Das müsstest du vielleicht noch mal erklären.
Was die Sprachbarriere betrifft:
So lange der Großteil der Bevölkerung für sich genommen nicht rechtsfähig war und so lange es keinen institutionalisierten Staat gab, der über die Ebene der Provinzhauptstädte hinaus ins Hinterland vordrang und dem sich niemand mehr entziehen konnte ohne dabei die bahnen des geregelten Alltagslebens völlig verlassen zu müssen, stellte die Sprache kein Problem dar.
Die Bevölkerung kam mit den spärrlichen Institutionen des Staates kaum oder gar nicht in Kontakt. Als an die Scholle gebundener Höriger war es dem Einzelsubjekt kaum möglich sich groß aus seinem regionalen Kontext heraus zu begeben und gegenüber den Staatlichen Institutionen, wenn er denn doch einmal mit solchen in Kontakt kam, vertrat ihn sein "Patron", welchen Stand dieser en Detail auch immer inne hatte.
Eben durch diese Regionale Beschränkung und die Mediation, welche selbstredent auch ihre Nachteile hatten, war es aber auch als Sprecher einer dezidierten Minderheitensprache problemlos möglich durch Kommunikation in seiner Muttersprache sein alltägliches Leben zu bewältigen, selbst wenn er der Amtssprache nicht mächtig war.
Selbiges gilt auch für die Institution Schule. So lange das Schulwesen noch zu einem großen Teil regionle Sache war, hielt sich die Behelligung der zu Unterrichtenden mit der offiziellen Amtssprache im Grenzen und so lange die Schulpflicht de facto wenn überhaupt nur auf dem Papier bestand, eine Ausbildung für das berufliche Fortkommen auch von relativ geringer Bedeutung war, war es auch kein Problem sich diesem System zu entziehen.
Mit dem Vordringen der staatlichen Institutionen, durch die Zentralisierung des Staatswesens, ihrer Unvermeidbarkeit für das tägliche Leben und dem Wegfall der Mediation durch den niedergang der agrarisch-patriachalischen Gesellschaftsordnung und die Emanipation des Einzelnen als rechtsfähiges und eigenverantwortliches Subjekt, wurde die Möglichkeit dieses Entzugs der Konfrontation mit dem Staat aber kontinuierlich abgebaut. Gleichzeitig wurde von staatlicher Seite im 19. Jahrhundert (ich rede jetzt beispielhaft spezifisch vom deutschen Raum, unter besonderer Berücksichtigung Ostelbiens, ergo Preußens) explizit die Vereinheitlichung von Sprache, Unterricht etc. schon aus Gründen einer funktionierenden Verwaltung systematisch vorran getrieben.
In dem Moment, in dem dass passierte, war jedem, der nicht in der Lage war sich die Amtssprache, in diesem Fall eben Deutsch schnell anzueignen de facto von der sozialen Mobilität ausgeschlossen und bekam handfeste Probleme damit sein Leben selbst zu regeln.
So lange sich die einzelne Person in ihrer eigenen abgekapselten Welt mehr oder minder darauf verlassen konnte, mit den Institutionen eines werdenden zentralisierten Staates nichts zu tun zu haben und nicht von ihnen behelligt zu werden und sollte dies doch einmal der Fall sein sich darauf verlassen konnte, in dieser Angelegenheit von seinem Gutsbesitzer oder Priester oder einer anderen Autorität, die die sprachliche Vermittlung übernehmen konnte und ein Interesse an der Vertetung der betreffenden Person haben musste, war das noch überhaupt kein Problem.
Nun wieder speziell auf die ostelbischen Verhältnisse bezogen kommt hinzu, dass der Saat sich wiederrum zunächst einmal Anfing sich um die Bilingualisierung seiner Einwohnerschaft zu bemühen, um diese auftauchenden Probleme zu beheben, was dann aber nicht selten implizit von den Betroffenen als eine Art "Kulturimperialismus" aufgefasst und nicht selten ablehnend bedacht wurde.
Das stärkte natürlich die Ressentiments gegenüber den Zentralinstanzen und der Mehrheitsbevölkerung des Gesamtstaates, was wiederrum zu Abgrenzungstendenzen führte und denjenigen Elementen in die Hände spielte, die sich in Sachen Separation als Scharfmacher profilierten.
Galten die Loyalitäten der Bevölkerung im 18. jahrhundert noch dem Staat mit dem sie keine Berührung hatten und der Anfing die Hindernisse ihrer persönlichen Befreiung aus dem Weg zu räumen, ihr Misstrauen hingegen nicht selten den lokalen Autoritäten, die zwar die gleiche Sprache sprachen, sich aber im Krassen sozialen Gegensatz zu ihnen Befanden, als Profiteure der veralteten sozialen Strukturen, die sie waren kehrte sich dieses Verhältnis durch die Entwicklungen des 19. jahrhunderts radikal um.
Die ehemaligen regionalen Eliten hatten einen großteil ihrer Ansprüche gegenüber der einfachen Landbevölkerung verloren, so dass sie als Feindbild derslben nicht mehr vollumfänglich taugten, so dass an ihre Stelle eine andere unmittelbare Autorität trat, dergegenüber man sich ungebührlich in Nachteil gestzt sah und vielleicht sehen musste.
