Ab wann war das Christentum keine Sekte mehr ?

Die Frage zielt darauf ab, wie sich die Judenchristen (sozusagen im ersten Missionsgebiet) zur jüdischen Revolte verhalten haben? In einem Zusammenhang, für den auch ein Verbot der Synagoge existiert haben soll? Ob damit die Revolte neben den religiösen Grundlagen die Spaltung befördert hat?
 
Die Frage zielt darauf ab, wie sich die Judenchristen (sozusagen im ersten Missionsgebiet) zur jüdischen Revolte verhalten haben? In einem Zusammenhang, für den auch ein Verbot der Synagoge existiert haben soll? Ob damit die Revolte neben den religiösen Grundlagen die Spaltung befördert hat?

Wie meinen? Ein Verbot des Synagogenbesuchs für Judenchristen kenne ich nur im Zusammenhang mit dem Achtzehnfürbittengebet, in dem entsprechendes 90 n. Chr, also nach dem Aufstand, eingefügt wurde.
 
Habe mal eine Frage…
Erfüllen überhaupt die damaligen Anhänger von Jesus den Begriff – Sekte?

Wenn ich mir die Definition – Sekte - bei Wikipedia durchlese frage ich mich, was ist deren Mutterreligion aus denen die hervorgegangen sind, sich abgespalten haben?
 
Jesus war Jude, seine ersten Anhänger waren Juden, es gab zunächst einen Streit darum, ob Nichtjuden überhaupt Teilhaber an der neuen Gemeinschaft werden könnten und wenn ja, ob sie sich beschneiden lassen müssten.
 
Wie meinen? Ein Verbot des Synagogenbesuchs für Judenchristen kenne ich nur im Zusammenhang mit dem Achtzehnfürbittengebet, in dem entsprechendes 90 n. Chr, also nach dem Aufstand, eingefügt wurde.
Verbote und Sanktionen gegen Judenchristen gingen nicht nur vom etablierten Judentum aus. Ich habe schon auf die Ignatiusbriefe hingewiesen, in denen sich Ignatius von Antiochia gegen Judenchristen wendet: "Es ist ungeheuerlich, von Jesus Christus zu reden und den Judaismus zu praktizieren." In dem Brief an die Magnesier schreibt er, dass der Sonntag den Sabbat abgelöst habe. Ignatius wertete das Festhalten von Judenchristen an
jüdischen Festen und Bräuchen geradezu als Häresie.
 
Verbote und Sanktionen gegen Judenchristen gingen nicht nur vom etablierten Judentum aus. Ich habe schon auf die Ignatiusbriefe hingewiesen, in denen sich Ignatius von Antiochia gegen Judenchristen wendet: "Es ist ungeheuerlich, von Jesus Christus zu reden und den Judaismus zu praktizieren." In dem Brief an die Magnesier schreibt er, dass der Sonntag den Sabbat abgelöst habe. Ignatius wertete das Festhalten von Judenchristen an
jüdischen Festen und Bräuchen geradezu als Häresie.

Von christlicher Seite, stimmt.
 
Konflikte waren damit vorprogrammiert. Sueton schreibt in seiner Claudiusbiographie: "Iudeos, impulsore Chresto assidue tumultantis Roma expulit
Die Juden, die von Chrestus angestiftet, ständig Tumulte verursachten, ließ er aus Rom ausweisen.
Sueton, Claudius 25, 4
Sepiola hat in einem anderen Thread auf die Forschungen von Helga Botermann hingewiesen, die davon ausgeht, dass sich das Judenedikt des Claudius vor allem gegen Judenchristen richtete.
Das klingt zwar nicht unplausibel, allerdings ist in der Apostelgeschichte 18,2 auch ausdrücklich von "Juden" die Rede, die auf Befehl von Claudius Rom verlassen mussten. Für Claudius und Sueton mag kein Unterschied zwischen Juden und Judenchristen bestanden haben, aber der christliche Autor der Apostelgeschichte hätte es doch wohl irgendwie zum Ausdruck gebracht, wenn sich die Ausweisung eigentlich primär gegen (Juden-)Christen gerichtet hätte.
 
Das klingt zwar nicht unplausibel, allerdings ist in der Apostelgeschichte 18,2 auch ausdrücklich von "Juden" die Rede, die auf Befehl von Claudius Rom verlassen mussten. Für Claudius und Sueton mag kein Unterschied zwischen Juden und Judenchristen bestanden haben, aber der christliche Autor der Apostelgeschichte hätte es doch wohl irgendwie zum Ausdruck gebracht, wenn sich die Ausweisung eigentlich primär gegen (Juden-)Christen gerichtet hätte.

Lukas schreibt in ApG 18, 2 dass Claudius "alle Juden" aus Rom und Italien habe ausweisen lassen, darunter das Ehepaar Aquila und Prisc(ill)a, bei denen Paulus in Ephesos logierte.

