Caesar, de bello Hisp. - Carruca: Gefährt oder Stadt?

El Quijote

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In Wikipedia im Artikel zum Dorf La Roda de Andalucía stoße ich auf folgende Aussage:

Unos historiadores fijan su origen con el nombre Celtíbero de Uragao, posteriormente en la época romana el historiador Madoz la cita como Carruca, donde se han hallado arietes y utensilios de la guerra civil entre los generales Julio César y Pompeyo (Batalla de Munda, siglo I a. de J.C.). Durante el dominio musulmán fue denominada, Robda (aduana).​

Auf der Website des Bürgermeisteramts heißt es:

Por ser una de las mejores rutas naturales que comunicaba el Mediterráneo con el Valle del Guadalquivir, La Roda fue desde tiempos remotos, un lugar de asentamientos humanos. En tiempos donde la leyenda y la realidad se confundían, unos historiadores fijan su origen con el nombre Celtíbero de URAGAO, posteriormente en la época romana el historiador Madoz la cita como CARRUCA, donde se han hallado arietes y utensilios de la guerra civil entre los generales Julio César y Pompeyo (Batalla de Munda, siglo I a de C).​

Der Kern, um den es mir geht, ist der Umstand, dass man in Carruca Rammböcke und anderes Kriegsmaterial gefunden haben will (also angeblich Caesar wohl Hinterlassenschaften von Pompeius). Irgendwie, hat man manchmal den Eindruck versucht jedes zweite Dorf in Westandalusien seine Geschichte durch einen Zusammenhang der Schlacht von Munda zu verlängern und damit aufzuwerten.
Jedenfalls finde ich bei Caesar (bzw. seine Autorschaft ist umstritten) im de bello Hispaniensi keine entsprechende Angabe. Überhaupt ist dieses Werk das einzige, in dem der mutmaßliche Ortsname Carruca genau einmal erwähnt wird:

Insequenti tempore Ventiponem oppidum cum oppugnare coepisset, deditione facta iter fecit in Carrucam, contra Pompeium castra posuit.
Der Fund von Kriegsutensilien und Rammböcken, wie offenbar von Madoz behauptet, ist hier nicht enthalten.

Emil Hübner hat bereits 1899 in der RE III, 2 Sp. 1614 in Frage gestellt, dass es sich bei Carruca um einen Ort handele und vorgeschlagen, carruca als Reisewagen zu interpretieren:

Carruca. 1) Ort (?) in Hispania citerior, nördlich von Munda (s. d.) und in der Nähe von Ventipo (s. d.), wird nur im bellum Hispaniense (27, 5 fecit iter in Carrucam von Ventipo aus) erwähnt. Vielleicht aber machte Caesar die Fahrt in carruca, in einem Reisewagen, nach dem von Pompeius belagerten Ventipo. Vgl. Marruca.​

Ich habe allerdings den Eindruck, dass Hübners Vorschlag trotz des prominenten Orts, in dem er geäußert wurde (die RE ist DAS fachwissenschaftliche Lexikon der Altertumswissenschaft) in der Fachwelt nicht zur Kenntnis genommen wurde. Was ist davon zu halten?
 
Der folgende Artikel in der RE (RE III, 2 Sp. 1614 f.) von August Mau befasst sich mit dem Reisewagen:

