Siegel des Stadtgouverneurs von Jerusalem

"Heidnische Kultorte" habe ich absichtlich in Anführungszeichen gesetzt. Danke für den Hinweis auf den thread.
Im Zusammenhang mit dem Satz "Genauso wenig denke ich, dass in der Zeit des Siegels gar keine, bzw. nur Juden in Jerusalem gelebt haben" hatte ich (und vermutlich auch El Quijote) das "heidnisch" so interpretiert, als ob damit "nichtjüdisch" gemeint sei. Vielen Dank fürs Zurechtrücken.
 
Im Zusammenhang mit dem Satz "Genauso wenig denke ich, dass in der Zeit des Siegels gar keine, bzw. nur Juden in Jerusalem gelebt haben" hatte ich (und vermutlich auch El Quijote) das "heidnisch" so interpretiert, als ob damit "nichtjüdisch" gemeint sei.
Das kann ich bestätigen, so habe ich das verstanden.
 
Die meisten Kulte waren ja auch nichtjüdisch im religiösen Sinn. Hier ist eine Unterscheidung der (oft nur vermuteten) Herkunft sinnvoll. Es ist etwas anderes, ob die Jahwe-Verehrung von nicht-monotheistischen oder vielleicht besser gesagt, nicht mehr in die Zeit passenden Elementen ('Höhen', 'Bronzeschlange') 'gesäubert' wird, oder ob diesem Kult ursprünglich fernstehende Kulte und Göttervorstellungen angegriffen werden.

Wird diese Unterscheidung fallen gelassen ist eine korrekte Beschreibung nicht möglich, zumal in der Bibel von der Verfolgung beider Aspekte, teils gemeinsam, teils getrennt berichtet.

Es ist im übrigen nicht von einer einheitlichen Bevölkerung im Palästina des Altertums auszugehen, auch wenn natürlich spätere Einteilungen eher künstlich sind. Es können eindeutig verschiedene Ethnien voneinander abgegrenzt werden. Ich nenne hier nur mal die Philister und die Tjeker. Beide eignen sich auch gut, zu zeigen, dass sich aus den verschiedenen Ethnien eine recht einheitliche Bevölkerung bildete. Die spätere scharfe Abgrenzung des Judentums führte schon in der Antike zu Problemen. Auch hier verbietet sich eine Vereinfachung und schon gar nicht eine solche Vereinfachung, die die Existenz verschiedener Ethnien damals und heute leugnet.

Egal wie die heutige Situation entstanden ist, ist doch die Realität Basis der Argumentation. Der Historiker mag sich fragen, wie diese entstanden ist, aber er kann nicht sagen, dass die Beobachtung falsch ist, während seine Erklärung richtig ist.

Auch in Hinblick auf den Islam und das Christentum ist dies wichtig, da beide während langer Phasen der Geschichte die Herkunft und Ethnizität als unwichtig ansahen. Hier sind dann auch Brüche festzustellen, nach denen neue Einteilungen "rekonstruiert" wurden. Solche Einteilungen wie die folgenden haben ja wenig bis nichts mit ursprünglicher Ethnizität zu tun: Christen=Aramäer und Kopten. Moslems=Araber und Palästinenser.* Solche Einteilungen schufen in dieser Hinsicht eine komplett neue Landschaft. Dazu tritt dann das Problem, dass sich große Teile des Judentums als "Volk Gottes" sehen, dass das "Heilige Land" von Gott geschenkt bekam. Im Grunde ist auch das keine ethnische, sondern eine religiöse Argumentation.

Diese Vorstellungen werden nun in die Antike übertragen. Für den unbefangenen Beobachter ist das Unsinn. Nur sind es eben immer noch heutige Sichtweisen. Und darum bleibt der Siegelabdruck ein wichtiges Faktum, da es zeigt, dass es jüdische Herrschaft dort gab. Denn damit ist schon mal der seltenen Forderung nach ethnischer Säuberung Palästinas von den Israelis ein wichtiges Argument vom Brot genommen. Das Aufzeigen der ethnischen bunten sowie auch der ethnisch einheitlichen Welt des Palästinas des Altertums wäre natürlich weit wichtiger. Auch damals gab es Menschen, denen der Tempelberg heilig waren und die von ihm ausgeschlossen wurden. Es sei an Herodes erinnert. Lösungen zu finden, ist nicht Aufgabe des Historikers. Aber aufzuzeigen, wie die heutige Situation entstanden ist und so zu helfen, sie einzuordnen schon.

