Gibt es einen Zusammenhang zw. Christentum und Demokratie?

Insofern könnte man auch fragen, ob es zwischen Faschismus und Christentum einen Zusammenhang gibt.
Den gibt es zweifellos: Mit Ausnahme der sogenannten Befreiungsthelogie Lateinamerikas, die sich bewusst gegen die offizielle katholische Kirche stellte – und dafür vom Vatikan gemaßregelt wurde! – stand die katholische Kirche immer auf der Seite derer, die von der Demokratie nicht viel halten.

Dafür war ihr offenbar jedes Mittel recht, denn sie schloss das Konkordat mit dem III. Reich wenige Monate nachdem Hitler durch das Verbot bzw. Selbstauflösung der Parteien die Demokratie praktisch abgeschafft hatte. Mehr noch: Sie rühmte sich noch 4 Jahre später dieser Tat – um mich nicht zu wiederholen, sehen Sie bitte dazu diesen meinen Beitrag vom 20. Januar 2015 in einem anderen Thread, der danach leider nicht weiter geführt wurde.
 
Hier würde es sich anbieten nachzuforschen, wie in Konkordaten mit anderen Staaten die entsprechenden Regelungen aussehen.
Siehe hier:
http://www.gbv.de/dms/spk/sbb/recht/toc/273340832.pdf

ZB Bayern 1924 verzichtete auf den Treueeid (bzw. seine Wiederholung aus 1817) , es gab jedoch eine politische Versicherungsklausel in Artikel 14, dass unerwünschte „politische Erinnerungen“ gegen jeweilige Bischofskandidaten nicht vorliegen.* 1933 wurde der Treueeid durch das überdeckende Reichskonkordat wieder eingeführt.

Die Entstehungsgeschichte läßt keinen Raum, dass dieser Eid NS-typisch sei. Die Frage ist, und das wurde kritisch diskutiert, ob durch den Eid etc. der Vatikan im speziellen Fall 1933 umfassend den Rückzug des politischen Katholizismus freigegeben habe.

Artikel V Treueeid Republik Lettland
http://194.242.233.158/denqPacelli/index.php?view=sub_layout&subConstraints[byID]=yes&subConstraints[id]=18195

* staatliches Erinnerungsrecht als „politische Klausel“
Zum Vatikan und der historischen Kontroverse
http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1983_3_6_repgen.pdf
 
Zuletzt bearbeitet:
1801 befinden wir uns im revolutionären Frankreich - ich möchte jetzt keine Vergleiche zwischen Jakobinern und Faschisten ziehen (schade, dass es das Teufelchen-Emoticon nicht mehr gibt)

Mit dem Teufelchen kann ich dienen: devil.gif

à propos Teufel: es gibt eine Aussage von Papst Piux XI von 1929: "Wenn es darum geht, einige Seelen zu retten, werden wir den Mut haben, mit dem Teufel in Person zu verhandeln." lt. 40 Jahre Reichskonkordat: Mit dem Teufel sprechen

Das Reichskonkordat gilt übrigens bis heute. Hier der neue Erzbischof von Köln, Woelki, beim Ableisten des Eides vor Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, und Jacqueline Kraege, Staatssekretärein Rheinland-Pfalz:

220px-Staatlicher_Treueeid_Erzbischof_Woelki_.jpg


Zur Weitergeltung des Reichskonkordats in der DDR habe ich ad-hoc nicht viel gefunden. M. W. sah sich die DDR als ein neues Völkerrrechtssubjekt, so dass aus juristischer Sicht (der DDR) das Konkordat eigentlich keine Anwendung finden dürfte.

Laut dieser Seite haben wohl die Erzbischöfe von Berlin - das Bistum erstreckte sich über die gesamte Stadt - den Eid nicht abgelegt: Berlins neuer Erzbischof Koch leistet am Montag staatlichen Treueid

In Frankreich wurde das Konkordat 1905 aufgehoben, gilt allerdings im Gebiet des ehemaligen Reichslandes Elsaß-Lothringen weiter.

Siehe hier:
http://www.gbv.de/dms/spk/sbb/recht/toc/273340832.pdf

ZB Bayern 1924 verzichtete auf den Treueeid (bzw. seine Wiederholung aus 1817) , es gab jedoch eine politische Versicherungsklausel in Artikel 14, dass unerwünschte „politische Erinnerungen“ gegen jeweilige Bischofskandidaten nicht vorliegen.* 1933 wurde der Treueeid durch das überdeckende Reichskonkordat wieder eingeführt.

Die Entstehungsgeschichte läßt keinen Raum, dass dieser Eid NS-typisch sei. Die Frage ist, und das wurde kritisch diskutiert, ob durch den Eid etc. der Vatikan im speziellen Fall 1933 umfassend den Rückzug des politischen Katholizismus freigegeben habe.

Artikel V Treueeid Republik Lettland
http://194.242.233.158/denqPacelli/index.php?view=sub_layout&subConstraints[byID]=yes&subConstraints[id]=18195

* staatliches Erinnerungsrecht als „politische Klausel“
Zum Vatikan und der historischen Kontroverse
http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1983_3_6_repgen.pdf

Danke für den Link. Letztendlich sieht sich die katholische Kirche mit verschiedenen polischen Systemem konfrontiert, mit denen sie kooperieren muß, um ihren Aufgaben nachzukommen.