2) Ein vierräderiger Reisewagen. Deutlich ist dies namentlich Martial. III 47, 5. 13, wo C. der reda (s. d.) gleichgesetzt wird. Dass zwischen beiden doch ein Unterschied bestand, zeigt Hist. Aug. Al. Sev. 43, 1: carrucas et redas. Die früheste Erwähnung bezieht sich auf Nero, der ihrer auf Reisen 500 (Hist. Aug. Heliog. 31, 5) oder gar 1000 (Suet. Nero 30) mitgeführt haben soll. Der Name ist wohl keltischen Ursprunges. Wahrscheinlich ist C. eine zu Anfang der Kaiserzeit üblich gewordene prachtvollere Form der reda. Plin. XXXIII 140 erwähnt C., in deren Bronzebeschlag Silberschmuck eingelegt war, Martial. III 62, 5 eine aurea c., die den Wert eines Landgutes hatte; im Ed. Diocl. XV 34–37 werden sie mit 4000–7500 Denaren tarifiert, während ein einfacher vierräderiger Karren nur 1500 kostet. Solche silberbeschlagene C. waren eine Zeit lang Vorrecht der kaiserlichen Familie; Alexander Severus (Hist. Aug. 43, 1) gestattete sie den Senatoren. Aurelian (Hist. Aug. 46, 3) gab sie allgemein frei. Die C. konnte auch zum Schlafen eingerichtet sein, c. dormitoria Dig. XXXIV 2, 13, δορμιτώριον Ed. Diocl. XV 34. 35. Vom 3. Jhdt. an wird auch die C. wie das Carpentum als der den honorati in der Stadt zustehende Staatswagen erwähnt: Cod. Iust. XI 20 (19). Cod. Theod. XIV 12, 1. Ammian. XIV 6, 9; auch der Kaiser fährt in der Stadt auf der C., Hist. Aug. Maxim. 30, 6. Aus Dig. XIX 2, 13 darf nicht auf Gleichheit des cisium und der C. geschlossen werden, sondern nur, dass die gleiche Bestimmung für beide galt. Abbildungen von Wagen, die C. sein können bei Daremberg-Saglio Dict. d. Ant. [1615] 1928. Scheffer De re vehic. II 27. Ginzrot Wagen und Fuhrw. d. Alten 1435. Becker-Göll Gallus III 20. Marquardt Privatl.² 736.
Wenn Mau Recht hat und der Begriff Carruca erst gut 100 Jahre nach Caesar verwendet wurde, kann Caesar oder wer auch immer der zeitgenöss. Verfasser des de bello Hispaniensi war, diesen keltischen Begriff freilich nicht verwendet haben.
 
Macht die Emendation Sinn? Wird der Text dadurch verständlicher?

Insequenti tempore Ventiponem oppidum cum oppugnare coepisset, deditione facta iter fecit in Carrucam, contra Pompeium castra posuit.

Unmittelbar darauf hätte er begonnen das Oppidum Ventipo zu bekämpfen; als die Übergabe vollzogen war, machte er seinen Weg in einem Reisewagen gegen das Lager, das Pompeius errichtete.
Korrekturen willkommen.
 
nur am Rande: ist nicht das Subjekt zu "posuit" Caesar?

gegen Pompeius errichtete er [Caesar] ein Lager.
Der heutige Ortsname La Roda stammt aus dem Mittelalter laut den Informationen der span. Wiki und wird vom Wort für Zoll "robda" abgeleitet. Ich vermute, dass dieses robda arabischen Ursprungs ist.

Ist denn der keltiberischer Name Uragao irgendwo belegt? Oder ist das "nur" ein rekonstruierter Name der aus dem latinisierten Namen Carruca erschlossen wurde? (Sofern das doch nicht die Kutsche gewesen sein soll)

Gibt es denn weitere Informationen zu den archäologischen Funden (Kriegsutensilien und Rammböcken)? Lassen sich diese in die Zeit von Pompeius und Caesar datieren?

Ist der erwähnte Historiker Madoz Pascual Madoz Pascual Madoz - Wikipedia, la enciclopedia libre ?
 
hätte er begonnen​
Nicht "hätte", sondern "hat" - "cum" mit Konjunktiv ist meistens als Indikativ wiederzugeben.

Nachdem er begonnen hatte, das Oppidum Ventipo anzugreifen, und nach vollendeter Übergabe machte er seinen Weg nach Carruca und errichtete ein Lager gegen Pompeius.


Welchen Sinn macht es, den Ortsnamen zu streichen und dafür das Vehikel, das Caesar benutzte, einzufügen?
 
Der heutige Ortsname La Roda stammt aus dem Mittelalter laut den Informationen der span. Wiki und wird vom Wort für Zoll "robda" abgeleitet. Ich vermute, dass dieses robda arabischen Ursprungs ist.
Ja, das steht da. Allerdings habe ich häufig das Problem bei angeblichen arabischen Ortsnamen, dass ich die angebliche arabische Bedeutung im WB nicht wiederfinde. Z.B. wird ja geschrieben Robda bedeute aduana - nun ist aber Aduana ein Arabismus. Er stammt von ad-dīwān, einem arabisierten persischen Wort. Das Wort hat sich in verschiedenen fortgesetzt, z.B. hieß es im Persischen Büro, im Deutschen ist der Diwan ein Liegemöbel, welches sich in dem persischen Bür befand, in vielen Sprachen bedeutet es Zoll (span. aduana, frz./ndl. douane).
Es gibt im Prinzip keinen Beleg dafür, dass Roda Carruca ist.

Gibt es denn weitere Informationen zu den archäologischen Funden (Kriegsutensilien und Rammböcken)?
Ich glaube nicht, dass es sich um archäologische Funde handelt. Ich denke eher, dass Madoz da eine Fehlinformation in die Welt gesetzt hat.

nur am Rande: ist nicht das Subjekt zu "posuit" Caesar?

gegen Pompeius errichtete er [Caesar] ein Lager.​
Stimmt.

