenigen, wo die katholische Kirche großen Einfluss hatte und hat (z.B. Spanien), ziemlich die letzten waren.

Es ist unwichtig, was wer wann gesagt hatte, wichtig ist allein, was diese Kirche tat. Und sie tat bis in den 20. Jhdt. alles, damit die alte Ordnung (Monarchie/Diktatur) bleiben bzw. sich die neue Ordnung nicht durchsetzen konnte – zuletzt war das in Spanien zu beobachten.
Nicht vergessen sollte man allerdings auch diverse Stadtstaaten z. B. im katholischen Norditalien oder auch in Deutschland vor der Reformation, die im Mittelalter (rudimentär) demokratische Strukturen entwickelten. (Mit heutigen Demokratien kann man sie natürlich nicht vergleichen, aber das kann man auch im Fall Athens nicht, ebensowenig England im 17. Jhdt.) Sogar die Stadt Rom selbst wurde im Mittelalter zeitweise von gewählten Magistraten regiert (was allerdings durchaus auch Folge der Eindämmung päpstlicher Gewalt war).

Einen besonderen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Demokratie und einer bestimmten Kirche oder auch generell Religion kann ich nicht erkennen, ebensowenig aber dass eine in besonderer Weise ein Hindernis gewesen wäre.
 
Das ist mir zu eng gedacht, denn wir haben ziemlich spät zur Demokratie gefunden. Was ich meinte, waren vor allem England (nach dem englischen Bürgerkrieg im 17. Jahrhundert) und USA (nach der Unabhängigkeit), die beide im weitesten Sinn protestantisch geprägt waren und sind. Hier sind die Anfänge der modernen Demokratie zu sehen, denen andere Länder folgten, wobei diejenigen, wo die katholische Kirche großen Einfluss hatte und hat (z.B. Spanien), ziemlich die letzten waren.

Es ist unwichtig, was wer wann gesagt hatte, wichtig ist allein, was diese Kirche tat. Und sie tat bis in den 20. Jhdt. alles, damit die alte Ordnung (Monarchie/Diktatur) bleiben bzw. sich die neue Ordnung nicht durchsetzen konnte – zuletzt war das in Spanien zu beobachten.

@ Dion: Jetzt greifst Du einzelne Aussagen heraus, um ein Versäumniss zu behaupten, dass dem gesamten Beitrag nicht zukommt.

Dann nimmst Du Taten Einzelner um die Kirche, deren Standpunkt einzig und allein in ihren Aussagen zu fassen ist, zu diskreditieren. Dazu ziehst Du die Wortwahl der antikatholischen Hassprediger des späten 20. Jahrhunderts heran. Solche Rhetorik verfängt bei mir nicht und sollte auch keinen Platz im Forum haben. Es muss ja nicht jeder mit dem Christentum oder der Katholischen Kirche einer Meinung sein, aber wir Christen haben Anspruch auf die Respektierung unserer Würde wie alle anderen auch. Das schließt ein, dass wir nicht durch die Benutzung solcher Sprache diskriminiert werden. Es mag sein, dass Du Dir des Ursprungs solcher Wortwahl nicht bewusst bist, aber mich korrigiert man hier im Forum auch immer, wenn ich einen Trigger nicht kenne. Und wenn ich selbst betroffen bin, lässt es sich nicht vermeiden, selbst darauf aufmerksam zu machen.

Bedenke auch, dass die Kirche in Spanien damals keine Macht hatte, Bischöfe einzusetzen. Noch heute bestreitet der spanische König das zumindest im Prinzip.

@ Ravenik: Der Einfluss der christlichen Religion auf die heutigen westlichen Staatsformen ist nicht zu leugnen. Die Auseinandersetzungen seit der Wiederentdeckung des Staates im Mittelalter zeigen das ganz klar. Alles andere wäre kontrafaktisch. Die wichtigste Philosophie einer Zeit -damals galt das Christentum als 'die' Philosophie- hat natürlich Einfluss auf entstehende Formen des Zusammenlebens, auch wenn sie ablehnt die Staatsformen aus ihrer Lehre zu entwickeln.
 