Hier ist noch ein Artikel zur Politik des Vatikans gegenüber dem Dritten Reich:
ZEITGESCHICHTE: Pakt zwischen Himmel und Hölle - DER SPIEGEL 17/2003
 
Bischof Oster schrieb:
...ich glaube ehrlich gesagt, es gibt einen inneren Zusammenhang zwischen dem christlichen Fundament und einer funktionierenden Demokratie. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass in den allermeisten Ländern, wo Demokratien funktionieren, eine christliche Kultur vorausgegangen ist, eine Kultur, die die Personenwürde achtet, die die Menschenwürde, die Freiheit der Menschen achtet, die auf Diskurs aus ist und aufbaut.

Es mag kleinlich erscheinen, aber es wurde in den meisten Beiträgen an der zentralen These vorbeidiskutiert. Im Kern sagt er, dass die Fundierung der Demokratie auf einer "Kultur" aufbaut, in deren Zentrum die Menschenwürde und die Freiheit der Menschen steht. Damit reklamiert er für die Kirche, dass sie maßgeblich dieses Verständnis der Menschenwürde mit errichtet hat und deswegen sich indirekt auch als Vorbereiter einer demokratischen Kultur ansehen kann.

Diesem wurde u.a. von mir mit Joas widersprochen, der sich explizit mit der historischen Entwicklung der Menschenrechte auseinandergesetzt hatte (vgl. z.B. Hunt, Joas und Menke). Bisher ist kein Autor in diesem Thread benannt worden, der relativ neutral, also nicht als Vertreter von Kircheninteressen, eine gegenteilige Position bezogen hätte.

Begibt man sich denn trotzdem auf "Spurensuche" nach einer expliziten demokratischen Tradition - bzw. den einzelnen Komponenten - als Fundament moderner demokratische Strukturen in der Kirche, dann wird man aus der Sicht der Literatur eher enttäuscht.

Folgt man z.B. der Auswahl von Hoerster, dann ergeben sich explizit Überlegungen zur Demokratie bei den antiken griechischen Klassikern. Für das Mittelalter wird man eher auf Augustinus und den "Gottesstaat" verwiesen. Ähnlich die Darstellung bei Flasch, der den Begriff "Demokratie" noch nicht einmal im Sachregister aufführt. Ähnlich die Darstellung bei Beyme (S. 19ff) für das Mittelalter. Einer Periode, die durch einen intensiven Machtkampf zwischen der Kirche und der weltlichen Macht gekennzeichnet war und es um autokratische Herrschaftsansprüche der einen wie der anderen Seite ging. Aber sicherlich nicht um die Fundierung einer demokratischen Praxis, basierend auf den Prinzipien der Menschenrechte. Die - auch christlichen - Exzesse der Kreuzzüge liegen gerade zurück und die "Hexenverfolgung" bzw. die von "Ketzern" durch die Inquisition lagen zum großen Teil noch in der Zukunft.

Folgt man der "Spurensuche" weiter durch den Verlauf der Geschichte, so schreiben Andresen und Denzler (S. 177), dass sich der Begriff der "Christlichen Demokratie" zur Zeit der Französischen Revolution ausbildet. Wie ohnehin von einzelnen Vertretern des Klerus (vgl. z.B. Abbe Sieyes) durch wichtige theoretische Beiträge zur Fundierung der Ideen der Französischen Revolution geleistet worden sind.

Aber es waren einzelne Personen, die in der Regel gegen die "Amtskirchen" agierten und diese demokratische Gedankengut entwickelte sich in einem weltlichen Kontext und teilweise im Antagonismus zur Amtskirche.

Dennoch ist auch anzumerken, dass die Amtskirche und ihre zentralen ideologischen Aussagen immer wichtige Bezugspunkte für die Entwicklung eigenständiger emanzipatorischer Theorien waren, wie bei Marx oder Engels deutlich ersichtlich.

Dieser Beitrag der Kirche als negative Folie der Entwicklung moderner demokratischer Theorien und Praxis ist hoch einzuschätzen, aber er wäre - im statistischen Sinne - mit einem negativen Vorzeichen versehen!!!

Der eigentliche Paradigmenwechsel der Kirche in Bezug auf demokratische Ideale fand erst nach dem WW2 statt

Und Bajohr ignoriert komplett die Rolle der Kirchen bei seiner Geschichte des demokratischen Zeitalter!

Andresen, Carl; Denzler, Georg; (2004): Wörterbuch Kirchengeschichte. Genehmigte und aktualisierte Lizenzausg. Wiesbaden: Marix.
Bajohr, Stefan (2014): Kleine Weltgeschichte des demokratischen Zeitalters. Wiesbaden: Springer VS
Beyme, Klaus von (2009): Geschichte der politischen Theorien in Deutschland 1300 - 2000.Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss.
Flasch, Kurt (1986): Das philosophische Denken im Mittelalter. Von Augustin zu Machiavelli. Stuttgart: Reclam.
Hunt, Lynn (2008): Inventing human rights. A history. New York : Norton.
Hoerster, Norbert (Hg.) (1997): Klassische Texte der Staatsphilosophie. München: Dt. Taschenbuch Verl.
Joas, Hans (2015): Die Sakralität der Person. Eine neue Genealogie der Menschenrechte; mit einem neuen Vorwort. . Berlin: Suhrkamp
Joas, Hans (2015): Sind die Menschenrechte westlich?: Kösel.
Menke, Christoph; Raimondi, Francesca (Hg.) (2011): Die Revolution der Menschenrechte. Grundlegende Texte zu einem neuen Begriff des Politischen. Berlin: Suhrkamp
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Der eigentliche Paradigmenwechsel der Kirche in Bezug auf demokratische Ideale fand erst nach dem WW2 statt.
Ja, wenn auch nicht sofort – man denke hier an die Aktivitäten des Vatikans in Bezug auf Rattenlinien. Diese Aktivitäten beweisen die außerordentliche Nähe der katholischen Kirche zu den Faschisten und Kriegsverbrechern, die mit ihrer Hilfe der gerichtlichen Anklage und Bestrafung entkommen konnten.
 