Nicht "hätte", sondern "hat" - "cum" mit Konjunktiv ist meistens als Indikativ wiederzugeben.
Das wusste ich nicht. Danke, macht den Satz auch sinnvoller.

Welchen Sinn macht es, den Ortsnamen zu streichen und dafür das Vehikel, das Caesar benutzte, einzufügen?
Ich weiß nicht.
 
Welchen Sinn macht es, den Ortsnamen zu streichen und dafür das Vehikel, das Caesar benutzte, einzufügen?


Ich auch nicht. Ich sehe daher keinen Grund für eine Emendation. Im Text steht "in Carrucam", das kann sich nicht darauf beziehen, womit Caesar seinen Weg machte, sondern nur wohin er seinen Weg machte.
Um daraus "in Carruca" zu machen, muss der Text geändert werden.
 
hier ist noch ein Eintrag zu Carruca (aus dem Bürgerkrieg) im
Diccionario geográfico-estadístico-histórico de España y sus posesiones de Ultramar von Madoz:


Diccionario geográfico-histórico de la España antigua tarraconense, bética y lusitana, con la correspondencia de sus regiones, ciudades, etc., á las conocidas en nuestros días

La Roda taucht im Artikel merkwürdigerweise nicht auf.

Das von dir verlinkte Werk ist nicht von Madoz sondern von Miguel Cortés y López. Madoz selbst schließt sich Bayer an und verortet Carruca in Carcabuey, was allerdings eine rein pseudoetymologische Erklärung sein dürfte (na gut, das Werk stammt eben von 1846). Auch dort findet man nichts von Rammböcken und Kriegsutensilien.
Diccionario geográfico-estadístico-histórico de España y sus posesiones de ultramar
 
Bei Osuna und angeblich auch bei Ategua hat man Schleuderbleie mit dem Namen von Gnaeus Magnus Pompeius gefunden:
baj.jpg
 
Bzgl. der Schleuderbleie gibt es einen interessanten Artikel in der Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik von Martin Grünwald und Alexandra Richter:
Zeugen Caesars schwerster Schlacht? Beschriftete andalusische Schleuderbleie aus der Zeit des Zweiten Punischen Krieges und der Kampagne von Munda
Darin wird auch au die Schwierigkeit der Zuordnung beschrifteter Scheuderbleie hingewiesen, Schleuderbleie mit der Aufschrift "A" halten die Autoren für iberisch, das "A" sei eigentlich ein "ka". Eine Deutung als griech. Alpha für (H)Asdrubal lehnen sie ab, da das punische Asdrubal nicht mit Alpha traskribiert würde. Schleuderbleie mit der Aufschrift L XIII werden von manchen Autoren einer Legion des Pompeius zugeordnet, die im de bello Hispaniensi explizit erwähnt wird, die Autoren weisen aber darauf hin, dass diese Schleuderbleie bisher immer nur, wenn sie vergesellschaftet mit Münzen gefunden wurden, in einem Münzspektrum gefunden wurden, dass dem Zweiten Punischen Krieg angehört. Da sie alle derselben Gussform entstammen, ist eine Deutung, dass manche dem Zweiten Punischen Krieg und andere dem Bürgerkrieg angehören, auszuschließen.
Die Schleuderbleie mit der Aufschrift CN MAG (siehe vorherigen Beitrag) sind eindeutig Gnaeus Pompeius zuzuordnen. Hier allerdings stellt sich die Frage, welchem Zeitpunkt: Gnaeus Pompeius war ja bereits 77 in der Region, als er den sertorianischen Aufstand bekämpfte. Als nun seine Söhne nach seinem Tod den Bürgerkrieg gegen Caesar weiterführten, was schließlich zur Entscheidungsschlacht bei Munda (45) führte, taten sie das im Namen ihres Vaters († 48 in Pelusium, Ägypten). Insofern ist es schwierig zu entscheiden, ob diese Bleie eher dem Jahr 77 oder dem Jahr 45 zuzuordnen sind. Da aber bei Munda laut Livius Schlachten des Zweiten Punischen Krieges stattfanden, plädieren die Autoren bei den Schleuderbleien CN MAG für eine Zuordnung zum Bürgerkrieg und nicht zum sertorianischen Krieg.
 