Das ist eine auf ausgewählte Zeiten bezogene Interpretation und nicht haltbar.

Ach ehrlich? Da hätte ich doch gerne eine etwas ausführlichere Begründung. Hilfreich wäre, es vorher zu lesen und dann es abzulehnen! Joas ist nicht irgendein Blödmann, den man einfach mit einer flapsigen Bemerkung beiläufig zur Seite wischen kann!

Aber mittlerweile reicht es ja, einfach nur "autoritativ" festzuhalten, dass man anderer Meinung sei. Und ohnehin "Autoritäten" ablehnt und sich dann selber zu einer macht!

Ansonsten würde ich das Originalzitat vielleicht nochmal lesen. Da wird der Zusammenhang zwischen den Menschenrechten und der Entwicklung der Demokratie explizit benannt.

Sofern es für die Menschenrechte zu verneinen wäre, hätte es - rein logisch - auch Auswirkungen auf den Anspruch, im Rahmen der konfessionellen Ideologie einen positiven Beitrag zur Entwicklung der Demokratie geleistet zu haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bezog mich weniger auf Joas als auf die Annahme einer unveränderten christlichen Lehre. Natürlich ist Menschenrechte im mittelalterlichen Christentum zu suchen ein ebensolches Missverständnis wie persönliche Individualität oder die Goldene Regel bei Konfuzius zu finden, wie es bei uns verbreitet ist. Aber das bedeutet nicht, dass das Christentum hier nicht später eine Rolle spielte. Auch Marx ist ohne Christentum nicht denkbar, wenn man sich nicht ausgewählte Zeiten sucht.

Du beachtest doch sonst auch die Zusammenhänge von Ideologien. Lässt man bei den vorliegenden Fragen das Christentum außer acht, erklärt man große Teile unserer Kultur als a priori gerechtfertigt oder als selbstverständlich vorhanden. Eine Haltung, die doch heute als überwunden gelten muss, zumal die fraglichen Aspekte aus dem Christentum entwickelt worden sind. 'Aus', nicht unbedingt 'im Einklang mit', aber doch auch nicht als kontradiktorischer Widerspruch und oft genug in der eben von mir kritisierten europäisch-christlichen Ignoranz doch als selbstverständlich aus dem Christentum übernommen.

Hinzu kommt, dass die Entwicklung recht gut beobachtbar ist und die Behauptung des fehlenden christlichen Einflusses eben kontrafaktisch.
 
Und wer genau gelesen hat, dürfte auch merken, dass das Christentum seit dem späten Mittelalter durchaus Ansätze zur Demokratie bot.
Erst seit dem späten Mittelalter?

"Der Papst wurde als Bischof von Rom zunächst wie alle Bischöfe von Klerus und Volk seiner Diözese gewählt. Im Frühmittelalter entschieden die römischen Adelsfamilien über die Besetzung des Heiligen Stuhls. Ein Papstwahldekret räumte 1059 den Kardinälen das Recht ein, als erste abzustimmen. Im Jahr 1179 wurde dann das Mehrheitsprinzip, nach dem zwei Drittel der Stimmen den Wahlsieg brachten, in dem nur noch auf die Kardinäle beschränkten Wahlkollegium eingeführt."

Die 101 wichtigsten Fragen - Mittelalter
 
Da geht es um die römische Bischofswahl, nicht um die Staatsform Demokratie. Natürlich kann man das als demokratischen Ansatz sehen, aber im Grunde wäre das daneben gedacht, da es um ein Gemeindeamt ging, während es noch zu früh für eine Staatsform ist, worüber im Forum schon mehrfach gehandelt wurde. Die Begründung des einen lag in der antiken Tradition der Organisation der einzelnen Gemeinden, während es bei der Staatsformdiskussion um Setzung ging. Im Grunde wäre es wie bei den Menschenrechten daneben gedacht. Aber ich stimme zu, dass das Wissen um solche Bischofsresidenz den Gedanken an Demokratie begünstigt haben können.

Wie ich schon schrieb kann man Einfluss auf verschiedenen Ebenen verstehen. Ich bezog mich vorwiegend auf die Stellung der christlichen Lehre dazu und auf die die Entwicklung begleitende philosophisch-rechtliche Diskussion. Aber es geht ja eigentlich um die Ansichten Bischof Osters, der es wohl als der Demokratie günstigen Aspekt verbuchen würde.
 