Folgt man z.B. der Auswahl von Hoerster, dann ergeben sich explizit Überlegungen zur Demokratie bei den antiken griechischen Klassikern. Für das Mittelalter wird man eher auf Augustinus und den "Gottesstaat" verwiesen. Ähnlich die Darstellung bei Flasch, der den Begriff "Demokratie" noch nicht einmal im Sachregister aufführt. Ähnlich die Darstellung bei Beyme (S. 19ff) für das Mittelalter. Einer Periode, die durch einen intensiven Machtkampf zwischen der Kirche und der weltlichen Macht gekennzeichnet war und es um autokratische Herrschaftsansprüche der einen wie der anderen Seite ging. Aber sicherlich nicht um die Fundierung einer demokratischen Praxis, basierend auf den Prinzipien der Menschenrechte. Die - auch christlichen - Exzesse der Kreuzzüge liegen gerade zurück und die "Hexenverfolgung" bzw. die von "Ketzern" durch die Inquisition lagen zum großen Teil noch in der Zukunft.
Ich würde Augustinus nicht so untergraben. Denn für die Frage, in welchem Verhältnis sollen Religion und Politik, Kirche und Staat zueinander stehen, findet man bei ihm die Antwort. Die Trennung von Kirche und Staat ist das Ergebnis, wie du bereits gesagt hast, eines erbitterten Machtkampfes zwischen Papst und Kaiser, zwischen Kirche und den allmählich entstehenden europäischen Staaten. Genau so von großer Bedeutung sind die für die politische und philosophische Entwicklung Europas die Religionskriege und der Kampf um zwei Fundamentalprinzipien westlicher Politikauffassung: Religionsfreiheit und Toleranz!
Diese Ergebnisse währen ohne das Christentum kaum denkbar gewesen.

Bei Augustinus treten das christliche Weltverständnis in aller Deutlichkeit und Radikalität hervor. Augustinus hat das Mittelalter tief geprägt und als bedeutendster der Kirchenväter beeinflusst er die christliche Theologie und Philosophie bis heute.

Aus moralischer Sicht hängen Politik und Religion miteinander zusammen. Dies führt zu der Frage, wie die religiösen Grundlagen das Politische betreffen und in welchem Verhältnis unterschiedliche Religionen zum Demokratieverständnis und zur Menschenrechtskultur des Westens stehen. Die Idee und das Prinzip der Toleranz, der Religionsfreiheit und der Trennung von Staat und Kirche verdanken sich einer historischen Entwicklung, die in dieser Form nur in Europa zu beobachten war - im christlichen Europa.
Will man dies systematisch einordnen, stellt sich die Frage: Gibt es bestimmte Fundamente moderner liberaler Moral- und Wertvorstellungen, die über den rein diesseitigen Zuschnitt eben dieser Werte hinausragen?

Flasch, Kurt: Augustin. Einführung in sein Denken, Stuttgart 2003.
Flasch, Kurt: Über Augustinus. Einleitung, in: ausgewählt und vorgestellt von Kurt Flasch, hrsg. von Peter Sloterdijk, München 2000, S. 12-58.
Fuhrer, Therese: Augustinus, Darmstadt 2004.
Gornbocz, Wolfgang: Die Philosophie der ausgehenden Antike und des frühen Mittelalters, München 1997.
Habermas, Jürgen: Ein Gespräch über Gott und die Welt, in: ders.: Zeit der Übergänge. Kleine Politischen Schriften IX, Frankfurt a. M. 2001, S. 173-196.
Heinzmann, Richard: Philosophie des Mittelalters, Stuttgart 1998.
Maier, Hans: Augustin, in: Maier, Hans/ Rausch, Heinz/ Denzer, Horst (Hg.): Klassiker des politischen Denkens, Erster Band: Von Plato bis Hobbes, München 1986, S. 94-109.
Ottman, Henning: Geschichte des politischen Denkens. Band 2/2: Das Mittelalter, Stuttgart/ Weimar 2004
 
Will man dies systematisch einordnen, stellt sich die Frage: Gibt es bestimmte Fundamente moderner liberaler Moral- und Wertvorstellungen, die über den rein diesseitigen Zuschnitt eben dieser Werte hinausragen?

Und wenn der umfangreiche Literaturhinweis zu mehr taugen würde, als der nicht erste Versuch einer Persiflage auf meine Literaturhinweise zu sein, dann hättest Du wenigstens ansatzweise versuchen können, beispielsweise die Berechtigung eines Habermas in der Literaturauswahl zu verdeutlichen. Andere Literaturhinweise stehen genauso sinnlos und ohne Bezug in Deiner Liste. So bleiben die Ausführungen leider im Rahmen einer Persiflage stecken und darin unterscheiden wir uns dann doch, zum Glück!
 