Das von dir verlinkte Werk ist nicht von Madoz sondern von Miguel Cortés y López. Madoz selbst schließt sich Bayer an und verortet Carruca in Carcabuey, was allerdings eine rein pseudoetymologische Erklärung sein dürfte (na gut, das Werk stammt eben von 1846). Auch dort findet man nichts von Rammböcken und Kriegsutensilien.
Diccionario geográfico-estadístico-histórico de España y sus posesiones de ultramar

Danke für die Korrektur. Da bin ich wohl mit den Titeln durcheinander geraten. Der von Cortés y López und Madoz erwähnte Bayer ist dieser hier: Francisco Pérez Bayer - Wikipedia, la enciclopedia libre (1711 - 1794), der trotz seines so vertraut klingenden Nachnamens nicht aus Bayern, sondern aus Valencia stammt. Wie Bayer auf die Gleichsetzung von Carruca und Carcabuey kommt, konnte ich nicht herausfinden, aber ich denke, dass El Q. mit einer rein pseudoetymologischen Erklärung Recht hat.
 
In der Wikipedia wird Carcabuey als kleiner Zugang zu Bergen aus dem arabischen hergeleitet (angebliches Etymon Karkabul). Das scheint mir eine Fehlübersetzung aus dem Spanischen zu sein, wo es heißt "que significaba puertecillo de montaña", das würde ich mit Gebirgspässchen übersetzen. El puerto ist nämlich Hafen oder Gebirgspass. Puerta ist die Pforte. Ich halte das, kann es aber nicht beweisen, für eine reine Erfindung. Ich sollte mir mal eine Liste von mutmaßlich falschen arabischen Herleitungen für andalusische Ortsnamen anlegen:
Roda (Rubda *'Zoll')
Carcabuey (karkabul *'kleiner Gebirgspass')
Nerja (Nariša *'reiche Quelle' (bei Wikipedia steht Narixa und das ist auch in einen deutschen Reiseführer bereits als Tatsache eingegangen, aber spanisches x steht für sch; zumindest fällt spanisches historisches sch und arabisches š in der frühen Neuzeit mit ž (wie ital. gelato oder giorno) zusammen und wird zum heutigen χ (vgl. dt. Kachel), insofern könnte Nerja also tatsächlich auf Nariša zurückgehen, was auch immer das bedeutete und natürlich bleibt die Frage offen, ob das auf ein arab. Etymon zurückgeht).
 
Ich auch nicht. Ich sehe daher keinen Grund für eine Emendation. Im Text steht "in Carrucam", das kann sich nicht darauf beziehen, womit Caesar seinen Weg machte, sondern nur wohin er seinen Weg machte.
Um daraus "in Carruca" zu machen, muss der Text geändert werden.
Eigentlich müsste man das "in" doch auch noch streichen, da es nicht um den Aufenthalt an/in einem bestimmten Ort ginge, sondern um die Benützung eines bestimmten Reisemittels (mit dem Reisewagen). In diesem Fall hätte der Lateiner mE gar keine Präposition verwendet. "Im Reisewagen" wäre wohl zu deutsch gedacht.

Jedenfalls finde ich bei Caesar (bzw. seine Autorschaft ist umstritten) im de bello Hispaniensi keine entsprechende Angabe.
Ich wüsste nicht, dass seine Autorschaft umstritten ist, da mir nicht bekannt ist, dass ihn irgendjemand für den Autor hält. Bereits Sueton schrieb, dass der Autor unbekannt sei (was sich meines Wissens seither nicht geändert hat) und manche auf Oppius oder Hirtius spekulieren würden. Und sogar mir als Laien fällt der qualitative Unterschied zwischen Caesars Werken und De bello Hispaniensi auf.
 
Ich hatte mich ein wenig in Hübners Vorschlag verliebt, aber eure Hinweise, Sepiola und Ravenik, lassen mich davon Abstand nehmen. Ich nehme damit Carruca als unidentifizierten befestigten Ort. Inschriften, in denen Carruca vorkommt, habe ich keine gefunden, aber ein paar mit Ucubis und Ventippo. Die Identifikation von Ucubis mit Espejo scheint duch Inschriften gesichert, Ventippo scheint irgendwo bei Estepa (Ostippo) gelegen zu haben, jedenfalls sind die Inschriften zwischen Estepa und La Roda gefunden worden.
Espejo ist im Übrigen eine Lehnübesetzung aus dem arabischen al-Qala'at, so wie wir in Andalusien (und Spanien überhaupt viele Ortsnamen mit Alcalá (la Real, de Henares, de Guadaíra, de los Gazules, de Júcar) haben (Variante: Calatrava, Calatayud); ursprünglich war Espejo Specula, das heißt so viel, wie 'erhöhte Festung', 'Ausguck', speculum und espejo sind der Spiegel.
 
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