Übrigens hat die bevölkerungsreichste Demokratie dieser Erde wenige Christen.
Fern davon, mir Osters These zueigen zu machen: Du meinst sicher Indien, nicht wahr? Oster sagt ja nicht von Staaten mit nominell demokratischer Verfassung sondern von funktionierenden Demokratien. Dies natürlich in einen tagespolitischen Kontext eingebettet, auf den ich nicht weiter eingehen will.
 
Da geht es um die römische Bischofswahl, nicht um die Staatsform Demokratie. Natürlich kann man das als demokratischen Ansatz sehen, aber im Grunde wäre das daneben gedacht, da es um ein Gemeindeamt ging, während es noch zu früh für eine Staatsform ist
Im 8. Jahrhundert war der Bischof von Rom bereits Staatschef. Da sind wir noch weit vom "späten Mittelalter" entfernt.
 
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Autokorrektur, das sollte Bischofsresidenz heißen. Es ist reproduzierbar, gemeint ist die B.-Wahl. Der Bischof von Rom kann um 800 kein Staatschef gewesen sein, da es keine Staaten in dem Sinne gab, dass wir von Staatsform sprechen könnten. Denn, wenn wir von Staatsformen sprechen, reden wir von richtigen Staaten, nicht von sog. "primitiven Staaten", wie das Frankenreich einer war.

Allgemein zum Thema halte ich die generelle Diskussion für recht müßig, da das Abendland nun einmal derart tiefgehend vom Christentum geprägt wurde, dass eine Annahme, es gäbe eine relevante Diskussion ohne einen christlichen Einfluss kaum zu begründen sein wird.

Demgegenüber ist interessant, wie sich der Einfluss äußerte.

Zufällige Gemeinsamkeiten wie eben die Wahl von Amtsträgern es wäre?
Ein Aufbau der Demokratie oder gar ihre Grundlegung aus christlichen Werten, wie der Bischof es sieht? (Und damit wohl vieles fehlinterpretiert.)
Ein Ausschluss von Christentum und Demokratie? (Was durch so manche Beispiele widerlegt wird.)
Ein Ringen von Christentum und Demokratie? (Was wieder nur ein Missverständnis sein könnte, da viele Verfechter der Demokratie Christen waren.)
Oder doch ein Diskurs und normale Geschichte, bei der das Christentum aufgrund seiner zentralen Bedeutung in Europa sowohl Einfluss nahm, als auch beeinflusst wurde?

Abgesehen von der ersten und letzten Position ist wohl der Wunsch verschiedener Interessengruppen Vater des Gedankens. Selbst, wenn ich eine Übereinstimmung von heutigem Christentum mit der Demokratie feststellen, kann ich das nicht auf vergangene Zeiten übertragen. Wie ich schon schrieb: Die Begründung der Staatsform wurde in aller Regel außerhalb des Christentums gesucht, weil eine Begründung aus dem Christentum zumeist als der Offenbarung widersprechende gesehen wurde.

Damit bleibt die übliche Beeinflussung, oder, wo äußerliche Ähnlichkeiten gesehen werden, natürlich auch der Zufall.

In dem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, was unter Christentum verstanden wird. Nicht die Frage, welche Lehre darunter verstanden wird, sondern, wessen Position man als relevant empfindet: Papst, der König in Preussen, ein Konzil, eine Strömung, bestimmte Schulen? Oder sollten wir nicht auch hier die allgemeine Entwicklung der jeweiligen Zeit und das Verhältnis der jeweiligen Strömungen untereinander betrachten, wie es bei Religionen,
Philosophien und Ideologien sonst auch üblich ist?
 
Denn, wenn wir von Staatsformen sprechen, reden wir von richtigen Staaten, nicht von sog. "primitiven Staaten", wie das Frankenreich einer war.
Da wir ohnehin nur von "Ansätzen" sprechen, hatte ich das nicht so eng gesehen.

Die poleis des Aristoteles, waren das schon richtige Staaten?
 
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