Was heißt denn hier Persiflage? Es gibt nicht nur die eine Meinung. Und einen Augustinus sollte man schon heranziehen und nicht einfach mal heranziehen. Es gab im Mittelalter weitere Theoretiker, die nicht unwichtig sind. Thomas von Aquin, Dante, Marsilius von Padua oder Wilhelm von Ockham. Das demokratische Gedankengut und moralische Wertvorstellungen entwickelten sich nicht nur in der Franz. Revolution oder nach dem 2. Weltkrieg. In den modernen westlichen Verfassungen sind lediglich die Rechte der Bürger niederlegt, welche die individuelle Freiheit schützen und zumeist formuliert als Abwehrrechte gegen den Staat. Woher wird aber der Bürger zu mehr als einem Nutzen maximierenden "homo oeconomicus"? Woher kommen die sozialen Werte und solidarischen Verpflichtungen, ohne die auf Dauer kein demokratisches System bestehen kann? Braucht man am Ende doch Bezüge zur Religion, um etwa die "Würde des Menschen" als unverfügbares, allem staatlichen Zugriff entzogenes Wertfundament plausibel zu machen?
Dies sind v.a. soziologische und philosophische Fragen. Und da kommt Habermas ins Spiel, der auf S. 187 seine Haltung zum abendländischen Erbe des demokratischen Westens sagt: "Ich will nur sagen, dass mich der Nachweis theologischer Erbschaftsverhältnisse nicht stört, solange die methodische Differenz der Diskurse erkennbar ist, solange also der philosophische Diskurs der eigensinnigen Forderung einer begründeten Rede gehorcht."
Habermas sagt, dass die politische Philosophie und liberale Demokratie zusammen nach vernünftige Antworten und fairen Prozeduren suchen, um nicht zuletzt den religiösen Pluralismus zu organisieren. Es sind weltliche Antworten auf Fragen einer Politik, die im Mittelalter durch das jenseitige Heilsversprechen dramatisch relativiert wurde und der es - auch durch u.a. Augustinus, Thomas von Aquin, gelungen ist, die Religion ihrerseits politisch zu relativieren.
 
Dies sind v.a. soziologische und philosophische Fragen. Und da kommt Habermas ins Spiel, der auf S. 187 seine Haltung zum abendländischen Erbe des demokratischen Westens sagt: "Ich will nur sagen, dass mich der Nachweis theologischer Erbschaftsverhältnisse nicht stört, solange die methodische Differenz der Diskurse erkennbar ist, solange also der philosophische Diskurs der eigensinnigen Forderung einer begründeten Rede gehorcht."

Das ist insofern richtig, als er über seine persönliche Haltung zum „Telos der Verständigung“ spricht und konzidiert: „dass meine Konzeption der Sprache und des kommunikativen, verständnisorientierten Handelns vom christlichen Erbe zehrt.“ (S. 187). Wichtig ist aber auch die Abgrenzung zur theologischen Konzeption, indem er deutlich macht: „Eine Philosophie, die die Grenze des methodischen Atheismus überschreitet, verliert in meinen Augen ihren philosophischen Ernst.“ Und fährt fort: „Denn es gehört zur Würde der Philosophie, unnachgiebig darauf zu beharren, dass kein Geltungsanspruch kognitiv Bestand haben kann, der nicht vor dem Forum der begründeten Rede gerechtfertigt ist.“ (ebd. S. 189)

In diesem Sinne negiert er nicht persönlich für sein eigenen Denken !!!!!! das "Erbe", allerdings grenzt er die philosophische Praxis deutlich ab und negiert somit auch Teile des Erbes.

Nein, das ist ein wenig hilfreiches Zitat, mit dem „ervie“ seine Argumentation untermauern möchte. Die relevante Passage aus dem Habermas-Interview findet sich bereits zu Beginn.

„Das Christentum ist für das normative Selbstverständnis der Moderne nicht nur eine Vorläufergestalt oder ein Katalysator gewesen. Der egalitäre Universalismus, aus dem die Idee von Freiheit und solidarischem Zusammenleben, von autonomer Lebensführung und Emazipation, von individueller Gewissensmoral, Menschenrechten und Demokratie entsprungen sind, ist unmittelbar ein Erbe der jüdischen Gerechtigkeits- und christlichen Liebesethik. In der Substanz unverändert, ist dieses Erbe immer wieder kritisch angeeignet und neu interpretiert worden.“ (ebd. S. 175)

Damit bewegt sich Habermas, als Angehöriger der 2. Generation der „Frankfurter Schule“ in einer gewissen historischen Konstanz zur ersten Generation (vgl. Link)

http://www.geschichtsforum.de/thema/walter-benjamin-k-ein-marxist.52717/

Dem kann ich soweit folgen, zumal Joas ähnlich differenziert argumentiert. Komischerweise hat niemand nachgefragt, was Joas denn konkret in seiner Genealogie formuliert.

Dennoch bleibt auch vor diesem Hintergrund der Anspruch, der im ursprünglichen Interview des Kirchenmann`s formuliert wurde fraglich. Auch deswegen, weil unterschiedliche Ebenen der Interpretation zu beachten sind.

Zum einen finden wir die Religiösität auf der Ebene des Individuums. Und Taylor macht diesen Aspekt beispielsweise an dem Weltbild von Locke deutlich (S. 413ff) . Andererseits ist es die Kodifizierung der „Offenbarung“ im Rahmen der christlichen Theologie, die die entsprechenden Traditionsbestände bereitstellt, auf die sich auch ein Habermas bezieht. (Bibel etc.) Und nicht zuletzt ist es die konkrete Anwendung der theologischen Normen in der Praxis durch die Amtskirche, die teilweise aus Gründen der Herrschaftssicherung als konträr zu den theologischen Normen wahrgenommen wurden. Und gerade auch bei besonders religiösen Kirchenmännern zu einem Konflikt mit der Amts-Kirche geführt haben.