Dafür kamen vor allen Dingen zwei Instanzen in Frage, einmal der Staat, der den Minderheiten aus ihrer Sicht seine Sprache und Traditionen "Aufzwang" und die Eigenen nicht mehr ausreichend achtete, was auf nationale oder nationalistische Differenzierung der Bevölkerung an Hand der Sprachfrage, aber auch der damit verbundenen materiellen Entwicklung, die damit verbunden war hinaus lief, denn wer die Sprache eben nicht sprach, dem war an Beruflichen Möglichkeiten vieles verwehrt, sowohl der Staatsdienst, als auch zunehmend die Moderne Industrie (für den Preußischen Westen entstanden etwa Bergbauverodnungen, die festlegten, dass unter Tage nur arbeiten darf, wer der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig war).
Das brachte zum einen einen Austausch der Eliten mit sich, bei dem die lokale Honoratiorenschicht einer nicht selten Ortsfremden und an die zentralen Verhältnisse angeglichene Verwaltungselite weichen musste, was den Konformitätsdruck und damit auch den Unmut steigerte.
Die andere Möglichkeit der neuen Autorität, war dann eben der als ausbeuterisch empfundene Industriemagnat, in dem Fall verschoben sich die loyalitäten dann eher in die sozialistische Richtung.
Beiden Tendenzen ist aber gemein, dass sich die Loyalitätsbeziehungen von den faktischen Eliten weg, zu Gruppen hin entwickeln, mit denen man sich identifizieren kann, weil man sich in gleicher Weise diskriminiert führt unabhängig davon ob eine solche Diskriminierung nun die genuine Absicht des mutmaßlich Diskriminierenden war oder eben nicht.
Insofern und ich denke das müsste ich dem vorrangegangenen Post noch nachschieben, müsste man meiner Ansicht nach einer rein ideellen Definition und Entstehungsgrundlage des Nationenbegriffs eine Absage erteilen.
Ein Begriff tritt nicht durch die Festlegung eines Terminus durch eine Definition im steilen Reagemzglas in die Realität ein, denn das würde bedeuten die Nation selbst wäre entstanden, weil irgendwer sie aus irgendeiner zufälligen und möglicherweise absurden Laune herbeifabuliert hätte.
Zutreffender ist wahrscheinlich, dass die Definition des betreffenden Terminus das dekribtive Bedürfnis seines Verfassers erfüllt und nicht etwa ein normatives, wie es die gegenteilige Annahme vorraussetzen würde. Heißt die Definition selbst greift den Wandel der sozialen Verhältnisse auf und ist nicht etwa seine Ursache und dementsprechend ist sie von einer Übergeordneten Gedankenwelt, der der Verfasser im Rahmen seiner Lebensumstände unterworfen ist nicht wegzudenken.
Deswegen ist die "Nation" meiner Meinung nach auch eben nicht von der Ebene des Begriffs selbts zu trennen, auch wenn heute eine Definition des Terminus vorliegt und dieser wiederrum ist traditionen Verhaftet und immer im Wandel begriffen, da für sich gesehen unscharf.
Eine solch strikte Trennung mag bei kompletten Neuschöpfungen von Dingen, die es vorher nicht in vergleichbarer Form gegeben hat angemessen sein.
Loyalitäten innerhalb einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppierung hat es aber immer gegeben, das ist keine Neuerfindung. Neu ist lediglich, dass sich die Loyalitäten in eine bestimmte Richtung verschieben, so dass irgendwann ein qualitativer Umbruch erreicht wird, der eine entsprechende Benennung sinnvoll erscheinen lässt, dieser Umbruch entsteht aber aus sich selbst und der sozialen Veränderung heraus und nicht aus dem Diktat eines philosophen und insofern liegt der Nation eben doch eine Idee zu Grunde, nämlich diejenige einer spezifischen Loyalität, genauer einer Loyalität gegenüber solchen Subjekten die von Angehörigen der betreffenden Gruppe als ihresgleichen empfunden werden.
Insofern ist der moderne Begriff "Nation" genau wie der vorlams verwendete Begriff lediglich untergeordnete Kategorie und Interpretationsmöglichkeit des Loyalitätsbegriffs für sich in einer spezifischen Ausdeutung, die sich über die Jahrhunderte qualitativ bis zur Unkenntlichkeit verschoben hat, indem bindende Aspekte des Standes, des Besitzes und der Privilegien entfielen und zunehmend durch ethnische und sprachliche Aspekte ersetzt wurden.
Das passierte aber nicht von heute auf Morgen, sondern war ein andauernder Prozess und die heutige Detinition des Terminus Nation markiert nur dessen vorläufigen Abschluss und nichts weiter.
Literaturnachweise für den oberen Teil muss ich für den Moment schuldig bleiben, da ich die entsprechenden Werke gerade nicht zut Hand habe, werde mich aber sobald ich Zeit dazu finde darum bemühen sie nachzuliefern.