*Ja, Sprachregelung. Bitte trotzdem nicht abtrennen, auch wenn manche das nicht intellektuell fassen können, dass das eine Rolle in der Zeit selbst spielt, in der sie vorkommen.
 
Niemand, der die Vernichtung Israels auf seiner politischen Agenda hat, wird sich von einem 3000 Jahre alten Siegel beeindrucken lassen. Welcher Religion der Siegelherausgeber anhing, verrät das Siegel alleine nicht. Für sich genommen sagt das Siegel nur, für wen es ausgestellt wurde und nennt dabei nicht etwa einen Namen sondern ein Amt: "für den Herrn der Stadt". Erst in Kombination mit anderen Quellen können wir eine immer noch vage Aussage über den Aussteller machen.
 
Aber darum geht es doch: Nicht den Radikalinsky überzeugen, sondern erklären. Dadurch trägt die Historie dazu bei, dass ein Umfeld geschaffen wird, dass es anderen erleichtert den Radikalinsky zu überzeugen oder zumindest die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung neuer Radikaler zu senken.
 
Naja, das Judentum war ja auch nicht durchgängig monotheistisch, auch wenn uns das die Meistererzählung der Bibel suggeriert. Wir finden ja immer wieder Substrate - wie das von dir angesprochene - die ein Licht auf die kompliziertere Lage hinweisen.

War denn möglicherweise das Judentum ursprünglich eine polytheistische Religion, wie die anderen Religionen in der Region? Vielleicht war Jahwe nur ein wichtiger Gott oder sogar der Hauptgott, ähnlich wie Zeus und Jupiter im römischen und griechischen Pantheon. Und die anderen Götter ("Baal, die Aschera und das ganze Heer des Himmels") waren Teil des "ur-"jüdischen Pantheons. Die Bibel (der Tanach, das Alte Testament der Christen) taugt ja als Quelle für die Zeit vor dem babylonischen Exils wohl nur wenig, weil sie erst danach schriftlich fixiert wurde. Da wäre ja Gelegenheit gewesen, die alte polytheistische Vergangenheit aus den Büchern der Bibel zu "eliminieren" und so entstünde der Eindruck, seit den Tagen des Bundes mit Abraham (oder sogar Noah) sei das Judentum eine monotheistische Religion.
Gibt es denn aus der Zeit des vor dem babylonischen Exils andere Quellen (z. B. archäologische) über die Verehrung anderer Götter neben oder zusammen mit Jahwe?

In der Wiki wird Kuntillet ʿAdschrud – Wikipedia erwähnt (ca. zwischen 850 und 750 v. Chr. ), wo in althebräischer Schrift Jahwe und Aschera erwähnt werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das kann ich bestätigen, so habe ich das verstanden.
Entschuldigt, wenn ich die Diskussion ein wenig aufhalte, aber ich möchte zu meinem wohl missverständlichen Satz "Genauso wenig denke ich, dass in der Zeit des Siegels gar keine, bzw. nur Juden in Jerusalem gelebt haben." etwas sagen. Er bezog sich auf die im welt-Artikel genannten tagesaktuellen Extrempositionen, die ich für haltlos halte, jedoch vorher im thread auch angesprochen wurden und ebenfalls verneint wurden.
 
Die Bibel (der Tanach, das Alte Testament der Christen) taugt ja als Quelle für die Zeit vor dem babylonischen Exils wohl nur wenig, weil sie erst danach schriftlich fixiert wurde. Da wäre ja Gelegenheit gewesen, die alte polytheistische Vergangenheit aus den Büchern der Bibel zu "eliminieren" und so entstünde der Eindruck, seit den Tagen des Bundes mit Abraham (oder sogar Noah) sei das Judentum eine monotheistische Religion.

Auch da möchte ich differenzieren.

Gerade die Bücher der Könige/Chronik (siehe obiges Zitat) lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen. Ihre Verfasser waren ja stramme Monotheisten. Aus ihrer Sicht war natürlich Jahwe der einzige rechtmäßige Gott der Juden/Israeliten, die anderen Götter waren aus ihrer Sicht "Götter der Heiden", mit denen ein Israelit nichts zu tun haben sollte.
Nun lassen aber gerade diese Verfasser keinen Zweifel daran, dass vor dem Babylonischen Exil sowohl in Juda wie in Israel die Baal- und Aschera-Kulte eine große Rolle spielten und von den meisten Königen nachdrücklich gefördert wurden, angefangen beim hochgerühmten König Salomo. Diese Informationen darf man den Verfassern sicherlich abkaufen.
 
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