Aus meiner Sicht abschließend wird man den Einfluß der christlichen Theologie auf die Ausprägung von Werten in den westlichen Gesellschaften nicht ernsthaft negieren können. Wäre ich auch der letzte, der es tun würde. Aber gleichzeitig kann die Amts-Kirche ihre teilweise affirmative Rolle bei der Rechtfertigung von Unrecht (Kolonialismus etc.) nicht leugnen und ihre repressive Vorgehensweise gegenüber kritischen Stimmen. Und diese Liste ließe sich erweitern.

In diesem Sinne wäre eine sehr differenzierte Bewertung angemessen und auch von Seiten der Amts-Kirche selbstkritische Betrachtungen nicht ganz falsch. Und deswegen halte ich die Anmaßung von Bischof Oster weiterhin für nicht gerechtfertigt.

Habermas, Jürgen (2015): Zeit der Übergänge. Kleine Politische Schriften IX. 4. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Edition Suhrkamp, 2262).
Taylor, Charles: Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität. Frankfurt am Main: Suhrkamp
 
Und deswegen halte ich die Anmaßung von Bischof Oster weiterhin für nicht gerechtfertigt.
Wie du dir denken kannst, halte ich sie in einigen Teilen für berechtigt. Denn sind andere Religionen mit der westlichen Vorstellung von Demokratie überhaupt kompatibel, so wie der Islam?

Aber gleichzeitig kann die Amts-Kirche ihre teilweise affirmative Rolle bei der Rechtfertigung von Unrecht (Kolonialismus etc.) nicht leugnen und ihre repressive Vorgehensweise gegenüber kritischen Stimmen. Und diese Liste ließe sich erweitern.
Dies kann man mit Joas ja widersprechen. Denn er schlägt vor, "den Glauben an die Menschenrechte und die universale Menschenwürde als das Ergebnis eines spezifischen Sakralisierungsprozesses aufzufassen - eines Prozesses, in dem jedes einzelne menschliche Wesen mehr und mehr und in immer stärker motivierender und sensibilisierender Weise als heilig angesehen und dieses Verständnis im Recht institutionalisiert wurde" (S.18). Joas stellt die Geschichte der Menschenrechtsdeklarationen des späten 18. Jahrhunderts als primär "innerchristliche und innerjüdische Lerngeschichte" (S.33) vor. Und zum Schluss betont Joas die Bedeutung der nordamerikanischen "Bill of Rights" sowie ihrer religiösen Wurzeln und Motive (S.54).

Also sagt Joas ja selbst, dass es eine Entwicklung ist, die zu den Menschenrechten führte. Im dritten Kapitel geht er der Frage nach, wie die Wertbindungen, die dem menschenrechtlichen Fortschritt zugrunde liegen, als kreative Reaktionen auf traumatisierende Erfahrungen von Gewalt und Ohnmacht erklärt werden können. Exemplarisch nimmt er den Kampf gegen die Sklaverei im 19. Jahrhundert als Soziale Bewegung, die wertegeneralisierend gewirkt habe, weil sie mit der im "christlichen Glauben immer schon enthaltene[n] Aufforderung zur moralischen Dezentrierung" (S.141) ernst gemacht und gerade aus ihren religiösen Wurzeln eine starke "Motivation zur universalistischen Moral" (S.146) entwickelt habe, die der philosophische Diskurs selbst nicht habe vorbringen können.

So. Wo Oster aber daneben liegen würde ist, dass die letzten Wertgrundlagen demokratischer Verfassung unweigerlich religiöser Natur sind. Denn die Sprecher der Religionen, die diesen Anspruch erheben, wären gleichsam auf natürlichem Wege zu den berufenen Anwälten und Interpreten dessen, was die politische Kultur der Demokratie eigentlich verlangt und was die Verfassung in konkreter Lage über den Gehalt ihres Textes hinaus zu bedeuten hat. Religionen leisten insofern ihren Beitrag zur Legitimation und Stabilität demokratischer Rechtsstaaten, ob sie ihrerseits politisch erfolgreich zivilisiert worden und vor allem vom Bürgergeist moderner Zivilgesellschaften durchdrungen ist. Die Zivilisierung der Religion und die Ausprägung der Demokratie haben sich in einem konfliktreichen Wechselverhältnis ergeben. Dort, wo dies nachhaltig geschehen ist, wie in den meisten modernen Demokratien, können Religionen mit der Zeit zu zentralen Säulen von Zivilgesellschaft und demokratischen Staat werden.
 
ah ja:
Joas, Hans: Die Sakralität der Person. Eine neue Genealogie der Menschenrechte. Berlin 2011.
 
Wie du dir denken kannst, halte ich sie in einigen Teilen für berechtigt. Denn sind andere Religionen mit der westlichen Vorstellung von Demokratie überhaupt kompatibel, so wie der Islam?


Dies kann man mit Joas ja widersprechen. Denn er schlägt vor, "den Glauben an die Menschenrechte und die universale Menschenwürde als das Ergebnis eines spezifischen Sakralisierungsprozesses aufzufassen - eines Prozesses, in dem jedes einzelne menschliche Wesen mehr und mehr und in immer stärker motivierender und sensibilisierender Weise als heilig angesehen und dieses Verständnis im Recht institutionalisiert wurde" (S.18). Joas stellt die Geschichte der Menschenrechtsdeklarationen des späten 18. Jahrhunderts als primär "innerchristliche und innerjüdische Lerngeschichte" (S.33) vor. Und zum Schluss betont Joas die Bedeutung der nordamerikanischen "Bill of Rights" sowie ihrer religiösen Wurzeln und Motive (S.54).

