Königin Fredegunde als Heerführerin

CaptainJack

Mitglied
Hallo,
ich scheitere mal wieder an meinen mangelnden Lateinkenntnissen.

Im Liber Historiae Francorum (36) wird von der vielgeschmähten Fredegunde berichtet, dass sie ein Kriegerkontingent anführt (erstes Fragezeichen). Sie erscheint selbst in Rüstung (Waffen?) "cum armorum apparatu", hat aber ihren kleinen Sohn (Chlothar II) in den Armen. Sie scheint sehr geschickt vorgegangen zu sein und weist ihre Leute an, mit Ästen als Tarnung vorzugehen. Ich glaube, sie gewinnt.

Aaaber: Wer gegen wen jetzt genau? Gewinnt sie wirklich? Ist sie tatsächlich die Heerführerin? Das kriege ich aus der Quelle nicht zusammen. Eine deutsche oder englische Übersetzung der Stelle habe ich nicht gefunden. Gibt es die? Vor Jahren habe ich mal in irgendeiner Sekundärliteratur darüber gelesen, aber auch das finde ich nicht mehr.

Viele Fragezeichen - und schon mal vielen Dank für jeden Hinweis.
Viele Grüße an alle hier
Markus
 
Leider kann ich dir da keine wirkliche Hilfe geben, da ich mit dieser Zeit nicht besonders vertraut bin. Soweit ich es beurteilen kann, dürften es aus dieser Zeit, keine Quellen geben, die tatsächlich Objektivität oder relative Zuverlässigkeit beanspruchen können. Mit Blick auf ähnliche Geschehnisse nur zwei Überlegungen, die dir vielleicht weiterhelfen können.
- Dass Fredegunde in Rüstung aufgetreten sein soll, muss nicht bedeuten, dass sie tatsächlich die Heerführung inne hatte. Das könnte auch eine wirkungsvolle Inszenierung gewesen sein, mit der das Heer sozusagen eine ermutigt wurde und mit der demonstriert wurde, dass der Kriegszug für ihren Sohn und dessen Erbe (und somit auch für sie), also für eine "gerechte" Sache geführt wurde.
- Inwieweit Fredegunde tatsächlich gewonnen hat, lässt sich aus der weiteren Entwicklung erschließen. Immerhin war sie bis zu ihrem Tod die Regentin für ihren Sohn und er sollte das Frankenreich letztlich wieder vereinen. Selbst wenn der Kriegszug mit keinem Sieg endete, vielleicht musste er letztlich auch gar nicht wirklich geführt werden, dürfte die Unternehmung für sie erfolgreich geendet haben.
 
Eine deutsche oder englische Übersetzung der Stelle habe ich nicht gefunden. Gibt es die?
Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, hg. von Andreas Kusternig - Herbert Haupt (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters / Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 4a), Darmstadt 1982.
 
Wenn ich die Stelle in der MGH beim überfliegen richtig verstanden habe, ist Fredegunde in der Nacht über das unvorbereitete Heerlager ihrer (schlafenden) Gegner hergefallen:

Franci cum strepitu tubarum super Austrasiis et Burgundiones dormientibus cum Fredegunde vel Chlothario parvolo interfeceruntque maxima parte de hoste illo, innumerabilis multitudo, maximus valde exercitus, a maiore usque ad minorem. Gundoaldus quoque et Wintrio per fugam dilapsi, vix evaserunt. Landericus vero insequutus Wintrione, ille per auxilium equi velocissimi evasit. Fredegundis vero cum reliquo exercitu usque Remus accessit, Campaniam succendit atque vastavit. Cum multa preda atque spolia reversa est Suessionis m civitate cum exercitu suo.

Die Heerführer konnten fliehen und Fredegunde erreicht Reims und verwüstete die Champagne und kehrte mit viel Beute nach Soissons zurück.
 
Hallo.
Erst mal vielen Dank!

@Teresa C.: Auch Du hast mir sehr wohl geholfen durch folgenden Hinweis:

Soweit ich es beurteilen kann, dürften es aus dieser Zeit, keine Quellen geben, die tatsächlich Objektivität oder relative Zuverlässigkeit beanspruchen können.

Es gibt ja immer wieder politische und/oder religiöse Gründe, die Verfasser der Zeit veranlasst haben, etwas zu schreiben, das nicht der Wahrheit entspricht. Das vergisst man beim Studium so alter Quellen schnell.