Es stellt sich die Frage, wieviel Lukas überhaupt von Claudius Judenedikt wusste und wissen konnte und wie das Judenedikt des Claudius in der Praxis gehandhabt und umgesetzt
wurde. Rein äußerlich konnten die Römer nicht zwischen Juden und Judenchristen differenzieren. Dass tatsächlich "alle Juden" aus Rom und Italien ausgewiesen wurden, erscheint eher unwahrscheinlich. Es ist denkbar, dass man die Juden auswies, die aufgefallen waren oder nicht in der Lage, der Ausweisung durch Bestechungszahlungen zu entgehen.
 
Soweit es um historische Untersuchungen zum Frühchristentum geht

(etwa in den Disputen zur Chronologie und Datierung, oder zum juristischen Kontext solcher Ausweisungen),

wird das gängig als "literaische Übertreibung" etikettiert.
 
Ich will noch mal auf die Eingangsfrage dieses Threads zurückkommen:

Ab wann war das Christentum keine Sekte mehr?

Eine Sekte in dem Sinne, dass es sich um keine etablierte Religionsgemeinschaft mit alten Traditionen und Liturgie handelte, nicht um eine religio licita wie das Judentum, sondern eine superstitio illicita blieb das Christentum im Grunde bis zur konstantinischen Wende zu Beginn des 4. Jahrhunderts.

Das Christentum war aus dem Judentum entstanden und an der Auseinandersetzung mit dem Judentum gewachsen. Durch die Aufgabe zentraler theologischer Inhalte wie der Beschneidung und der mosaischen Speisegebote war eine Entfremdung zum Judentum praktisch alternativlos, und die Verwerfungen des Jüdischen Krieges und der Wegfall des zentralen Heiligtums, des herodischen Tempels in Jerusalem verstärkte diesen Entfremdungsprozess, so dass das Jahr 70 rückblickend schon so etwas wie eine Zäsur war. Ob sie nun tatsächlich so einschneidend war, wie es einige auch meiner Beiträge suggerieren, sei dahingestellt, aber eine Zäsur war der 1. Jüdische Krieg sicher. Die traditionelle Tempelsteuer, die jeder erwachsene männliche Jude entrichten musste, wurde von den flavischen Kaisern auf den kapitolinischen Juppiter übertragen.

Gleichzeitig hatte das Christentum Missionserfolge in Kleinasien und es etablierten sich christliche Gemeinden in Städten wie Thessaloniki, Antiochia ad Orontem und Ephesos und schließlich auch in der Metropole Rom.

Die römische Gemeinde muss immerhin so zahlreich gewesen sein, dass Nero sie nach dem großen Brand von 64 als Sündenböcke vorschob. Tacitus schreibt von einer großen Zahl und einer "ungeheuren Menge", die auf der Folter als Christen denunziert und exekutiert wurden, aber wenn es auch etliche Exekutionen gegeben haben mochte, waren die Christen zu dieser Zeit eine verschwindende Minderheit innerhalb der Reichsbevölkerung.
Ende des 1., Anfang des 2. Jahrhunderts war das Christentum in Kleinasien immerhin eine Größe in Kleinasien. Plinius geht Ritualmord- und Kannibalismusvorwürfen nach, anscheinend gab es Beschwerden von Silberschmieden, Metzgern und Devotionalienhändlern, einige, aus Sicht der Römer, besonders sture Christen lässt Plinius unter Billigung Trajans hinrichten, doch es soll nicht nach ihnen gefahndet werden.
Diese widersprüchliche Haltung begünstigt zwar die Ausbreitung des Christentums, kann aber auch zu Martyrien führen.
Der Linie Trajans folgen spätere Kaiser und Statthalter. Bis Ende des 2., Anfang des 3. Jahrhunderts konnte sich das Christentum weiter ausbreiten, es findet Anhänger zuweilen unter der Reichsaristokratie Julia Domna korrespondierte mit Origines, und Autoren wie Origines, Tertullian und andere publizieren und setzen sich mit Vorwürfen des Heidentums auseinander.
Mit der Krise des Imperiums seit Marc Aurel kommt es in Gallien zu heftigen Verfolgungen und unter Decius zur ersten reichsweiten Verfolgung die das Christentum auch schwer traf. Die Verfolgung unter Diokletian war die heftigste, von allen Seiten setzte man den Bohrer an, doch wurde diese letzte Verfolgungswelle on verschiedenen Tetrarchen mit unterschiedlicher Intensität geführt. Galerius, der zunächst einer der heftigsten Verfolger war, ging später von dieser Linie ab. Nachdem der römische Staat das Christentum jahrhundertelang bekämpfte, gingen einzelne Tetrarchen und schließlich Constantin zu einer ganz anderen Politik über und versuchte, das Christentum, das gut organisiert war, in den Staatsdienst zu integrieren.
Theodosius machte schließlich das Christentum zur Staatsreligion, aber auch Ende des 4. Jahrhunderts war das Christentum zumindest in der westlichen Reichshälfte eine Minderheit der Reichsbevölkerung.