Nun war aber die Erklärung der Menschenrechte immer noch ein Akt der Aufklärung und nicht des Christentums. Daran ändern auch die Virginia Bill of Rights nichts.

Wenn ich richtig verstehe, postulierst Du und Joas (den ich nicht gelesen habe), dass die Idee der Menschenrechte und der universalen Menschenwürde aus einem "Sakralisierungsprozess" der jüdisch-christlichen Religionsethik hervorgegangen ist. Ganz abgesehen davon, dass ich (noch) nicht weiss, was ich von einem Sakralisierungsprozess, der mehr als 1'700 Jahre braucht, um bei der universalen Menschenwürde zu landen, halten soll, unterschlägt diese Sichtweise, dass bereits die Stoiker mit der "Vernunft des Weltnaturgesetzes" resp. des Kosmos, das sie zur Basis ihrer Ethik gemacht haben, die universale Menschenwürde definiert haben - ganz ohne christliche Unterstützung.

Ob andere Religionen mit der westlichen Vorstellung von Demokratie kompatibel sind ? M.E. sind eigentlich alle Religionen - mit Ausnahme des Buddhismus vielleicht - nicht kompatibel mit der westlichen Demokratie-Vorstellung - es sei denn, die Religionen verzichten auf ihre Dogmen. Ob aber eine Religion ohne Dogmen noch als Religion angesprochen werden kann, ist eine andere Frage. Im Übrigen: wenn das Christentum der westlichen Demokratie so förderlich gewesen ist, verstehe ich nicht, weshalb damals überhaupt eine Trennung von Kirche und Staat nötig geworden war.
 
Ich habe Thanepower nur Joas näher gebracht, da er mit ihm zwar nur "Ad hoc" begründete, Joas verneine den Anspruch der Religion auf die Menschenrechte.
Joas diskutiert u.a. den Anspruch der Kirche, im Rahmen ihrer Lehre bereits zentrale Aspekte des modernen Verständnisses der Menschenrechte zu inkorporieren.

Er verneint den Anspruch der Kirche, da es zwar Ähnlichkeiten gibt, aber auch zentrale Unterschiede.

In diesem Sinne - ohne es ad hoc begründen zu wollen - wäre vermutlich der Anspruch der Kirche auch in Bezug auf den Anspruch, das Fundament für eine Demokratie zu legen, zurück zu weisen

Sakralisierung und Profanität sind zwei Unterscheidungen in der Theologie, die von Emilé Durkheim geprägt wurden. Sakralität, bzw. Heiligtum, bedeutet einer Person oder einem Gegenstand transzendentale Werte nahezubringen. Wenn nun jeder Mensch heilig ist, dann ist er, platt gesagt, gleich und "unanatastbar". Dies ist eine metaphysische Vorstellung, also einer letztlich nicht empirisch oder sozial zu verstehenden Kategorie. Hans Joas übrigens hat dafür das Beispiel der Liebe.

Huntington oder Larry Siedentop zeigen die Demokratiekompatibilität von Religionen auf (Huntington 1996: 307-315) oder die christlichen Wurzeln der liberalen Demokratie (Siedentop 2002). Den Zusammenhang zwischen Religion und Demokratie stellt Wolfgang Merkel fest, dass die meisten Demokratien es im christlich geprägten Kulturkries gibt. (Merkel 2002a: 109, 2002b).

Den Zusammenhang zwischen der Menschenwürde, der Demokratie und der Trennung von Kirche und Staat zeigt Tine Stein auf. Selbst die Kirche ist nicht statisch und durchlebt einen fortlaufenden Prozess. Sakralisierung bedeutet auch Schutz und Anerkennung der Menschenwürde. In den biblischen Erzählungen ist dies so grundgelegt: in der Schöpfungsgeschichte; in der Geschichte des Brudermordes; im Exodus-Geschehen; in der Erzählung der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und dem Erlösungsversprechen durch den Opfertod. Wie dieses Botschaft in die begrifflichen Hüllen der Würde und der Person eingeflossen ist und wie schließlich diese religiös-metaphysische Würdebestimmung bei Kant zu einer vernunftmetaphysischen transformiert wurde, bildet das Muster eines Weltverständnisses, das zu einem der Fundamente der europäischen Entwicklung geworden ist. (Stein 2007: 338).

Wozu es die Trennung von Kirche und Staat braucht, hatte ich versucht in meinem Beitrag darzulegen. Der moderne legitime Staat darf seine Herrschaft nicht auf eine Religion stützen. Das demokratische Menschenbild wurde durch die biblischen Erzählungen über die Erschaffung des Menschen, über dessen Sündenfall, seine Versklavung und Befreiung, über das dann einzigartige Erlösungsversprechen durch die Menschwerdung Gottes geprägt, wie wir uns als Menschen sehen. Es ist im Prinzip das Bild vom Menschen, der gleich und frei ist und mit einem unbedingten Anspruch auf Anerkennung seiner Würde auftreten kann. Zu Beginn des Grundgesetzes steht der Satz: "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und dem Menschen (...) hat sich das Deutsche Volk (...) dieses Grundgesetz gegeben." Ein wechselseitig abgeschlossener Vertrag, dass der Bürger nicht nur vor der denkbar allgemeinsten weltlichen Instanz, der Menschheit, gerechtfertigt werden, sondern auch vor Gott, dem in der menschlichen Vorstellung absolut Anderen als dem Schöpfer allen Seins (Stein 2007: 12).
Da wir aber in einem modernen Staat leben mit vielen verschiedenen Religionen, die diese Aussage und dessen metaphysischen Gehalt nicht wahr nehmen, muss sich der Staat doch legitimieren. Und hier kommt Joas ins Spiel, der genau diese Ansicht vertritt, dass der moderne Staat sich nicht auf die eine Religion stützen darf (Joas 2015: 13).