@El Quijote
Super! Das war das wesentliche, was ich wissen wollte. Also war Fredegunde dem Text nach tatsächlich die Heerführerin. Ob das den historischen Tatsachen entspricht, ist dabei hier für mich nicht so wichtig. Wichtig für mich ist hier, dass eine Heerführerin in der Vorstellungswelt des frühen 8. Jahrhunderts (also dann, als das Liber Historiae Francorum geschrieben wurde - egal wann die geschilderten Ereignisse stattfanden) existiert. Es wird (vorausgesetzt mein mangelndes Latein ist nicht wieder Schuld) ja auch nicht als Absonderlichkeit oder absolute Ausnahme / Notmaßnahme beschrieben. Interessant in dem Kontext vielleicht auch, dass das Werk ja vermutlich von einer Frau verfasst wurde.
Die Übersetzung werde ich mir so bald wie möglich zulegen!

Viele Grüße an alle
 
Einfach Wikipedia. Die Annahme beruht darauf, dass das Liber Historiae Francorum wohl in Soissons entstanden ist.
Zitat: "Wenn diese Vermutung zutrifft, dürfte der Autor des Liber Historiae Francorum weiblich gewesen sein, da es sich bei Notre-Dame-de-Soissons um ein Frauenkloster handelte. Auch die ausführlichere Behandlung und die teilweise zu Gregor von Tours gegensätzliche Beurteilung der weiblichen Merowinger und Karolinger stützt diese Annahme."
Beruft sich auf zwei nahmhafte Historikerinnen. Ich meine, das auch im Nebensatz nochmal von Matthias Springer in "Die Sachsen" von 2004 gelesen zu haben. Da im Nebensatz, finde ich die Stelle sicher nicht wieder :oops:
 
Ach ja - die Geschichte bei Gregor (9. 34), dass Fredegunde ihre eigene Tochter beinahe erstickt hätte, indem sie ihr einen Truhendeckel auf den Hals drückt, kommt im Liber Historiae Francorum meines Wissens nicht vor.
Solche Aktionen einer Frau hat frau dann vielleicht wirklich lieber einfach weggelassen...
 
Bzgl. der Frage des Waffentragens und Heerführens durch mächtige Frauen in der Merowingerzeit hilft vielleicht ein Blick in die Sachkultur.

Eine besonders reicher Frauentrachten im westlichen Teil des Merowingerreiches sind schwere Gürtel, wie sie zur gleichen Zeit auch die Männer trugen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Grabausstattung der Merowingerkönigin Arnegunde in St. Denis. Identifiziert wurde sie durch die Inschrift ihres Siegelrings. Diese breiten Gürtel gehen auch spätrömischer Militärgürtel (Cingulum militare) zurück. In der Frauentracht der Merowinger konnten diese Gürtel die Bügelfibeln ersetzen. Ergänzt wird die Frauentracht durch ausgewöhnliche Beinkleidung, sogenannte Strumpfbandgarnituren. Ob zu den mit reichen Beschlägen versehende Strumpfbandgarnituren verkürzte Tuniken getragen wurden, ist umstritten. Darüber trug Arnegunde einen vorne offenen Kaftan-Mantel. Vielleicht bot diese Tracht der Arnegunde genug Beinfreiheit um zu reiten. (Fredegunde trug wahrscheinlich so was ähnliches.)

Da Arnegunde vor ihren Ehemann König Chilperich I. verstarb, blieb ihr das Schicksal der gefährlichen Merowinger-Witwe erspart. Die Möglichkeiten zur herrschaftlichen Repräsentation hatte sie jedoch durch den Siegenring und den Gürtel gehabt.

Ein Frauengrab aus Wesel-Bislich enthält sogar einen Sattel, der nach Meinung der Archäologen aber am besten für ein Maultier geeignet sei. Die Zuweisung des Geschlechts erfolgt durch die Glasperlenkette und eiserners Webschwert.

Mein Schluss lautet daher, dass die Frauentracht der älteren Merowingerzeit hochgestellten Frauen nicht nur das Reiten ermöglicht, sie trugen oftmals auch Schwertgurte!
Echte Schwerter fehlen jedoch in den Frauengräbern, es gibt lediglich eiserne Webschwerter - teilweise aus umgearbeiteten Spatha-Klingen. (Ich gehe auch nicht davon aus, dass für die Frauen der Merowinger Sinn machte mit einem Schwert zu kämpfen, aber repräsentieren konnten sie damit schon.)
 
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