Zusammenfassen lässt sich sagen, dass das Christentum von der Zeit nach Jesu Tod bis zum großen Brand 64 eine von vielen jüdischen Sekten war, die sich in dieser Zeit bis zur Zerstörung des Tempels immer mehr vom Judentum entfremdete und gleichzeitig auf Interesse innerhalb des hellenistischen Kulturkreises Anhänger gewinnen konnte. Bis zum Ende des 1. Jahrhunderts entwickelte sich das Christentum zu einer von vielen Erlösungsreligionen und Mysterienkulten der hellenistischen Welt. Sein Absolutheitsanspruch und die Verweigerung der Kaiserverehrung machte es suspekt als superstitio illicita, der man misanthropia oder Odium humani generis unterstellte und die von einzelnen Kaisern und Statthaltern in unterschiedlicher Intensität immer wieder durch Verfolgungen bekämpft wurde, bis sich die Einschätzung durchsetzte, eine solche "Sekte", die über eine straffe Organisation verfügte, zu legitimieren und in den Staatsdienst zu integrieren, bis die Superstitio illicita in der Lage war ihrerseits andere Religionen zu verfolgen. Im 4. Jahrhundert, nachdemer das Christentum egalisierte, nahm Constantin dem Judentum den Status einer "religio licita".
 
Der Zuzug auf römisches Gebiet war ein Recht, das nicht allen Bevölkerungsgruppen zukam. Ab und an wurden bestimmte Gruppen aus Rom ausgewiesen. Da nach dem Bundesgenossenkrieg der größte Teil Italias als römisches Gebiet galt, kamen diese Ausweisungen Ausweisungen aus Italien gleich. Das war nichts, um das es ein großes Geheimnis gab und Lukas sicher bekannt. Zudem musste er ja nur wissen, dass die Juden ausgewiesen wurden und es auch die von ihm genannten Christen traf. Und um die übliche Korruption hat er sicher auch gewusst.

In der Regel kam es nur dann zu solchen Ausweisungen, wenn die Anwesenheit solcher Gruppen zu Problemen führte oder zu einem Politikum wurde. Es ist oft spekuliert worden, dass die Ausweisung unter Claudius auf Auseinandersetzungen zwischen Juden und Christen zurückzuführen seien. Wie dem auch sei, bleibt fraglich, ob so früh schon Heidenchristen in Rom von offiziellen Stellen wahrgenommen wurden. Dass diese von den Ausweisungen betroffen waren, ist jedenfalls nicht zu erkennen.
 
Der Zuzug auf römisches Gebiet war ein Recht, das nicht allen Bevölkerungsgruppen zukam. Ab und an wurden bestimmte Gruppen aus Rom ausgewiesen. Da nach dem Bundesgenossenkrieg der größte Teil Italias als römisches Gebiet galt, kamen diese Ausweisungen Ausweisungen aus Italien gleich. Das war nichts, um das es ein großes Geheimnis gab und Lukas sicher bekannt. Zudem musste er ja nur wissen, dass die Juden ausgewiesen wurden und es auch die von ihm genannten Christen traf. Und um die übliche Korruption hat er sicher auch gewusst.

In der Regel kam es nur dann zu solchen Ausweisungen, wenn die Anwesenheit solcher Gruppen zu Problemen führte oder zu einem Politikum wurde. Es ist oft spekuliert worden, dass die Ausweisung unter Claudius auf Auseinandersetzungen zwischen Juden und Christen zurückzuführen seien. Wie dem auch sei, bleibt fraglich, ob so früh schon Heidenchristen in Rom von offiziellen Stellen wahrgenommen wurden. Dass diese von den Ausweisungen betroffen waren, ist jedenfalls nicht zu erkennen.

Auch Tiberius ließ Juden aus Rom ausweisen:

Sueton Tiberius 36: Der Einführung fremder Religionsgebräuche, namentlich der ägyptischen und jüdischen Kulte gebot er Einhalt. Er zwang die leute, die sich zu solchem Aberglauben bekannt hatten, die zu ihrem Gottesdienst gehörigen Kleider samt allem Kultgerät zu verbrennen. Die jungen Juden ließ er zum Kriegsdienst einziehen und unter diesem Vorwand über die Provinzen mit ungesundem Klima verteilen. Die übrigen Juden und Angehörigen judaisierender Sekten wies er aus Rom aus. Jeder der diesem Gebot nicht nachkam, hatte die Strafe lebenslänglicher Sklaverei zu erwarten.

Außerdem ließ Tiberius, obwohl er selbst eine Leidenschaft für Astrologie hatte und Thrasyllus förderte, die Astrologen aus Italien ausweisen.

Sueton Tiberius 36:

Auch die Astrologen trieb er aus Rom, doch erlaubte er denen zu bleiben, die sich mit einem Bittgesuch an ihn gewendet hatten und versprachen, ihre Kunst nicht mehr auszuüben.

Mit Landesverweisung ging Tiberius auch gegen römische Matronen vor, die sich als Prostituierte hatten eintragen lassen und junge Leute aus dem Ritter- und Senatorenstand, die eine entehrende Verurteilung auf sich nahmen, um sich danach als Schauspieler oder Gladiatoren betätigen zu können.

Sueton, Tiberius 35.
 
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