Huntington, Samuel P.: Der Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München/ Wien 1996.
Joas, Hans: Sind die Menschenrechte westlich?, München 2015.
Merkel, Wolfgang: Strategien erfolgreicher Transformation zur Demokratie, in: Europäische Rundschau 30 (1), 2002 a, S. 105-113.
Merkel, Wolfgang: Religion, Fundamentalismus und Demokratie, in: Schluchter Wolfgang (Hrsg.): Fundamentalismus, Terrorismus, Krieg. Weilerswist (i.E.) 2002b.
Siedentop, Larry: Demokratie in Europa, Stuttgart 2002.
Stein, Tine: Himmlische Quellen und irdisches Recht. Religiöse Voraussetzungen des freiheitlichen Verfassungsstaates, Frankfurt a. Main 2007.
 
Ich habe Thanepower nur Joas näher gebracht, da er mit ihm zwar nur "Ad hoc" begründete, Joas verneine den Anspruch der Religion auf die Menschenrechte.

Wenn Du doch lesen könntest, was wirklich geschrieben wurde und dann die entsprechenden Stellen sinngemäß und korrekt zitieren. Es wäre hilfreich!
 
Wenn Du doch lesen könntest, was wirklich geschrieben wurde und dann die entsprechenden Stellen sinngemäß und korrekt zitieren. Es wäre hilfreich!

Das ist durch ein paar Uneindeutigkeiten der Beiträge nicht immer so einfach, wenn du sagst

Er verneint den Anspruch der Kirche, da es zwar Ähnlichkeiten gibt, aber auch zentrale Unterschiede.

Also ist es so und so? Das kann ja alles sein. Wo sind dann die zentralen Unterschiede?

Und wenn jemand andere Meinung ist, wird durch einen Sprachgebrauch geantwortet, der wahrlich nach einem Rumpelstilzchen klingt.

Ach ehrlich? Da hätte ich doch gerne eine etwas ausführlichere Begründung. Hilfreich wäre, es vorher zu lesen und dann es abzulehnen! Joas ist nicht irgendein Blödmann, den man einfach mit einer flapsigen Bemerkung beiläufig zur Seite wischen kann!

Um dann auf ein Zitat zu verweisen, dass nicht ersichtlich ist.

Ansonsten würde ich das Originalzitat vielleicht nochmal lesen. Da wird der Zusammenhang zwischen den Menschenrechten und der Entwicklung der Demokratie explizit benannt.

Und da dies ja nicht erkennbar ist, wird die Aussagekraft davon obsolet.

Sofern es für die Menschenrechte zu verneinen wäre, hätte es - rein logisch - auch Auswirkungen auf den Anspruch, im Rahmen der konfessionellen Ideologie einen positiven Beitrag zur Entwicklung der Demokratie geleistet zu haben.

Und falls das Zitat dieses wäre

Zu lange hat sich eine stark hierarchische Kirche in Europa als Garant für das tradierte monarchistische Gesellschaftsmodell legitimiert, um sich als Wegbereiter für demokratische Traditionen aufzuführen.

Würde ich gerne wissen, wo das ist und ob das wirklich so geschrieben wurde.

Und da dies alles bisher eher „ad hoc“ war und deshalb wohl uneindeutig, dann wird dieser Beitrag doch sehr ernst genommen

Diesem wurde u.a. von mir mit Joas widersprochen, der sich explizit mit der historischen Entwicklung der Menschenrechte auseinandergesetzt hatte (vgl. z.B. Hunt, Joas und Menke). Bisher ist kein Autor in diesem Thread benannt worden, der relativ neutral, also nicht als Vertreter von Kircheninteressen, eine gegenteilige Position bezogen hätte.

Und das obwohl es doch viele Vertreter gibt, die einen Zusammenhang zwischen Christentum und Menschenwürde bzw. Demokratie sehen (Bockenförde, Stein, Huntingon, Merkel).

Gut, dann suchst du nach einem Demokratiebegriff. Kann man so machen. Aber der Kenntnisstand über Theoretiker hierzu im Mittelalter, wenn man „eher auf Augustinus verwiesen“ wird, ist dann doch ein wenig dürftig. Sicher machte sich keiner explizit Gedanken über Demokratie, aber über das Wesen des Menschen, das Verhältnis zwischen Staat und Kirche usw. Das sind alles Etappen hinzu zu demokratischen Wertvorstellungen.

Dann ist es sicherlich wichtig anzumerken, dass sich die Kirche in vielen Fällen nicht sehr „demokratisch“ verhielt. Aber ist das nicht diachron, wenn moderne Maßstäbe zur Beurteilung herangezogen historischer Ereignisse herangezogen werden? Wenn du Joas liest zieht er zwar auch sein Argument aus der Entwicklung der Menschenwürde durch die Sklaverei, aber er sagt nicht, die Kirche war schlimm, weil sie es zuließ. Er betrachtet den Prozess, der sich aus der Sklaverei für das christliche Menschenbild ergab. Und wenn das Argument aufgeführt wird, dass nicht nur das Mittelalter, sondern auch die Neuzeit sehr durch religiöse Spaltungen gekennzeichnet wird, dann kann dadurch das Ergebnis gesehen werden, die zur Trennung von Staat und Kirche geführt hat. Religion ja – aber nicht zur Staatsdoktrin. Doch der religiöse Wertekonsens ist noch vorhanden.

Aber es waren einzelne Personen, die in der Regel gegen die "Amtskirchen" agierten und diese demokratische Gedankengut entwickelte sich in einem weltlichen Kontext und teilweise im Antagonismus zur Amtskirche.

Dennoch ist auch anzumerken, dass die Amtskirche und ihre zentralen ideologischen Aussagen immer wichtige Bezugspunkte für die Entwicklung eigenständiger emanzipatorischer Theorien waren, wie bei Marx oder Engels deutlich ersichtlich.

Dieser Beitrag der Kirche als negative Folie der Entwicklung moderner demokratischer Theorien und Praxis ist hoch einzuschätzen, aber er wäre - im statistischen Sinne - mit einem negativen Vorzeichen versehen!!!

Nun ja, aber die Kirche lieferte ja auch positive Beispiele und ist nicht wirklich „hoch einzuschätzen“.

Aber einerseits kann man die negative Beeinflussung der Kirche auf die Menschenwürde, deiner Meinung nach, nicht hoch genug einschätzen, aber dann kommt doch die Aussage

Aus meiner Sicht abschließend wird man den Einfluß der christlichen Theologie auf die Ausprägung von Werten in den westlichen Gesellschaften nicht ernsthaft negieren können. Wäre ich auch der letzte, der es tun würde. Aber gleichzeitig kann die Amts-Kirche ihre teilweise affirmative Rolle bei der Rechtfertigung von Unrecht (Kolonialismus etc.) nicht leugnen und ihre repressive Vorgehensweise gegenüber kritischen Stimmen. Und diese Liste ließe sich erweitern.

Also was jetzt genau?

Und dann habe ich auch mit

Bisher ist kein Autor in diesem Thread benannt worden, der relativ neutral, also nicht als Vertreter von Kircheninteressen, eine gegenteilige Position bezogen hätte.

anderen Autoren eine Position bezogen, die eine andere ist und diese auch vernünftig begründet, indem ich die Entwicklung des christlich-jüdischen Menschenbildes in seiner sozialen und institutionellen Vergemeinschaftsstrukturen dargelegt habe, die hinsichtlich ihrer spezifischen Form einer politischen Ordnung mit beschränkter Zuständigkeit, deren Zweck der Schutz der menschlichen Würde ist, ein immanent wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Demokratie ist.

Diese Wertevorstellungen, bzw. das Menschenbild wurde nicht im Mittelalter in Stein gemeiselt. Aber das wesentliche, nicht ausschließliche Fundament bildet das christliche Menschenbild. Durch das Prinzip der unbedingten Menschenwürde und die damit verbundene Freiheit, vor allem die des Gewissens und die Gleichheit aller Menschen, der wechselseitig zu erbringende Respekt und die daraus erwachsende Fürsorgeverpflichtung, die Säkularität der politischen Herrschaft und die Begrenzung ihrer Macht auf weltliche Zwecke sowie die Bindung an Gerechtigkeit – alles Bestandteile der politischen und kulturellen Verfassung Europas. (Stein 2007: 226-335)


Und andererseits möchte ich anmerken, dass es gewisse Demut vor anderen Meinungen hilfreich ist, vor allem wenn die eigene nicht immer die stärkste ist. Es genügt dann nicht herumzuhüpfen und zu sagen

Aber mittlerweile reicht es ja, einfach nur "autoritativ" festzuhalten, dass man anderer Meinung sei. Und ohnehin "Autoritäten" ablehnt und sich dann selber zu einer macht!

Das ist dann meistens eher der Gebrauch, wenn man selbst um seine „Autorität“ fürchtet. Aber mit ein bisschen Demut wäre das bei dir nicht nötig.
 
Das ist dann meistens eher der Gebrauch, wenn man selbst um seine „Autorität“ fürchtet. Aber mit ein bisschen Demut wäre das bei dir nicht nötig.

Für Jemand, der mit sinnfreien Zitaten und genauso sinnlosen Literaturlisten um sich wirft und offensichtlich Texte nicht richtig verstanden hat, schon eine lustige Empfehlung.

Aber es freut mich, dass Du glaubst, Du hättest mir Joas näher gebracht oder mit sinnfreien Habermas-Zitaten Deine inhaltlche Kompetenz belegt. Immerhin hast Du sie ja irgendwie wahrgenommen. Und das ist ja auch ein Gewinn, für Dich.

Und zu Deiner "Joas" Rezeption werde ich gerne noch was sagen, wenn ich ein wenig mehr Zeit habe. Sie liegt leider Gottes auf der gleichen Linie der Fehlinterpretationen anderer Autoren, wie am Habermas Beispiel kurz gezeigt.
 
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Das demokratische Menschenbild wurde durch die biblischen Erzählungen über die Erschaffung des Menschen, über dessen Sündenfall, seine Versklavung und Befreiung, über das dann einzigartige Erlösungsversprechen durch die Menschwerdung Gottes geprägt, wie wir uns als Menschen sehen. Es ist im Prinzip das Bild vom Menschen, der gleich und frei ist und mit einem unbedingten Anspruch auf Anerkennung seiner Würde auftreten kann.
Ja – und dennoch haben diese biblischen Erzählungen die Kirche die meiste Zeit ihres Bestehens nicht daran gehindert, das genaue Gegenteil zu propagieren: Das Bild, das nicht alle Menschen gleich seien.

Und jetzt will die Kirche die Gleichheit der Menschen samt Demokratie quasi erfunden haben. Geht’s noch?
 
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